ECLI:DE:BFH:2023:B.200623.VIIR2.21.0
BFH VII. Senat
StromStG § 5 Abs 1, StromStG § 9 Abs 1 Nr 2, EGRL 96/2003 Art 14 Abs 1 Buchst a, KN Pos 2716
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 20. Oktober 2020, Az: 11 K 2696/18
Leitsätze
1. NV: Für sogenannte technische Betriebsverbräuche, die für einen dauerhaften und störungsfreien Betrieb der Umspannanlagen eines Netzbetreibers notwendig sind, entsteht die Stromsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG) durch Entnahme aus dem Versorgungsnetz.
2. NV: Der Verbrauch von Strom durch einen Netzbetreiber in seinen Umspannanlagen ist nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg vom 20.10.2020 - 11 K 2696/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Stromsteuer für das Jahr 2015.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Netzbetreiberin. Ihre wirtschaftliche Tätigkeit bildet der Betrieb, die Instandhaltung, die Planung und der Ausbau eines Netzes für Strom. Der Klägerin beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) die Erlaubnis als Versorger im Steuergebiet gemäß § 4 des Stromsteuergesetzes a.F. erteilt.
Um den im Spannungsnetz (380 kV) der Klägerin transportierten Strom durch die Verteilnetze geringerer Spannung (110 kV) leiten zu können, muss der Strom in von der Klägerin betriebenen Umspannwerken umgespannt werden. Hierzu wird der über die Spannungsleitung ankommende Strom (380 kV) zunächst über Schaltfelder auf die 380 kV-Sammelschiene in den Umspannwerken übertragen. Anschließend findet jeweils in Transformatoren die Umspannung von 380 kV auf 110 kV zur Weitergabe in das Verteilnetz beziehungsweise auf 20 kV zur weiteren Umspannung für den technischen Betriebsverbrauch statt. Der in den Transformatoren auf 110 kV umgespannte Strom wird in die Felder der B GmbH auf dem Betriebsgelände der Umspannwerke weitergeleitet und von dort durch die B GmbH in deren Verteilnetz übertragen. Der in den Transformatoren auf 20 kV umgespannte Strom wird unmittelbar Eigenverbrauchstransformatoren zugeführt, welche den Strom von 20 kV auf 400 V umspannen. Dieser Strom wird in das örtliche 400-V-Netz der Umspannwerke eingespeist und den Aggregaten der Klägerin und der B GmbH zum Betrieb der Anlagen in den Umspannwerken, unter anderem Trafolüfter, Ölpumpen, Heizungen, Licht- und Steuerungstechnik, Batterien für die Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV), Leistungsschalter sowie Hebel- und Scherentrenner zugeleitet. Die in das 400-V-Netz eingespeisten Strommengen werden am Übergabepunkt 20 kV zu 400 V über marktfähige Stromzähler gemessen und sodann in den für den Betrieb der Umspannwerke erforderlichen genannten Aggregaten der Klägerin und der B GmbH eingesetzt, wobei die streitgegenständliche Strommenge von … MWh unstreitig nur die auf die Anlagen der Klägerin entfallenden Verbrauchsmengen im Streitjahr 2015 umfasst. Die Verbräuche der (Umspann-)Anlagen selbst hat die Klägerin nicht ermittelt. Eine Entnahme des in das 400-V-Netz eingespeisten Stroms durch Dritte außer der B GmbH beziehungsweise eine Abgabe von Strom aus den Umspannwerken war technisch nicht möglich.
Mit Stromsteueranmeldung vom 31.05.2016 meldete die Klägerin für das Kalenderjahr 2015 insgesamt … MWh Strom nach dem Regelsteuersatz von 20,50 € je MWh zur Versteuerung an. Unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von … € ergab sich eine Erstattung von Stromsteuer zugunsten der Klägerin in Höhe von … €.
