ECLI:DE:BFH:2022:B.271022.VIIR1.20.0
BFH VII. Senat
EUV 952/2013 Art 79 Abs 1 Buchst a, EUV 952/2013 Art 139 Abs 1, EUV 952/2013 Art 250, EUV 2015/2447 Art 218 Buchst a, EUV 2015/2446 Art 141 Abs 1 Buchst b, EUV 2015/2446 Art 212 Abs 3, ZollVG § 2 Abs 4 S 2, ZollV § 2 Abs 1 S 1, UStG § 21 Abs 2, EGRL 112/2006 Art 70, AEUV Art 267
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 22. Oktober 2019, Az: 11 K 2256/17
Leitsätze
1. NV: Das besondere Verfahren der vorübergehenden Verwendung i.S. von Art. 250 UZK kann nicht für einen PKW (Nicht-Unionsware) in Anspruch genommen werden, der zur Erfüllung eines Kaufvertrags in das Zollgebiet der Union verbracht und nicht als Beförderungsmittel verwendet wird.
2. NV: Liegen die Voraussetzungen der vorübergehenden Verwendung nicht vor, kann die Gestellung nicht gemäß Art. 218 Buchst. a UZK-IA durch konkludentes Handeln erfolgen, so dass es ohne ausdrückliche Gestellungsmitteilung zu einer Entstehung der Einfuhrzollschuld gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK wegen Verletzung der Gestellungspflicht des Art. 139 Abs. 1 UZK kommt.
3. NV: Wird ein Fahrzeug zur Erfüllung eines Kaufvertrags in das Gebiet der Union verbracht und an einen Beauftragten des Käufers übergeben, geht das Fahrzeug in den Wirtschaftskreislauf der Union ein mit der Folge, dass gemäß § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK die Einfuhrumsatzsteuer entsteht.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg vom 22.10.2019 - 11 K 2256/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Einfuhr bei der Firma X AG, A, Schweiz, als Autoverkäufer angestellt. In deren Namen verkaufte er mit Vertrag vom xx.xx.2016 ein Fahrzeug, …, an den finnischen Staatsbürger F, der bis zum Jahr 2018 seinen ersten Wohnsitz ebenfalls in der Schweiz hatte. Der Kaufpreis betrug 267.690 CHF und sollte teilweise durch Inzahlunggabe eines Gebrauchtwagens erbracht werden. F, der sich im Urlaub in Finnland aufhielt, beauftragte mit der Abwicklung des Kaufs die Firma K, B, Finnland, deren Geschäftsführer für F die Konditionen des Kaufvertrags verhandelt hatte und die Details, wie die Zulassung und den Transport des Fahrzeugs, mit dem Kläger abstimmte. Der Kläger ließ das Fahrzeug in der Schweiz am xx.xx.2016 auf F zu. Die Zulassung erfolgte auf das Wechselkennzeichen XY 123, auf das bereits der Gebrauchtwagen zugelassen war. Da F das Fahrzeug an seinem Urlaubsort nutzen, dessen Laufleistung aber nicht erhöhen wollte, sollte das Fahrzeug nicht auf eigener Achse nach Finnland transportiert werden. K beauftragte daher ein estnisches Speditionsunternehmen mit der Durchführung des Autotransports. Im Kaufvertrag wurde diesbezüglich unter "Bemerkungen und spezielle Abmachungen" vereinbart, dass die Fahrzeugübergabe (erg. an den Spediteur) voraussichtlich in C (Bundesrepublik Deutschland ‑‑Deutschland‑‑) stattfinden und das Fahrzeug dorthin bewegt werden solle; der genaue Termin solle noch bekanntgegeben werden. In den "Allgemeinen Vertragsbedingungen" war zudem unter 7. ausgeführt, dass bis zur Übergabe des Fahrzeugs der Verkäufer die Gefahr für den Untergang oder die Wertminderung des Fahrzeugs tragen sollte. In Finnland sollte das schweizerische Wechselkennzeichen montiert und das Fahrzeug nach Beendigung des Urlaubs von F wieder in die Schweiz ausgeführt werden.
Der Kläger fuhr das Fahrzeug am xx.xx.2016 von der Schweiz nach Deutschland, um es dort an den estnischen Transportunternehmer zu übergeben, der den weiteren Transport nach Finnland durchführen sollte. Der Kläger passierte hierbei den Grenzübergang D/E, ohne an der Grenze eine Zollabfertigung durchzuführen. An dem Fahrzeug war zum Zeitpunkt der Einfuhr das schweizerische Garagenkennzeichen PQ 456 angebracht. Das Fahrzeug wurde an dem vereinbarten Treffpunkt, einem ungefähr 2 km von der schweizerisch-deutschen Grenze entfernten Parkplatz in E, auf einen LKW mit einer estnischen Zulassung verladen, nachdem der Kläger zuvor das schweizerische Garagenkennzeichen abmontiert hatte. Im Gegenzug wurde der in Zahlung genommene Gebrauchtwagen, den der Spediteur aus Finnland mitgebracht hatte, abgeladen und anschließend vom Kläger mit dem Garagenkennzeichen zur X AG in die Schweiz gefahren.
