ECLI:DE:BFH:2023:B.170523.IIB36.22.0
BFH II. Senat
ErbStG § 3 Abs 1 Nr 1, ErbStG § 10 Abs 5 Nr 1, ErbStG § 10 Abs 5 Nr 3, FGO § 52a Abs 4 S 1 Nr 2, FGO § 52d, FGO § 62 Abs 2 S 1, FGO § 62 Abs 4, BRAO § 4 S 1 Nr 1, BRAO § 12 Abs 3, BRAO § 31, BRAO § 31a, BRAO § 60, StBerG § 3, StBerG § 86d Abs 1 S 1, StBerG § 157e
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 03. März 2022, Az: 4 K 1126/21
Leitsätze
NV: Im Jahr 2022 bestand für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater noch keine Verpflichtung, ihre Schriftsätze als elektronische Dokumente zu übermitteln. Das gilt auch, wenn sie in einer Partnerschaftsgesellschaft mit einem Rechtsanwalt verbunden waren.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 03.03.2022 - 4 K 1126/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die ‑‑später verheirateten‑‑ Eltern des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) schlossen am xx.11.1991, noch als Verlobte, einen Ehe- und Erbvertrag. Sie setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein und schlossen für die Beendigung des gesetzlichen Güterstandes anders als durch Tod den Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie alle gesetzlichen Unterhaltsansprüche aus. Die Ehe wurde 2002 geschieden. Den Erbvertrag hoben sie nicht auf und trafen auch keine anderweitige erbrechtliche Regelung. Der Vater verstarb am xx.09.2016. Auf Antrag des Klägers stellte das Amtsgericht am xx.10.2016 einen Erbschein aus, der den Kläger als Alleinerben auswies. Rechtsmittel wurden nicht eingelegt. Im Rahmen seiner Erbschaftsteuererklärung machte der Kläger als Nachlassverbindlichkeit eine Zahlung in Höhe von … € an seine Mutter (M) zur Abgeltung eines Anspruchs auf Zugewinnausgleich und als weichende Erbprätendentin geltend. Dazu legte er einen privatschriftlich geschlossenen Vergleich vom xx.05.2017 vor. Danach hätten beide die Alleinerbenstellung für sich reklamiert und außerdem über die Rechtsfolgen des Vertrags vom xx.11.1991 gestritten, namentlich über die Frage sittenwidriger Benachteiligung im Hinblick auf die familienrechtlichen Vereinbarungen. Mit weiterem Vertrag vom xx.06.2017 stellte M dem Kläger den Betrag als Darlehen zur Verfügung.
Mit Bescheid vom xx.03.2020 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) gegenüber dem Kläger Erbschaftsteuer fest, berücksichtigte jedoch die Verbindlichkeit gegenüber M nicht. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ist unter Berufung insbesondere auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 06.05.2021 - II R 24/19 (BFHE 272, 530, BStBl II 2022, 340) davon ausgegangen, dass Abfindungszahlungen des Erben an den weichenden Erbprätendenten, damit dieser die Erbenstellung nicht mehr bestreite, als Erwerbserlangungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) auch dann abziehbar seien, wenn sie aufgrund eines Vergleichs erbracht würden, sofern die Ansprüche ernstlich geltend gemacht würden. Es gebe aber nach den Gesamtumständen keine Anhaltspunkte dafür, dass M dem Kläger seine Position als Alleinerbe streitig gemacht habe. Das FG-Urteil wurde der prozessbevollmächtigten Partnerschaft mbB am 05.04.2022 zugestellt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist am 03.05.2022 per Telefax und am 09.05.2022 per Post eingegangen. Sie ist unterzeichnet durch einen Partner der Prozessbevollmächtigten, der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, nicht jedoch Rechtsanwalt ist. Der Kläger macht die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Wenn das FG annehme, die Ansprüche des weichenden Erbprätendenten seien nur abziehbar, "sofern die Ansprüche ernstlich geltend gemacht wurden", setze es sich in Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 04.05.2011 - II R 34/09 (BFHE 233, 184, BStBl II 2011, 725). Der BFH habe darin im Anschluss an das BFH-Urteil vom 01.07.2008 - II R 71/06 (BFHE 222, 63, BStBl II 2008, 874) ausgeführt, dass das Ergebnis eines ernsthaft gemeinten Erbvergleichs dann der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen sei, wenn er seinen letzten Rechtsgrund noch im Erbrecht finde. Das gelte auch für den Abzug der Abfindungszahlung als Nachlassverbindlichkeit. Es reiche aus, wenn das Ergebnis erbrechtlich vertretbar sei. In welcher Weise der weichende Erbprätendent seine Ansprüche geltend gemacht habe, sei daher unerheblich. Die Auslegung des Erbvertrags lasse es zu, M als Alleinerbin zu betrachten. Im Übrigen seien die restriktiven Anforderungen des FG an die ernstliche Geltendmachung von Ansprüchen, namentlich die Durchführung eines Gerichtsverfahrens, weder dem BFH-Urteil in BFHE 272, 530, BStBl II 2022, 340, noch dem durch das FA angeführten BFH-Beschluss vom 19.09.2000 - II B 10/00 (BFH/NV 2001, 163) zu entnehmen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere in der gebotenen Form eingelegt. § 52d FGO fand keine Anwendung. Nach § 52d Satz 1 FGO haben Rechtsanwälte ihre Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln. Nach § 52d Satz 2 FGO gilt Gleiches für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Das war jedoch zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde weder für Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater noch für Partnerschaftsgesellschaften der Fall.
