ECLI:DE:BFH:2023:B.120123.IXS15.22.0
BFH IX. Senat
FGO § 133a Abs 1 S 1 Nr 1, FGO § 126 Abs 3 S 1 Nr 2, FGO § 126 Abs 5, FGO § 56 Abs 1
vorgehend BFH , 19. Juli 2022, Az: IX R 17/20
Leitsätze
1. NV: Gegen ein Urteil des BFH, mit dem die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen worden ist, ist die Anhörungsrüge gegeben.
2. NV: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Anhörungsrüge nicht gewährt werden, wenn die Kläger durch eine Sozietät vertreten sind und sich das Vorbringen zu krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nur auf einen Berufsträger bezieht.
Tenor
Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.07.2022 - IX R 17/20 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
1. Die Anhörungsrüge ist statthaft, da ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (§ 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Dem steht nicht entgegen, dass das Verfahren bei dem Finanzgericht (FG) fortgesetzt wird, weil der Bundesfinanzhof (BFH) in dem angefochtenen Urteil das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen hat (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Zwar wird das Verfahren insofern bereits "fortgeführt", da eine das Verfahren beendende Entscheidung noch nicht ergangen ist. Die Kläger, Revisionskläger und Rügeführer (Kläger) können ihr Begehren beim FG weiter verfolgen. Für die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge genügt es jedoch, dass eine die Instanz beendende Entscheidung ergangen ist, gegen die kein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf gegeben ist (ebenso: Rüsken in Gosch, FGO § 133a Rz 24.2; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 321a Rz 6). Das ergibt sich schon daraus, dass das höchstrichterliche Urteil im Fall der Zurückverweisung der Sache an das FG inhaltliche Bindungswirkung gemäß § 126 Abs. 5 FGO entfaltet, so dass ein schützenswertes Interesse auch an der Fortsetzung des Rechtsstreits in der Revisionsinstanz besteht.
2. Die Rüge ist jedoch verspätet erhoben worden.
a) Nach § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Das angefochtene Urteil ist den Klägern am 26.09.2022 zugestellt worden. Die Frist für die Erhebung der Anhörungsrüge lief also mit Ablauf des 10.10.2022 ab. Die Anhörungsrüge ist aber erst am 21.10.2022 bei dem BFH eingegangen.
b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) kann nicht gewährt werden. Zwar ist das Wiedereinsetzungsgesuch zulässig, insbesondere rechtzeitig angebracht worden. Es ist aber nicht begründet. Zur Begründung wird lediglich ausgeführt, dass der Kläger vom 04.10.2022 bis zum 20.10.2022 infolge einer infektiösen Erkrankung mit Folgesymptomen nicht arbeitsfähig gewesen sei (ärztliches Attest der Klägerin vom 31.10.2022). Die Kläger haben sich aber im Ausgangsverfahren von der Sozietät … vertreten lassen. Dieser ist auch das angefochtene Urteil zugestellt worden. Ist ein Partner einer Sozietät arbeitsunfähig erkrankt, obliegt es dem anderen Partner, Fristen zu überwachen und einzuhalten. Es fehlt an einem entsprechenden Vortrag (samt Glaubhaftmachung), warum der andere Partner ohne Verschulden verhindert gewesen wäre, die Frist zur Einlegung der Anhörungsrüge einzuhalten.
c) Die Anhörungsrüge wäre aber auch unbegründet. Der Senat hat das gesamte Vorbringen der Kläger zur Kenntnis genommen und erwogen. Er hat sich damit wiederholt intensiv auseinandergesetzt. Etwas anderes zeigt die Begründung der Anhörungsrüge nicht auf. Dass die Kläger mit der angefochtenen Entscheidung inhaltlich nicht einverstanden sind, kann die Anhörungsrüge nicht begründen.
3. Die Gerichtskosten richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz ‑‑GKG‑‑ (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 60 € an (BFH-Beschluss vom 16.02.2022 - X S 16/21, X S 17/21 (PKH), X S 20/21 (PKH), BFH/NV 2022, 423).