Im Rahmen einer Zollkontrolle wurde das streitgegenständliche Fahrzeug zur Sicherung der Einfuhrabgaben sichergestellt. Zudem setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) mit Einfuhrabgabenbescheid vom 09.03.2017 gegen den Kläger, den F sowie K gesamtschuldnerisch Einfuhrabgaben in Höhe von 61.800 € (20.000 € Zoll und 41.800 € Einfuhrumsatzsteuer) fest. Zur Begründung führte das HZA aus, dass das Fahrzeug durch das Aufladen und den geplanten Transport von Deutschland nach Finnland nicht mehr als Beförderungsmittel im Straßenverkehr eingesetzt und somit die in den zollrechtlichen Vorschriften genannten Voraussetzungen für die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben gemäß Art. 250 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union ‑‑UZK‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2013, Nr. L 269, 1) i.V.m. Art. 212 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28.07.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union ‑‑UZK-DA‑‑ (ABlEU 2015, Nr. L 343, 1) nicht mehr erfüllt gewesen seien. Die Einfuhrabgaben seien daher nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entstanden. Der Kläger sei Zollschuldner nach Art. 79 Abs. 3 Buchst. b UZK, da er die amtlichen schweizerischen Kennzeichen entfernt und das Aufladen auf ein weiteres Beförderungsmittel zumindest zugelassen habe. Als Verkäufer von Kfz habe er vernünftigerweise wissen müssen, dass dies im Rahmen der vorübergehenden Verwendung eines außerhalb der Europäischen Union (EU) zugelassenen Beförderungsmittels nicht zulässig sei.
Während der an K gerichtete Einfuhrabgabenbescheid bestandskräftig wurde, legten der Kläger und F gegen die sie betreffenden Bescheide Einsprüche ein. Den Einspruch des Klägers wies das HZA mit Entscheidung vom 26.07.2017 zurück.
Nachdem F zwischenzeitlich die festgesetzten Einfuhrabgaben in Höhe von 61.800 € bezahlt hatte, hob das HZA am 11.07.2017 die Sicherstellung des Fahrzeugs auf. Dieses wurde anschließend wieder in die Schweiz ausgeführt und anderweitig veräußert.
Gegen die Einspruchsentscheidung des HZA erhob der Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) mit folgender Begründung abwies: Die Zollschuld sei gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entstanden, weil der Kläger gegen die aus Art. 139 Abs. 1 UZK folgende Verpflichtung verstoßen habe, in das Zollgebiet der Union verbrachte Waren bei ihrer Ankunft bei der bezeichneten Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort oder in der Freizone unverzüglich zu gestellen. Der Kläger habe auch keine (ausdrückliche) Zollanmeldung abgegeben. Die Gestellung und die Abgabe einer Zollanmeldung seien im Streitfall auch nicht durch das bloße Passieren der Zollstelle erfolgt, weil die Voraussetzungen einer vorübergehenden Verwendung nicht vorgelegen hätten. Denn es sei nicht vorgesehen gewesen, das Fahrzeug im Zollgebiet der Union vorübergehend als Beförderungsmittel zu verwenden und anschließend wieder auszuführen. Vielmehr habe das Verbringen des Fahrzeugs allein der Erfüllung des Kaufvertrags gedient. Eine Bewilligung der vorübergehenden Verwendung für F sei zwar möglich gewesen, aber der Kläger hätte dann für Rechnung des F handeln müssen, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei, weil die X AG bis zur Übergabe in E die Gefahr eines Untergangs oder einer Verschlechterung der Kaufsache getragen habe. Der Kläger habe daher für deren Rechnung gehandelt. Es könne dahinstehen, ob das Fahrzeug auf den Namen einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person amtlich zugelassen gewesen sei. Der Kläger sei Zollschuldner nach Art. 79 Abs. 3 Buchst. a UZK, und die Zollschuld sei auch nicht gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK erloschen, denn die Ware habe, wenn auch nur in geringem Umfang, Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Union gefunden. Die Einfuhrumsatzsteuer sei ebenfalls zu Recht festgesetzt worden, weil eine Einfuhr im Sinne des Mehrwertsteuerrechts vorliege.
