ECLI:DE:BFH:2022:U.290622.XR6.20.0
BFH X. Senat
EStG § 16 Abs 1, EStG § 16 Abs 2, EStG § 16 Abs 3, EStG § 24 Nr 2, EStG § 34 Abs 1, EStG § 34 Abs 2 Nr 1, EStG § 34 Abs 3, EStG VZ 2014
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht , 24. Januar 2020, Az: 4 K 28/18
Leitsätze
Ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann ‑‑wie bei der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge‑‑ zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 24.01.2020 - 4 K 28/18 aufgehoben.
Die Einkommensteuer 2014 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids des Beklagten vom 05.02.2018 auf den Betrag festgesetzt, der sich bei Berücksichtigung von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 34.344 € ergibt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte einen handwerklichen Betrieb. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich. Die Betriebsstätte befand sich in einem Anbau zu ihrem Einfamilienhaus. Krankheitsbedingt stellte die Klägerin ihren Betrieb Ende des Jahres 2013 ein und bezog aufgrund ihrer Berufsunfähigkeit Renten von privaten Versicherungsunternehmen.
Einen Großteil der Wirtschaftsgüter ihres Geschäftsbetriebs veräußerte die Klägerin an die A-GmbH gegen die Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente in Höhe von 3.000 € ab Januar 2014. Von der Veräußerung ausgenommen war der bis dahin zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücksteil mit aufstehenden Gebäuden und fest installierten Betriebsvorrichtungen. Weitere nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende Wirtschaftsgüter (PKW, Kundenforderungen, Kassenbestand, Bankguthaben, Verpflichtungen aus Rückstellungen, Bank- und andere Verbindlichkeiten), die ebenfalls nicht an die A-GmbH veräußert wurden, sind in § 1 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrags aufgeführt. Als Übertragungsstichtag wurde der 02.01.2014 vereinbart. An diesem Tag übergab die Klägerin die entsprechenden Wirtschaftsgüter ihres Gewerbebetriebs an die A-GmbH und überführte die übrigen Wirtschaftsgüter in ihr Privatvermögen. Der gemeine Wert der in ihr Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter betrug 85.134,44 €. Auf diese entfielen Restbuchwerte in Höhe von 67.453,84 €.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das dem Streitjahr vorhergehende Jahr 2013 vertrat die Klägerin die Ansicht, dass lediglich in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter und deren Restbuchwerten, also in Höhe von 17.680 €, eine Sofortbesteuerung zu erfolgen habe. Dagegen war der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) der Auffassung, die Klägerin habe auch die stillen Reserven der von ihr gegen Leibrente an die A-GmbH veräußerten Wirtschaftsgüter schon im Jahr 2013 zu versteuern. Ein Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung bestehe nicht. Dieses lasse R 16 Abs. 11 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) nur für den Fall einer Betriebsveräußerung i.S. von § 16 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu. Vorliegend sei jedoch von einer Betriebsaufgabe auszugehen. Das FA ermittelte deshalb einen Aufgabegewinn, der auch den Barwert der Leibrente umfasste. Diesen korrigierte das FA aufgrund des Einspruchs der Klägerin gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 auf 542.195,39 € und unterwarf ihn aufgrund des im dortigen Verfahren gestellten Antrags der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG. Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens beim Finanzgericht (FG) sind die Beteiligten übereinstimmend zu der Ansicht gekommen, dass ein Betriebsaufgabegewinn erst im Streitjahr 2014 zu berücksichtigen sei, und haben den Rechtsstreit in der Hauptsache deshalb für erledigt erklärt.
Das FA erließ daraufhin am 05.02.2018 einen auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2014, in dem es den Aufgabegewinn in voller Höhe berücksichtigte und ihn der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG unterwarf. Im Rahmen der Sprungklage machte die Klägerin auch für die Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres geltend, es bestehe ein Wahlrecht auf Anwendung der Zuflussbesteuerung.
Das FG wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2020, 575). Der zutreffend ermittelte Aufgabegewinn sei im Streitjahr 2014 zu erfassen. Ein Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung bestehe nicht. Da die Klägerin das Betriebsgrundstück als wesentliche Betriebsgrundlage in ihr Privatvermögen überführt habe, liege eine Betriebsaufgabe vor. Anders als im Fall der Veräußerung des Betriebs verblieben in einem solchen Fall dem Steuerpflichtigen ausreichende Mittel zur Zahlung der Einkommensteuer, die aufgrund der Sofortbesteuerung des Aufgabegewinns anfalle. Ansonsten komme eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO in Betracht.
Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das FG habe verkannt, dass auch im Fall einer Betriebsaufgabe die §§ 16, 34 EStG teleologisch reduziert werden müssten, da eine Sofortbesteuerung der Leibrente als Teil des Aufgabegewinns unverhältnismäßig sei. Wie im Fall der Betriebsveräußerung bestehe ansonsten die Gefahr, dass der rentenberechtigte Veräußerer bei Versterben vor dem Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung einen zu hohen Gewinn versteuere. Soweit das FG darauf abstelle, dass bei einer Betriebsaufgabe Mittel zur Entrichtung der Steuer vorhanden seien, verkenne es die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Bezug auf das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung. Dies müsse auch bei der Betriebsaufgabe ermöglicht werden. Unter Aufteilung in einen Tilgungs- und Zinsanteil und unter Einbeziehung des sofort zu versteuernden Teils des Aufgabegewinns sowie der von der Klägerin zu tragenden Rückbauaufwendungen seien lediglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 34.344 € im Streitjahr anzusetzen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung für 2014 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 34.344 € herabgesetzt werden.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Es verweist auf das FG-Urteil und trägt ergänzend vor, durch die Gewährung des Wahlrechts, den Gewinn aus einer Betriebsveräußerung alternativ der Zuflussbesteuerung unterwerfen zu können, werde die Übertragung ganzer lebender Gewerbebetriebe ohne Zerschlagung gefördert. Daran fehle es im Fall einer Betriebsaufgabe jedoch. Auch sei die Ausdehnung dieses Wahlrechts auf die Betriebsaufgabe nicht durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten. Vielmehr führe es zu einer ungerechtfertigten Abweichung von der gesetzlich angeordneten Sofortbesteuerung des Aufgabegewinns.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Senat entscheidet über die spruchreife Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und gibt der Klage nach Maßgabe des Antrags der Klägerin statt.
Zutreffend ist das FG von einer Aufgabe des Gewerbebetriebs der Klägerin im Streitjahr 2014 ausgegangen (unten 1.). Die Klägerin konnte das Wahlrecht ausüben, den Betriebsaufgabegewinn, soweit er auf den Barwert der Leibrente entfällt, erst bei einem das Kapitalkonto und die Aufgabekosten übersteigenden Zufluss der Rentenzahlungen zu realisieren und die Rentenzahlungen insoweit als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern (unten 2.). Im Streitjahr hat die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der beantragten Höhe von 34.344 € zu versteuern; die Einkommensteuer ist entsprechend zu reduzieren (unten 3.). Eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG kommt im Streitfall nicht in Betracht (unten 4.).
1. Die Klägerin hat im Streitjahr 2014 den Tatbestand einer Betriebsaufgabe erfüllt.
a) Die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG beginnt zwar bereits mit der ersten vom Aufgabeentschluss getragenen Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist (vgl. nur Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 21.10.1993 - IV R 42/93, BFHE 173, 285, BStBl II 1994, 385, unter 1.a). Für die Gewinnverwirklichung im Rahmen einer Betriebsaufgabe ist aber nicht deren Beginn, sondern der Zeitpunkt des einzelnen Aufgabeteilakts relevant. Denn der Betriebsaufgabegewinn kann in verschiedenen Veranlagungszeiträumen entstehen (Senatsurteil vom 02.09.2008 - X R 32/05, BFHE 224, 217, BStBl II 2009, 634, unter II.3.b, m.w.N.).
b) Hiervon ausgehend hat das FG zu Recht eine Betriebsaufgabe im Streitjahr 2014 angenommen. Denn die Klägerin hat die zu ihrem Geschäftsbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter erst zum 02.01.2014 an die A-GmbH veräußert und auch erst in diesem Zeitpunkt die übrigen Wirtschaftsgüter, insbesondere das als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehende Betriebsgrundstück, in ihr Privatvermögen überführt.