1. Vertretungsberechtigt sind nach § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO, über § 62 Abs. 4 FGO auch vor dem BFH, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sowie Gesellschaften i.S. des § 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), die durch solche Personen handeln. § 3 StBerG in der bis zum 31.07.2022 geltenden Fassung erfasst in Nr. 2 Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich die in Nummer 1 genannten Personen sind (insbesondere Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer), und in Nr. 3 u.a. Steuerberatungs- und Rechtsanwaltsgesellschaften.
2. Nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO ist ein sicherer Übermittlungsweg der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts.
a) Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO in der bei Beschwerdeeinlegung im Mai 2022 geltenden Fassung richtete die Bundesrechtsanwaltskammer für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach empfangsbereit ein. In der Fassung ab 01.08.2022 heißt es stattdessen "für jede im Gesamtverzeichnis eingetragene natürliche Person", wobei der Gesetzgeber die Änderung als klarstellende verstanden hat (BTDrucks 19/27670, S. 157, Zu Nummer 5 (Änderung des § 31a BRAO), Zu Buchstabe a). § 31a Abs. 2 BRAO sieht für die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs u.a. vor, dass die Rechtsanwaltskammer Vor- und Familiennamen der angehenden Rechtsanwälte an die Bundesrechtsanwaltskammer übermittelt.
b) Ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach besitzen nur natürliche Personen.
aa) Das in § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO genannte Gesamtverzeichnis enthält ausschließlich natürliche Personen. Es handelt sich, wie sich aus § 31 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BRAO ergibt, um das bei der Bundesrechtsanwaltskammer geführte Verzeichnis in den Bezirken aller Rechtsanwaltskammern zugelassenen Rechtsanwälte. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, mit der der Rechtsanwalt gemäß § 12 Abs. 3 BRAO Mitglied der zulassenden Rechtsanwaltskammer wird und die zur Führung der Berufsbezeichnung "Rechtsanwältin" oder "Rechtsanwalt" berechtigt, steht allein natürlichen Personen offen. Das zeigt sich etwa daran, dass in reinen Inlandsfällen gemäß § 4 Satz 1 Nr. 1 BRAO Zulassungsvoraussetzung die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz ist. Zwar sind nicht nur zugelassene Rechtsanwälte Mitglieder der jeweiligen Rechtsanwaltskammer (§ 60 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BRAO), sondern auch zugelassene Rechtsanwaltsgesellschaften sowie deren Geschäftsführer (§ 60 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BRAO). Im Gesamtverzeichnis werden diese aber gerade nicht eingetragen. Das bedeutet, dass die Änderung des § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO tatsächlich nur klarstellend war (ebenso im Ergebnis Siegmund in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 31a BRAO Rz 34).
bb) Hinzu tritt, dass nur bei dieser Auslegung die in § 31a Abs. 2 BRAO vorgesehene Übermittlung der Personennamen verständlich ist.
cc) Im Übrigen sind Partnerschaftsgesellschaften noch nicht einmal Rechtsanwaltsgesellschaften und können deshalb schon nicht Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer sein (ebenso Lauda in: Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O., § 60 BRAO Rz 23a). Selbst wenn § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO in der bei Beschwerdeeinlegung im Mai 2022 geltenden Fassung so auszulegen gewesen wäre, dass jedes Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach erhält, wären die Partnerschaftsgesellschaften damit immer noch nicht erfasst.