Der Kläger begründet seine Revision mit einer Verletzung von Art. 250 UZK. Die beabsichtigte vorübergehende Verwendung des Fahrzeugs seitens des F sei zulässig gewesen. Es seien keine Veränderungen an dem PKW beabsichtigt und die Nämlichkeit des Fahrzeugs durch die Fahrgestellnummer gewährleistet gewesen. Der Verfahrensinhaber F, für dessen Rechnung er gehandelt habe, sei zum damaligen Zeitpunkt außerhalb des Zollgebiets der Union, nämlich in der Schweiz, ansässig gewesen. Die vorübergehende Verwendung sei gemäß Art. 212 Abs. 2 UZK-DA angemeldet worden. Der streitgegenständliche PKW sei ein Beförderungsmittel. Die Überführung des PKW von der Schweiz nach Deutschland sei auf Veranlassung des F geschehen, der zu diesem Zeitpunkt die Verfügungsmacht über das auf ihn zugelassene Fahrzeug gehabt habe. In mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht sei das Fahrzeug dem F bereits in der Schweiz geliefert worden, indem ihm die Befähigung verschafft worden sei, im eigenen Namen über das Fahrzeug wirtschaftlich zu verfügen. Das Fahrzeug sei auch in der Schweiz auf F zugelassen gewesen, auch wenn bei Grenzübertritt das Garagenkennzeichen und nicht das Wechselkennzeichen des F an dem Fahrzeug montiert gewesen sei. Das FG nehme zu Unrecht an, dass der PKW i.S. des Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK im Zollgebiet der Union verwendet worden sei. Die Fahrt nach Deutschland zum vereinbarten Übergabepunkt sei ein reines Entgegenkommen des Klägers ohne eigenständige wirtschaftliche Bedeutung gewesen. Mangels Eingangs des wieder ausgeführten PKW in den Wirtschaftskreislauf der EU sei keine Einfuhrumsatzsteuer entstanden. Die Beantwortung der Frage, ob die Verwendung einer Ware Einfluss auf die Güter-, Dienstleistungs- und Geldbewegungen in der EU habe und diese damit in den Wirtschaftskreislauf eingehe, könne nicht davon abhängen, an welchem Ort die Ware nach der deutschen Zollverordnung (ZollV) zu gestellen sei.
Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung und den Einfuhrabgabenbescheid vom 09.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2017 aufzuheben.Das HZA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Zur Begründung nimmt es im Wesentlichen auf die Vorentscheidung Bezug und ergänzt, die Fahrt des PKW sei zur Erfüllung der im Kaufvertrag zwischen F und der X AG festgelegten Verpflichtungen erfolgt. Der Kläger habe nicht für Rechnung des F gehandelt. Ferner habe es im Zeitpunkt des Grenzübertritts an einer für die vorübergehende Verwendung erforderlichen Zulassung außerhalb des Zollgebiets der Union gemangelt. Das Garagenkennzeichen habe keine Wirksamkeit außerhalb der Schweiz. Art. 212 Abs. 3 Buchst. a UZK-DA sei vorliegend nicht anwendbar. Für den Fall, dass der Senat davon ausgehen sollte, dass eine formlose Überführung in die vorübergehende Verwendung stattgefunden habe, werde darauf hingewiesen, dass auch in diesem Fall die Einfuhrabgabenschuld entstanden sei, weil das Entfernen der Kennzeichen, das Aufladen des PKW und dessen Übergabe an einen Unionsansässigen dafür ursächlich seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG hat die Klage gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 09.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2017 zu Recht abgewiesen.
1. Die Festsetzung der Zollschuld ist rechtmäßig.
a) Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK (u.a.) dann, wenn eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet nicht erfüllt ist.
Für das Entstehen der Zollschuld ist in diesem Fall gemäß Art. 79 Abs. 2 Buchst. a UZK der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Verpflichtung, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht oder nicht mehr erfüllt ist.
Zollschuldner ist in diesem Fall gemäß Art. 79 Abs. 3 Buchst. a und b UZK nicht nur derjenige, der die betreffenden Verpflichtungen zu erfüllen hatte, sondern auch derjenige, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war, und für Rechnung der Person handelte, die diese Verpflichtung zu erfüllen hatte, oder an der Handlung beteiligt war, die zur Nichterfüllung der Verpflichtung führte.
aa) Nach Art. 135 Abs. 1 UZK hat derjenige, der Waren in das Zollgebiet der Union verbringt, diese unverzüglich und ggf. nach Maßgabe der von den Zollbehörden festgelegten Einzelheiten auf dem von ihnen bezeichneten Verkehrsweg zu der von diesen Behörden bezeichneten Zollstelle oder zu einem anderen von diesen Behörden bezeichneten oder zugelassenen Ort oder in eine Freizone zu befördern. Welche Verkehrswege in Deutschland aufgrund des bestehenden Zollstraßenzwangs zu benutzen sind, ist in § 2 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) im Einzelnen geregelt. Die Zollstraßen werden gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 ZollVG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ZollV im Bundesanzeiger öffentlich bekanntgegeben. U.a. ist die Landstraße von D nach E gemäß der Bekanntmachung der auf dem Landweg einzuhaltenden Zollstraßen (§ 1 I. Nr. … des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.12.2012 – III B 1 -Z0601/12/10003, gültig ab 01.01.2013) als Zollstraße bis zum Amtsplatz des Hauptzollamts C – Zollamt E bestimmt.