Am 16.12.2016 reichte die Klägerin eine korrigierte Steueranmeldung für das Kalenderjahr 2015 ein, in der sie nunmehr … MWh Strom zur Versteuerung anmeldete. Zur Begründung führte sie ‑‑unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 24.02.2016 - VII R 7/15 (BFHE 252, 568)‑‑ aus, dass der Begriff des Leitungsnetzes weit auszulegen sei und alle Umspanneinrichtungen und Schaltwerke des Netzbetreibers umfasse. Eine Entnahme aus dem Versorgungsnetz im Sinne des § 5 Abs. 1 des Stromsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (StromStG) finde deshalb für dort verwendete Strommengen nicht statt.
Das HZA wertete dies als Korrekturantrag zur Steueranmeldung vom 31.05.2016 und setzte mit Stromsteuerbescheid vom 20.01.2017 die Stromsteuer für das Kalenderjahr 2015 ausgehend von einer Strommenge von … MWh und dem Regelsteuersatz von 20,50 € je MWh auf … € fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe für die im Streitjahr 2015 getätigten Betriebsverbräuche zutreffend Stromsteuer in Höhe von … € festgesetzt. Die Klägerin habe die entsprechende Strommenge dem Versorgungsnetz zum Selbstverbrauch entnommen, weshalb die Stromsteuer nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StromStG entstanden sei. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Stromsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG seien nicht erfüllt und eine Steuerbefreiung auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten.
Die Klägerin begründet ihre Revision mit folgenden Erwägungen:
Bei den technischen Betriebsverbräuchen handele es sich nicht um Entnahmen aus dem Versorgungsnetz, sondern um Verbräuche innerhalb des Versorgungsnetzes, die als Transportverluste den Umspann- und Leitungsverlusten gleichzusetzen seien. Zwar entstünden diese technischen Betriebsverbräuche nicht ohne jedes menschliche Zutun, jedoch zwangsläufig, weil anderenfalls die Umspannwerke und das Versorgungsnetz nicht störungsfrei betrieben werden könnten.
Der Begriff der Entnahme müsse entsprechend dem Sinn und Zweck der stromsteuerrechtlichen Regelung ausgelegt werden. Im Streitfall hätten die Strommengen das Versorgungsnetz nicht verlassen. Innerhalb des Versorgungsnetzes seien Verbräuche möglich, die keine Entnahme im stromsteuerrechtlichen Sinne darstellten. Der Begriff des Versorgungsnetzes sei sehr weit zu verstehen. § 5 StromStG gehe von einem einzigen Versorgungsnetz aus, welches nicht in verschiedene Teilnetze aufgespalten werden könne (Verweis auf Senatsbeschluss vom 24.02.2016 - VII R 7/15, BFHE 252, 568). Alle Leitungen und Umspannvorrichtungen gehörten zum Versorgungsnetz. Die Umspannwerke seien nicht lediglich in das Versorgungsnetz eingebunden, ohne dessen Teil zu sein, wie das FG annehme.
Sofern eine Steuerentstehung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StromStG bejaht werden sollte, seien die Strommengen jedenfalls nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei. Die Klägerin verweist hierzu auf das Senatsurteil vom 06.10.2015 - VII R 25/14 (BFHE 251, 563). Der Senat folge den physikalisch-technischen Notwendigkeiten. Für Umspannwerke müsse eine Gesamtbetrachtung erfolgen, welche die technischen Betriebsverbräuche mit einschließe, da anderenfalls ein Umspannen insgesamt nicht stattfinden könne. Eine solche Gesamtbetrachtung entspreche auch dem Rechtsgedanken des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV), wonach die Stromerzeugung im technischen Sinne im Ergebnis nicht mit Steuer belastet sein dürfe.
