ECLI:DE:BFH:2022:U.280922.VIIIR39.19.0
BFH VIII. Senat
EStG § 3 Nr 1 Buchst d, EStG § 18 Abs 1 Nr 1, MuSchG § 14, GG Art 3 Abs 1, GG Art 100 Abs 1 S 1, EStG VZ 2014
vorgehend FG Köln, 12. September 2019, Az: 15 K 1378/18
Leitsätze
1. Tarifvertragliche Zuschüsse einer Rundfunkanstalt an eine selbständige Journalistin anlässlich ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft sind nicht gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfrei.
2. Die Vorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG verletzt insoweit nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 12.09.2019 - 15 K 1378/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die für das Streitjahr (2014) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die jüngere ihrer beiden Töchter wurde im März des Streitjahres geboren.
Die Klägerin ist Journalistin und bei den Rundfunkanstalten E und X beschäftigt. Aus ihren beruflichen Tätigkeiten erzielte sie im Streitjahr zum einen geringfügige, nach Steuerklasse VI lohnversteuerte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die zwischen den Beteiligten nicht in Streit stehen. In überwiegendem Umfang erzielte die Klägerin zum anderen als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterin der E und der X Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG).
Aufgrund ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihrer zweiten Tochter im März 2014 erhielt die Klägerin im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeiten von den beiden Rundfunkanstalten im Streitjahr Beträge von 10.159 € (E) und 5.704 € (X) gutgeschrieben (vgl. Schreiben der E vom xx.xx.2014 zur "Zahlung von Mutterschaftsgeld vom xx.xx.-xx.xx.2014" und Schreiben der X vom xx.xx.2014 zur "Zahlung bei Schwangerschaft"). Grundlage der Zahlungen waren für E und X geltende Tarifverträge, die im Fall des Nachweises einer Schwangerschaft jeweils Ansprüche auf Zuschusszahlungen für die Dauer von sechs Wochen vor der Geburt und acht (bei Frühgeburten oder Mehrlingsgeburten zwölf) Wochen nach der Geburt vorsahen.
Laut der Bescheinigung der E vom 28.11.2017 handelte es sich bei der Zahlung an die Klägerin um einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, nicht um ein Honorar für Urheberleistungen. Nach dem für alle arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiterinnen der E geltenden Tarifvertrag … vom … (E-Tarifvertrag) betrug der Zuschuss zusammen mit den Leistungen der Krankenversicherung oder eines vergleichbaren Trägers der Sozialversicherung je Kalendertag 75 % von 1/365 der Vorjahresbezüge bei E zuzüglich einer etwaigen tariflichen Honorarerhöhung.
Laut der Bescheinigung der X vom 22.11.2017 handelte es sich um eine Zuschusszahlung zu Leistungen der Krankenversicherung für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt. Nach dem Tarifvertrag der X … (X-Tarifvertrag) wurde der Zuschuss wie folgt berechnet: "Die Beschäftigte erhält auf Antrag ... einen Zuschuss, der zusammen mit den Leistungen der Krankenversicherung je Tag 1/365 der Vergütung beträgt, die sie in den letzten Monaten vor Beginn der 6-Wochen-Frist erzielt hat".
In der Einkommensteuererklärung, die sie zusammen mit dem Kläger einreichte, erklärte die Klägerin ihren Gewinn aus selbständiger Tätigkeit ohne die tarifvertraglichen Zuschüsse von 15.863 € (10.159 € + 5.704 €). Sie wies diese stattdessen in der Anlage N als steuerfreie Lohnersatzleistungen aus. Eine Lohnsteuerbescheinigung mit einem Eintrag in der betreffenden Zeile 15 legte sie nicht vor.
Im Einkommensteuerbescheid vom 08.07.2016 und ebenso in dem zusammen mit der Einspruchsentscheidung bekanntgegebenen Änderungsbescheid vom 08.05.2018 erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Zuschüsse von 15.863 € als steuerpflichtige Einnahmen aus selbständiger Arbeit.
