ECLI:DE:BFH:2023:U.230823.XR10.22.0
BFH X. Senat
EStG § 10 Abs 1 Nr 3 S 1 Buchst a, FGO § 118 Abs 2, EStG VZ 2013 , EStG VZ 2014
vorgehend FG Düsseldorf, 14. Oktober 2021, Az: 11 K 3144/15 E
Leitsätze
NV: Die Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen und Würdigungen des Finanzgerichts ‑‑FG‑‑ (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung) entfällt unter anderem, wenn das FG gesetzliche oder sonst anerkannte Auslegungsregeln verletzt, wichtige Aspekte fehlen, entscheidende Gesichtspunkte nicht entsprechend ihrer Bedeutung in die Abwägung eingeflossen sind oder die Würdigungen widersprüchlich sind (Parallelentscheidung zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.08.2023 - X R 15/22, BFH/NV 2023, 1397).
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.10.2021 - 11 K 3144/15 E aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2013 und 2014 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Die Klägerin ist selbständig tätig und zahlte für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall in den beiden Streitjahren jeweils die folgenden Beiträge an einen eingetragenen Verein (V):
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Basis-Krankheitskostenvorsorge: 3.142,11 €;
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Beitragsanteile für eine über die Basisvorsorge hinausgehende Krankheitskostenvorsorge: 297,15 €;
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Vorsorge für das Pflegerisiko: 124,74 €; insoweit ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass ein Sonderausgabenabzug nicht möglich ist (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 12.08.2020 - X R 12/19, BFHE 270, 409, Rz 44 f.).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) versagte den begehrten Sonderausgabenabzug unter Berufung auf die Rechtsprechung, die zu der ‑‑abweichenden‑‑ bis 2012 geltenden Rechtslage ergangen ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21.02.2014 - X B 142/13, BFH/NV 2014, 899).
Das anschließende Klageverfahren ruhte zunächst im Hinblick auf das seinerzeit noch anhängige Revisionsverfahren X R 12/19. Nach Ergehen des Senatsurteils vom 12.08.2020 - X R 12/19 (BFHE 270, 409) wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 39). Es fehle jedenfalls an dem ‑‑nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes erforderlichen‑‑ Anspruch der Mitglieder auf Leistungen des V. Zwar sei in § 176 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zwischenzeitlich eine Bestandsschutzregelung für Solidargemeinschaften geschaffen worden. Diese gelte aber nicht rückwirkend für die Streitjahre.
Wegen der Einzelheiten zu den Satzungen und Ordnungen des V, zum Vorbringen der Beteiligten und zum Inhalt des angefochtenen Urteils wird auf den Tatbestand des in einem Parallelverfahren ergangenen Senatsurteils vom 23.08.2023 - X R 15/22 (BFH/NV 2023, 1397) verwiesen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2013 vom 26.02.2015 und für 2014 vom 28.05.2015 dahingehend zu ändern, dass jeweils weitere 3.142,11 € für die Basis-Krankheitskostenvorsorge und jeweils weitere 297,15 € für eine über die Basisabsicherung hinausgehende Krankheitskostenvorsorge als Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt werden.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Zur Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 23.08.2023 - X R 15/22 (BFH/NV 2023, 1397), das ein Parallelverfahren zum dortigen Streitjahr 2016 betrifft. Im Jahr 2016 hat sich die Sach- und Rechtslage im Vergleich zu den hiesigen Streitjahren 2013 und 2014 ‑‑vorbehaltlich weiterer Feststellungen des FG‑‑ nicht in entscheidungserheblicher Weise geändert.
Die einzige derzeit für den Senat erkennbare Abweichung zwischen den beiden Sachverhalten liegt darin, dass die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Satzung des V, wonach V auch dann ein Recht zur außerordentlichen Kündigung hatte, wenn ein Mitglied mit seinen Mitgliedsbeiträgen oder beschlossenen Sonderzahlungen beziehungsweise Nachschüssen länger als drei Monate im Rückstand geblieben ist, im vorliegenden Fall während der gesamten Streitjahre gültig war, allerdings im Verlauf des Jahres 2016 ‑‑dem Streitjahr des Verfahrens X R 15/22‑‑ aufgehoben worden ist.
2. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.