2. Der Gewinn aus der Veräußerung eines großen Teils der betrieblichen Wirtschaftsgüter an die A-GmbH gegen Leibrente kann aufgrund der mit einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge vergleichbaren Interessenlage ebenfalls der Zuflussbesteuerung unterliegen. Auch in diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, den Gewinn aus der Veräußerung einzelner betrieblicher Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG) nach Maßgabe des Zuflusses der wiederkehrenden Bezüge und zudem erst dann als realisiert anzusehen, wenn die wiederkehrenden Bezüge die Buchwerte der veräußerten Wirtschaftsgüter und die insoweit angefallenen Aufgabekosten übersteigen. Dieses Wahlrecht hat die Klägerin ausgeübt.
a) Im Fall der Betriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG gegen bestimmte wiederkehrende Bezüge kann der Steuerpflichtige zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung wählen.
aa) Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge ‑‑insbesondere gegen eine Leibrente‑‑, gewähren sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung (R 16 Abs. 11 EStR) einkommensteuerrechtliche Erleichterungen. Die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. zur Entwicklung nur das Senatsurteil vom 17.07.2013 - X R 40/10, BFHE 242, 58, BStBl II 2013, 883, Rz 16 ff., m.w.N.) geht dabei davon aus, dass zwar die Sofortbesteuerung der gesetzliche Normalfall ist, die Zuflussbesteuerung aber "eine auf Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung" darstellt. Aus diesem Grund muss der Steuerpflichtige bei einer Betriebsveräußerung die Zuflussbesteuerung auch ausdrücklich wählen (weiterführend auch Senatsurteil vom 05.11.2019 - X R 12/17, BFHE 266, 224, BStBl II 2020, 262, Rz 14).
bb) Die Eröffnung dieses Wahlrechts zur Zuflussbesteuerung hat der BFH mit dem für den Veräußerer verbundenen Wagnis begründet und ergänzend auf den Versorgungscharakter dieser Zahlungen abgestellt.
(1) Schon lange erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung im Fall einer Betriebsveräußerung gegen Leibrente "das Wagnis in der durch die Bindung an die Lebenszeit einer Person bedingten Ungewißheit der Rentenlaufzeit" (BFH-Urteil vom 30.01.1974 - IV R 80/70, BFHE 111, 477, BStBl II 1974, 452, unter 2.a, m.w.N.) an. Demzufolge wird dem Veräußerer ein Wahlrecht eingeräumt, den Veräußerungsgewinn entsprechend dem Zufluss zu versteuern. Das EStG enthält keine eindeutige Regelung über das Verhältnis zwischen §§ 16, 34 EStG einerseits und § 24 Nr. 2 EStG andererseits. Deshalb ist die Einkommensbesteuerung "einer den Besonderheiten der Vertragsgestaltung im Einzelfall gerechtwerdenden Auslegung zugänglich", deren Ergebnis darin bestehen kann, dass das Gesetz dem Steuerpflichtigen insoweit ein Wahlrecht einräumt (so BFH-Urteil in BFHE 111, 477, BStBl II 1974, 452, unter 2.a).
(2) Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat darüber hinaus das Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung in Fällen anderer langfristig wiederkehrender Bezüge zugelassen, die nicht im Interesse des Erwerbers, sondern hauptsächlich im Interesse des Veräußerers vereinbart wurden, um dessen Versorgung zu sichern. Dabei hat der BFH darauf verwiesen, dass im Fall eines ungewöhnlich langen, nicht mehr übersehbaren Zeitraums diese Bezüge ähnlich wagnisbehaftet wie eine Leibrente sind (vgl. nur BFH-Urteil vom 26.07.1984 - IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829, unter II.1.b, m.w.N.). Auch hat der BFH in diesen Fällen auf die ungewisse Versorgung des Veräußerers abgestellt. Erstreckt sich die Versorgung des Berechtigten nämlich über eine längere Zeit, ist eine Milderung des Grundsatzes der sofortigen Versteuerung der durch die Veräußerung des Betriebs realisierten stillen Reserven geboten und wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung die Erfassung des Veräußerungserlöses erst im Zeitpunkt des Zuflusses notwendig (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1974 - VIII R 131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173, unter 2.b).
(3) Im Vordergrund dieser Rechtsprechung steht also das Risiko, dass im Fall eines frühen Todes des Veräußerers bei einer Sofortbesteuerung mehr versteuert werden muss als dem Steuerpflichtigen tatsächlich zugeflossen ist (so schon Senatsurteil vom 17.07.2013 - X R 40/10, BFHE 242, 58, BStBl II 2013, 883, Rz 61). Das Wahlrecht trägt dem Umstand Rechnung, dass einerseits die wiederkehrenden Bezüge mit ihrem Gegenwartswert zu bewerten sind und damit der Veräußerungsgewinn bereits im Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen verwirklicht wird, andererseits jedoch das ‑‑gemessen an der statistischen Wahrscheinlichkeit‑‑ vorzeitige Versterben des Rentenberechtigten nicht zu einer (rückwirkenden) Korrektur des Veräußerungsgewinns führt (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2002 - VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532, unter II.2.a).