3. § 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG, der für jeden Steuerberater und Steuerbevollmächtigten ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach vorsieht, ist gemäß § 157e StBerG erstmals nach Ablauf des 31.12.2022 anzuwenden.
4. Das bedeutet im Streitfall, dass die Beschwerde formgerecht war. Der unterzeichnende Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist nicht Rechtsanwalt. Er ist zwar vertretungsberechtigt vor dem BFH. Ihm steht aber kein sicherer Übermittlungsweg i.S. von § 52d Satz 2 i.V.m. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung. Er hat kein Anwaltspostfach, da er nicht Anwalt ist, und das entsprechende besondere elektronische Steuerberaterpostfach ist erst ab dem 01.01.2023 einzurichten. Die Partnerschaft, die sich als Prozessbevollmächtigte im Beschwerdeverfahren legitimiert hat, kann als solche ebenfalls keinen sicheren Übermittlungsweg besitzen.
III.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vorliegt.
1. Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH oder ein anderes FG. Gleiches gilt für Entscheidungen eines anderen obersten Bundesgerichts. Dabei muss das FG seinem Urteil einen entscheidungserheblichen (tragenden) abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (BFH-Beschluss vom 08.04.2020 - IX B 103/19, BFH/NV 2020, 898).
2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
a) Das BFH-Urteil in BFHE 233, 184, BStBl II 2011, 725 betrifft allein die hier nicht streitgegenständliche Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Forderungen aus einem Erbvergleich nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG oder ggf. einer anderen Vorschrift als Erwerb von Todes wegen besteuert werden dürfen. In dem vorliegenden Streitfall geht es hingegen um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Verbindlichkeiten aus einem Erbvergleich nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar sind. Eine Divergenz könnte vor diesem Hintergrund nur bestehen, wenn materiell-rechtlich Spiegelbildlichkeit bestünde, mit der Folge, dass alle Rechtsgrundsätze auch für die jeweils andere Konstellation gälten. Es besteht aber auch in der Erbschaftsteuer kein allgemeines Korrespondenzprinzip zwischen der Besteuerung von Forderungen und Zuflüssen bei dem Gläubiger und der Abziehbarkeit von Verbindlichkeiten und Abflüssen bei dem Schuldner (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2016 - II R 24/15, BFHE 254, 60, BStBl II 2017, 128, Rz 19).
b) Das BFH-Urteil in BFHE 222, 63, BStBl II 2008, 874 hatte die Frage zum Gegenstand, unter welchen Voraussetzungen eine Zahlung zur Abgeltung einer Zugewinnausgleichsforderung als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden kann. Im vorliegenden Fall hat das FG jedoch ausdrücklich festgestellt, dass die Zahlung des Klägers an M nicht zum Ausgleich von familienrechtlichen Ansprüchen zum Ausgleich eines Zugewinnausgleichs erfolgt ist. An diese Feststellungen wäre der BFH auch in einem Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Die Voraussetzung, dass das FG bei einem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt eine andere Auffassung vertritt, ist somit nicht erfüllt.
c) Soweit der Kläger meint, das FG hätte im vorliegenden Fall die ernstliche Geltendmachung von Ansprüchen durch M nicht verneinen dürfen, setzt er lediglich seine eigene Würdigung an die Stelle der nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindenden tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts durch das FG. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (BFH-Beschluss vom 20.01.2022 - X B 132-133/20, BFH/NV 2022, 734). Eine hierauf gestützte Revisionszulassung setzt einen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO voraus. Ein solcher ist vorliegend nicht ersichtlich. Das FG hat dem Fehlen eines justizförmigen Verfahrens zu Recht eine Indizwirkung beigemessen. So sind auch in den BFH-Urteilen in BFHE 254, 60, BStBl II 2017, 128 (Streit um die Erbenstellung) und in BFHE 272, 530, BStBl II 2022, 340 (Streit um eine beeinträchtigende Schenkung) zugrunde liegenden Sachverhalten tatsächlich Prozesse geführt worden. Dies war vorliegend nicht der Fall.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.