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Beschluss vom 22. März 2023, XI R 45/19

Die Zinsschranke (§ 4h EStG) gilt nur für Vergütungen, die Entgelt für die zeitlich begrenzte Zurverfügungstellung von Fremdkapital sind

ECLI:DE:BFH:2023:B.220323.XIR45.19.0

BFH XI. Senat

EStG § 4h Abs 3 S 2, AO § 367 Abs 2a S 1, GewStG § 8 Nr 1 Buchst a S 1, KStG § 8a, GewStR R 8.1 Abs 1 S 8, EStG VZ 2011 , GewStG VZ 2011 , KStG VZ 2011

vorgehend FG Münster, 12. April 2019, Az: 10 K 2859/15 K

Leitsätze

1. Ein Entgelt, mit dem nicht die Möglichkeit zur Nutzung von Fremdkapital, sondern eine andere Leistung des Kreditgebers vergütet wird, ist keine Zinsaufwendung im Sinne des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG.

2. Eine sogenannte "arrangement fee", mit der gesonderte, über die Kapitalüberlassung hinausgehende Leistungen einer Konsortialführerin vergütet werden und die sich nach der vertraglich vereinbarten (und nicht nach der tatsächlich in Anspruch genommenen) Darlehenssumme bemisst, unterfällt nicht der Abzugsbeschränkung des § 4h EStG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12.04.2019 - 10 K 2859/15 K wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war alleinige Anteilseignerin der B-GmbH. Zwischen der Klägerin und der B-GmbH bestand eine körperschaft- und gewerbesteuerrechtliche Organschaft mit der Klägerin als Organträgerin.

  2. Die Klägerin und die B-GmbH nahmen im Jahr 2011 ein Darlehen im Umfang von … Mio. € als Konsortialkredit auf. Ursprünglich war ein Darlehen in Höhe von … Mio. € vereinbart, hiervon wurde später der genannte Betrag abgerufen. Darlehensgeber waren die C-Bank, die einen Darlehensanteil von rund … Mio. € übernahm, sowie vier weitere Kreditinstitute.

  3. Der Konsortialkredit wurde als sogenanntes offenes Innenkonsortium abgeschlossen. Hierbei war die C-Bank Konsortialführerin. Als solche trat ausschließlich sie nach außen gegenüber der Klägerin beziehungsweise der B-GmbH auf, handelte hierbei im Innenverhältnis aber teilweise (im Umfang der jeweiligen Darlehensanteile) für Rechnung der anderen Konsorten.

  4. Die C-Bank und die B-GmbH schlossen des Weiteren einen "mandate and syndication letter" und einen "arrangement fee letter". Außerdem kam ein ebenfalls in englischer Sprache verfasstes "term sheet" als Anlage zu einem "commitment letter" zustande. Nach dem "term sheet" hatte die C-Bank als Konsortialführer die folgenden Funktionen:

            

    - "agent"

            

    - "security agent"

            

    - "mandated lead arranger"

            

    - "underwriter"

            

    - "bookrunner"

            

    - "initial lender"

  5. Nach dem "mandate and syndication letter" hatte die C-Bank alle Aspekte der Kreditsyndizierung zu organisieren, unter anderem die Zeitschiene, die Auswahl möglicher Kreditgeber, die Akzeptanz und Aufteilung der Kreditvereinbarungen und die Verteilung der Gebühren an die Kreditgeber. Im "arrangement fee letter" war die Vereinbarung enthalten, dass als "arrangement fee" ein Betrag in Höhe von 4,25 % der vereinbarten Darlehenssumme (… €) an die C-Bank zu zahlen sei. Die "arrangement fee" war eine einmalige Zahlung, welche nicht zurückzahlbar war. Sie fiel allerdings nicht an, wenn es nicht zum Abschluss des Darlehensvertrags kam.

  6. Die B-GmbH verbuchte unter anderem die im Jahr 2011 angefallene "arrangement fee" als Aufwand.

  7. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ging im Zuge einer Außenprüfung davon aus, dass im Rahmen der Anwendung der Zinsschranke nach § 8a des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG) in Verbindung mit § 4h des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) auch die "arrangement fee" als Zinsaufwendung im Sinne von § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG anzusehen sei.

  8. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch, den sie zunächst ausschließlich darauf stützte, dass § 4h EStG verfassungswidrig sei. Das FA erließ sodann eine Teileinspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2a der Abgabenordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (AO). Darin wird ausgeführt, dass über den folgenden Teil des Einspruchs nicht entschieden werde: "Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs gemäß § 4h EStG (Zinsschranke)". Das FA wies darauf hin, dass dieser Teil des Einspruchsverfahrens aufgrund des Antrags der Klägerin nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes ruhe. In der Teileinspruchsentscheidung heißt es des Weiteren, dass der Einspruch, soweit über ihn entschieden werde, unbegründet sei. Diese Vorgehensweise sei auch sachdienlich im Sinne von § 367 Abs. 2a Satz 1 AO.