Im Anschluss an das erfolglose Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage zum Finanzgericht (FG). Durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1114 veröffentlichte Urteil wies das FG die Klage als unbegründet ab.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die tariflichen Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld seien schon nicht steuerbar oder nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG nicht steuerpflichtig. Die Entgeltersatzleistungen für Schwangere und Mütter seien keine freiberuflichen Honorare und deshalb nicht als Einkünfte nach § 18 EStG zu qualifizieren. Jedenfalls sei eine analoge Anwendung der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG geboten, wenn die Zuschüsse an das Mutterschutzgesetz (MuSchG) angelehnt und kollektivvertraglich geregelt seien. Es sei die verfassungsrechtlich einzig vertretbare Auslegung, dass Steuervergünstigungen zur sozialen Absicherung von Müttern bzw. Schwangeren für alle Frauen gelten sollten. Eine etwaige Steuerpflicht der Zuschüsse sei wegen einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes verfassungswidrig und außerdem unionsrechtswidrig. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, gleichartige Mutterschaftsleistungen auf kollektivvertraglicher Grundlage für arbeitnehmerähnliche Selbständige von der Steuervergünstigung auszuschließen; diese Leistungen seien für "arbeitgeberähnliche Auftraggeber" gleichermaßen verpflichtend wie der gesetzlich verpflichtende Zuschuss für Arbeitgeber. Auch die den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld regelnde Vorschrift des § 14 MuSchG in seiner im Jahr 2014 geltenden Fassung (MuSchG a.F., das bis zum 31.12.2017 anwendbar war) sei unionsrechtskonform auszulegen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Köln vom 12.09.2019 - 15 K 1378/18 aufzuheben und die Einspruchsentscheidung und den Einkommensteuerbescheid jeweils vom 08.05.2018 dahingehend zu ändern, dass die Zuschüsse von 15.863 € als nicht steuerpflichtig behandelt werden.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Die Vorentscheidung verletzt weder Bundesrecht noch Unionsrecht (unter II.1.). Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt (unter II.2.). Das Verfahren ist daher nicht nach § 74 FGO auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. §§ 80 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) einzuholen.
1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die der Klägerin gewährten Zuschüsse steuerpflichtige freiberufliche Einnahmen sind. Sie sind steuerbar und nicht gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfrei.
a) Die auf tarifvertraglicher Grundlage im Streitjahr von den Auftraggebern E und X an die Klägerin bezahlten schwangerschafts- bzw. mutterschaftsbedingten Zuschüsse sind steuerbare Einnahmen der Klägerin aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Journalistin (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
aa) Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine Zuwendung ist betrieblich veranlasst, wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher, wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs kommt es nicht auf die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können somit auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit denen weder ein zuvor begründeter Rechtsanspruch erfüllt noch eine in der Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll. Erforderlich ist nur, dass die Zuwendung einen wirtschaftlichen Bezug zum Betrieb aufweist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30.11.2016 - VIII R 41/14, BFH/NV 2017, 1180, Rz 16 f., m.w.N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Würdigung des FG, dass die der Klägerin im Streitjahr von E und X gutgeschriebenen Beträge steuerbare Betriebseinnahmen der Klägerin sind, nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass mit den Zuschusszahlungen keine von der Klägerin erbrachten journalistischen Leistungen vergütet wurden, steht dem Vorliegen steuerbarer Einnahmen i.S. des § 18 EStG nicht entgegen. Denn nur aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeiten für die beiden Rundfunkanstalten fanden der E-Tarifvertrag und der X-Tarifvertrag auf die Klägerin Anwendung. Die Veranlassung der Zuschusszahlungen durch ihre selbständigen journalistischen Tätigkeiten als freie Mitarbeiterin der Rundfunkanstalten (d.h. nicht durch eine abhängige Beschäftigung bei diesen) ist gegeben, so dass der erforderliche Bezug zu dem freiberuflichen Betrieb der Klägerin (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) vorliegt.
b) Die freiberuflichen Betriebseinnahmen in Höhe von 15.863 € sind steuerpflichtig. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG sind nicht erfüllt.
aa) Nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG sind insbesondere das Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG steuerfrei.
bb) Bei den von der Klägerin im Streitjahr vereinnahmten tarifvertraglichen Leistungen handelt es sich nicht um "Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG". Rechtsgrundlage des Mutterschaftsgeldes war im Streitjahr § 13 MuschG a.F. Im Fall der Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse erhielten Frauen gemäß § 13 Abs. 1 MuSchG a.F. für die Zeit der Mutterschutzfristen (d.h. grundsätzlich sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung) Mutterschaftsgeld nach krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften (insbesondere nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch) sowie bei fehlender Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse gemäß § 13 Abs. 2 MuSchG a.F. zu Lasten des Bundes. Um Mutterschaftsgeld in diesem Sinne geht es bei den Zahlungen von E und X an die Klägerin unstreitig nicht.
cc) Die Auftraggeber E und X haben an die Klägerin auch keinen "Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG" i.S. des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG gezahlt.
Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld war im Streitjahr in § 14 MuSchG a.F. geregelt. Mutterschaftsgeldberechtigte Frauen erhielten danach während ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses für die Zeit der Mutterschutzfristen und für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen 13 € und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a.F.; zur Ermittlung vgl. § 14 Abs. 1 Sätze 2 ff. MuschG a.F.).
Die von den Auftraggebern gutgeschriebenen Zuschüsse in Höhe von 10.159 € (E) und 5.704 € (X) wurden nicht auf der Grundlage des MuSchG an die Klägerin als Arbeitnehmerin der jeweiligen Rundfunkanstalt und auch nicht nach anderen in § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG ausdrücklich genannten Vorschriften gewährt, sondern nach den für freie Mitarbeiterinnen geltenden Tarifverträgen der E und der X.
dd) Tarifvertragliche, dem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG nachgebildete Zuschusszahlungen sind nicht nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerbefreit.
Zwar orientierten sich die tarifvertraglichen Zuschüsse an die Klägerin im Streitjahr an den Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG, die Arbeitnehmerinnen von ihrem Arbeitgeber erhielten. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG sind bei tarifvertraglichen Zuschüssen jedoch nicht erfüllt, da nach dem Wortlaut des Gesetzes ausschließlich Zuschüsse auf der Grundlage des MuSchG (d.h. im Streitjahr nach § 14 MuSchG a.F.) erfasst werden. Während Arbeitnehmerinnen Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld, die der Arbeitgeber an sie entrichtet, nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfrei erhalten, sieht das Gesetz eine Steuerbefreiung für Zuschüsse an selbständige Frauen nicht vor. Die Steuerfreiheit kann nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes selbständigen Müttern de lege lata auch dann nicht gewährt werden, wenn ihre Tätigkeit ‑‑wie bei der Klägerin als einer langjährigen freien Mitarbeiterin der Rundfunkanstalten E und X‑‑ "arbeitnehmerähnlich" ausgestaltet ist.
c) § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG ist auf tarifvertragliche Zuschüsse auch nicht analog anwendbar (ebenso Brandis/Heuermann/Valta, § 3 Nr. 1 EStG Rz 14; BeckOK EStG/Niklaus, § 3 Nr. 1 EStG, Rz 172; vgl. auch Schmidt/Levedag, EStG, 41. Aufl., § 3 Rz 11, und Kreft, Gestaltende Steuerberatung 2020, 261). Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung der Vorschrift geschlossen werden müsste.
aa) Eine für eine Analogie erforderliche, erkennbar planwidrige Regelungslücke liegt nur vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig und somit ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Hiervon zu unterscheiden ist der sog. rechtspolitische Fehler, der gegeben ist, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber doch nicht ‑‑gemessen an der dem Gesetz immanenten Teleologie‑‑ als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist. Ob es sich um eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke oder lediglich um einen sog. rechtspolitischen Fehler handelt, ist unter Heranziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu ermitteln, wobei für den danach erforderlichen Vergleich auf die Wertungen des Gesetzes und insbesondere auf dessen Entstehungsgeschichte zurückzugreifen ist (vgl. BFH-Urteil vom 03.12.2019 - VIII R 34/16, BFHE 267, 232, BStBl II 2020, 836, Rz 27, m.w.N.).
bb) Aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG und des MuSchG gehen keine Anhaltspunkte für eine planwidrige Lücke des Gesetzes hervor. Vor der Aufnahme der Steuerbefreiung in § 3 EStG bestand eine Steuerbefreiungsvorschrift für das Mutterschaftsgeld und den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld im MuSchG selbst (vgl. § 17 MuSchG i.d.F. vom 18.04.1968, BGBl I 1968, 315, 320). Durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Mutterschutzgesetzes vom 27.06.1979 (BGBl I 1979, 823) wurde der Buchstabe d in § 3 Nr. 1 EStG angefügt (zur Gesetzesbegründung vgl. BTDrucks 8/2667 und 8/2816). Das Mutterschaftsgeld und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld wurden im Gesetz ausdrücklich und nur unter Bezugnahme auf das MuSchG steuerbefreit. Die Gesetzeshistorie bestätigt damit die unter II.1.b dd dargelegte sprachliche Auslegung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG und lässt eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennen.
