ECLI:DE:BFH:2023:B.250723.VIIIB31.22.0
BFH VIII. Senat
FGO § 27 Abs 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 119 Nr 1, FGO § 65 Abs 1 S 1, FGO § 65 Abs 2 S 2
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 18. Januar 2022, Az: 8 K 203/20
Leitsätze
NV: Zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers, das Finanzgericht (FG) sei in der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil die Haupt- und Hilfsliste der ehrenamtlichen Richter nicht gemäß § 27 der Finanzgerichtsordnung vom Präsidium des FG für das Geschäftsjahr neu bestimmt worden ist, hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass er diese Tatsache durch Einsichtnahme in die Unterlagen über die Wahl oder Heranziehung der ehrenamtlichen Richter ermittelt hat oder nicht ermitteln konnte, weil ihm der Präsident des FG beziehungsweise die von diesem beauftragte Stelle die erforderliche Einsichtnahme verweigert hat.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18.01.2022 - 8 K 203/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Revision nicht wegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen beziehungsweise das Urteil gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und der Rechtsstreit an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen, weil das FG zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden habe, indem es seine Entscheidung auf eine fehlende Bezeichnung des Klagebegehrens innerhalb der gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Ausschlussfrist gestützt habe (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15.11.2021 - VIII B 2/21, Rz 9).
a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage unter anderem den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Fehlt es an einem der in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernisse, kann der Vorsitzende oder Berichterstatter dem Kläger für die erforderliche Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO). Wird dem Kläger zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens zu Unrecht oder nicht wirksam eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzt oder bezeichnet er im Fall rechtmäßiger Ausschlussfristsetzung das Klagebegehren durch weitere, fristgerecht erfolgte Darlegungen, dann führen die unterbliebene Berücksichtigung des weiteren Klagevorbringens und die Abweisung der Klage als unzulässig zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und damit zu einem Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23.06.2017 - X B 11/17, Rz 12; vom 14.11.2017 - IX B 66/17, Rz 5; vom 15.11.2021 - VIII B 2/21, Rz 10).
b) Ein solcher Verfahrensfehler ist dem FG nicht unterlaufen. Die Ausschlussfristsetzung durch das FG gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO war wirksam und ermessensgerecht.
aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat dieser sein Klagebegehren bei Klageerhebung nicht ausreichend bezeichnet.
(1) Eine ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens erfordert, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt. Wie weit das Klagebegehren im Einzelnen zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Falles ab, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts, der Steuerart und der Klageart. Die Nennung der angefochtenen Verwaltungsakte reicht zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens nicht aus. Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt (BFH-Beschlüsse vom 31.03.2023 - VIII B 20/22, Rz 22; vom 25.07.2017 - XI B 29/17, Rz 8 bis 10).
(2) Der Gegenstand des Klagebegehrens kann auch im Wege der Auslegung der Klage und unter Rückgriff auf die Steuerakten festgestellt werden. Es sind sämtliche dem FG und der Finanzbehörde erkennbare Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Das FG hat bei der Auslegung der Klageschrift unter anderem die Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen, auf die in der Klageschrift durch ausdrückliche Bezeichnung Bezug genommen worden ist. Es kann vom FG aber nicht verlangt werden, den Gegenstand des Klagebegehrens anhand einer Vielzahl ihm vorgelegter Unterlagen selbst zu ermitteln und die Anforderungen des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO als erfüllt anzusehen, wenn die vorgelegten Unterlagen dies mehr oder weniger leicht und zuverlässig ermöglichen (BFH-Beschlüsse vom 31.03.2023 - VIII B 20/22, Rz 23 und vom 25.07.2017 - XI B 29/17, Rz 9, 10). Ist erkennbar, dass der Kläger nach dem Ergehen von Änderungsbescheiden aufgrund einer Außenprüfung begehrt, die Besteuerungsgrundlagen wie in den Bescheiden vor der Außenprüfung anzusetzen, ist das Klagebegehren ausreichend bezeichnet (BFH-Beschlüsse vom 31.03.2023 - VIII B 20/22, Rz 24 und vom 25.07.2017 - XI B 29/17, Rz 10).