  9. Die Klage war überwiegend erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) vertrat, soweit hier von Interesse, die Auffassung, dass die "arrangement fee" nicht zu den Zinsaufwendungen im Sinne von § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG gehöre. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1211 veröffentlicht.

  10. Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Es rügt eine Verletzung des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG.

  11. Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

  12. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Zuständigkeit des erkennenden Senats für die Entscheidung des Streitfalls ergibt sich aus Teil A XI. Senat Nr. 2 des Geschäftsverteilungsplans des Bundesfinanzhofs (BFH). Die Regelungen in Teil A I. Senat Nr. 1 bis Nr. 3 sind nicht einschlägig.

III.

  1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das FG-Urteil weist keinen Rechtsfehler auf.

  2. 1. Der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung war zulässig.

  3. a) Nach § 367 Abs. 2a Satz 1 AO kann die Finanzbehörde vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Die Frage der Sachdienlichkeit der teilweisen Entscheidung über den Einspruch im Sinne des § 367 Abs. 2a AO ist gerichtlich voll überprüfbar (vgl. BFH-Beschluss vom 21.12.2016 - I B 57/16, BFH/NV 2017, 881; kritisch Steinhauff, AO-Steuerberater 2017, 170). Bei teilweiser Entscheidungsreife eines Einspruchs ist der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung im Allgemeinen sachdienlich, soweit dem keine besonderen Umstände entgegenstehen (vgl. BFH-Urteile vom 17.03.2022 - XI R 39/19, BFHE 275, 526, BStBl II 2023, 295, Rz 16; vom 12.05.2022 - V R 31/20, Rz 26).

  4. b) Nach diesen Maßstäben war der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung zulässig. Die Frage, ob § 4h EStG verfassungsgemäß ist, ist nicht spruchreif, während die weitere streitige Frage, ob die "arrangement fee" von der Abzugsbeschränkung des § 4h EStG erfasst wird, entscheidungsreif ist. Daher war es sachdienlich, eine Teileinspruchsentscheidung über die entscheidungsreifen Teile zu erlassen, aber über die Verfassungsmäßigkeit des § 4h EStG noch nicht zu entscheiden. Nach der Entscheidung im Verfahren 2 BvL 1/16 ist mit einer einvernehmlichen Erledigung des beim FA noch ruhenden Teil des Rechtsstreits (bezüglich der hier nicht streitigen, einfachrechtlich unter § 4h EStG fallenden Aufwendungen) zu rechnen.

  5. 2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die "arrangement fee" keine Zinsaufwendung im Sinne des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG ist.

  6. a) Zinsaufwendungen, die der Abzugsbeschränkung der sogenannten Zinsschranke gemäß § 4h EStG in Verbindung mit §§ 8a, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG unterliegen, werden in § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG definiert als Vergütungen für Fremdkapital, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben.

  7. aa) Da Zinsen "genau genommen" nicht "für Fremdkapital", sondern für die Überlassung von Fremdkapital und für die Einräumung einer zeitlich begrenzten Möglichkeit der Nutzung dieses Kapitals geleistet werden, kommt es darauf an, dass sich die Vergütung als Entgelt für die zeitlich begrenzte Zurverfügungstellung von Fremdkapital darstellt (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 49 "Entgelt für die Überlassung des Fremdkapitals zur Nutzung"). Für das Vorliegen von Zinsaufwendungen spricht regelmäßig, dass sich das Entgelt an der Höhe des zur Nutzung überlassenen Fremdkapitals und an der Dauer der eingeräumten Kapitalnutzungsmöglichkeit (Laufzeit) orientiert (vgl. BFH-Urteil vom 09.08.2000 - I R 92/99, BFHE 193, 141, BStBl II 2001, 609; Förster in Gosch KStG, 4. Aufl., § 8a Rz 268).

  8. bb) Die Regelung in § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG betrifft ihrem Wortlaut nach "Vergütungen für Fremdkapital", der Hinzurechnungstatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst. a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) erfasst die "Entgelte für Schulden". Jene Bestimmung versteht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung dahin, dass Gegenleistungen für die Zurverfügungstellung (Überlassung und Nutzung) von Fremdkapital erfasst werden (vgl. BFH-Urteile vom 10.07.1996 - I R 12/96, BFHE 181, 86, BStBl II 1997, 253; in BFHE 193, 141, BStBl II 2001, 609). Der sehr ähnliche Wortlaut der beiden Vorschriften legt ein übereinstimmendes Verständnis nahe (gl.A. Seiler in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 4h Rz 17), jedenfalls für die von Kreditinstituten üblicherweise verlangten Entgelte (vgl. Haase/Geils, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2016, 273). Gründe, die für eine unterschiedliche, also normspezifische Interpretation sprechen könnten, vermag der Senat insoweit nicht zu erkennen. Deshalb spricht auch nichts dagegen, die zu § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG ergangene Rechtsprechung zu einzelnen vom Steuerpflichtigen getätigten Aufwendungen für die Auslegung des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG heranzuziehen.

