ECLI:DE:BFH:2022:U.240522.IXR28.21.0
BFH IX. Senat
EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 S 1, EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 S 3, EStG § 10e, EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 2, EigZulG § 4, EStG § 63 Abs 1 S 2, EStG VZ 2016
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 16. Juni 2021, Az: 9 K 16/20
Leitsätze
NV: Eine Wohnung, die der Steuerpflichtige unentgeltlich an (leibliche) Kinder überlässt, die im maßgeblichen Zeitraum des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG nicht (mehr) nach § 32 EStG berücksichtigungsfähig sind, wird nicht "zu eigenen Wohnzwecken" genutzt.
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16.06.2021 - 9 K 16/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ‑‑und gegebenenfalls in welcher Höhe‑‑ die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr (2016) mit der Veräußerung einer Wohnung in X-Stadt einen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) erzielt hat oder ob der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt ist, weil die Wohnung im Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung von den leiblichen Kindern der Kläger (A, B und C) bewohnt worden ist.
Die Klägerin wird im Streitjahr mit ihrem Ehemann, dem Kläger und Revisionskläger (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger lediglich Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ unter dem 18.05.2017 einen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem er den Angaben der Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung im Wesentlichen folgte.
Durch eine Veräußerungsanzeige erhielt das FA von dem Umstand Kenntnis, dass die Klägerin durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 14.12.2016 eine Wohnung in X-Stadt zum Preis von … € (einschließlich … € für mitverkaufte Gegenstände) veräußert hatte. Auf Nachfrage teilten die Kläger mit, es habe sich bei der Veräußerung ihrer Auffassung nach um ein nicht einkommensteuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft gehandelt. Die Wohnung sei im April 2010 zum Kaufpreis von … € erworben worden und im Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung von den im Mai 1989 geborenen Söhnen der Kläger ‑‑den Zwillingen A und B‑‑ im Rahmen ihres Studiums in X-Stadt zu Wohnzwecken genutzt worden. Jeder der Söhne habe über ein großes Zimmer zur eigenen Nutzung verfügt. Darüber hinaus habe es ein gemeinsames Wohnzimmer sowie eine gemeinsam genutzte Küche gegeben. Das dritte Zimmer sei von dem im Dezember 1991 geborenen dritten Sohn (C) zunächst an einigen Wochenenden genutzt worden. Ab dem Wintersemester 2011 habe C sich vermehrt in der Wohnung aufgehalten und ab Oktober 2013 sei er nach X-Stadt gezogen. Während eines halbjährigen Auslandsaufenthalts der Zwillinge A und B hätten diese ihre Zimmer "wohl untervermietet" und die Einnahmen zur Begleichung ihrer Lebenshaltungskosten im Ausland verwendet. Die Klägerin habe aus der Wohnung keine Einnahmen erzielt.
Das FA vertrat die Auffassung, dass die Klägerin mit der Veräußerung der Wohnung in X-Stadt den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) erfüllt habe. Zwar seien Wohnungen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt würden, nach der Befreiungsvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen; eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" liege in diesem Zusammenhang auch vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung einem Kind, für das er einen Anspruch auf Kindergeld habe, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen habe. Die unentgeltliche Überlassung an andere ‑‑gegebenenfalls auch unterhaltsberechtigte‑‑ Angehörige stelle indes keine Nutzung in diesem Sinne dar. Für die Söhne A und B hätten die Kläger lediglich bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres im Mai 2014 einen Anspruch auf Kindergeld gehabt. Daher sei die Wohnung ab Juni 2014 nicht mehr im Sinne der Befreiungsvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden, auch wenn die Kläger hinsichtlich des dritten Sohnes C noch bis Ende 2016 kindergeldberechtigt gewesen seien. Unter dem 12.03.2019 erließ das FA einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem ein Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Wohnung in X-Stadt in Höhe von (Veräußerungspreis … € ./. Anschaffungskosten … € =) … € berücksichtigt wurde.