Bei richtlinienkonformer Auslegung seien die technischen Betriebsverbräuche von der Stromsteuer befreit, weil die in Rede stehenden Aggregate wie Wechselrichter als Neben- und Hilfsanlagen für die Stromerzeugung im technischen Sinne beziehungsweise zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, Strom zu erzeugen, anzusehen seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz und den Bescheid vom 20.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2018 aufzuheben und die Steueranmeldung vom 31.05.2016 dahingehend zu ändern, dass die Stromsteuer für das Jahr 2015 auf … € festgesetzt wird.Das HZA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Es schließt sich den Ausführungen des FG vollumfänglich an und trägt ergänzend vor:
Der Gesetzgeber unterscheide weder zwischen Niederspannungs-, Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsstrom noch zwischen Wechsel- und Gleichstrom. Strom, gleich welcher Art, welcher Spannung und welcher sonstigen physikalischen Merkmale, sei prinzipiell der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StromStG genannten Pos. 2716 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zugehörig. Der Vorgang der Transformation sei zwar nicht als Verbrauch im Sinne des Stromsteuergesetzes zu werten, allerdings werde im Streitfall auch nicht der Vorgang der Umwandlung von Strom als Verbrauch angesehen, sondern die Strommenge besteuert, die entnommen werde, um zum Beispiel die bei der Umwandlung entstehende Verlustwärme abzuführen. Nur weil die Kühlung technisch erforderlich sei, stelle der dafür benötigte Strom noch keinen Verlust dar. Der Verbrauch dieser Strommenge beruhe auf einer von einem entsprechenden Willen getragenen menschlichen Handlung. Dagegen stelle der Entnahmebegriff nicht auf technische Notwendigkeiten ab. Die Entnahme erfolge auch aus dem Versorgungsnetz. Die hier streitigen Anlagen gehörten nicht zum Versorgungsnetz, auch wenn ohne sie das Umspannwerk nicht betrieben werden könne.
Die Steuerfreiheit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG beschränke sich auf die Erzeugung von Strom. Der eigentlichen Stromerzeugung nachgelagerte Prozesse seien nicht begünstigt, insbesondere diene die Umspannung von bereits zuvor technisch abschließend hergestelltem Strom nicht mehr dessen Erzeugung, sondern dem Transport und der Verteilung (Verweis auf Senatsurteil vom 30.04.2019 - VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz 18 und 22). Die in den Umspannwerken betriebenen Anlagen, unter anderem Trafolüfter, Ölpumpen, Heizungen, Licht- und Steuerungstechnik, USV-Batterien, Leistungsschalter sowie Hebel- und Scherentrenner seien keine Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV.
Mit Schreiben vom 08.05.2023 hat der Vorsitzende des Senats den Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass der Senat einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist gemäß § 126a Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 06.06.2023 gegeben worden. Mit Schreiben vom 24.05.2023 beantragten die Bevollmächtigten wegen "der Komplexität der Thematik, der Arbeitsbelastung und anstehender Abwesenheiten der Unterzeichnerinnen" eine Fristverlängerung bis 08.08.2023. Zudem baten sie um eine kurze Begründung des Gerichts zum avisierten Vorgehen gemäß § 126a FGO, um ihre Äußerung adäquat vorbereiten zu können. Der Vorsitzende des Senats hat diesen Fristverlängerungsantrag mit Schreiben vom 26.05.2023 mit der Begründung abgelehnt, dass erhebliche Gründe für eine Fristverlängerung weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden seien. Daraufhin teilten die Bevollmächtigten mit Schreiben vom 06.06.2023 mit, dass sie die beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 126a FGO für nicht sachgerecht hielten, weil der effektive Rechtsschutz der Klägerin dadurch unangemessen eingeschränkt würde. Sie baten erneut um eine Mitteilung der Gründe für die beabsichtigte Sachentscheidung beziehungsweise um Mitteilung der Anhaltspunkte, wie der Senat die Rechtslage derzeit einschätze, vor allem hinsichtlich einer "Entnahme aus dem Versorgungsnetz", und um Einräumung einer angemessenen Frist zur Äußerung hierzu. Anderenfalls baten sie um Anberaumung eines Termins für eine mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Soweit die Klägerin mit Schreiben vom 24.05.2023 und vom 06.06.2023 um eine Begründung für diese Vorgehensweise gebeten hat, war der Senat nicht verpflichtet, dem nachzukommen. Nach den gesetzlichen Vorgaben ist eine Begründung für die Auffassung des Gerichts weder vorgeschrieben noch verfassungsrechtlich geboten (Senatsbeschluss vom 08.01.2014 - VII S 45/13, Rz 4, m.w.N.; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 126a FGO Rz 5; Rüsken in Gosch, AO § 126a Rz 10; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 126a Rz 6). Zudem ist der Senat nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 126a FGO ‑‑wie vorliegend‑‑ erfüllt sind. Die Vorgehensweise nach § 126a FGO begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Bergkemper in HHSp, § 126a FGO Rz 1 und Dürr in Schwarz/Pahlke/Keß, FGO, § 126a Rz 1, beide mit Verweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
III.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass für die in den Umspannwerken der Klägerin im Jahr 2015 getätigten Betriebsverbräuche Stromsteuer festzusetzen war.