  9. cc) Danach kommt es für die Einstufung als Zinsaufwendung darauf an, dass sich das Entgelt bei wirtschaftlicher Betrachtung als Gegenleistung für die Fremdkapitalnutzungsmöglichkeit darstellt; die Bezeichnung des Entgelts, zum Beispiel als Zins oder Gebühr, ist nicht maßgeblich (vgl. R 8.1 Abs. 1 Satz 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien ‑‑GewStR‑‑ 2009; Seiler in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 4h Rz 17; Förster in Gosch KStG, 4. Aufl., § 8a Rz 268; Haase/Geils, DStR 2016, 273). Entgelte, die für eine andere Leistung oder aus einem anderen Rechtsgrund erbracht werden, stellen keine Zinsaufwendungen dar (vgl. BFH-Urteil vom 07.10.2021 - III R 15/18, BFHE 274, 567, BStBl II 2022, 625, Rz 27; in diesem Sinne auch Loschelder in Schmidt, EStG, 41. Aufl., § 4h Rz 24; Loewens in Brandis/Heuermann, § 4h EStG Rz 35; Haase/Geils, DStR 2016, 273; wohl auch Seiler in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 4h Rz 17). Denn solche speziellen Entgelte werden nicht, wie vom Gesetz gefordert, "für" die Zurverfügungstellung des Fremdkapitals, sondern aus anderem Rechtsgrund, etwa einer Bürgschaft, oder "für" etwas anderes gezahlt (BFH-Urteile in BFHE 193, 141, BStBl II 2001, 609; vom 29.03.2007 - IV R 55/05, BFHE 217, 103, BStBl II 2007, 655, zur Avalgebühr).

  10. dd) Soweit die Finanzverwaltung ‑‑im Unterschied zum Gewerbesteuerrecht (vgl. R 8.1 Abs. 1 Satz 8 GewStR 2009)‑‑ auch Vergütungen, die "zwar nicht als Zins berechnet werden, aber Vergütungscharakter haben (z.B. … Provisionen und Gebühren, die an den Geber des Fremdkapitals gezahlt werden)", zu den Zinsaufwendungen rechnet (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 04.07.2008, BStBl I 2008, 718, Rz 15) und sich dies möglicherweise auch auf Entgelte für eine andere Leistung oder aus anderem Rechtsgrund beziehen könnte, vermag der Senat dem aus den genannten Gründen nicht zu folgen.

  11. b) Nach diesen Maßstäben ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die "arrangement fee" keine Zinsaufwendung im Sinne des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG darstellt.

  12. aa) Das FG hat für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass es sich bei der im Streitfall gezahlten "arrangement fee" um eine einmalige Gebühr für die bis zum Abschluss des Kreditvertrags erfolgten Vermittlungstätigkeiten des Konsortialführers handelte (unter anderem Erarbeitung eines Finanzierungskonzepts und eines Informationsmemorandums, Organisation und Dokumentation des Signings). Die Gebühr war dafür zu zahlen, dass die C-Bank als Konsortialführer den Konsortialkredit mit mehreren anderen Banken vermittelt und zustande gebracht hat. Die "arrangement fee" wurde außerdem nicht nach dem tatsächlich abgerufenen Fremdkapital, sondern nach der vertraglich vereinbarten Darlehenssumme bemessen. Eine ‑‑anteilige‑‑ Rückerstattung bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensverhältnisses war nicht vereinbart (vgl. zur "arrangement fee" und anderen Gebühren auch Hahn, Die Unternehmensbesteuerung 2014, 106).

  13. bb) In rechtlicher Hinsicht hat die Vorinstanz ihrem Urteil die zutreffende Auslegung des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG zugrunde gelegt, wonach Entgelte, mit denen andere Leistungen des Kreditgebers als die Einräumung der Fremdkapitalnutzungsmöglichkeit vergütet werden, keine Zinsaufwendungen im Sinne des Gesetzes darstellen. Sie ist der Sache nach auch davon ausgegangen, dass der Anwendung des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG kein rein kausales Verständnis zugrunde zu legen ist.

  14. cc) Auf dieser Grundlage hat die Vorinstanz die streitgegenständliche "arrangement fee" dahingehend gewürdigt, dass mit ihr gesonderte, über die Kapitalüberlassung hinausgehende Leistungen der C-Bank als Konsortialführerin vergütet wurden. In diese Würdigung hat das FG die rechtlich maßgeblichen Gesichtspunkte einbezogen, wie zum Beispiel die fehlende Bemessung an der Höhe des zur Nutzung überlassenen Fremdkapitals, die fehlende Laufzeitabhängigkeit und die Art der von der C-Bank erbrachten Leistungen. An diese im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung der Vorinstanz ist der Senat gebunden.

  15. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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