cc) Die seit dem 01.01.2018 geltende Neufassung des MuSchG (MuSchG n.F.) spricht ebenfalls gegen eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG auf tarifvertragliche Zuschüsse an arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterinnen. Im Gegensatz zur Rechtslage nach § 1 MuSchG a.F. erfasst der persönliche Anwendungsbereich des MuSchG nun zwar auch "Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen sind" (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 MuSchG n.F. und BTDrucks 18/8963, S. 43, 51, 91). Bezüglich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach § 20 MuSchG n.F. werden arbeitnehmerähnliche Personen hingegen auch weiterhin nicht in den gesetzlichen Mutterschutz nach dem MuSchG einbezogen (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts ‑‑BAG‑‑ vom 23.05.2018 - 5 AZR 263/17, BAGE 162, 387, Rz 34). Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 MuSchG n.F. gilt das Gesetz für arbeitnehmerähnlich beschäftigte Frauen nur "mit der Maßgabe, dass die §§ 18, 19 Absatz 2 und § 20 MuSchG auf sie nicht anzuwenden sind". Von den gesetzlichen Regelungen zum Mutterschutzlohn, zum Mutterschaftsgeld und zum Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (§§ 18 bis 20 MuSchG n.F.) ist lediglich § 19 Abs. 1 MuSchG n.F. (Mutterschaftsgeld für Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse) auf arbeitnehmerähnliche Frauen anwendbar. Nicht in den gesetzlichen Mutterschutz für arbeitnehmerähnliche Frauen einbezogen sind nach wie vor die Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a.F. ist auch nicht ‑‑wie von den Klägern geltend gemacht wird‑‑ dahingehend unionsrechtskonform auszulegen, dass auch selbständige Frauen einen Anspruch auf den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld haben (vgl. BAG-Urteil in BAGE 162, 387, Rz 32 ff.).
2. Eine Aussetzung des Revisionsverfahrens gemäß § 74 FGO und eine Vorlage an das BVerfG zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. §§ 80 ff. BVerfGG) kommen nicht in Betracht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG in seiner unter II.1. beschriebenen Auslegung den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt.
a) Für die Prüfung der Vereinbarkeit einer Steuerbefreiung des EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG gelten die folgenden Grundsätze.
aa) Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seinem Wesen entsprechend ungleich zu behandeln, gilt für Belastungen wie auch für Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen, vergleichbaren Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 28.06.2022 - 2 BvL 9/14, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2022, 872, Rz 68). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich insbesondere ergeben, wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für Einzelne verfügbar sind (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 08.12.2021 - 2 BvL 1/13, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2022, 532, Rz 51 ff.; vom 07.04.2022 - 1 BvL 3/18, NJW 2022, 2169, Rz 239, und in HFR 2022, 872, Rz 69 ff., m.w.N.).
bb) Art. 3 Abs. 1 GG belässt dem Steuergesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz bindet ihn an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der insbesondere im Einkommensteuerrecht gebietet, die steuerliche Belastung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Gemäß dem Gebot möglichst gleich hoher Belastung bei gleicher Leistungsfähigkeit (horizontale Steuergerechtigkeit) muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen. Ausnahmen bedürfen eines besonderen sachlichen Grunds, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfG-Beschlüsse in NJW 2022, 532, Rz 56 f.; in HFR 2022, 872, Rz 75 f., und vom 19.11.2019 - 2 BvL 22/14, BVerfGE 152, 274, Rz 99 f., m.w.N.).
cc) Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstands getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen. Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen. Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 152, 274, Rz 101 ff., und in HFR 2022, 872, Rz 73 f., m.w.N.).
b) Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben ist der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG überzeugt.
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG keine Steuerbefreiung für Zuschüsse an freie Mitarbeiterinnen auf tarifvertraglicher Grundlage vorsieht, die Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld (§ 14 MuSchG a.F., § 20 MuSchG n.F.) nachgebildet sind. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit durfte der Gesetzgeber bei der Abgrenzung der Steuerbefreiung für Leistungen während der Mutterschutzfristen zwischen Einkünfte gemäß § 18 EStG erzielenden selbständigen Frauen und Einkünfte gemäß § 19 EStG erzielenden nichtselbständigen Frauen differenzieren.
bb) Soweit das Ausgangsverfahren die Zuschüsse nach dem X-Tarifvertrag betrifft, hat der Senat schon deshalb keinen Zweifel an der Vereinbarkeit der Steuerpflicht mit Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Zuschuss danach zusammen mit den Leistungen der Krankenversicherung "je Tag 1/365" der Vergütung in den letzten Monaten vor Beginn der Sechs-Wochen-Frist vor der Geburt beträgt. Im Gegensatz zur Bemessung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG wird der Zuschuss nach dem X-Tarifvertrag ohne Verminderung um gesetzliche Abzüge bemessen (anders die Bezugsgröße "75 % von 1/365" nach dem E-Tarifvertrag, die einen pauschalen Abzug vorsieht). Die Besteuerung der nach den ungekürzten Vergütungen bemessenen Zuschüsse nach dem X-Tarifvertrag entspricht der Besteuerung der Vergütungen bei aktiver Beschäftigung und ist damit folgerichtig. Auch im Vergleich zur Steuerfreiheit der nach dem Gesetz nur in gekürzter Höhe bemessenen Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG ist die Steuerpflicht ungekürzter Zuschusszahlungen nach einem Tarifvertrag sachlich begründet.