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Stromsteuer im Streitfall entstanden ist. Zwar gehören Umspannanlagen zum Versorgungsnetz; bei den dort erfolgten technischen Verbräuchen liegt jedoch eine Entnahme von Strom vor.
a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG entsteht die Steuer dadurch, dass vom im Steuergebiet ansässigen Versorger geleisteter Strom durch Letztverbraucher im Steuergebiet aus dem Versorgungsnetz entnommen wird, oder dadurch, dass der Versorger dem Versorgungsnetz Strom zum Selbstverbrauch entnimmt. In beiden Alternativen setzt die Tatbestandserfüllung den Realakt der Entnahme der verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus dem Transportmedium voraus (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31.01.2008 - VII B 79/07, BFH/NV 2008, 1013 und vom 24.02.2016 - VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 9).
aa) Der Begriff des Versorgungsnetzes ist im Stromsteuerrecht weder im Stromsteuergesetz noch in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung definiert. Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) unterscheidet zwar zwischen Verteilernetzen (§ 3 Nr. 3 EnWG) und Übertragungsnetzen (§ 3 Nr. 10 EnWG) und erwähnt als Oberbegriff für diese beiden Netzarten die Energieversorgungsnetze. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung verbietet sich jedoch eine Übertragung der Begrifflichkeiten des Energiewirtschaftsgesetzes auf das Stromsteuerrecht (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 24.02.2016 - VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 13).
In seiner Entscheidung vom 24.02.2016 - VII R 7/15 (BFHE 252, 568, Rz 11) hat sich der erkennende Senat ‑‑im Kern‑‑ mit der räumlichen Ausdehnung des Versorgungsnetzes befasst. Auszugehen ist danach vom Bestehen eines einzigen Versorgungsnetzes; nach einzelnen Teilen oder mit einer Stromleitung verbundenen Betriebsstätten wird nicht unterschieden. Zwar hat der Senat ausgeführt, dass zum Versorgungsnetz alle Leitungen und Umspannvorrichtungen gehören (Rz 12), jedoch hat er keine Aussage zu dem Stromverbrauch in den zu den Umspannvorrichtungen gehörenden Anlagen (im vorliegenden Streitfall: unter anderem Trafolüfter, Ölpumpen, Heizungen, Licht- und Steuerungstechnik, USV-Batterien, Leistungsschalter sowie Hebel- und Scherentrenner) getroffen. Dass diesbezüglich eine Entnahme von Strom aus dem Versorgungsnetz möglich ist, ergibt sich inzident aus mehreren weiteren Entscheidungen, in denen sich der Senat mit der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG befasst hat (Senatsurteile vom 06.10.2015 - VII R 25/14, BFHE 251, 563 und vom 30.04.2019 - VII R 10/18, BFHE 264, 556; Senatsbeschluss vom 28.01.2021 - VII B 99/20). Denn die Frage, ob der Stromverbrauch in Wechselrichtern und Transformations- und Umspannanlagen steuerfrei ist, setzt denknotwendig voraus, dass eine Entnahme nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG vorliegt, anderenfalls käme es auf die Steuerbefreiung mangels Steuerentstehung nicht an.