Der Einspruch der Kläger hatte nur insoweit Erfolg, als das FA Anschaffungskosten in Höhe von … € und mithin einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von (… € ./. … € =) … € ansetzte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 670 veröffentlichten Entscheidung als unbegründet ab.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger. Sie vertreten die Auffassung, dass die Veräußerung der Wohnung nach der Befreiungsvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ausgenommen sei. Im Streitfall führe die Unterhaltsverpflichtung der Kläger und die Nutzung der Immobilie durch die eigenen Kinder ‑‑auch mit Blick auf die Regelung in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)‑‑ zur tatbestandlichen "Eigennutzung" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, ohne dass es auf eine Kindergeldberechtigung ankomme. Die vorliegende Situation sei der Situation gleichzustellen, in der der Steuerpflichtige (hier: die Klägerin) die Wohnung unmittelbar selbst bezogen hätte; denn der Steuerpflichtige könne mehrere Wohnungen selbst zu Wohnzwecken nutzen. Vor diesem Hintergrund sei die Wohnung in der Zeit zwischen Anschaffung und Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG "ausschließlich zu Wohnzwecken" durch unterhaltsberechtigte Kinder der Kläger eigengenutzt worden. Ersatzweise sei entweder die Steuerbefreiung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG anteilig ("pro rata temporis") für die Jahre bis 2014 zu gewähren, in denen die tatbestandlichen Voraussetzungen durch die Überlassung an die Zwillinge A und B unstreitig ‑‑auch nach Auffassung des FA‑‑ vorgelegen hätten, oder die Steuer aus Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 12.03.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2020 dahin zu ändern, dass keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften berücksichtigt werden,
hilfsweise,
das Urteil des FG vom 16.07.2020 - 9 K 16/20 aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Nach Auffassung des FA reicht die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den Kindern ‑‑ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 EStG‑‑ für die Erfüllung des Tatbestands des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ("...Nutzung zu eigenen Wohnzwecken...") nicht aus. Eine Nutzung des Eigentümers zu eigenen Wohnzwecken sei vielmehr (nur) dann anzunehmen, wenn die Wohnung von Kindern bewohnt werde, die bei ihm einkommensteuerlich berücksichtigt würden; demgegenüber liege eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht vor, wenn die Wohnung (teilweise) unentgeltlich an Dritte überlassen werde. Dritte in diesem Sinne seien dann aber auch jene Kinder, für die kein Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag (mehr) bestehe; die verfassungsrechtliche Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 GG stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Für die von den Klägern ersatzweise begehrte abweichende Berechnung des Veräußerungsgewinns im Sinne einer "pro-rata-temporis-Regelung" bestehe keine Rechtsgrundlage. Die von den Klägern begehrte abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen sei nicht Gegenstand des vorliegenden Festsetzungsverfahrens.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin im Streitjahr den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht hat (dazu unter 1.). Entgegen der Ansicht der Revision wurde die Wohnung in X-Stadt im maßgeblichen Zeitraum nicht zu "eigenen Wohnzwecken" genutzt; die Veräußerung ist mithin nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen (dazu unter 2.).
1. Die Klägerin hat im Streitjahr den Tatbestand der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht.
a) Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
b) Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Die Freistellung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bewirkt eine Rückausnahme von der ausnahmsweisen, den Grundsatz der im Dualismus der Einkunftsarten verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen privater Wirtschaftsgüter durchbrechenden Steuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 01.03.2021 - IX R 27/19, BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 12; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 10; BeckOK EStG/Trossen, 12. Ed. [01.03.2022], EStG § 23 Rz 6).
aa) Die Senatsrechtsprechung hat den Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in der dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ‑‑entsprechend deren Zweck, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes (z.B. wegen eines Arbeitsplatzwechsels) zu vermeiden (BTDrucks 14/265, S. 181)‑‑ stets sehr weit gefasst und eigenständig ausgelegt. Danach setzt der Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt (BFH-Urteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile vom 18.01.2006 - IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936, unter II.1.a, Rz 10; vom 25.05.2011 - IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 12; vom 27.06.2017 - IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12; vom 21.05.2019 - IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227, Rz 16; vom 03.09.2019 - IX R 8/18, BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, Rz 22; vom 03.09.2019 – IX R 10/19, BFHE 266, 507, BStBl II 2020, 310, Rz 10; BFH-Beschluss vom 28.05.2002 - IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, unter II.2.a, zu § 4 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG); Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rz 22).
Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteile vom 31.05.1995 - X R 140/93, BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720, beginnend unter den Entscheidungsgründen ab 2.; vom 28.03.1990 - X R 160/88, BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, beginnend unter den Entscheidungsgründen ab 2.a, beide jeweils zu § 10e EStG; vom 23.07.1997 - X R 143/94, BFH/NV 1998, 160, unter II.3.c; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1284, unter II.2.a; BFH-Urteil vom 28.11.2001 - X R 27/01, BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145, unter II.1.a). Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält (BFH-Urteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 15, m.w.N.). Eine sich auf mehrere Wohnungen beziehende Nutzung zu Wohnzwecken kann gerade auch dann vorliegen, wenn sich der Haushalt einer Familie auf mehrere Örtlichkeiten ‑‑etwa auf Familienwohnsitz einerseits und den doppelten Haushalt am Ort der Berufstätigkeit sowie einen weiteren Haushalt am Studienort von einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern andererseits‑‑ verteilt.
bb) Keine Nutzung "zu eigenen Wohnzwecken" liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (BFH-Urteile in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12, und in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14). Hingegen ist eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ‑‑wie im Anwendungsbereich des § 10e EStG und des § 4 EigZulG‑‑ zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen (BFH-Urteile in BFH/NV 2019, 1227, Rz 18; vom 18.01.2011 - X R 13/10, BFH/NV 2011, 974, Rz 14, m.w.N., zu § 10f Abs. 1 EStG).
cc) Überlässt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten, liegt keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor.
2. Die Klägerin hat im Streitjahr die Merkmale des Tatbestands der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht, indem sie die im April 2010 angeschaffte Wohnung in X-Stadt mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 14.12.2016 wieder veräußert hat; dies ist zwischen den Beteiligten nicht weiter streitig. Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Veräußerung der Wohnung in X-Stadt der Besteuerung unterfällt; denn im Streitfall ist der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht erfüllt.
a) Nach den eingangs dargestellten Grundsätzen stellt die Überlassung einer Wohnung zur teilweisen oder alleinigen Nutzung an ein unterhaltsberechtigtes Kind eine Form der dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden "mittelbaren Eigennutzung" dar (BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 1227, Rz 18; vgl. auch BFH-Urteile vom 26.01.1994 - X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544, unter 1.a, zu § 10e EStG; in BFH/NV 2011, 974, Rz 14, zu § 10f EStG). Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und mithin den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat die Klägerin die Wohnung in X-Stadt seit dem Erwerb im April 2010 zunächst den im Mai 1989 geborenen Zwillingen A und B ‑‑welche zu diesem Zeitpunkt noch nach § 32 EStG einkommensteuerlich bei der Veranlagung der Kläger zu berücksichtigen waren‑‑ im Rahmen ihrer Studien zur Nutzung überlassen. (Spätestens) ab 2013 hat die Klägerin die Wohnung zusätzlich auch dem Sohn C unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen.
b) Der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG wird im Streitfall indes durch den Umstand ausgeschlossen, dass die Zwillinge A und B ab Juni 2014 ‑‑nach der Vollendung ihres 25. Lebensjahres (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG)‑‑ bis zur Veräußerung der Wohnung nicht mehr nach § 32 EStG einkommensteuerlich bei der Veranlagung der Kläger zu berücksichtigen waren.