(4) Die Zuflussbesteuerung bewirkt lediglich eine zeitliche Streckung der anfallenden Steuerzahlungen, die sich der Steuerpflichtige durch den Verlust der Begünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und des § 34 EStG (ermäßigter Steuersatz) quasi "erkauft" (vgl. Senatsurteil in BFHE 242, 58, BStBl II 2013, 883, Rz 63).
b) Im Fall einer Betriebsaufgabe, bei der Wirtschaftsgüter gegen langfristig wiederkehrende Bezüge, insbesondere Leibrenten, veräußert werden, ist das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung ‑‑bezogen auf diese veräußerten Wirtschaftsgüter‑‑ ebenfalls zu gewähren. Es liegt eine vergleichbare Interessenlage vor.
aa) Bislang hat der BFH lediglich entschieden, dass ein solches Wahlrecht bei der Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsguts gegen Leibrente aus einem fortbestehenden Betrieb nicht zu gewähren ist (BFH-Urteil vom 20.01.1971 - I R 147/69, BFHE 101, 218, BStBl II 1971, 302, unter 1.b). Er hat dies damit begründet, dass der Betrieb nach der Veräußerung des Wirtschaftsguts beim Veräußerer fortbesteht und der Gewinn des Todesjahres durch eine Ausbuchung der aktivierten Leibrentenforderung gemindert wird; dies gleicht ‑‑anders als in den Fällen des § 16 EStG‑‑ das mit der Leibrente verbundene Risiko eines statistisch vorzeitigen Versterbens aus.
bb) Hiervon unterscheidet sich jedoch eine Betriebsaufgabe, bei der ebenfalls Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert werden. Denn ebenso wie nach der Betriebsveräußerung im Ganzen ist der Veräußerer nach einer Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufgabe nicht mehr Inhaber des Betriebs. Wie bei einer Betriebsveräußerung liegt es in seinem Interesse, für diese Veräußerung nicht mehr Einkommensteuer zahlen zu müssen, als er nach Maßgabe der tatsächlich zugeflossenen Rentenzahlungen müsste. Dieses Risiko ist auch bei einer Betriebsaufgabe vorhanden. Stirbt der (frühere) Betriebsinhaber vor Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung, hätte er einen Gewinn zu versteuern, der nachträglich nicht korrigiert werden kann, da kein rückwirkendes Ereignis gegeben ist, sondern sich ein vertragsimmanentes Wagnis konkretisiert (vgl. BFH in BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532, unter II.2.c aa bbb).
cc) Aufgrund des beschriebenen Wagnischarakters und im Hinblick auf den Versorgungscharakter derartiger Bezüge erscheint eine gleiche Behandlung von Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe jeweils gegen wiederkehrende Bezüge zwingend. Dies gilt umso mehr, als im Fall der Betriebsveräußerung das Wahlrecht, die wiederkehrenden Bezüge erst bei Zufluss zu versteuern, schon dann eröffnet ist, wenn nur ein Teil des Kaufpreises in dieser Form erbracht wird, der andere Teil aber aus einer Einmalzahlung besteht (so Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 16 EStG Rz 582; vgl. auch BFH-Urteil vom 20.12.1988 - VIII R 110/82, BFH/NV 1989, 630, unter 1. zur Betriebsveräußerung gegen Einmalzahlung und wiederkehrenden Bezügen).
