ECLI:DE:BFH:2021:U.251121.VR46.20.0
BFH V. Senat
UStG § 3 Abs 1b S 1 Nr 3, UStG § 3 Abs 1b S 2, EGRL 112/2006 Art 16, UStG VZ 2012 , UStG VZ 2013 , UStG VZ 2014 , UStG VZ 2015 , UStG § 10 Abs 4 S 1 Nr 1, UStG § 15 Abs 4 S 2, UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 28. Oktober 2020, Az: 11 K 22/20
Leitsätze
NV: Liefert ein Unternehmer mit einer von ihm hergestellten Biogasanlage vorsteuerabzugsberechtigt Strom gegen Entgelt, während er die mit der Anlage erzeugte Wärme unentgeltlich auf andere Personen überträgt, handelt es sich bei der Wärmelieferung um eine Zuwendung i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG (Parallelentscheidung zum BFH-Urteil vom 25.11.2021 - V R 45/20).
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29.10.2020 - 11 K 22/20 aufgehoben.
Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, errichtete in den Jahren 2005 und 2006 eine Biogasanlage, die sie im Jahr 2006 in Betrieb nahm. Den mit der Anlage erzeugten Strom lieferte sie gegen Entgelt und machte aus den Errichtungskosten den Vorsteuerabzug geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte den Umsatzsteuerjahreserklärungen der Klägerin, die Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung gleichstanden.
Mit zwei im März 2006 und Oktober 2008 abgeschlossenen Verträgen verpflichtete sich die Klägerin zur unentgeltlichen Lieferung von Wärme an zwei GbRs.
In den Jahren 2009 und 2010 erweiterte die Klägerin ihre Anlage und machte auch insoweit den Vorsteuerabzug geltend.
Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA für die Jahre 2012 bis 2015 (Streitjahre) davon aus, dass die unentgeltlichen Wärmelieferungen zu einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geführt haben. Diese sei nach den Selbstkosten zu bemessen. Eine nachträgliche Preisvereinbarung für die Wärmelieferungen erkannte das FA nicht an und sah vier hierüber am 23.08.2011 gegenüber den GbRs erteilte Rechnungen als unbeachtlich an.
Der Einspruch gegen die am 20.12.2018 erlassenen Umsatzsteuerbescheide hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 599 veröffentlichten Urteil überwiegend statt. Zwar verneinte das FG die Entgeltlichkeit der Wärmelieferungen an die beiden GbRs. Aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass der vereinbarte Preis von 0,05 Cent/kWh kein Leistungsentgelt für die Wärmelieferung darstelle. Die Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG scheitere daran, dass die Klägerin entgegen Satz 2 dieser Vorschrift für die Lieferung der Wärme nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ergebe, an der unter Berücksichtigung von Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) weiter festzuhalten sei. Daher sei entsprechend § 15 Abs. 4 UStG eine Vorsteueraufteilung vorzunehmen, bei der von einem Marktwert für gelieferte Wärme von 0,04 €/kWh auszugehen sei.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es die Verletzung materiellen Rechts rügt. Zwar werde am Ansatz einer unentgeltlichen Wertabgabe nicht mehr festgehalten. Zu Lasten der Klägerin sei aber § 15a UStG anzuwenden.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG "insoweit aufzuheben, als das FG eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für die Vorjahre abgelehnt und die in den Streitjahren berücksichtigten Vorsteuerbeträge nach der Marktwertmethode aufgeteilt hat" und die Sache an das FG zurückzuverweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Sie macht im Wege der "Gegenrüge" geltend, dass das FG die Entgeltlichkeit der Wärmelieferungen zu Unrecht verneint habe, sodass die Revision bereits deshalb unbegründet sei. Auf die Betriebskosten komme es nicht an, da die Wärme "Abfallprodukt" des Anlagenbetriebs sei. Soweit demgegenüber hilfsweise mit dem FG von einer Unentgeltlichkeit auszugehen sei, habe das FG jedenfalls die Entnahmebesteuerung zutreffend verneint. § 15a UStG sei nicht anzuwenden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zwar hat das FG im Ergebnis zutreffend die Unentgeltlichkeit der Wärmelieferungen bejaht. Demgegenüber hat es rechtsfehlerhaft die Besteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG verneint.
1. Liefert der Unternehmer mit einer von ihm hergestellten Biogasanlage Strom gegen Entgelt, während er die mit der Anlage erzeugte Wärme unentgeltlich abgibt, handelt es sich bei der Wärmelieferung um eine Zuwendung i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG.
Der erkennende Senat verweist hierzu ebenso wie zur Frage der Entgeltlichkeit insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein zwischen den gleichen Beteiligten ergangenes Urteil vom 25.11.2021 - V R 45/20, BFHE 275, 392.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Der erkennende Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein zwischen den gleichen Beteiligten ergangenes Urteil vom 25.11.2021 - V R 45/20, BFHE 275, 392.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.