bb) Eine Entnahme aus dem Versorgungsnetz im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG liegt nur dann vor, wenn der Steuergegenstand Strom (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 StromStG) zugleich einer eliminierenden Nutzung zugeführt wird. Erforderlich ist eine von einem entsprechenden Willen getragene menschliche Handlung, weshalb keine Entnahme des Stroms vorliegt, wenn dieser ohne menschliches Zutun ‑‑zum Beispiel infolge einer Beschädigung des Versorgungsnetzes‑‑ in den steuerrechtlich freien Verkehr tritt und damit verlustig geht (Senatsbeschluss vom 24.02.2016 - VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 10, m.w.N.; Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 5 Rz 5; Kalker/Khazzoum, eKomm Ab/Bis [01.07.2022], § 5 StromStG Rz 9 (Aktualisierung v. 16.12.2022); Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 5 Rz 5).
Auch Umspann- und Leitungsverluste entstehen ohne menschliches Zutun. Denn diese beruhen auf physikalischen Gründen (Jatzke, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2018, 234), genauer auf dem sogenannten Ohmschen Widerstand der Übertragungsleitungen. Zudem führen sie nicht zu einer eliminierenden Nutzung des Stroms im Sinne einer zielgerichteten und auf ein tatsächliches Handeln beruhenden Verwendung (Senatsbeschluss vom 24.02.2016 - VII R 7/15, BFHE 252, 568, Rz 10).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall die Stromsteuer entstanden, weil die Klägerin den Strom, der auf die technischen Betriebsverbräuche entfällt, entnommen hat.
Der Sachverhalt unterscheidet sich von dem Sachverhalt, über welchen der Senat in seinem Beschluss vom 24.02.2016 - VII R 7/15 (BFHE 252, 568) entschieden hat. Eine Gleichstellung der dortigen physikalischen Verluste (Umspann- und Leitungsverluste) mit den hiesigen technischen (zwar zwangsläufig entstandenen) Betriebsverbräuchen, die die Klägerin befürwortet, ist allerdings nicht möglich. Denn die streitgegenständlichen Verbräuche der Klägerin beruhen auf einer von einem entsprechenden Willen getragenen menschlichen Handlung. Dass ‑‑wie die Klägerin behauptet‑‑ diese Verbräuche technisch notwendig waren und damit zwangsläufig entstanden sind, ändert hieran nichts.
2. Eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG kommt nicht in Betracht.
a) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG ist Strom, der zur Stromerzeugung entnommen worden ist, von der Stromsteuer befreit. Zur Stromerzeugung entnommen wird Strom nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV, der in den Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit insbesondere zur Wasseraufbereitung, Dampferzeugerwasserspeisung, Frischluftversorgung, Brennstoffversorgung oder Rauchgasreinigung zur Erzeugung von Strom im technischen Sinne verbraucht wird. Nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StromStG bedarf der Erlaubnis, wer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG von der Steuer befreiten Strom entnehmen will.
b) Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestands liegen nicht vor, weil der Strom nicht zur Stromerzeugung entnommen wurde.
aa) Das in § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG normierte Herstellerprivileg beruht auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ‑‑Energiesteuerrichtlinie‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2003, Nr. L 283, 51) i.d.F. der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch Zypern (ABlEU 2004, Nr. L 157, 100) ‑‑EnergieStRL‑‑. Danach besteht eine obligatorische Steuerbefreiung für bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse beziehungsweise verwendeten elektrischen Strom sowie für elektrischen Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, Strom zu erzeugen, verwendet wird (vgl. auch Senatsurteil vom 06.10.2015 - VII R 25/14, BFHE 251, 563, Rz 10). Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Steuerpflichtige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft, auch Hersteller beziehungsweise Erzeuger des Stroms ist. Denn die Verwendung von elektrischem Strom muss im Rahmen der Stromerzeugung erfolgen, indem sie unmittelbar zum technologischen Prozess der Stromerzeugung beiträgt (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Repsol Petróleo vom 03.12.2020 - C-44/19, EU:C:2020:982, Rz 34 und RWE Power vom 09.03.2023 - C-571/21, EU:C:2023:186, Rz 27).
bb) Die Steuerfreiheit gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG erfasst nur die Erzeugung von Strom.
