ECLI:DE:BFH:2023:U.221123.IR9.20.0
BFH I. Senat
KStG § 8 Abs 3 S 2, KStG VZ 2008
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht , 28. November 2019, Az: 1 K 88/16
Leitsätze
Für die Frage, ob eine Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, ist bei der Prüfung eines möglicherweise fehlenden Zuwendungswillens aufgrund Irrtums des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht darauf abzustellen, ob einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter der Irrtum gleichfalls unterlaufen wäre. Maßgebend ist allein, ob der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer einem solchen Irrtum unterlegen ist.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 28.11.2019 - 1 K 88/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH; ihr Stammkapital (… €) wurde von der alleinigen Gesellschafterin B in Höhe von … € durch Einbringung eines 100%igen Geschäftsanteils an der … GmbH (GmbH) sowie in Höhe von … € durch Bareinlage erbracht.
Im Zuge der Gründung der Klägerin war unter anderem thematisiert worden, wie eine für erforderlich erachtete Kapitalerhöhung bei der einzubringenden GmbH-Beteiligung erfolgen könnte. Hierzu war am 11.08.2008 in der Kanzlei des steuerlichen Beraters (C) ein Aktenvermerk gefertigt worden:
"[…] Die … GmbH soll in die neu zu gründende [Klägerin] eingebracht werden. Die … GmbH hat ein Stammkapital in Höhe von € …, die [Klägerin] soll durch Sacheinlage der Anteile an der … GmbH in Höhe von € … und durch Bareinlage in Höhe von € … gegründet werden. … Gleichzeitig möchte Frau [B] das Stammkapital der … GmbH von € … um € … auf € … erhöhen. … In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, in welcher Reihenfolge die Kapitalerhöhung bezogen auf die Umstrukturierung durchgeführt wird: …
1. Die Kapitalerhöhung wird vor der Einbringung durch die Gesellschafterin Frau [B] durchgeführt. Es erfolgt eine Einzahlung in Höhe von € … von [B] privat, ihre Anschaffungskosten (§ 17 EStG) erhöhen sich entsprechend. Die Kapitalerhöhung findet aufschiebend bedingt statt. Da … hierin ein haftungsrechtliches Problem sieht, haben wir uns gegen diese Vorgehensweise entschieden. …
2. Es werden zuerst die Anteile an der … GmbH mit einem Stammkapital in Höhe von € … in die [Klägerin] eingebracht. Nach Eintragung der [Klägerin] wird das Kapital der … GmbH auf € … erhöht. Die Erhöhung erfolgt durch die [Klägerin], indem diese mit € … in bar und € … Sacheinlage gegründet wird, ihr somit liquide Mittel in Höhe von € … zur Verfügung stehen. …
Nach Rücksprache mit Frau [B] soll die zweite Variante durchgeführt werden."
Die Erhöhung des Stammkapitals der GmbH wurde am ….12.2008 beschlossen. Der Vorgang war von Seiten der GmbH maßgeblich von einem ihrer Mitarbeiter (M) sowie durch C vorbereitet worden. Insofern hatte C einen Entwurf für den zu beurkundenden Gesellschafterbeschluss erstellt, den er zunächst am 25.11.2008 per E-Mail der GmbH übersandte. Der Entwurf lautete auszugsweise wie folgt: "[…] Es wird festgestellt, dass in dieser ordentlichen Gesellschafterversammlung das Gesellschafterkapital vollständig vertreten ist, nämlich durch Gesellschafter [Klägerin] (100 % der Anteile am Gesellschafterkapital). ….
Unter Verzicht auf sämtliche Frist- und Formvorschriften wird eine Gesellschafterversammlung abgehalten. Folgende Punkte wurden abgehandelt:
Das Stammkapital wird durch eine Bareinlage in Höhe von … € von … € auf … € erhöht. […]."