aa) Ob der Zurechnung einer "mittelbaren" Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ‑‑in Form der Nutzung durch das einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kind C im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG ‑‑ die fortdauernde Mitbenutzung der Wohnung durch die im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr nach § 32 EStG einkommensteuerlich zu berücksichtigen Zwillinge A und B entgegensteht, ist umstritten. In Rechtsprechung und Schrifttum wird einerseits die Auffassung vertreten, dass im Fall der Nutzungsüberlassung an ein einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind die Mitbenutzung der Wohnung durch andere (auch unterhaltsberechtigte) Angehörige ‑‑etwa ein einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigendes Kind oder die/der ehemalige Lebensgefährtin/e und Kindesmutter/-vater‑‑ entgegensteht (so Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 51; in diesem Sinne auch BeckOK EStG/Trossen, 12. Ed. [01.03.2022], § 23 Rz 184, zur Nutzung durch getrennt lebende Ehepartner oder Eltern; Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 23 Rz 6; Obermeier, Neue Wirtschafts-Briefe 2001, 567, 584, zur Nutzung durch andere, auch unterhaltsberechtigte Angehörige; Hessisches FG vom 30.09.2015 - 1 K 1654/14, EFG 2016, 201, rechtskräftig, zur Nutzung durch die ehemalige Lebensgefährtin und Kindesmutter mit unterhaltsberechtigtem Kind; Niedersächsisches FG vom 04.03.2010 - 10 K 259/08, EFG 2010, 1133, zur Nutzung durch den volljährigen, einkommensteuerlich nicht mehr zu berücksichtigenden Sohn). Andere Stimmen im Schrifttum gehen davon aus, dass im Fall der Nutzungsüberlassung an ein einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind die Mitbenutzung der Wohnung durch andere unterhaltsberechtigte Angehörige unschädlich sei (in diesem Sinne Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff ‑‑KSM‑‑, EStG, § 23 Rz B 49; Schallmoser in Spiegelberger/Schallmoser, Immobilien im Zivil- und Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 12.39; Sagmeister, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2011, 1589, 1591, für den Fall des § 1568a des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter Verweis auf Art. 6 Abs. 1 GG; Hermanns, DStR 2002, 1065, 1067; Tiedtke/Wälzholz, Rheinische Notar-Zeitschrift 2001, 380, 386).
bb) Der erkennende Senat hält die fortdauernde Mitbenutzung der Wohnung durch die nicht mehr nach § 32 EStG einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kinder A und B im Streitfall für schädlich.
aaa) Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 10e EStG hat die Zurechnung der Wohnnutzung durch unterhaltsberechtigte Kinder (als "mittelbare Eigennutzung") damit begründet, dass der Steuerpflichtige die Wohnung nach dem Wortsinn auch dann zu eigenen Wohnzwecken nutzt, wenn er "in Erfüllung seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung seinem Kind außerhalb des Familienhaushalts eine Wohnung zur Verfügung stellt". Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer als eigene zuzurechnen, weil es ihm obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen (BFH-Urteil in BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544, unter 1.b). Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Begriff der "eigenen Wohnzwecke" tatbestandlich auf die Vorschrift des § 32 EStG abgestellt hat, geschah dies vor dem Hintergrund der Annahme, dass der Gesetzgeber ‑‑aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung‑‑ bei den nach dieser Vorschrift zu berücksichtigenden Kindern typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen unterstellt. Eine Ermittlung im Einzelfall, ob dem Kind Unterhalt zu gewähren ist oder gegebenenfalls wegen eigener Einkünfte des Kindes keine Unterhaltspflicht besteht, sollte ‑‑auch wegen des damit für die Finanzbehörden und -gerichte verbundenen, nicht unerheblichen Ermittlungsaufwands‑‑ durch diese typisierende Wertung vermieden werden (so ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544, unter 1.g, zu § 10e EStG).