bb) Außerdem sind gemäß Art. 139 Abs. 1 UZK in das Zollgebiet der Union verbrachte Waren bei ihrer Ankunft bei der bezeichneten Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort oder in der Freizone unverzüglich zu gestellen. Die Gestellung ist durchzuführen von der Person, die die Waren in das Zollgebiet der Union verbracht hat (Buchst. a), von der Person, in deren Namen oder in deren Auftrag die Person handelt, die die Waren in dieses Gebiet verbracht hat (Buchst. b), oder von der Person, die die Verantwortung für die Beförderung der Waren nach dem Verbringen in das Zollgebiet der Union übernommen hat (Buchst. c). Die Gestellung ist gemäß Art. 5 Nr. 33 UZK die Mitteilung an die Zollbehörden, dass Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort eingetroffen sind und für Zollkontrollen zur Verfügung stehen.
cc) Diese zollrechtlichen Pflichten können im Fall des Verbringens von Beförderungsmitteln in der vorübergehenden Verwendung unter bestimmten Voraussetzungen durch konkludentes Handeln erfüllt werden.
Gemäß Art. 218 Buchst. a der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24.11.2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ‑‑UZK-IA‑‑ (ABlEU 2015, Nr. L 343, 558) gelten für die Zwecke der Art. 138, 139 und 140 UZK-DA die Beförderung der Waren gemäß Art. 135 UZK und die Gestellung der Waren gemäß Art. 139 UZK als durch eine Willensäußerung i.S. von Art. 141 Abs. 1 UZK-DA erfüllt. Eine solche Willensäußerung stellt gemäß Art. 141 Abs. 1 Buchst. b UZK-DA das Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge dar. Die Fiktion des Art. 218 Buchst. a UZK-IA gilt u.a. für Beförderungsmittel, die gemäß Art. 139 Abs. 1 i.V.m. Art. 136 Abs. 1 Buchst. a UZK-DA als zur vorübergehenden Verwendung angemeldet gelten, sofern sie nicht mit anderen Mitteln angemeldet werden.
Erfüllt das in das Zollgebiet der Union verbrachte Beförderungsmittel jedoch nicht die Voraussetzungen der vorübergehenden Verwendung, greift die Fiktion i.S. von Art. 218 Buchst. a UZK-IA nicht ein mit der Folge, dass die Einhaltung der Beförderungspflicht und die Gestellung als nicht erfolgt gelten und die Zollschuld gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entsteht. Dies ergibt sich im Wege des Umkehrschlusses aus Art. 219 UZK-IA, wonach in einem solchen Fall die Zollanmeldung, deren Annahme gemäß Art. 218 Buchst. c UZK-IA ebenfalls fingiert wird, als nicht abgegeben gilt. Dies ist aufgrund der gleichen Voraussetzungen auch für die Beförderungspflicht und die Gestellung anzunehmen (vgl. auch Witte/Witte, Zollkodex der Union, 8. Aufl., Art. 79 Rz 41, und Witte/Henke, a.a.O., Art. 250 Rz 76 am Ende).
dd) Gemäß Art. 250 Abs. 1 Buchst. a UZK können in der vorübergehenden Verwendung für die Wiederausfuhr bestimmte Nicht-Unionswaren im Zollgebiet der Union Gegenstand einer besonderen Verwendung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben sein. Die vorübergehende Verwendung ist gemäß Art. 250 Abs. 2 Buchst. d UZK nur zulässig, wenn die in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Anforderungen für die vollständige oder teilweise Befreiung von Abgaben erfüllt sind. Die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben wird nach Art. 212 Abs. 3 UZK-DA für im Straßenverkehr eingesetzte Beförderungsmittel gewährt, wenn sie außerhalb des Zollgebiets der Union auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen sind oder, falls sie nicht amtlich zugelassen sind, einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person gehören und unbeschadet der Art. 214, 215 und 216 UZK-DA von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet werden. Erfolgt die Anmeldung der Beförderungsmittel zur vorübergehenden Verwendung gemäß Art. 136 Abs. 1 UZK-DA mündlich oder mittels einer Handlung gemäß Art. 139 Abs. 1 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 UZK-DA, wird die Bewilligung zur vorübergehenden Verwendung der Person erteilt, in deren tatsächlicher Verfügungsgewalt sich die Waren zum Zeitpunkt ihrer Überführung in die vorübergehende Verwendung befinden, es sei denn, diese Person handelt für Rechnung einer anderen Person. In diesem Fall wird die Bewilligung dieser anderen Person erteilt (Art. 212 Abs. 2 UZK-DA).