B leitete den Entwurf am 02.12.2008 per E-Mail an M weiter. Dieser vereinbarte daraufhin einen Beurkundungstermin für den 09.12.2008. Am 03.12.2008 übersandte er den oben genannten Entwurf per E-Mail an das Notarbüro. Aufgrund eines durch einen Notfall erforderlich gewordenen mehrtägigen Krankenhausaufenthalts der B konnte diese den Termin am 09.12.2008 nicht einhalten. Die Beurkundung wurde daher auf den Tag ihrer Krankenhausentlassung verlegt. Vor dem Beurkundungstermin gab es keinen weiteren Kontakt mit dem Notarbüro; weder wurde der Beschlussinhalt weitergehend abgestimmt noch wurden seitens des Notarbüros vorab schriftliche Entwürfe des zu beurkundenden Beschlusses zur Verfügung gestellt. In der notariellen Urkunde über die Beschlussfassung heißt es:
"… erschien heute: …
Frau [B], …, handelnd wie folgt: …
1. als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der [Klägerin] …
2. im eigenen Namen …
Dieselbe erklärte: …
Die Beteiligte zu 1), die [Klägerin], ist alleinige Gesellschafterin der […] GmbH […], deren Stammkapital insgesamt … € […] beträgt. … Unter Verzicht auf alle Frist- und Formvorschriften der Ankündigung und Einberufung halten die Beteiligten hiermit eine außerordentliche Gesellschafterversammlung ab und beschließen folgendes: …
1. Das Stammkapital der Gesellschaft wird von … € […] um … € […] auf … € […] erhöht. …
Es wird ein neuer Geschäftsanteil zum Nennbetrag von … € […] gebildet. …
2. Der neue Geschäftsanteil wird zum Nennwert ausgegeben und ist in Geld zu erbringen. …
3. Die Erschienene zu 2), Frau [B], wird zur Übernahme des Geschäftsanteils in Höhe von … € […] zugelassen. …
Hierzu erklärt die Erschienene zu 2), dass sie den neuen Geschäftsanteil übernimmt. … ."
Neben B waren im Beurkundungstermin der Notar und eine Angestellte des Notars anwesend. Die Urkunde wurde von der Angestellten des Notars verlesen, eine Leseabschrift erhielt B nicht. Die Urkunde wurde von B unterzeichnet. Ferner befindet sich eine Unterschrift der B mit Datumsangabe ….12.2008 unter einer "Liste der Übernehmer", auf der sich auch die Unterschrift ihres Ehemanns befindet. Die Liste wurde neben der notariellen Niederschrift über die außerordentliche Gesellschafterversammlung und dem Gesellschaftsvertrag der ebenfalls vom Notar verfassten Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister beigefügt. Die Anmeldung wurde mit der Datumsangabe ….12.2008 von B unterzeichnet. Bereits am 09.12.2008 hatte die Klägerin die Stammeinlage in Höhe von … € an die GmbH gezahlt.
Die Kapitalerhöhung wurde am ….02.2009 in das Handelsregister eingetragen. Am ….03.2009 übermittelte die amtlich bestellte Vertreterin des Notars dem Registergericht eine von ihr unterzeichnete Liste der Gesellschafter, in der sowohl B als auch die Klägerin aufgeführt waren. Der B war diese Liste nicht bekannt.
Die Klägerin bilanzierte in der Folge beide Geschäftsanteile an der GmbH in ihrem Anlagevermögen. Sämtliche in der Folgezeit gefassten Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH wurden allein durch die Klägerin gefasst. In den Protokollen über die ordentlichen Gesellschafterversammlungen vom ….12.2008 und vom ….12.2009, die jeweils von B unterzeichnet wurden, wurde die Klägerin als zu 100 % an der GmbH beteiligt bezeichnet.
