ECLI:DE:BFH:2022:U.250122.IIR36.19.0
BFH II. Senat
BGB § 94 Abs 1 S 1, BGB § 94 Abs 1 S 2, BGB § 95 Abs 1 S 1, FGO § 90a, FGO § 118 Abs 2, FGO § 121 Abs 1, FGO § 135 Abs 2, GrEStG § 1 Abs 1 Nr 1, GrEStG § 2 Abs 1 S 1, GrEStG § 8 Abs 1, GrEStG § 9 Abs 1 Nr 1, GrEStG § 17 Abs 2 Alt 2
vorgehend FG Düsseldorf, 19. Mai 2019, Az: 7 K 3217/18 GE
Leitsätze
1. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sind diejenigen Leistungen, die für den Erwerb des Grundstücks im Sinne des bürgerlichen Rechts zu erbringen sind. Eine Gegenleistung für Scheinbestandteile gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.
2. Gehölze sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen. Dazu können auch Forstbäume zählen.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 16.05.2019 - 7 K 3217/18 GE wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterhält einen forstwirtschaftlichen Betrieb. Er pflegte kontinuierlich forstlich bewirtschaftete Flächen zu erwerben, um fällreife Bäume abzuholzen und entsprechend neue Bäume anzupflanzen. Im Jahre 2018 erwarb er mit einem einheitlichen Vertrag von derselben Veräußerin mehrere Waldgrundstücke in verschiedenen Gemeinden. Der wertvollste Bestand an Grundstücken war im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt ‑‑FA‑‑) belegen. Auch bei diesen Grundstücken hatte zum Zeitpunkt der Aufforstung bereits festgestanden, dass die gepflanzten Bäume bei Hiebreife abgeholzt werden sollten. Zum Ankaufszeitpunkt wiesen die Flächen teilweise hiebreife Bestände auf. Vom Gesamtkaufpreis in Höhe von 105.000 € sollte ein Teilbetrag in Höhe von 73.500 € auf den "Aufwuchs" und ein Teilbetrag in Höhe von 31.500 € auf den Grund und Boden entfallen.
Mit Bescheid vom 09.10.2018 stellte das FA für die einzelnen Grundstücke die jeweilige Gegenleistung, insgesamt in Höhe von 105.000 € gesondert fest. Das FA begründete seine Entscheidung mit dem Hinweis, dass der Wald wesentlicher Bestandteil des jeweiligen Grundstücks i.S. von § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sei.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der sich der Kläger gegen die Einbeziehung des Kaufpreisanteils für den Aufwuchs in die Gegenleistung wandte, hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) wird aus der Struktur und Lage der erworbenen Flächen deutlich, dass die Bäume zum Zwecke einer späteren Ernte angepflanzt worden und deshalb Scheinbestandteile i.S. des § 95 BGB seien.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung der §§ 94, 95 BGB. Die Bäume seien Erzeugnisse des Grundstücks und könnten deshalb, solange sie mit dem Boden verbunden seien, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Abweichendes gelte nur für Baumschulen, in denen ein lebendiger Organismus vom Grundstück getrennt und die Pflanze selbst geerntet und veräußert werde. Beim Walderntehieb werde hingegen unter Zerstörung der Pflanzen deren Produkt geerntet.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Feststellungsbescheid insoweit rechtswidrig ist, als das FA den auf den Baumbestand entfallenden Kaufpreisanteil in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen hat.