(3) Der Kläger hat nach diesen Maßstäben das Klagebegehren erst nach Ablauf der ihm gesetzten Ausschlussfrist bezeichnet, was zur Unzulässigkeit der Klage führt (vgl. BFH-Beschluss vom 11.12.2019 - X B 40/19, Rz 24). Das Klagebegehren ließ sich aus der Zusammenschau der Klageschrift, dem Ablauf der Einspruchsverfahren sowie den Einspruchsentscheidungen nicht ermitteln. Die Ausschlussfrist war auf dieser Grundlage nicht hinfällig.
Mit der Klageschrift an das FG vom 02.11.2020 hat der Kläger Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 2010, 2011 und 2014 bis 2016, die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 2010, 2011 und 2015 sowie die Bescheide über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Einkommensteuer 2010, 2011 und 2015 erhoben und hierzu nur die Einspruchsentscheidungen übersandt. Die Einsprüche hatte der Kläger nicht begründet, sodass die Begründung der Einspruchsentscheidungen für das FG nicht ergiebig war. Ohne die Einkommensteuerbescheide 2010, 2011 und 2014 bis 2016, die dem FG erst am 15.10.2021 vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) übersandt wurden, war es bis zum Fristablauf am 05.02.2021 für das FG auch nicht erkennbar, dass es sich um Änderungsbescheide nach einer Außenprüfung handelte, zumal weder in der Klageschrift noch in den Einspruchsentscheidungen darauf hingewiesen, geschweige denn dargelegt wurde, ob und welche der geänderten Besteuerungsgrundlagen der Kläger anfechten wollte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass dieser im Jahr 2016 die Einnahmeüberschussrechnung für das Jahr 2014 beim FA eingereicht habe und es deshalb für das FG ohne weiteres erkennbar gewesen sei, dass mit der Klage eine Übernahme der in der Gewinnermittlung ausgewiesenen Erlöse begehrt werde. Die Bezeichnung des Streitgegenstandes ist gegenüber dem FG vorzunehmen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO; BFH-Urteil vom 16.03.1988 - I R 93/84, BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895, unter II.2.c am Ende [Rz 23]). Die Steuerakten lagen dem FG im Zeitpunkt der Fristsetzung am 04.01.2021 nicht vor.
Eine ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht im Hinblick auf die Zinsfestsetzungen zur Einkommensteuer 2010, 2011 und 2015 zu bejahen. Der Kläger trägt hierzu vor, dass bereits aus der Klageschrift und der Rechtsbehelfsakte bei einer rechtsschutzorientierten Auslegung erkennbar gewesen sei, dass der Kläger jedenfalls auch die festgesetzten Nachzahlungszinsen mit Blick auf die zu diesem Zeitpunkt anhängigen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht nach Grund und Höhe mit verfassungsrechtlichen Argumenten habe anfechten wollen. Aus der Klageschrift ergaben sich keine Einwendungen des Klägers gegen die Zinsfestsetzungen. Die Einspruchsentscheidungen vom 30.09.2020 bezogen sich auf die Einkommensteuerbescheide 2010, 2011 und 2014 bis 2016 sowie die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Einkommensteuer 2010, 2011 und 2015 und nicht auf die Zinsfestsetzungen zur Einkommensteuer 2010, 2011 und 2015. Die Rechtsbehelfsakte lag dem FG im Zeitpunkt der Fristsetzung am 04.01.2021 nicht vor. Im Übrigen kann vom FG nicht verlangt werden, den Gegenstand des Klagebegehrens anhand einer Vielzahl ihm vorliegender Unterlagen selbst zu ermitteln (BFH-Beschluss vom 05.02.2014 - XI B 73/13, Rz 11).
bb) Die Ausschlussfrist wurde nicht ermessenswidrig nach einer zu kurzen Laufzeit des Klageverfahrens gesetzt, sondern nach zweimonatiger Verfahrensdauer. Ihr war zudem eine einfache Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO seitens des FG vorausgegangen.