Die vorübergehende Verwendung kommt demnach nur für Waren in Betracht, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeführt werden sollen. Die Frage, in welcher Weise das Beförderungsmittel zur vorübergehenden Verwendung anzumelden ist, ist danach zu entscheiden, welche tatsächliche Verwendungsabsicht nach den Umständen des Einzelfalls feststellbar ist. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, welche Verwendungsabsicht nach den objektiv erkennbaren Umständen bestand (Senatsbeschluss vom 03.11.2010 - VII R 38/09, BFHE 231, 424, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2010, 327; vgl. auch Senatsurteil vom 14.06.2005 - VII R 44/02, BFHE 210, 78, ZfZ 2005, 340).
b) Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen ist im Streitfall die Zollschuld gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entstanden und ist der Kläger gemäß Art. 79 Abs. 3 Buchst. a UZK Zollschuldner geworden.
aa) Der Kläger hat eine zollrechtliche Verpflichtung in Bezug auf das Verbringen des Fahrzeugs in das Zollgebiet der Union verletzt, indem er dieses nicht bei der zuständigen Zollstelle, dem Zollamt E, gestellt hat.
Im Streitfall gilt die Zollförmlichkeit der Gestellung nicht gemäß Art. 218 Buchst. a UZK-IA durch konkludentes Handeln (einfaches Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge) als erfüllt, weil im Zeitpunkt der Ankunft des Fahrzeugs am Zollamt E die Voraussetzungen für das besondere Verfahren (vgl. Art. 5 Nr. 16 Buchst. b i.V.m. Art. 210 Buchst. c und Art. 250 UZK) der vorübergehenden Verwendung nicht vorlagen. Denn in diesem Zeitpunkt sollte das Fahrzeug nicht als Beförderungsmittel im Zollgebiet der Union verwendet werden.
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG sollte das Fahrzeug in Deutschland an das von K beauftragte estnische Speditionsunternehmen übergeben werden, um die Verpflichtung der X AG aus dem Kaufvertrag vom xx.xx.2016 zur Übergabe des Fahrzeugs zu erfüllen. Das Fahrzeug wurde demnach als Ware zur Erfüllung des zwischen der X AG und dem F bestehenden Kaufvertrags in das Zollgebiet der Union verbracht, wofür eine Zollanmeldung entweder zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr (Art. 201 UZK) oder zu einem Versandverfahren (Art. 226 UZK) hätte abgegeben werden müssen. Einer vorübergehenden Verwendung des Fahrzeugs als Beförderungsmittel diente dessen Verbringen nach den weiteren Feststellungen des FG dagegen nicht. Dafür spricht auch, dass bei der Verladung des Fahrzeugs auf den LKW keine Kennzeichen an dem Fahrzeug angebracht waren.
Dass der Kläger das Fahrzeug nach dem Passieren der Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland auf einer Strecke von 2 km auf eigener Achse gefahren ist, führt nicht zu einer Verwendung als Beförderungsmittel. Denn die Überbrückung dieser kurzen Strecke diente lediglich dazu, zu dem Treffpunkt mit dem estnischen Spediteur zu gelangen, und hatte damit nur untergeordnete Bedeutung. Maßgeblich ist jedoch der eigentliche Zweck der Verwendung (vgl. dazu Senatsbeschluss in BFHE 231, 424, ZfZ 2010, 327). Dieser eigentliche Zweck bestand vorliegend in der Erfüllung des Kaufvertrags.
Auch die Tatsache, dass das Fahrzeug zu einem späteren Zeitpunkt in Finnland als Beförderungsmittel hätte verwendet werden sollen, wie das FG weiter festgestellt hat, ändert daran nichts, weil die Zollschuld bereits durch die Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Verbringen des Fahrzeugs in das Zollgebiet der Union in Deutschland entstanden ist und die Voraussetzungen der vorübergehenden Verwendung bereits im Zeitpunkt des Verbringens hätten erfüllt sein müssen (vgl. Art. 79 Abs. 2 Buchst. a UZK). Aus demselben Grund kommt es nicht mehr darauf an, dass das Fahrzeug nach seiner Verwendung in Finnland und der Beendigung des Urlaubs des F wieder in die Schweiz ausgeführt werden sollte.