1. Bezieht sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen, stellt gemäß § 17 Abs. 2 Alternative 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) das Finanzamt, in dessen Bezirk der wertvollste Bestand an Grundstücken liegt, die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest.
a) Mit dem Begriff "Rechtsvorgang" nimmt die Vorschrift Bezug auf § 1 GrEStG, der im Einzelnen regelt, welche Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer unterliegen (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 26.10.2006 - II R 32/05, BFHE 215, 289, BStBl II 2007, 323, unter II.1.a). Ein solcher Rechtsvorgang ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG u.a. ein Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet.
b) Zu den gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen eines Kaufvertrags gehört auch der Wert der Gegenleistung, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Steuer bemisst. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Danach gehören zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage) alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (BFH-Urteil vom 25.04.2018 - II R 50/15, BFHE 262, 169, BStBl II 2018, 602, Rz 13, m.w.N.). Soweit sich ein Kaufvertrag auch auf Gegenstände bezieht, die kein Grundstück sind, gehören die hierauf entfallenden Teile des Kaufpreises nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage, denn es können nur solche Leistungsverpflichtungen des Erwerbers Gegenleistung sein, die er um des Grundstückserwerbs willen zu erbringen hat (BFH-Urteil vom 08.09.2010 - II R 28/09, BFHE 231, 244, BStBl II 2011, 227, Rz 10, m.w.N.).
2. Unter Grundstück im Sinne des GrEStG ist das Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Ob Gehölze zum Grundstück zählen, hängt davon ab, zu welchem Zweck die Aussaat bzw. das Einpflanzen des Gehölzes erfolgt ist.
a) Grundstück im bürgerlichen Rechtssinne ist der räumlich abgegrenzte Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts ohne Rücksicht auf die Art seiner Nutzung unter einer besonderen Nummer eingetragen ist (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 19.12.1967 - V BLw 24/67, BGHZ 49, 145; BFH-Urteil vom 22.07.2010 - IV R 62/07, BFH/NV 2010, 2261, Rz 29; Grüneberg/Herrler, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Aufl., Überbl v § 873 Rz 1, m.w.N.). Es umfasst nach §§ 94, 95 BGB auch seine wesentlichen Bestandteile, soweit es sich nicht um Scheinbestandteile handelt.
b) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, darunter auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aufstehende Gehölze sind deshalb im Ausgangspunkt wesentliche Bestandteile des Grundstücks, gleich, ob sie durch Selbst- oder Fremdaussaat unmittelbar am Standort gewachsen oder anderweit vorgezogen und eingepflanzt worden sind (vgl. BGH-Urteil vom 04.11.2010 - III ZR 45/10, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2011, 852, Rz 14; BGH-Beschlüsse vom 17.03.2016 - V ZR 185/15, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport 2016, 587, Rz 4, und vom 26.11.2020 - V ZB 151/19, NJW 2021, 2121, Rz 8).
c) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BGB), die sog. Scheinbestandteile. Die Vorschrift schränkt den Anwendungsbereich des § 94 BGB ein (vgl. Grüneberg/Ellenberger, a.a.O., § 95 Rz 1). Gehölze sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen.
aa) Eine Verbindung erfolgt zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist. Maßgeblich ist der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache. Dieser muss allerdings mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein (BGH-Urteil vom 07.04.2017 - V ZR 52/16, NJW 2017, 2099, Rz 7). Einem vorübergehenden Zweck steht es weder entgegen, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Dauer zu erwarten ist (BGH-Urteil vom 16.11.1973 - V ZR 1/72, Monatsschrift für Deutsches Recht 1974, 298, unter II.B.) noch, wenn sie wegen der Art der eingefügten Sachen zwangsläufig zu deren Zerstörung führt (BGH-Urteil vom 22.12.1995 - V ZR 334/94, BGHZ 131, 368, NJW 1996, 916, unter II.1.a; BFH-Urteil vom 09.04.1997 - II R 95/94, BFHE 182, 373, BStBl II 1997, 452, unter II.4.; beide betreffend massiv errichtete Gebäude). Deshalb ist es ebenso wenig wie im Falle eines nur zu vorübergehendem Zweck errichteten massiven Gebäudes erforderlich, dass die Scheinbestandteileigenschaft auf den ersten Blick sichtbar ist (a.A. Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24.08.2021 - 5 W 74/21, juris, Rz 12). Es reicht aus, wenn der äußere Anschein damit vereinbar ist.