cc) Auch unabhängig von der Zuschusshöhe (gekürzt oder ungekürzt) durfte der Gesetzgeber im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG bei der normativen Ausgestaltung der Steuerbefreiung für Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld typisierend danach differenzieren, ob eine abhängige Beschäftigung mit Zuschussberechtigung nach dem MuSchG vorliegt oder ob dies ‑‑wie im Fall der Klägerin‑‑ nicht der Fall ist. Es besteht von Verfassungs wegen keine Verpflichtung, Zuschüsse an selbständig beschäftigte Schwangere und Mütter aufgrund eines Tarifvertrags in die Steuerbefreiung einzubeziehen. Unter Inkaufnahme gewisser Härten in Einzelfällen durfte der Gesetzgeber darauf verzichten, "arbeitgeberähnliche Auftraggeber" zu definieren, um auch deren Zuschusszahlungen steuerfrei zu stellen. Mit der Bezugnahme auf das MuSchG hat der Gesetzgeber den typischen Fall als für die Steuerbefreiung maßgeblich zugrunde gelegt. Der sachliche Grund, der die nach der Art der Beschäftigung differenzierende Befreiung von der Einkommensteuer zu rechtfertigen vermag, ist die Wesensverschiedenheit von selbständiger und nichtselbständiger Arbeit. Selbständige und Nichtselbständige unterscheiden sich nicht nur bezüglich der einkommensteuerlichen Einkunftsart, sondern auch in ihrem wirtschaftlichen und sozialen Status wesentlich. Im Gegensatz zu nichtselbständig beschäftigten Frauen auf der Grundlage des MuSchG erhalten selbständige Frauen im typischen Fall von ihren Auftraggebern keinen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld und haben darauf auch keinen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch. Die Vergütung einer selbständig tätigen Person durch ihren Auftraggeber ist vielmehr regelmäßig von einer tatsächlich erbrachten Dienstleistung abhängig, während leistungsunabhängige Vergütungen bei selbständiger Arbeit atypisch sind. Dass sich dies im Bereich des Rundfunks aufgrund seiner besonderen rechtlichen und tariflichen Rahmenbedingungen anders verhält, ist nicht zuletzt auf rundfunkspezifische Besonderheiten zurückzuführen (vgl. zum Status programmgestaltender Rundfunkmitarbeiter BAG-Urteile vom 19.01.2000 - 5 AZR 644/98, BAGE 93, 218, und vom 25.08.2020 - 9 AZR 373/19, NJW 2020, 3802, Rz 20 ff.; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 13.01.1982 - 1 BvR 848/77, BVerfGE 59, 231). Hiervon ausgehend besteht auch in diesem Bereich die Möglichkeit, sozial motivierte Tarifverträge im Interesse selbständiger Mütter so auszugestalten, dass der Schutz und Lebensstandard der Schwangeren und Mütter während der Mutterschutzfristen vollständig gewahrt bleiben (vgl. X-Tarifvertrag).
dd) Die Unterscheidung nach der Art der Beschäftigung liegt ferner auch der Abgrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Frauen nach dem MuSchG zugrunde. Laut der Gesetzesbegründung zum MuSchG n.F. (vgl. BTDrucks 18/8963, S. 51, 91) findet der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 MuSchG n.F. keine Anwendung, da Art und Umfang der finanziellen Absicherung der Entscheidung der selbständig Tätigen vorbehalten sei und somit außerhalb des Verantwortungs- und Gestaltungsbereichs des Auftraggebers liege. Das MuSchG selbst und insbesondere der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG sind zwar weder einfachrechtlich noch verfassungsrechtlich unmittelbarer Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens. Es stellt sich hier deshalb nicht die Frage, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, dass arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterinnen hinsichtlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG abhängig Beschäftigten gesetzlich nicht gleichgestellt sind (Ungleichbehandlung durch das MuSchG). Der aus der Gesetzesbegründung zum MuSchG n.F. hervorgehende sachliche Grund für die Differenzierung auf der Ebene des MuSchG spricht nach Auffassung des Senats jedoch ebenfalls für die Vereinbarkeit von § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.