Ob die weiteren Voraussetzungen der vorübergehenden Verwendung wie die Zulassung auf eine außerhalb des Zollgebiets der Union ansässige Person im Zeitpunkt des Verbringens erfüllt waren, bedarf vor diesem Hintergrund ebenfalls keiner weiteren Beurteilung.
bb) Der Kläger ist gemäß Art. 79 Abs. 3 Buchst. a UZK Zollschuldner geworden, weil er das Fahrzeug nicht bei dessen Ankunft im Zollgebiet der Union gestellt hat. Dazu wäre er jedoch verpflichtet gewesen, weil er das Fahrzeug in das Zollgebiet der Union verbracht hat (Art. 139 Abs. 1 Buchst. a UZK).
cc) Ob die Zollschuld gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. b oder Buchst. k UZK infolge der Entrichtung des Einfuhrabgabenbetrags oder durch die spätere Verbringung des PKW aus dem Zollgebiet der Union erloschen ist, kann im vorliegenden Streitfall, in dem es allein um die Festsetzung der Zollschuld geht, dahinstehen. Denn die genannte Vorschrift ist in Titel III, Kapitel 4 "Erlöschen der Zollschuld" des UZK zu finden, während die Zollschuldentstehungstatbestände in Titel III, Kapitel 1 enthalten sind. Bereits daraus ist zu schließen, dass der UZK zwischen dem Entstehen und dem Erlöschen der Zollschuld unterscheidet und Art. 124 Abs. 1 UZK eine entstandene Einfuhrabgabenschuld voraussetzt. Art. 124 UZK ist daher erst im Erhebungsverfahren zu beachten (vgl. dazu auch Deimel in Wolffgang/Jatzke, UZK, Art. 124 Rz 23). Die Regelung hat keine Auswirkungen auf die Entstehung der Zollschuld und die Frage, ob deren Festsetzung mit einem Einfuhrabgabenbescheid rechtmäßig ist.
Soweit der Senat in früheren Entscheidungen unter Geltung des Zollkodex (ZK) im Zusammenhang mit der Festsetzung von Einfuhrabgaben auch Art. 233 ZK angesprochen hat (vgl. z.B. Senatsurteile vom 27.03.2007 - VII R 13/05, BFH/NV 2007, 1383; vom 07.03.2006 - VII R 24/04, BFHE 213, 473, ZfZ 2006, 288, und VII R 23/04, BFHE 212, 321), ist klarzustellen, dass diese Rechtsprechung auf die Anwendung des UZK nicht übertragbar ist.
2. Die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer ist ebenfalls rechtmäßig, denn die Einfuhr von Waren ist ein steuerbarer Umsatz im Sinne des Umsatzsteuerrechts.
a) aa) Der Einfuhrumsatzsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den ‑‑für den Streitfall keine Rolle spielenden‑‑ in der Vorschrift aufgeführten österreichischen Gebieten. Das UStG selbst enthält keine Definition der Einfuhr. Allerdings lässt sich der Begriff anhand von Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ‑‑MwStSystRL‑‑ (ABlEU 2006, Nr. L 347, 1) bestimmen, der die Einfuhr eines Gegenstands als Verbringen eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr i.S. des Art. 24 des Vertrags befindet, in die Gemeinschaft definiert (Art. 5 Abs. 1 MwStSystRL). Nach Art. 60 MwStSystRL erfolgt die Einfuhr von Gegenständen in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Gemeinschaft verbracht wird.
Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt (Art. 70 MwStSystRL). Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Gemeinschaft einem Verfahren oder einer sonstigen Regelung i.S. der Art. 156, 276 und 277 MwStSystRL, der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben oder dem externen Versandverfahren, treten Steuertatbestand und Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesem Verfahren oder dieser sonstigen Regelung nicht mehr unterliegen. Unterliegen die eingeführten Gegenstände Zöllen, landwirtschaftlichen Abschöpfungen oder im Rahmen einer gemeinsamen Politik eingeführten Abgaben gleicher Wirkung, treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem Tatbestand und Anspruch für diese Abgaben entstehen (Art. 71 Abs. 1 MwStSystRL).
bb) Gemäß § 21 Abs. 2 UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle sinngemäß.
Mit Urteil vom 06.05.2008 - VII R 30/07 (BFHE 221, 325, ZfZ 2008, 301, mit Verweis auf Senatsurteil vom 03.05.1990 - VII R 71/88, BFHE 161, 260) hat der erkennende Senat entschieden, dass durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften insbesondere sichergestellt werden soll, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden; dieser Zweck wird nur erreicht, wenn es regelmäßig zur Anwendung der Zollvorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer kommt (vgl. auch Senatsurteile vom 25.10.2006 - VII R 64/05, BFH/NV 2007, 527, und vom 23.05.2006 - VII R 49/05, BFHE 213, 446, ZfZ 2006, 345; vgl. auch Koch, in eKomm Ab 01.01.2021, § 21 UStG Rz 10; BeckOK UStG/Hamster, 33. Ed. [15.06.2022], UStG § 21 Rz 38; Jatzke in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 21 Rz 15).
Die Verbindung von Zoll- und Umsatzsteuerrecht wird für die vorübergehende Verwendung auch durch § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung bestätigt, wonach die vorübergehende Einfuhr von Gegenständen, die nach den zollrechtlichen Vorschriften zur vorübergehenden Verwendung frei von Einfuhrabgaben eingeführt werden können, einfuhrumsatzsteuerfrei ist.
