ECLI:DE:BFH:2021:U.310821.IIIR13.20.0
BFH III. Senat
EStG § 62 Abs 1 S 1, EStG § 63 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c, EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 3, EStG VZ 2017 , EStG VZ 2018 , AO § 88, FGO § 76, DA-KG 2020 Abschn 17.2 Abs 1 S 4
vorgehend FG Hamburg, 16. Januar 2020, Az: 5 K 24/19
Leitsätze
1. NV: Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird.
2. NV: Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 17.01.2020 - 5 K 24/19 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Mutter einer im Oktober 1998 geborenen Tochter (T), die vom 01.08.2016 bis zum 08.06.2017 zur pharmazeutisch-technischen Assistentin ausgebildet wurde. Das Ausbildungsverhältnis endete, weil T von Juni 2017 bis einschließlich Juli 2018 erkrankt war. Seit dem 01.08.2018 absolvierte T bei einem Sportverein den einjährigen Bundesfreiwilligendienst (BFD).
Mit Bescheid vom 19.09.2016 hatte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) für T Kindergeld ab November 2016 festgesetzt. Am 06.08.2018 beantragte die Klägerin Kindergeld für T und trug vor, diese wolle ab August 2018 den BFD ableisten.
Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes für Juli 2017 bis einschließlich Juli 2018 ‑‑den Zeitraum der Erkrankung‑‑ mit Bescheid vom 11.09.2018 auf und forderte den überzahlten Betrag von 2.510 € zurück.
Mit ihrem Einspruch reichte die Klägerin Unterlagen über die Erkrankung und die Bemühungen der T um einen Ausbildungsplatz ein. Zudem legte sie eine von T am 07.10.2018 unterzeichnete Bestätigung vor, wonach diese nach Genesung den BFD antreten und sich parallel einen Ausbildungsplatz suchen wolle; zu diesem Zeitpunkt befand sich T bereits im BFD.
Mit Einspruchsentscheidung vom 02.01.2019 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie an, T könne nach dem Abbruch der Ausbildung lediglich als "Kind ohne Ausbildungsplatz" i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung sei grundsätzlich auch möglich, wenn ein Kind wegen einer Erkrankung gehindert sei, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Dies erfordere aber eine schriftliche Erklärung des Kindes, dass es gewillt sei, sich unmittelbar nach Genesung um eine Ausbildung zu bemühen. Eine solche Erklärung wirke erst ab Eingang bei der Familienkasse.
Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Klage trug die Klägerin vor, T habe während der gesamten Dauer ihrer Erkrankung das Ziel behalten, eine neue Ausbildung zu beginnen; T habe sich im August 2017 und Anfang 2018 auch um eine Ausbildung beworben. Schließlich habe T mangels Erfolges ihrer Bemühungen eine Stelle im BFD bei dem Sportverein angenommen.
Nachdem die Familienkasse mit Änderungsbescheid vom 14.02.2019 wegen eines Bewerbungsschreibens teilweise abgeholfen und Kindergeld für die Monate Juli und August 2017 festgesetzt hatte, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt.
Seit dem 01.08.2019 absolviert T eine Ausbildung als Arzthelferin.
Das Finanzgericht (FG) gab der gegen den Aufhebungsbescheid in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 14.02.2019 gerichteten Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2020, 985).
Es entschied, die Familienkasse habe die Kindergeldfestsetzung für September 2017 bis Juli 2018 zu Unrecht aufgehoben. T habe sich zwar nicht in Ausbildung befunden, sei aber als Kind zu berücksichtigen, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen könne, da sie sich nach dem krankheitsbedingten Abbruch der Ausbildung ernsthaft um einen Ausbildungsplatz beworben habe. Es könne offenbleiben, ob die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz im August 2017 angesichts der Erkrankung als ernstlich einzuordnen seien. Denn eine Berücksichtigung sei auch möglich, wenn ein Kind infolge einer Erkrankung gehindert sei, sich ernstlich um eine Berufsausbildung zu bemühen. T sei ausweislich der ärztlichen Bescheinigung im Streitzeitraum nicht in der Lage gewesen, sich um eine Ausbildung zu bemühen oder eine Ausbildung zu beginnen. Die Beweisaufnahme habe jedoch ergeben, dass T ausbildungswillig gewesen sei. Diese innere Tatsache ergebe sich u.a. daraus, dass sie sich nach dem krankheitsbedingten Abbruch ihrer Ausbildung beim Sportverein beworben und ‑‑weil dort im Jahr 2018 nicht ausgebildet wurde‑‑ zwecks Verbesserung ihrer Aussichten auf einen Ausbildungsplatz im Jahr 2019 bei diesem Verein den BFD abgeleistet habe. Die Vorlage der Erklärung über ihre Ausbildungswilligkeit erst im Oktober 2018 sei unschädlich.