Bei dem Steuergegenstand Strom handelt es sich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 StromStG und in Übereinstimmung mit den Vorgaben aus Art. 2 Abs. 2 und Abs. 5 Unterabs. 1 EnergieStRL um elektrischen Strom der Pos. 2716 KN in der am 01.01.2002 geltenden Fassung. Die Pos. 2716 KN erfasst gleichermaßen Wechsel- und Gleichstrom. Wie die Bezugnahme auf den Zolltarif belegt, beabsichtigte der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Steuergegenstands keine weitere Differenzierung nach verschiedenen Stromarten. Auch eine Differenzierung nach Spannungsebenen kommt nicht in Betracht (Senatsurteil vom 30.04.2019 - VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz 16). Für die Bestimmung des Steuergegenstands ist es unbeachtlich, welche Ausgangsspannung dem Strom zugrunde liegt. Denn die Spannung wird weder in der Energiesteuerrichtlinie noch im Stromsteuergesetz angesprochen und bleibt auch bei der Höhe der Steuersätze außer Betracht, die allein nach Megawattstunden bemessen werden (vgl. Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Tabelle C EnergieStRL).
Ausgehend davon gehören nur solche Vorgänge zur Stromerzeugung, mit denen ein von Pos. 2716 KN erfasstes Erzeugnis hervorgebracht wird. Weitere Bearbeitungen dieses Erzeugnisses oder Veränderungen der Stromqualität nach der Entstehung des Steuergegenstands gehören nicht mehr zur Stromerzeugung, auch wenn sie darauf abzielen, die Marktfähigkeit des Stroms zu erreichen. Dementsprechend entsteht kein neuer Steuergegenstand, wenn die Spannung von bereits vorhandenem Gleich- oder Wechselstrom verändert wird, da die elektrische Spannung für die Bestimmung des Steuergegenstands nicht von Bedeutung ist (Senatsurteil vom 30.04.2019 - VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz 17).
Diese Ansicht des Senats wird gestützt durch die Rechtsprechung des EuGH, wonach Art. 14 Abs. 1 EnergieStRL die für die Mitgliedstaaten im Rahmen der Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom geltenden zwingenden Ausnahmen abschließend aufzählt und daher nicht weit ausgelegt werden darf, weil anderenfalls der durch diese Richtlinie eingeführten harmonisierten Besteuerung jede praktische Wirksamkeit genommen würde (EuGH-Urteile Cristal Union vom 07.03.2018 - C-31/17, EU:C:2018:168, Rz 24 und 25; Petrotel-Lukoil vom 07.11.2019 - C-68/18, EU:C:2019:933, Rz 40 und RWE Power, EU:C:2023:186, Rz 30).
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der in den Anlagen der Klägerin verbrauchte Strom nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG von der Stromsteuer befreit.
Die Klägerin selbst hat keinen Strom hergestellt, sondern nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nach dessen Umspannung weitergeleitet. Demzufolge kann sie das Herstellerprivileg nicht für sich in Anspruch nehmen.
Zudem dient die Umspannung des Stroms durch die Klägerin nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht mehr der Stromerzeugung, weil der Steuergegenstand Strom nach einer richtlinienkonformen Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG spätestens mit der Herstellung des Wechselstroms vorliegt und der Herstellungsprozess im technischen Sinne damit abgeschlossen ist. Die Veränderung der Spannung stellt lediglich eine Weiterverarbeitung des Steuergegenstands dar, die als nachgelagerter Vorgang nicht mehr der Stromerzeugung zuzurechnen ist (vgl. bereits ausdrücklich Senatsurteil vom 30.04.2019 - VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz 22).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.