Dennoch kommt eine Anwendung der Zollvorschriften wie z.B. Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK nur in Betracht, wenn und soweit diese nach ihrem Sinn und Zweck auf die Einfuhrumsatzsteuer übertragbar sind.
cc) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) kann neben der Zollschuld eine Mehrwertsteuerpflicht bestehen, wenn aufgrund des Fehlverhaltens, das zur Entstehung der Zollschuld führte, angenommen werden kann, dass die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind und somit einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden konnten (EuGH-Urteile Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung vom 10.07.2019 - C-26/18, EU:C:2019:579, Rz 44, m.w.N., ZfZ 2019, 231; Hauptzollamt Münster vom 03.03.2021 - C-7/20, EU:C:2021:161, Rz 30, ZfZ 2021, 189; Wallenborn Transports vom 01.06.2017 - C-571/15, EU:C:2017:417, Rz 54, ZfZ 2017, 238, und Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig vom 02.06.2016 - C-226/14 und C-228/14, EU:C:2016:405, Rz 65, ZfZ 2016, 193). Dabei stellt der EuGH maßgeblich darauf ab, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Verbrauchsteuer handelt (vgl. EuGH-Urteil Latvijas Dzelzcels vom 18.05.2017 - C-154/16, EU:C:2017:392, Rz 69, ZfZ 2017, 241; so auch § 21 Abs. 1 UStG).
Allerdings kann eine solche Vermutung widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass trotz des zollrechtlichen Fehlverhaltens, das zur Entstehung einer Einfuhrzollschuld in dem Mitgliedstaat führte, in dem dieses Fehlverhalten begangen wurde, ein Gegenstand im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, in dem dieser Gegenstand zum Verbrauch bestimmt war, in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist. In diesem Fall tritt der Tatbestand der Einfuhrmehrwertsteuer in diesem anderen Mitgliedstaat ein (EuGH-Urteile Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung, EU:C:2019:579, Rz 48, ZfZ 2019, 231, und Hauptzollamt Münster, EU:C:2021:161, Rz 31, ZfZ 2021, 189). In einem Fall, in dem nachgewiesen ist, dass der Verbrauch des Gegenstands in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland stattgefunden hat, stellt das zollrechtliche Fehlverhalten, das in Deutschland zur Entstehung der Zollschuld geführt hat, für sich genommen keinen ausreichenden Beweis dafür dar, dass der fragliche Gegenstand auch in Deutschland in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist (vgl. EuGH-Urteil Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung, EU:C:2019:579, Rz 52, ZfZ 2019, 231).
Der EuGH weist ferner in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass die Einfuhrmehrwertsteuer und die Zölle hinsichtlich ihrer Hauptmerkmale insofern vergleichbar sind, als sie durch die Einfuhr in die Union und die sich anschließende Überführung in den Wirtschaftskreislauf der Mitgliedstaaten entstehen. Diese Parallelität wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL die Mitgliedstaaten ermächtigt, den Steuertatbestand und die Entstehung des Steueranspruchs der Einfuhrmehrwertsteuer mit dem Tatbestand und der Entstehung des Anspruchs bei Zöllen zu verknüpfen (EuGH-Urteile Hauptzollamt Hamburg vom 08.09.2022 – C-368/21, EU:C:2022:647, Rz 25; U.I. (indirekter Zollvertreter) vom 12.05.2022 - C-714/20, EU:C:2022:374, Rz 54, ZfZ 2022, 209; Kauno teritorinė muitinė vom 07.04.2022 - C-489/20, EU:C:2022:277, Rz 47, ZfZ 2022, 213; Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung, EU:C:2019:579, Rz 41, ZfZ 2019, 231; Harry Winston vom 11.07.2013 - C-273/12, EU:C:2013:466, Rz 41, ZfZ 2014, 22; vgl. auch EuGH-Urteil Einberger vom 28.02.1984 - C-294/82, EU:C:1984:81, Rz 18).
Im Unterschied zur Zollschuldentstehung führt somit nicht allein das physische Verbringen einer Ware aus einem Drittland in die Union dazu, dass auch eine Einfuhr im Sinne des Mehrwertsteuerrechts vorliegt. Erst mit dem Gelangen der Ware in den Wirtschaftskreislauf der Union kann die Ware einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden (vgl. EuGH-Urteil Hauptzollamt Hamburg, EU:C:2022:647, Rz 26; Nieskens, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2019, 267, 270). Auch bei der Verletzung von zollrechtlichen Pflichten gemäß Art. 79 Abs. 1 UZK kann von der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer nur dann ausgegangen werden, wenn ‑‑neben der Erfüllung der in Art. 79 Abs. 1 UZK genannten Tatbestände‑‑ die Ware in den Wirtschaftskreislauf bzw. auf den Binnenmarkt der Union gelangt ist, so dass sie mit Unionswaren, deren Lieferung der Umsatzsteuer unterliegt, in Wettbewerb treten kann (vgl. Jatzke, Umsatzsteuer-Rundschau 2020, 585, 589).