Zur Begründung ihrer gegen das Urteil gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Bundesrechts.
Die Familienkasse beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat nicht abschließend prüfen, ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Klägerin im Streitzeitraum ein Kindergeldanspruch für T zusteht.
1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG wird für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld u.a. dann gewährt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).
2. Die vom FG festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob T nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist.
a) Die Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG), setzt voraus, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert (Senatsurteile vom 07.04.2011 - III R 24/08, BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210, Rz 27; vom 13.06.2013 - III R 58/12, BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834, Rz 14, und vom 12.11.2020 - III R 49/18, BFHE 271, 229, Rz 12). Dabei ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen; seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15.07.2003 - VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473, unter II.b aa). Das Kind muss die Ausbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen antreten können (BFH-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843, unter II.2.a; Senatsurteile vom 27.09.2012 - III R 70/11, BFHE 239, 116, BStBl II 2013, 544, Rz 26, sowie vom 18.01.2018 - III R 16/17, BFHE 260, 481, BStBl II 2018, 402, Rz 16).
b) In der Person des Kindes liegende Gründe, welche der Aufnahme einer Berufsausbildung entgegenstehen, liegen z.B. vor, wenn ein Kind nicht die Voraussetzungen für den angestrebten Studiengang erfüllt (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 473) oder wenn ausländerrechtliche Gründe einer Berufsausbildung entgegenstehen (Senatsurteil in BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210). Ein Kind ist auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn es eine Ausbildung wegen Übergewichts nicht antreten könnte (BFH-Beschluss vom 08.11.1999 - VI B 322/98, BFH/NV 2000, 432). Dagegen ist es für den Bezug von Kindergeld ausnahmsweise unschädlich, wenn das Kind die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz unterbricht (Senatsurteil in BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834).
c) Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen im Falle der erfolgreichen Bewerbung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht.
aa) Zunächst muss es sich regelmäßig um eine vorübergehende Krankheit handeln. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Notwendigkeit, die von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfassten Fälle von den unter § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG fallenden Fällen abzugrenzen. Letztere Bestimmung erfordert zum einen eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung, die nach der maßgeblichen Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung voraussetzt (Senatsurteil in BFHE 271, 229, Rz 14). Zweck dieses Kriteriums ist es, vorübergehende Gesundheitsstörungen aus dem Behinderungsbegriff auszuschließen und damit nur Beeinträchtigungen eines bestimmten Schweregrades zu erfassen (Senatsurteil vom 27.11.2019 - III R 44/17, BFHE 267, 337, BStBl II 2020, 558, Rz 26). Zum anderen werden behinderte Kinder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nur dann berücksichtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, was eine Prüfung des Bedarfs des Kindes und der diesem zur Verfügung stehenden Mittel erfordert. Insoweit lässt sich der gesetzgeberische Wille erkennen, dass bei einer nicht nur vorübergehenden Erkrankung des Kindes eine typische Unterhaltssituation, die zur steuerlichen Berücksichtigung des Kindes führt, nicht allein aufgrund der Erkrankung angenommen werden darf, sondern darüber hinaus die Feststellung eines konkreten Unterhaltsbedarfs erforderlich ist. Diese Wertung des Gesetzgebers würde aber umgangen, wenn längerfristig erkrankte Kinder auch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfasst werden könnten, ohne dass eine solche Bedarfsprüfung stattfindet. Gerade bei längerfristig erkrankten Kindern ist es nicht ausgeschlossen, dass Sozialleistungen in Anspruch genommen werden, die einen Unterhaltsbedarf ausschließen könnten.