Am ….05.2010 wurde ein "Geschäftsanteilsübertragungsvertrag" beurkundet:
"[…] erschien heute: …
Frau [B] […], handelnd wie folgt: …
1. im eigenen Namen …
2. als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der [Klägerin] […]
Dieselbe erklärte: …
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind […] die alleinigen Gesellschafter der […] … GmbH […], deren Stammkapital … € […] beträgt. …
Durch Gesellschafterbeschluss vom ….12.2008 […] hat die … GmbH ihr damaliges Stammkapital in Höhe von … € […] um … € […] auf … € […] erhöht. … Im Rahmen des Kapitalerhöhungsbeschlusses hat die Erschienene zu 1) den neu gebildeten Geschäftsanteil Nr. 1 in Höhe von … € […] übernommen und ist somit Gesellschafterin der … GmbH geworden. Die Übernahme des neu gebildeten Geschäftsanteils Nr. 1 in Höhe von … € […] durch die Erschienene zu 1) erfolgte im Rahmen des Kapitalerhöhungsbeschlusses irrtümlich. …
Vielmehr sollte die [Klägerin] als zum damaligen Zeitpunkt alleinige Gesellschafterin neben ihrem Geschäftsanteil Nr. 2 in Höhe von … € […] den weiteren, durch den Kapitalerhöhungsbeschluss gebildeten Geschäftsanteil Nr. 1 in Höhe von … € […] anstatt der Erschienenen zu 1) übernehmen. …
Die auf den neuen Geschäftsanteil zu zahlenden Leistungen wurden deshalb auch von der [Klägerin] erbracht. …
Um nunmehr die Gesellschaftsstruktur zu schaffen, die bereits durch den Kapitalerhöhungsbeschluss vom ….12.2008 […] gebildet werden sollte, schließen die Beteiligten zu 1) und 2) den folgenden … Geschäftsanteilsübertragungsvertrag …
I. Die Erschienene zu 1), […] überträgt hiermit an die Erschienene zu 2) […] ihren vorgenannten Geschäftsanteil Nr. 1 in Höhe von … € […] mit folgenden Vereinbarungen: …
1. Die Übertragung erfolgt mit allen Rechten und Pflichten, auch bezüglich des Gewinnbezugsrechts, mit Wirkung zum ….12.2008. […]".
Im Jahr 2013 führte das Finanzamt … unter anderem bei der Klägerin eine Außenprüfung durch und gelangte zu der Ansicht, dass die Klägerin auf eine Teilnahme an der Kapitalerhöhung bei der GmbH vom ….12.2008 verzichtet und sie stattdessen unentgeltlich B ermöglicht habe, daran teilzunehmen. In diesem Verzicht liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zugunsten der B, die mit dem Teilwert des im Rahmen der Kapitalerhöhung von B erworbenen Geschäftsanteils zu bewerten sei (… € nach einer Ermittlung im vereinfachten Teilwertverfahren). Ferner habe die Klägerin anstelle der B die Stammeinlage in Höhe von … € eingezahlt. Auch darin sei eine vGA zu sehen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte diesen Feststellungen und erließ am 05.09.2014 geänderte Bescheide unter anderem über die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag 2008 (Streitjahr). Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht (FG), die erfolglos blieb (Urteil vom 28.11.2019 - 1 K 88/16, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2020, 595).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung von Bundesrecht geltend macht.
Sie beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 28.11.2019 - 1 K 88/16 aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 2008 sowie den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2008, jeweils vom 05.09.2014 und jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2016, dahingehend zu ändern, dass vom Ansatz einer vGA in Höhe von … € abgesehen und die Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend niedriger festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass es für die Frage, ob eine Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, im Falle eines (vermeintlichen) Irrtums des Gesellschafter-Geschäftsführers bei der zur Vermögensverschiebung führenden Beschlussfassung auf den objektivierenden Maßstab eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters und dabei darauf ankomme, ob einem solchen Geschäftsleiter ein solcher Irrtum unterlaufen wäre. Vielmehr ist alleine maßgebend, ob der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer einem Irrtum unterlegen war, sodass diese Frage vom FG nicht offen gelassen werden konnte, sie vielmehr noch aufzuklären ist.
1. VGA sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen (verhinderte Vermögensmehrungen), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ‑‑jeweils in der Fassung des Streitjahres‑‑ auswirken und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stehen. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (z.B. Urteile vom 16.03.1967 - I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom 08.10.2008 - I R 61/07, BFHE 223, 131, BStBl II 2011, 62; vom 22.12.2010 - I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019; vom 15.02.2012 - I R 19/11, BFHE 236, 452; Beschluss vom 13.07.2021 - I R 16/18, BFHE 274, 36, BStBl II 2022, 119). Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (z.B. Senatsurteile vom 07.08.2002 - I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 22.08.2007 - I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961; vom 04.05.2022 - I R 25/19, BFH/NV 2022, 1313; Beschluss vom 13.07.2021 - I R 16/18, BFHE 274, 36, BStBl II 2022, 119).