Der Eingang in den Wirtschaftskreislauf wird teilweise dahingehend präzisiert, dass die Ware Gegenstand einer Lieferung (Art. 14 ff. MwStSystRL) oder einer Dienstleistung (Art. 24 ff. MwStSystRL) ist oder ‑‑im privaten Bereich‑‑ einen steuerbaren Umsatz substituiert (vgl. Bender, Außenwirtschaftliche Praxis 2021, 241, 244). Das FG München geht demgegenüber in seinem Urteil vom 09.04.2019 - 14 K 2649/16 (juris) davon aus, dass Gegenstände insbesondere dann in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangen, wenn ihre Verwendung die Güter-, Dienstleistungs- und Geldbewegungen zwischen den Wirtschaftssubjekten (insbesondere Unternehmen, private Haushalte, Banken und Versicherungen sowie staatliche Stellen) beeinflusst.
b) Im Streitfall ist die Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entstanden, weil das Fahrzeug ohne Gestellung in das Steuergebiet verbracht wurde und es keinem Verfahren i.S. von Art. 71 Abs. 1 MwStSystRL, hier der vorübergehenden Verwendung, unterlag.
aa) Infolge der Nichtgestellung des Fahrzeugs liegt eine Pflichtverletzung i.S. des Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK vor, die zunächst vermuten lässt, dass auch die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist. Der Kläger hat diese Vermutung nicht entkräftet.
Vielmehr ist das Fahrzeug auch in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen. Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger das Fahrzeug in das Steuergebiet verbracht, um es auf einem etwa 2 km von der schweizerisch-deutschen Grenze entfernten Parkplatz einem estnischen Transportunternehmer zu übergeben. Die Übergabe wurde wie geplant vorgenommen und damit der Kaufvertrag zwischen der X AG und dem F erfüllt. Aufgrund dessen wurde das Fahrzeug spätestens in diesem Zeitpunkt als Wirtschaftsgut verwendet und im Anschluss an das Verbringen in das Gebiet der EU Gegenstand einer Lieferung, mit der dem estnischen Transportunternehmer, der das Fahrzeug an dem vereinbarten Treffpunkt auf seinen LKW lud, bzw. dem F die Verfügungsmacht an dem Fahrzeug verschafft wurde.
Die einfuhrumsatzsteuerrechtliche Beurteilung wird auch dadurch bestätigt, dass im Gegenzug der Kläger den in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagen entgegengenommen hat (sog. Tausch mit Baraufgabe; vgl. Abschn. 10.5 Abs. 4 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; vgl. auch Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 10 Rz 216 ff.; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 10 Rz 370) und damit das streitgegenständliche Fahrzeug an die Stelle des Gebrauchtwagens getreten ist.
bb) Welche Bedeutung dem Entfernen des schweizerischen Garagenkennzeichens zukommt, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Eine Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer erst in Finnland scheidet vorliegend aus, weil das Fahrzeug nicht dorthin gelangte, sondern nach Aufhebung der Sicherstellung wieder in die Schweiz ausgeführt wurde. Insofern liegt der Streitfall anders als der, der dem EuGH-Urteil Hauptzollamt Münster (EU:C:2021:161, ZfZ 2021, 189) zugrunde gelegen hat.
Die Sicherstellung des Fahrzeugs steht dem Eingang in den Wirtschaftskreislauf ebenfalls nicht entgegen, weil diese erst erfolgte, nachdem das Fahrzeug bereits auf den LKW verladen worden war.
3. Das Verfahren ist nicht im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg vom 02.06.2021 - 4 K 130/20 (ZfZ 2021, 254, Aktenzeichen des EuGH C-368/21) und das dazu ergangene EuGH-Urteil Hauptzollamt Hamburg (EU:C:2022:647) auszusetzen und eine etwaige Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, weil im Streitfall die Einfuhr unmittelbar in Deutschland erfolgt ist und das Fahrzeug zuvor nicht durch weitere Mitgliedstaaten gefahren wurde, während sich das Fahrzeug im Fall des FG Hamburg in mehreren Mitgliedstaaten befand. Streitig ist dort somit der Ort der Entstehung der Mehrwertsteuerschuld.
Dasselbe gilt für das Vorabentscheidungsersuchen des FG Düsseldorf vom 11.12.2019 - 4 K 473/19 Z,EU (ZfZ 2020, 142), über das der EuGH mit Urteil Hauptzollamt Münster (EU:C:2021:161, ZfZ 2021, 189) entschieden hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.