Werden die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder die Aufnahme einer Ausbildung daher durch eine Krankheit verhindert, darf die im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigungsfähige gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern. Dabei ist ‑‑um den Gleichlauf mit der Feststellung einer Behinderung zu gewährleisten‑‑ nicht die (rückblickend) seit Beginn der Erkrankung oder gar seit ihrer erstmaligen ärztlichen Feststellung tatsächlich abgelaufene Zeit, sondern die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung maßgebend (BFH-Urteil vom 18.06.2015 - VI R 31/14, BFHE 251, 147, BStBl II 2016, 40, Rz 22; Senatsurteil in BFHE 267, 337, BStBl II 2020, 558, Rz 26). Zur Beurteilung dieser Frage ist (ggf.) eine Prognose zur (weiteren) Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung zu stellen (Senatsurteil vom 19.01.2017 - III R 44/14, BFH/NV 2017, 735, Rz 18, m.w.N.).
bb) Des Weiteren ist erforderlich, dass die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den entsprechenden Anspruchszeitraum nachgewiesen wird.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG bei einem gesunden Kind voraus, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteil vom 22.09.2011 - III R 35/08, BFH/NV 2012, 232, Rz 11, m.w.N.). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 12, m.w.N.). Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen; über 18 Jahre alte Kinder haben mitzuwirken (§ 68 Abs. 1 EStG). Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 13, m.w.N.).
Obwohl das Kindergeld monatlich entsteht und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen ‑‑wie das Bemühen um einen Ausbildungsplatz‑‑ in jedem Monat gegeben sein müssen, braucht nicht zwingend für jeden Monat ein erneuter Nachweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen Ausbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist; allerdings ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten eine Parallelbewerbung erforderlich, wenn das Kind innerhalb dieses Zeitraums keine Absage erhalten hat (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 16, m.w.N.).
(2) Die Ausbildungswilligkeit eines wegen vorübergehender Erkrankung an Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder an der Aufnahme einer Ausbildung gehinderten Kindes ist ebenfalls für die Monate, für die der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird, zu belegen. Als Nachweis kommt etwa die von der Verwaltung geforderte schriftliche Erklärung in Betracht, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen (A 17.2 Abs. 1 Satz 4 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz 2020 vom 27.08.2020, BStBl I 2020, 703). Wegen des Untersuchungsgrundsatzes (§ 88 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung, § 76 Abs. 1 und 4 FGO) sind aber auch andere Nachweise denkbar, etwa dergestalt, dass das Kind während der Erkrankung mit der früheren Ausbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat. Ebenso ist denkbar, dass das Kind sich an eine neue Ausbildungseinrichtung oder die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit mit dem Ziel gewandt hat, eine Ausbildung zwar noch nicht zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn ‑‑dann wäre es schon unabhängig von der Erkrankung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen, wenn es die angebotene Stelle dann antreten könnte‑‑, aber doch jedenfalls nach dem Ende der Erkrankung aufzunehmen.
Regelmäßig nicht ausreichen wird es dagegen, wenn der Kindergeldberechtigte die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert, der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt und die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet. Denn in einem solchen Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Kind während der Erkrankung seinen Ausbildungswillen aufgegeben und sich z.B. für die Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit oder eines BFD entschieden hat. In den letztgenannten Fällen wäre die Wartezeit bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit oder des BFD im Gegensatz zur Wartezeit bis zur Aufnahme der Ausbildung nicht von den in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG aufgezählten Berücksichtigungstatbeständen erfasst.
d) Im Streitfall hat das FG keine genaueren Feststellungen dazu getroffen, ob die nach der Art der Krankheit zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern würde.
Der Senat vermag nach den tatsächlichen Feststellungen des FG auch nicht nachzuvollziehen, ob T auch in den ersten Monaten des Streitzeitraums ausbildungswillig war, da offenbleibt, ob "der Gedanke ... sich im Winter oder Frühjahr 2018 ... zu bewerben", bereits im Herbst 2017 gefasst wurde. Zweifel an der Ausbildungswilligkeit bestehen weiter, weil es sich beim BFD grundsätzlich nicht um eine Ausbildung handelt (Senatsurteile vom 13.12.2018 - III R 25/18, BFHE 263, 53, BStBl II 2019, 256, sowie vom 09.02.2012 - III R 78/09, BFH/NV 2012, 940). Für den Zeitraum von der Bewerbung zum BFD an würde eine Berücksichtigung als ausbildungssuchendes Kind daher voraussetzen, dass der BFD im Streitfall ausnahmsweise als Ausbildung anzusehen wäre ‑‑etwa wegen des Zusammenhangs mit der für das folgende Jahr bei demselben Verein beabsichtigten Ausbildung‑‑ oder dass sich T auch nach der Bewerbung für den BFD um Ausbildungsmöglichkeiten bemüht hat und diese im Erfolgsfalle dem BFD vorgezogen hätte.
3. Da das FG weder eine Behinderung noch eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt festgestellt hat, vermag der Senat auch nicht zu entscheiden, ob T nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann.
4. Die Streitsache ist nicht spruchreif und geht an das FG zurück, das zu prüfen haben wird, ob T nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c oder Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist.
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.