2. Es ist zunächst offensichtlich und zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit, dass B aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom ….12.2008 das zivilrechtliche Eigentum an dem durch die Kapitalerhöhung entstandenen Geschäftsanteil erworben hat. Mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister wurde die dort enthaltene Übertragungsvereinbarung wirksam und B, die zuvor nicht (mehr) Gesellschafterin der GmbH gewesen war, wurde durch die Übernahme des neuen Geschäftsanteils deren Gesellschafterin. Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren auch nicht mehr darüber, dass der neu entstandene Geschäftsanteil bis zu seiner (Weiter-)Übertragung auf die Klägerin im Jahr 2010 auch steuerrechtlich der B zuzurechnen war, weil es ‑‑wie auch das FG ausgeführt hat‑‑ schon an einer bürgerlich-rechtlichen Vereinbarung fehlt, der zufolge die mit dem neu entstandenen Geschäftsanteil zusammenhängenden wesentlichen Rechte der Klägerin zugewiesen worden wären. Der Senat sieht von Ausführungen dazu ab.
Dass auch auf Grundlage des Rechtsgedankens des § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) keine anderweitige Zurechnung in Betracht kommen kann, folgt schon daraus, dass der Übertragungsvorgang zivilrechtlich wirksam vereinbart worden ist und eine Ausdehnung der Vorschrift auf zivilrechtlich wirksame, wirtschaftlich aber nicht gewollte Vorgänge nach dem Normwortlaut nicht in Betracht kommt. Ebenso ist es ausgeschlossen, dass die im Jahr 2010 erfolgte (Weiter-)Übertragung des Geschäftsanteils von B auf die Klägerin nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf das Streitjahr zurückwirken könnte, denn der Übertragungsvertrag vom ….05.2010 ließ bis zu seinem Inkrafttreten die Vereinbarung vom ….12.2008 in ihrem rechtlichen Bestand ebenso unberührt wie die durch sie geschaffenen steuerrechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen.
3. Da die Klägerin rechtlich und wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre, für das Ausüben des ihr zustehenden Bezugsrechts ein (angemessenes) Entgelt zu erzielen und damit einen bilanzierungsfähigen Vermögensvorteil zu erlangen, liegt im Ausbleiben dieses Vorteils dadurch, dass eine andere Person zur Übernahme des neuen Geschäftsanteils zugelassen wurde, eine verhinderte Vermögensmehrung, die als solche zu einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG führen kann (vgl. allgemein Senatsurteil vom 15.12.2004 - I R 6/04, BFHE 209, 57, BStBl II 2009, 197). Dabei wurde B begünstigt, indem sie ‑‑unentgeltlich‑‑ zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung zugelassen wurde.
4. Der Senat kann indessen nicht abschließend darüber entscheiden, ob die verhinderte Vermögensmehrung auf Seiten der Klägerin ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis gehabt hat.
a) Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist nach der Senatsrechtsprechung anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (s. die Nachweise zu 1. der Gründe). Dieser Maßstab ist eine "Denkfigur", die helfen soll, die Veranlassung einer Leistung an den Gesellschafter möglichst objektiv zu beurteilen (z.B. Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 234; ausführlich Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, S. 143 ff.). Subjektive Handlungserfordernisse bestehen insoweit prinzipiell nicht, um das Vorliegen einer vGA annehmen zu können (zutreffend Wassermeyer, Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 1994, 1105, 1107 f.; Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 276; Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 249). Es bedarf damit in der Regel weder der Absicht, Gewinne verdeckt auszuschütten, noch eines entsprechenden Ausschüttungsbewusstseins. Der handelnde Gesellschafter muss nicht mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis handeln, er muss den Tatbestand der vGA nicht kennen und er muss das Geschehene auch nicht richtig würdigen (vgl. Senatsurteil vom 10.01.1973 - I R 119/70, BFHE 108, 183, BStBl II 1973, 322), vielmehr genügt in aller Regel ein persönlich zurechenbares Handeln. Die objektiven Abläufe sprechen insoweit grundsätzlich für sich und reichen aus, um den Tatbestand einer vGA erfüllen zu können (so Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 276).