dd) Wie im Fall der Betriebsveräußerung kann das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung bei der Betriebsaufgabe im Wege einer teleologischen Reduktion der §§ 16, 34 EStG im Verhältnis zu § 24 Nr. 2 EStG hergeleitet werden. Auch bei einem Betriebsaufgabegewinn i.S. des § 16 Abs. 3 EStG, der wie der Veräußerungsgewinn nach §§ 16, 34 EStG zu behandeln ist, ist nicht geklärt, ob diese Vorschriften § 24 Nr. 2 EStG verdrängen. Sinn und Zweck der begünstigten Besteuerung des Veräußerungs- sowie des Aufgabegewinns aufgrund des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG ‑‑ggf. unter Berücksichtigung der Freibetragsregelung des § 16 Abs. 4 EStG‑‑ ist die Gewährung einer Tarifbegünstigung für den Fall einer zusammengeballten Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven, die in den wesentlichen Grundlagen einer betrieblichen Sachgesamtheit angesammelt und in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2014 - IV R 57/11, BFHE 248, 66, BStBl II 2015, 536, Rz 16, m.w.N.). § 24 Nr. 2 EStG ordnet dagegen zufließende Einkünfte nach der Beendigung einer Tätigkeit oder Einkunftsart ‑‑insoweit klarstellend‑‑ der in der Vergangenheit verwirklichten Einkunftsart zu (statt aller vgl. nur HHR/Horn, § 24 EStG Rz 70, m.w.N.).
Da wie im Fall der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge auch bei der Betriebsaufgabe unter Veräußerung von Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen werden kann, ob eine unverhältnismäßig hohe Besteuerung trotz der Begünstigungen durch §§ 16 Abs. 4, 34 EStG droht, bedarf es der am Zweck dieser Normen orientierten Einschränkung der Besteuerung des wagnisbehafteten Teils des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns. Folglich kann auch dieser Teil des Aufgabegewinns, wenn der Steuerpflichtige es wählt, nach dem Zufluss der Zahlungen, also nach § 24 Nr. 2 EStG, besteuert werden.
ee) Dieses Wahlrecht ist im Fall der Betriebsaufgabe nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige einen Teil der zuvor betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter in seinem Eigentum behält.
Bereits bei einer Betriebsveräußerung ist es für die Anwendung des Wahlrechts auf Zuflussbesteuerung unerheblich, ob der Veräußerer die nötigen Mittel erhält, um die im Fall der Sofortbesteuerung zu erbringenden Steuern begleichen zu können. Zudem stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung lediglich auf das Wagnis des früheren Ausfalls der wiederkehrenden Bezüge und/oder den Versorgungscharakter dieser Zahlungen für den Veräußerer ab (vgl. oben II.2.a bb).
ff) Eine Beschränkung der Zuflussbesteuerung auf den Fall der Betriebsveräußerung lässt sich dem BFH-Urteil vom 14.12.1988 - I R 44/83 (BFHE 155, 368, BStBl II 1989, 323) nicht entnehmen. Vielmehr stellte der BFH dort unter 5.2 heraus, dass die Rechtsprechung nicht ausschließe, in anderen Fällen als der Betriebsveräußerung laufende Bezüge erst mit dem Zufluss zu besteuern.
3. Aufgrund der zulässigen Inanspruchnahme des Wahlrechts auf Zuflussbesteuerung sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin im Streitjahr 2014 mit 34.344 € anzusetzen.
a) Der Aufgabegewinn ist gemäß § 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG entsprechend dem Veräußerungsgewinn zu ermitteln. Einzelne dem Betrieb gewidmete Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußert werden, sind mit dem Veräußerungspreis anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG). Somit ist zunächst die Summe der Veräußerungserlöse der im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter sowie der nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG zu berücksichtigende gemeine Wert der nicht veräußerten, in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter zu ermitteln; dieser Betrag ist dem Buchwert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe gegenüberzustellen. Der Unterschied zwischen diesen Werten ‑‑abzüglich etwaiger Aufgabe- und Veräußerungskosten‑‑ ergibt den Aufgabegewinn (vgl. nur Senatsurteil vom 22.10.2013 - X R 14/11, BFHE 243, 271, BStBl II 2014, 158, Rz 42, m.w.N.). Eine Aufteilung des Buchwerts des Betriebsvermögens, der dem Kapitalkonto des Betriebs entspricht, erfolgt ebenso wenig wie im Fall der Betriebsveräußerung in Form einer Rente neben einem bestimmten Kaufpreisteil (vgl. BFH-Urteil vom 21.09.1993 - III R 53/89, BFHE 172, 349, unter II.2.b cc, sowie ‑‑wenn auch zur Frage der Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG‑‑ Senatsurteil vom 10.07.1991 - X R 79/90, BFHE 165, 75, unter II.1.).
