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Urteil vom 26. September 2023, IX R 13/22

§ 23 EStG: Kein anteiliger Erwerb eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks bei entgeltlichem Erwerb eines Miterbenanteils

ECLI:DE:BFH:2023:U.260923.IXR13.22.0

BFH IX. Senat

EStG § 6, EStG § 9, EStG § 22 Nr 2, EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 23 Abs 1 S 4, EStG § 23 Abs 3, FGO § 118 Abs 2, HGB § 255 Abs 1, AO § 39 Abs 2 Nr 2, EStG VZ 2018

vorgehend FG München, 21. Juli 2021, Az: 1 K 2127/20

Leitsätze

Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks (Änderung der Rechtsprechung sowie entgegen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14.03.2006, BStBl I 2006, 253, Rz 43).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 21.07.2021 - 1 K 2127/20 aufgehoben.

Die Einkommensteuer 2018 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom 25.08.2020 auf den Betrag festgesetzt, der sich ohne die bislang berücksichtigten Einkünfte nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von … € ergibt.

Die Berechnung der Steuer wird dem Finanzamt übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von Einkünften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2018 gültigen Fassung (EStG) wegen der Veräußerung von zur Erbmasse gehörendem Grundbesitz nach dem Erwerb aller übrigen Miterbenanteile durch einen Erben.

  2. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Erbe mit einem Erbanteil von 52 % nach der am xx.xx.2015 verstorbenen Frau … (Erblasserin). Zu seinen Lasten wurde Nacherbfolge angeordnet. Weitere Erben zu jeweils 24 % und zugleich Nacherben nach dem Kläger wurden die Kinder der Erblasserin. Aufgrund eines Vorausvermächtnisses erhielt der Kläger den gesamten Hausrat, das Mobiliar und den Personenkraftwagen der Erblasserin. Im Übrigen bestand der Nachlass aus dem Grundbesitz mit der Gemarkung … unter der Anschrift … sowie … (Grundstück) sowie einem Geschäftsanteil an der … GmbH (GmbH) in Höhe von … DM. Das Stammkapital der GmbH betrug … DM.

  3. Der Kläger und die Kinder der Erblasserin wurden am 27.08.2015 im Grundbuch des Grundstücks als Eigentümer in Erbengemeinschaft eingetragen.

  4. Mit notarieller Urkunde vom 18.04.2017 übertrugen die Kinder der Erblasserin als Nacherben das Nacherbenanwartschaftsrecht an dem Erbteil des Klägers mit allen Rechten und Pflichten an diesen zur Alleinberechtigung und traten dieses Recht mit sofortiger dinglicher Wirkung ab.

  5. In der Folge übertrugen die Kinder der Erblasserin mit notarieller Urkunde vom 27.04.2017 ihren Erbanteil an einen Dritten. Nach der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts übertrug dieser die von den beiden Kindern der Erblasserin erworbenen Erbanteile mit notarieller Urkunde vom 20.10.2017 auf den Kläger. Zugleich wurde die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt. Nach Abzug der anteiligen auf die Erbanteile der Kinder der Erblasserin entfallenden Nachlassverbindlichkeiten vom Kaufpreis von … € verblieb ein als Restkaufpreis bezeichneter Betrag von … €. Unter Berücksichtigung weiterer Kosten und Gebühren wendete der Kläger insgesamt … € laut notarieller Urkunde vom 20.10.2017 für die Erbanteile der Kinder der Erblasserin auf.

  6. Der Kläger veräußerte mit notarieller Urkunde vom 09.02.2018 den aus dem Nachlass stammenden Grundbesitz für … €.

  7. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des Erwerbs der Erbanteile vom Dritten eine anteilige entgeltliche Anschaffung des Grundbesitzes in Höhe von 48 % durch den Kläger vorliege. Da zwischen dem Erwerb der Erbanteile und dem Verkauf des Grundbesitzes nicht mehr als zehn Jahre gelegen hätten, lägen sonstige Einkünfte aufgrund eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor.

  8. Mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 25.08.2020 berücksichtigte das FA daher zusätzlich Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von … €.

  9. Die hiergegen erhobene Sprungklage zum Finanzgericht (FG) blieb aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1907 genannten Gründen ohne Erfolg (Urteil vom 21.07.2021 - 1 K 2127/20).