b) Diese Grundsätze gelten aber nicht uneingeschränkt, da es zur Annahme einer vGA ‑‑so wie bei einer offenen Gewinnausschüttung‑‑ eines Zuwendungswillens bedarf (z.B. Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, S. 49, 52 f., 58 f.). Steht deshalb zur Überzeugung eines FG fest, dass die (objektive) Vorteilsverschiebung von der Kapitalgesellschaft zugunsten des Gesellschafters nicht aus gesellschaftlichen Gründen erfolgt ist, scheidet eine vGA aus, weil es dann an der konkreten Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis fehlt (vgl. Senatsurteile vom 29.04.2008 - I R 67/06, BFHE 221, 201, BStBl II 2011, 55; vom 28.04.2010 - I R 78/08, BFHE 229, 234, BStBl II 2013, 41). Dies kann etwa bei subjektiven Entschuldigungsgründen (aufgrund Unerfahrenheit oder der besonderen persönlichen Situation des Handelnden) der Fall sein (vgl. Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 277, m.w.N.; s.a. Kohlhepp, DB 2021, 636, 640; ablehnend aber wohl Schmitz, GmbH-Rundschau ‑‑GmbHR‑‑ 2009, 910, 914).
c) Mit den vorgenannten Ausführungen ist die Auffassung des FG, wonach es darauf ankommen soll, ob auch ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter im konkreten Fall die Vermögensverschiebung aufgrund Irrtums nicht erkannt hätte (dem FG zustimmend z.B. Brandis/Heuermann/Rengers, § 8 KStG Rz 371, m.w.N.; ähnlich Kamps, GmbHR 2008, 940, 944), nicht vereinbar; eine solche Rechtsfrage hatte der Senat im Urteil vom 29.04.2008 - I R 67/06 (BFHE 221, 201, BStBl II 2011, 55) auch nicht "offen gelassen" (so aber Göllner, EFG 2020, 601, 602). Richtig ist vielmehr, dass subjektive Entschuldigungsgründe unabhängig vom verobjektivierenden Maßstab des ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters die "konkrete" Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis entfallen lassen können (zutreffend Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 277; Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 227 und 1193; Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 355; derselbe, DB 2021, 636, 640; Wassermeyer, DB 2001, 2465, 2467 f.).
Die Rechtsauffassung des FG, in Fällen, in denen der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer irrtumsbedingt gehandelt habe, bestehe weder ein Anlass noch eine Rechtfertigung dafür, vom Maßstab des ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters abzuweichen, ist abzulehnen. Das folgt schon daraus, dass der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eine idealtypische Denkfigur ist, die alle Gegebenheiten des Geschäftsvorfalls kennt und sich infolgedessen per definitionem nicht in einem Irrtum befinden kann.
Legt der Gesellschafter-Geschäftsführer vielmehr glaubhaft dar, dass eine Vermögensverschiebung an ihn nicht stattfinden sollte und dass damit kein Zuwendungsbewusstsein vorhanden war, ist der konkrete betriebliche Veranlassungszusammenhang gesichert und man gelangt bei der Prüfung nicht mehr zu einer "Umdeutung" infolge des gedachten Norm-Verhaltens eines typisierten sorgfältig handelnden Geschäftsführers. In derartigen Ausnahmefällen ist es daher möglich, dass es dem Gesellschafter-Geschäftsführer gelingt, entgegenstehende Vermutungen des Fremdvergleichs durch einen konkreten Veranlassungsnachweis zu widerlegen (zutreffend Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 277).