Die Ausschlussfrist war auch der Länge nach ermessensgerecht. Das FG hatte den Kläger mit Fristsetzung vom 04.01.2021 aufgefordert, bis zum 05.02.2021 das Klagebegehren zu bezeichnen. Das Schreiben wurde dem Kläger am 08.01.2021 zugestellt. Dem Kläger standen damit vier Wochen zur Beantwortung zur Verfügung, was nicht zu kurz bemessen ist.
cc) Die ‑‑auch formal wirksam gesetzte‑‑ Ausschlussfrist war danach mit Ablauf des 05.02.2021 verstrichen, ohne dass der Kläger den Gegenstand seines Klagebegehrens bezeichnet hätte. Der vom Kläger gestellte Antrag auf Verlängerung der Ausschlussfrist ging erst am 06.02.2021 und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist beim FG ein. Ein erst nach Fristablauf beim Gericht eingegangenes Verlängerungsgesuch ist grundsätzlich nicht mehr berücksichtigungsfähig (BFH-Beschluss vom 07.05.2001 - III B 10/01, BFH/NV 2001, 1421, unter II.2.b aa [Rz 21]).
c) Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 56 FGO hat das FG ebenfalls im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lagen nicht vor.
aa) Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).
bb) Der Senat kann offenlassen, ob der Kläger deshalb an der Einhaltung der Ausschlussfrist ohne sein Verschulden gehindert war, weil sein Faxgerät am Tag des Fristablaufs, dem 05.02.2021, einen Defekt aufgewiesen haben könnte oder weil er bis zum 05.02.2021 arbeitsunfähig erkrankt war. Der Kläger hat den Gegenstand des Klagebegehrens auch nach Fristablauf nicht innerhalb der Zweiwochenfrist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO bezeichnet.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur in Zusammenhang mit einer nachgeholten Prozesshandlung beantragt und bewilligt werden (BFH-Beschluss vom 13.12.2001 - IV R 50/00, BFH/NV 2002, 655, am Ende [Rz 9]). Eine Wiedereinsetzung in eine Ausschlussfrist nach § 65 FGO kommt dementsprechend nur in Betracht, wenn innerhalb der Zweiwochenfrist nicht nur ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, sondern auch das Klagebegehren bezeichnet wird. Im Streitfall hat der Kläger weder in seinem (verspäteten) Schriftsatz vom 05.02.2021 noch mit seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 22.02.2021 das Klagebegehren hinreichend bezeichnet. Insbesondere lässt sich dem im Schriftsatz vom 05.02.2021 gestellten Antrag des Klägers, unter Aufhebung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide die Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschläge für 2010, 2011 und 2014 bis 2016, die Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) sowie die Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer auf 0 € herabzusetzen, nicht entnehmen, ob und welche der geänderten Besteuerungsgrundlagen der Kläger anfechten oder ob er im Wege der Saldierung weitere Betriebsausgaben geltend machen wollte (vgl. BFH-Beschluss vom 31.03.2023 - VIII B 20/22, Rz 28).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass in den beim FG anhängigen Parallelverfahren 8 K 204/20 und 8 K 205/20 des Klägers, in denen es auch um Änderungsbescheide auf der Grundlage von Ermittlungen der Steuerfahndung gegangen sei, ebenfalls Ausschlussfristen gesetzt worden und vom Kläger gewahrt worden seien, sodass sich das Klagebegehren des Klägers unter Zuhilfenahme der in den Verfahren 8 K 204/20 und 8 K 205/20 eingereichten Schriftsätze hätte ermitteln lassen können. Wie dargestellt kann vom FG nicht verlangt werden, den Gegenstand des Klagebegehrens anhand einer Vielzahl ihm vorliegender Unterlagen selbst zu ermitteln (BFH-Beschluss vom 05.02.2014 - XI B 73/13, Rz 11). Dies gilt umso mehr, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ keine Bezugnahme auf die in einem anderen Klageverfahren eingereichten Unterlagen erfolgt (vgl. BFH-Beschluss vom 05.02.2014 - XI B 73/13, Rz 12).