  10. Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger im Wesentlichen die Verletzung materiellen Rechts rügt.

  11. Der Kläger beantragt,
    das Urteil des FG München vom 21.07.2021 - 1 K 2127/20 aufzuheben und die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung von Einkünften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG festzusetzen.

  12. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

  13. Die veräußerten Objekte seien erst durch den Erwerb der Erbanteile in das Eigentum des Klägers übergegangen. Die Entscheidungen des X. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 04.10.1990 - X R 148/88 (BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211) sowie vom 10.07.1996 - X R 103/95 (BFHE 183, 1, BStBl II 1997, 678) seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Während es in den dortigen Verfahren um die Frage der Weiterveräußerung eines KG-/GbR-Anteils gegangen sei, werde vorliegend kein Anteil an der Erbengemeinschaft, sondern ein zur Erbmasse gehörendes Grundstück veräußert.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und ‑‑da der Senat in der Sache selbst entscheiden kann‑‑ zur Stattgabe der Klage. Das FG hat zu Unrecht einen vom Kläger zu versteuernden Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Höhe von … € wegen der Veräußerung des Grundstücks angenommen.

  2. 1. Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (zum Beispiel Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

  3. a) Die in § 23 EStG verwendeten Begriffe "Anschaffung" und "Anschaffungskosten" sind im Sinne des § 6 EStG und des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) auszulegen (ständige Rechtsprechung, s. nur Senatsurteil vom 08.11.2017 - IX R 25/15, BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, Rz 16, m.w.N.). Unter Anschaffung beziehungsweise Veräußerung im Sinne des § 23 EStG ist danach die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen (z.B. Senatsurteile vom 31.01.2017 - IX R 26/16, BFHE 257, 78, BStBl II 2018, 341, Rz 14; vom 08.04.2003 - IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171, unter II.1.b aa und vom 02.05.2000 - IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614, zur Anschaffung unter II.3.a und zur Veräußerung unter II.3.b, jeweils m.w.N.). Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 HGB unter anderem die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben.

  4. b) Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts. Ob und in welchem Umfang Nämlichkeit gegeben ist oder ein anderes Wirtschaftsgut ("aliud") vorliegt, richtet sich nach einem wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliche Kriterien sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut (Senatsurteile vom 08.11.2017 - IX R 25/15, BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, Rz 17 und vom 12.06.2013 - IX R 31/12, BFHE 241, 557, BStBl II 2013, 1011, Rz 13 f., m.w.N.).

  5. c) Im Grundsatz führt der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer gesamthänderischen Beteiligung nicht zur (anteiligen) Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens (entgegen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 14.03.2006, BStBl I 2006, 253, Rz 43).

  6. aa) Eine gesamthänderische Beteiligung ist kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt. Das gilt selbst dann, wenn sich im Gesamthandsvermögen nur Grundstücke befinden. Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F. ist zivilrechtlich zu verstehen. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt aber keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Sie kann deshalb einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht nicht gleichgestellt werden (BFH-Urteil vom 04.10.1990 - X R 148/88, BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211, unter 1. und 2.; bestätigt durch BFH-Urteil vom 10.07.1996 - X R 103/95, BFHE 183, 1, BStBl II 1997, 678, unter II.2.).

  7. bb) Daran ändert § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) nichts. Nach dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, wird eine anteilige Zurechnung im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgängen, die ‑‑wie hier‑‑ von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern verwirklicht werden, ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 04.10.1990 - X R 148/88, BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211, unter 1. und 2.; bestätigt durch BFH-Urteil vom 10.07.1996 - X R 103/95, BFHE 183, 1, BStBl II 1997, 678, unter II.2.). § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist daher nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Grundstück, sondern ein Gesellschafts- oder Gemeinschaftsanteil angeschafft worden ist (vgl. auch Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz 94). Diese allgemein gültige Aussage, die den Anwendungsbereich des § 39 AO betrifft und der sich die Finanzverwaltung für vor dem 01.01.1994 verwirklichte Sachverhalte angeschlossen hatte (vgl. BMF-Schreiben vom 20.10.1997, BStBl I 1997, 899), ist nach wie vor zu beachten. Soweit der Senat mit Urteil vom 20.04.2004 - IX R 5/02 (BFHE 206, 110, BStBl II 2004, 987) eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht länger fest.