Fehlt es an jeglichem finalen Zuwendungswillen in Richtung eines Vermögenstransfers zu Lasten der Gesellschaft und zugunsten des Gesellschafters und steht fest, dass die Vorteilsverschiebung nicht aus gesellschaftlichen Gründen erfolgt ist, kann eine vGA wegen fehlender konkreter Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis ausscheiden (so ausdrücklich Senatsurteil vom 29.04.2008 - I R 67/06, BFHE 221, 201, BStBl II 2011, 55). Dass im Rahmen des Tatbestands der vGA ausnahmsweise subjektive Elemente von Bedeutung sein können, zeigt sich beispielsweise darin, dass die durch einen Buchungsfehler des steuerlichen Beraters irrtumsbedingt ausgelösten Vermögensverschiebungen zu korrigieren sind (Senatsurteil vom 24.03.1998 - I R 88/97, BFH/NV 1998, 1374; s.a. Köster, Deutsche Steuer-Zeitung ‑‑DStZ‑‑ 2020, 431, 432; derselbe, DStZ 2020, 925, 934).
d) Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist aber nicht spruchreif; denn das FG durfte die Frage, ob B zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am ….12.2008 tatsächlich einem Irrtum über den Inhalt des Beschlusses unterlag, nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht unaufgeklärt lassen. Bei dieser Tatsachenfrage kommt es entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Einlassungen der B und ihre Glaubwürdigkeit an; eine entsprechende Tatsachenfeststellung und -würdigung ist Aufgabe des FG als Tatsachengericht.
e) Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin:
Die streitgegenständlichen Geschäftsvorfälle (einerseits die unentgeltliche Überlassung des Bezugsrechts durch die Klägerin an B, andererseits die für diese verauslagte Bareinlage) sind, wie auch das FG erkannt hat, getrennt voneinander zu beurteilen (vgl. zur geschäftsvorfallbezogenen Betrachtungsweise z.B. Senatsurteil vom 28.04.2010 - I R 78/08, BFHE 229, 234, BStBl II 2013, 41; Senatsbeschluss vom 27.07.2010 - I B 61/10, BFH/NV 2010, 2119).
Für den ersten Geschäftsvorfall ist Beurteilungszeitpunkt bei der Prüfung des Vorliegens der gesellschaftlichen Veranlassung der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (s. allgemein die ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 22.04.1971 - I R 114/70, BFHE 102, 268, BStBl II 1971, 600; Senatsbeschluss vom 12.09.2018 - I R 77/16, BFH/NV 2019, 296). Ein späteres Entdecken eines dabei unterlaufenen Irrtums ist insoweit irrelevant und würde nicht gegen das ursprüngliche Vorliegen eines Irrtums sprechen. Der Senat teilt dabei die Auffassung des FG, dass sich die Höhe einer gegebenenfalls anzunehmenden vGA nach dem ‑‑zwischen den Beteiligten nicht streitigen‑‑ Wert richten würde, den die Klägerin im Falle einer Verwertung des Bezugsrechts von einem gedachten Erwerber hätte erlangen können. Diesen Betrag haben das FA und das FG mit dem Wert des infolge der Ausübung des Bezugsrechts erworbenen neuen Geschäftsanteils bemessen. Indessen ist zu beachten, dass auch ein Dritter als Erwerber des Bezugsrechts zum Erwerb des Geschäftsanteils die von der Klägerin verauslagte Bareinlage in Höhe von … € hätte leisten müssen. Die Verpflichtung zur Leistung der Bareinlage wäre mithin bei der Bemessung des fremdvergleichskonformen Preises für den Erwerb des Bezugsrechts mit zu berücksichtigen. Zutreffend hat das FG die mögliche vGA zeitlich auf das Streitjahr bezogen; das FA ist zutreffend (und von der Klägerin unwidersprochen) davon ausgegangen, dass die Klägerin das Bezugsrecht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beschlussfassung zur Kapitalerhöhung hätte verwerten können (bilanzierungsfähiger Vermögensvorteil).
Die vorstehenden Ausführungen gelten mit Blick auf den zweiten Geschäftsvorfall sinngemäß für die Frage, ob in der Zahlung der Kapitaleinlage in Höhe von … € durch die Klägerin eine weitere vGA zu sehen ist (Tilgung einer Verbindlichkeit der Gesellschafterin). Auch insoweit ist nochmals zu prüfen, ob eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis irrtumsbedingt ausgeschlossen werden kann.
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.