b) Nach diesen Grundsätzen ist für das Streitjahr kein Aufgabegewinn gemäß § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 EStG in Ansatz zu bringen. Die nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG für die ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter anzusetzenden gemeinen Werte betrugen 85.134,44 €; sie waren somit geringer als die Summe aus dem ‑‑nicht aufzuteilenden‑‑ Kapitalkonto des Betriebs der Klägerin (81.747,34 €) und den Aufgabekosten (13.323,71 €), mithin 95.071,05 €. Soweit die Klägerin einen Aufgabegewinn von 4.356 € ermittelt hat (gemeiner Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter ./. Buchwerte jener Wirtschaftsgüter [67.453,84 €] ./. Aufgabekosten [Rückbauaufwendungen]), ist sie von unzutreffenden Rechtsgrundsätzen zu ihren Lasten ausgegangen.
c) Nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 24 Nr. 2 EStG sind für das Streitjahr zu berücksichtigen, soweit die zugeflossenen Rentenzahlungen die Summe aus Kapitalkonto und Aufgabekosten (95.071,05 €) abzüglich der bereits berücksichtigten gemeinen Werte der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter (85.134,44 €), d.h. einen Betrag von 9.936,61 € überschritten haben.
d) Ob der Zinsanteil von den Rentenzahlungen zu separieren ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn die Klägerin begehrt mit ihrem Revisionsantrag eine Berücksichtigung von gewerblichen Einkünften in Höhe von 34.344 €. Diesen Betrag kann der Senat nicht unterschreiten.
aa) Würde man auf die gesamten ‑‑nicht zwischen Tilgungs- und Zinsanteil differenzierenden‑‑ Rentenzahlungen von 36.000 € abstellen, ergäben sich für die Klägerin steuerbare nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26.063,39 € (36.000 € ./. 9.936,61 €).
bb) Wäre dagegen der Zinsanteil (29.988 €) zu separieren und nur der Tilgungsanteil von 6.012 € zu berücksichtigen, wäre der noch unverbrauchte Betrag von 9.936,61 € im Streitjahr zwar nicht überschritten. Eine günstigere Besteuerungsfolge ergäbe sich für die Klägerin in diesem Fall aber nicht, da der Zinsanteil im Jahr des Zuflusses ebenfalls zu nachträglichen Einkünften aus Gewerbebetrieb führt. Dies hat der Senat für die Zuflussbesteuerung bei einer Veräußerungszeitrente bereits entschieden (Urteil in BFHE 266, 224, BStBl II 2020, 262, Rz 26) und gilt bei einer Veräußerungsleibrente sinngemäß. Eine Zuordnung zu den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG scheidet jedenfalls bei der Wahl zur Zuflussbesteuerung aus, da die sonstigen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 EStG gegenüber den ‑‑wenn auch nachträglichen‑‑ gewerblichen Einkünften subsidiär sind (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG).
4. Im vorliegenden Fall sind sämtliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb ‑‑unabhängig von dieser Frage der Aufteilung der Leibrente im Fall der Zuflussbesteuerung in einen Zins- und Tilgungsanteil‑‑ nicht nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Zum einen unterliegen sowohl der Zins- wie auch der Tilgungsanteil der Leibrente als nachträgliche Betriebseinnahmen gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG, da insoweit keine außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gegeben sind. Zum anderen fehlen aber auch ansonsten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG qualifiziert werden könnten. Wie unter II.3.c gezeigt, übersteigt das Kapital des Betriebs zuzüglich der Aufgabekosten die gemeinen Werte der von der Klägerin in ihr Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter um 9.936,61 €.
Somit kann der Senat die Frage unbeantwortet lassen, ob an der älteren BFH-Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach auch in Fällen der Zuflussbesteuerung die Begünstigung nach § 34 EStG ungeachtet dessen gewährt werden kann, dass der Gewinn aus der Betriebsveräußerung bzw. der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter über viele Jahre verteilt wird (vgl. Urteile vom 28.09.1967 - IV 288/62, BFHE 90, 324, BStBl II 1968, 76, unter 5.; in BFHE 165, 75, unter II.1., und in BFHE 172, 349, unter II.2.a), obwohl es damit an der von der neueren Rechtsprechung geforderten "Außerordentlichkeit" der Einkünfte (vgl. nur Senatsurteil vom 06.05.2020 - X R 24/19, BFHE 269, 265, BStBl II 2021, 141, Rz 17, und vom 25.02.2014 - X R 10/12, BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668, Rz 33) fehlen könnte.
5. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.