  8. cc) Entgegen der Ansicht des FA findet die Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall Anwendung. Zwar betrafen die angeführten BFH-Urteile Sachverhalte mit Beteiligungen an einer KG beziehungsweise GbR. Die dargestellten Grundsätze gelten jedoch ohne Einschränkungen für alle Gesamthandsgemeinschaften. Dazu gehört auch die Erbengemeinschaft (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.09.2002 - XII ZR 187/00, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3389, unter II.1., BeckOK BGB/Lohmann, 67. Ed. [01.08.2023], BGB § 2032 Rz 2; MüKoBGB/Gergen, 9. Aufl., § 2032 Rz 19; Staudinger/Löhnig (2020) BGB Vorbemerkung zu § 2032 Rz 8).

  9. dd) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 05.07.1990 - GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) zur Erbauseinandersetzung. Soweit dort ausgeführt ist, dass dem Erbanteilskäufer Anschaffungskosten für die hinzuerworbenen Anteile am Gemeinschaftsvermögen entstehen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 05.07.1990 - GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, unter C.II.2.a), lässt diese Aussage nicht hinreichend klar erkennen, ob die Anschaffungskosten den Anteilen oder den Gegenständen im Gemeinschaftsvermögen zuzuordnen sind. Einer Anfrage an die anderen Senate beziehungsweise einer erneuten Anrufung des Großen Senats des BFH (§ 11 Abs. 2 und Abs. 3 FGO) bedarf es mithin nicht.

  10. ee) Auch aus § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG ergibt sich nichts anderes.

  11. (1) Nach dieser Vorschrift gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Die Vorschrift erfasst nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut nur Beteiligungen an Personengesellschaften. Dies schließt eine Anwendung der Regelung auf Erbengemeinschaften aus, da diese nicht zu den Personengesellschaften zählen (so auch Carlé in Korn, § 23 EStG Rz 66.5; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 240; Tiedtke/Wälzholz, Betriebs-Berater 2001, 234, 238; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 100; vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2023 - IV R 5/19, BFHE 279, 450, BStBl II 2023, 649, Rz 38; a.A. Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 23 Rz 10).

  12. (2) § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG kann auch nicht über seinen Wortlaut hinaus auf Erbengemeinschaften angewandt werden. Mit der Einfügung von § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. (heute: § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG) hat der Gesetzgeber auf das BFH-Urteil vom 04.10.1990 - X R 148/88 (BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211) reagiert. Er hat dabei aber weder § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO geändert noch eine spezielle Zurechnungsnorm für sämtliche Gesamthandsgemeinschaften geschaffen, sondern den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG bewusst auf Personengesellschaften beschränkt (BRDrucks 612/93, S. 61). Vor diesem Hintergrund fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke (BFH-Urteile vom 27.11.1985 - I R 42/85, BFHE 145, 217, BStBl II 1986, 272, unter II.2.; vom 28.10.2020 - X R 29/18, BFHE 271, 370, BStBl II 2021, 675, Rz 33).

  13. (3) § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG fingiert in seinem (hier nicht eröffneten) Anwendungsbereich den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG, macht damit eine Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO obsolet und bestätigt durch seine Existenz zugleich die Grundannahme in den BFH-Urteilen vom 04.10.1990 - X R 148/88 (BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211, unter 1. und 2.) und vom 10.07.1996 - X R 103/95 (BFHE 183, 1, BStBl II 1997, 678), wonach die Anschaffung eines Gesellschafts- oder Gemeinschaftsanteils den Tatbestand der Anschaffung eines Wirtschaftsguts nicht erfüllt.

  14. d) Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht vor. Es besteht keine Nämlichkeit zwischen dem angeschafften und dem veräußerten Wirtschaftsgut. Aufgrund notarieller Urkunde vom 20.10.2017 erwarb der Kläger die Erbanteile der beiden Kinder der Erblasserin, mithin die quotenmäßig bestimmte Teilhaberschaft an der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft (Staudinger/Löhnig (2020) BGB § 2033 Rz 6; MüKoBGB/Musielak, 9. Aufl., Vorbemerkung vor § 2371 Rz 5, jeweils m.w.N.). Mit notarieller Urkunde vom 09.02.2018 veräußerte er hingegen das aus dem Nachlass stammende Grundstück.

  15. 2. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen in der Sache selbst entscheiden und gibt der Klage statt.

  16. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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