d) Die Klage war damit unheilbar unzulässig (BFH-Beschlüsse vom 11.11.2019 - IX B 61/19, Rz 11; vom 15.11.2021 - VIII B 2/21, Rz 20). Die erneute Fristsetzung des FG nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO vom 06.12.2021 gegenüber dem neuen Prozessbevollmächtigten des Klägers ging ins Leere. Das spätere Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 11.01.2021 und in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2021 kann nicht zur Bestimmung seines Klagebegehrens herangezogen werden. Denn im Fall einer Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO ist auf die innerhalb der Ausschlussfrist dem FG mitgeteilte Begründung abzustellen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18.06.2013 - III B 83/12, Rz 7; vom 14.11.2017 - IX B 66/17, Rz 9).
e) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob ein Verfahrensfehler des FG darin zu sehen ist, dass bezüglich des Einkommensteuerbescheids 2014 keine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO zur Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO zur gesonderten Feststellung der freiberuflichen Einkünfte des Klägers erfolgt ist. Eine Aussetzung des Verfahrens scheidet aus, wenn feststeht, dass das Gericht aus anderen Gründen ‑‑wie im Streitfall aufgrund der Unzulässigkeit der Klage gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO‑‑ ohnehin keine Sachentscheidung treffen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 09.08.2001 - III R 58/99, BFH/NV 2002, 49, unter II.3. [Rz 19]; vom 29.12.2010 - III R 30/09, Rz 4; vom 25.07.2014 - III B 102/13, Rz 11).
2. Ebenfalls ohne Erfolg rügt der Kläger eine fehlerhafte Besetzung des erkennenden Senats beim FG. Der Kläger hat den geltend gemachten Verfahrensmangel, das FG sei in der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2022 nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 FGO), nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Der Kläger trägt vor, dass das FG gegen § 27 FGO verstoßen habe, indem im Lauf des Geschäftsjahres 2021 in einer einheitlichen Neuwahl alle ehrenamtlichen Richter neu gewählt worden seien, es aber darauf verzichtet habe, für das Geschäftsjahr 2022 entsprechend § 27 FGO eine gesonderte Liste aufzustellen, die die Reihenfolge der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter nur für das Geschäftsjahr 2022 eigens regele. Der Kläger beruft sich hierzu auf eine Auskunft der Urkundsbeamtin des 8. Senats des FG, nach der eine Hauptliste für das Jahr 2022 nicht existiert habe und stattdessen die einmal erstellte Hauptliste für die fünfjährige Dauer der Wahlperiode beibehalten werde.
b) Dieses Vorbringen des Klägers führt nicht zu einer schlüssigen Besetzungsrüge, weil der Kläger insoweit seine Ermittlungsobliegenheit nicht erfüllt hat.
aa) Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Aufstellung der Listen nach § 27 FGO durch das Präsidium des FG, so ist, ebenso wie bei einer nicht ordnungsgemäßen Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans, die Richterbank nicht ordnungsgemäß besetzt (Schmid in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 27 FGO F. Rechtsmittel Rz 16). Bei der Prüfung von § 119 Nr. 1 FGO ist die Rechtmäßigkeit der Listen nach § 27 FGO ebenso wie die Rechtmäßigkeit des Geschäftsverteilungsplans ‑‑anders als seine Auslegung und Würdigung durch das erkennende Gericht‑‑ nicht nur auf Willkür, sondern auf jeden Rechtsverstoß zu untersuchen (Schmid in HHSp, § 27 FGO, F. Rechtsmittel, Rz 16). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Rechtsverstoß geeignet ist, die Sachlichkeit der Entscheidungsfindung in Frage zu stellen (vgl. zum Geschäftsverteilungsplan BFH-Beschluss vom 14.03.2019 - V B 34/17, Rz 12 f.).