bbb) Zwar ist das Merkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Ausgangspunkt so zu verstehen wie in § 10e EStG und § 4 EigZulG (BFH-Urteile vom 26.10.2021 - IX R 5/21, BFHE 275, 36, BStBl II 2022, 403, und in BFH/NV 2006, 936, unter II.1.a). Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch die unterschiedliche Zweckrichtung der Tatbestände zu beachten. Zweck der gesetzlichen Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist nicht der Erwerb von Wohnungseigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, unter 2.a, zu § 10e EStG), sondern die Vermeidung der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes und eine damit einhergehende Behinderung der beruflichen Mobilität (BTDrucks 14/265, S. 181; BFH-Urteil in BFHE 275, 36, BStBl II 2022, 403, Rz 25). Vor diesem Hintergrund setzt die Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG entsprechend seiner Zweckrichtung dem Grunde nach voraus, dass eine Besteuerung der beruflichen Mobilität des Steuerpflichtigen entgegenstünde, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn der Unterhaltsberechtigte ‑‑d.h. das nach § 32 EStG zu berücksichtigende Kind‑‑ im Falle eines beruflichen Wohnsitzwechsels des Steuerpflichtigen mitgehen würde (Wernsmann in KSM, EStG, § 23 Rz B 49).
Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszwecks hat die höchstrichterliche Rechtsprechung ‑‑in Fortsetzung ihrer Rechtsprechung zu §§ 10e, 10f EStG und § 4 EigZulG‑‑ die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dahin gedeutet, dass der Begriff der "eigenen" Wohnzwecke nicht nur die Wohnzwecke des Steuerpflichtigen, sondern (mittelbar) auch die Wohnzwecke von Kindern, die nach § 32 EStG zu berücksichtigen sind, umfasst (BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 1227, Rz 18, m.w.N.); denn bei Kindern, für die der Steuerpflichtige kinderbezogene Leistungen beanspruchen kann, können auch das Bestehen einer Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen typisierend unterstellt werden. Nach Maßgabe dieser typisierenden Wertung wird eine vom Steuerpflichtigen zu Unterhaltszwecken unentgeltlich bereitgestellte Wohnung dann nicht mehr i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (mittelbar) zu "eigenen Wohnzwecken" (des Steuerpflichtigen) genutzt, wenn die Immobilie neben einem einkommensteuerlich nach § 32 EStG zu berücksichtigenden Kind auch anderen ‑‑gegebenenfalls auch aufgrund bürgerlich-rechtlicher Vorschriften unterhaltsberechtigten‑‑ Angehörigen überlassen wird. Vor diesem Hintergrund führt auch die (Mit-)Nutzung durch ein weiteres, wegen seines Alters nicht (mehr) nach § 32 EStG einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind dazu, dass die Wohnung insgesamt nicht mehr als zu eigenen Wohnzwecken des Steuerpflichtigen genutzt anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 1227, Rz 23).
c) Nach den insoweit getroffenen, den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG hat die Klägerin ihre Wohnung in X-Stadt im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren nicht nur dem nach § 32 EStG einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind C, sondern auch den Zwillingen A und B, für die die Kläger ab Juni 2014 keine kindbezogenen Leistungen mehr beanspruchen konnten, unentgeltlich zur Nutzung überlassen; der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG ist mithin nicht erfüllt. Die Mitbenutzung der Wohnung durch A und B ist unbeschadet der Tatsache, dass die Klägerin für die Unterbringung der steuerlich nicht mehr berücksichtigungsfähigen Zwillinge durch die Bereitstellung der Wohnung in X-Stadt gesorgt hat, schädlich.
d) Nach den gesetzlichen Regelungen in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG besteht für eine von den Klägern hilfsweise begehrte zeitanteilige Steuerbefreiung ("pro rata temporis") für die Jahre bis 2014, in denen eine Berechtigung zum Bezug kindbezogener Leistungen (auch) hinsichtlich der Zwillinge A und B vorgelegen hat, keine Rechtsgrundlage.
e) Die von den Klägern begehrte abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) ist nicht Gegenstand des vorliegenden (Besteuerungs-)Verfahrens, sondern gegebenenfalls in dem hierfür vorgesehenen Verfahren zu prüfen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.