bb) Eine zulässige Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts gemäß § 119 Nr. 1 FGO setzt voraus, dass die Tatsachen bezeichnet werden, die den Verfahrensmangel ergeben. Es genügt nicht, nur "auf Verdacht" eine unvorschriftsmäßige Besetzung der Richterbank zu behaupten, die das Revisionsgericht dann in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen hätte. Kennt ein Beteiligter die tatsächlichen Grundlagen der Besetzung der Richterbank nicht, vermutet er aber einen Verfahrensfehler, muss er versuchen, sich Aufklärung zu verschaffen und nach der mündlichen Verhandlung gegebenenfalls eigene Ermittlungen anstellen (BFH-Beschlüsse vom 19.05.2008 - V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, unter III.A.3.b [Rz 27]; vom 20.04.2001 - IV R 32/00, BFHE 194, 346, BStBl II 2001, 651, unter 3.a [Rz 16]; vom 10.04.1995 - VIII R 69/94, BFH/NV 1995, 912, [Rz 8]; Schmid in HHsp, § 27 FGO F. Rechtsmittel Rz 16). Diese Sachverhaltsermittlung muss in geeigneter Weise erfolgen. Ein Kläger, der die ordnungsgemäße Besetzung des Gericht prüfen will, hat einen Anspruch darauf, dass ihm das FG Einblick in die Unterlagen über die Wahl und Heranziehung der ehrenamtlichen Richter gewährt (BFH-Beschluss vom 20.04.2001 - IV R 32/00, BFHE 194, 346, BStBl II 2001, 651, unter 3.b.aa (2) [Rz 21]). Dieser Anspruch ist durch schriftliches Einsichtsbegehren gegenüber dem Präsidenten des FG geltend zu machen (vgl. BFH-Beschluss vom 20.04.2001 - IV R 32/00, BFHE 194, 346, BStBl II 2001, 651). Zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers, das FG sei in der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil die Haupt- und Hilfsliste der ehrenamtlichen Richter nicht gemäß § 27 FGO vom Präsidium des FG für das Geschäftsjahr neu bestimmt worden ist, hat der Kläger dementsprechend darzulegen, dass er diese Tatsache durch Einsichtnahme in die Unterlagen über die Wahl oder Heranziehung der ehrenamtlichen Richter ermittelt hat oder nicht ermitteln konnte, weil ihm der Präsident des FG beziehungsweise die von diesem beauftragte Stelle die erforderliche Einsichtnahme verweigert hat.
cc) Der Kläger hat seiner Ermittlungsobliegenheit nicht genügt, indem er sich auf die Einholung einer Auskunft bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des zuständigen Senats beim FG beschränkt hat. Er hat diese Auskunft nicht durch Einholung einer Auskunft bei der zuständigen Stelle sowie durch Prüfung der Unterlagen über die Aufstellung der Listen nach § 27 FGO durch das Präsidium des FG verifiziert. Aus der vom Kläger wiedergegebenen Auskunft ergibt sich auch nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, dass konkrete Mängel bei der Aufstellung und Beschlussfassung des Präsidiums des FG über die Hauptliste der ehrenamtlichen Richter für das Jahr 2022 vorlagen oder eine Beschlussfassung vollständig fehlte. Er hat schließlich auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen die nach seinen Angaben befragte Urkundsbeamtin des 8. Senats des FG überhaupt in der Lage war, sachgerecht Auskunft zu geben, da es nach § 27 FGO Aufgabe des Präsidiums des FG ist, die Hauptliste der ehrenamtlichen Richter aufzustellen.
dd) Auch die vom Kläger zitierte Passage des Geschäftsverteilungsplans des FG für das Jahr 2022, nach der die Ladung der ehrenamtlichen Richter innerhalb der Hauptliste auch nach dem Jahreswechsel in der laufenden Reihenfolge der Liste erfolge, belegt keinen Verstoß gegen § 27 FGO. Es ist gerade Aufgabe des Präsidiums des FG festzulegen, ob bei Beginn eines neuen Geschäftsjahres während der laufenden Amtsperiode der ehrenamtlichen Richter wieder mit dem ersten in der Liste aufgeführten Richter zu beginnen oder über den Jahreswechsel hinaus in der bisherigen Reihenfolge fortzufahren ist (BFH-Beschluss vom 06.04.1999 - XI R 17/97, BFH/NV 1999, 1243, unter II. am Ende [Rz 10]).
3. Von einer weiteren Begründung und insbesondere einer Darstellung des Sachverhalts sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.