bb) Bei Verkaufspflanzen in Baumschulen ist von vornherein die vollständige Entfernung von dem Grundstück beabsichtigt. Es handelt sich um Scheinbestandteile (vgl. bereits Urteile des Reichsgerichts vom 27.04.1907 - V 459/06, Reichsgericht in Zivilsachen ‑‑RGZ‑‑ 66, 88, und vom 04.10.1922 - V 611/21, RGZ 105, 213; BFH-Urteil vom 14.08.1986 - IV R 341/84, BFHE 147, 449, BStBl II 1987, 23, unter 2.).
cc) Scheinbestandteile können aber auch vorliegen, wenn aufstehende Bäume forstwirtschaftlich genutzt, d.h. zur Holzproduktion gefällt werden sollen (vgl. BGH-Urteil in NJW 2011, 852, Rz 15, ohne dass dem ‑‑anders als das FA meint‑‑ eine Beschränkung auf die Anzucht von Forstbäumen zum späteren Aufforsten an anderer Stelle zu entnehmen wäre; Viskorf/Viskorf, GrEStG, 20. Aufl., § 2 Rz 41), sofern dies von Anfang an beabsichtigt war. Wie viel Zeit bis zur planmäßigen Entfernung der Bäume verstreicht, ist unbeachtlich. Werden anders als bei Baumschulgewächsen die Bäume beim Entfernen als lebende Organismen zerstört, steht dies der Eigenschaft als Scheinbestandteil nicht entgegen. Unerheblich ist ferner, ob ein nicht mehr lebensfähiger Rest des Baumes (Wurzeln mit Baumstumpf) weiter mit dem Grundstück verbunden ist. Die umgekehrte Frage, wie es zu beurteilen wäre, wenn trotz Kappen des aufstehenden Holzes der Baum als lebensfähiger Organismus bestehen bleibt und planmäßig wieder ausschlägt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
dd) Aus dem BGH-Urteil vom 27.01.2006 - V ZR 46/05 (NJW 2006, 1424), auf das sich das FA beruft, folgt nichts anderes, weil es sich auf Bäume bezieht, die ersichtlich nicht in der Absicht gepflanzt worden waren, sie später wieder zu entfernen. Das BFH-Urteil vom 11.05.1966 - II 171/63 (BFHE 86, 252, BStBl III 1966, 400), auf das sich das FA weiter beruft, setzt sich nicht mit den §§ 94, 95 BGB auseinander. Es enthält keine Feststellungen dazu, ob der Baumbestand bereits zum Zwecke der späteren Abholzung gesät oder gepflanzt worden war.
3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass nur der auf den Grund und Boden entfallende Kaufpreisanteil Gegenleistung für den Grundstückserwerb ist. Der Kaufpreisanteil für die aufstehenden Bäume wurde nicht für den Erwerb des Grundstücks geleistet, da die Bäume als Scheinbestandteile nicht Teil des Grundstücks waren.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels entsprechender Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, waren die Bäume bereits bei Pflanzung zur Abholzung und damit zur Entfernung von dem Grundstück bestimmt.
Es bedarf keiner weiteren Tatsachenfeststellungen zur Beurteilung der Frage, ob dies mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen ist. Sollte der Wald durch entsprechend angeordnete Baumzeilen, ggf. auch mit typischerweise zur Holzgewinnung dienenden Arten bereits erkennen lassen, dass er für Zwecke des späteren Holzeinschlags angelegt wurde, bedarf dies keiner weiteren Erörterung. Mit der forstwirtschaftlichen Zweckbestimmung "Abholzung" wäre aber auch eine äußerlich ungeordnete Mischpflanzung vereinbar, denn sie kann ebenfalls der Holzproduktion dienen.
Die lange Verweildauer der Bäume ist für die Einordnung des Baumbestandes als Scheinbestandteil unerheblich. Schließlich ergibt sich aus den Feststellungen des FG, dass die Bäume als lebende Organismen beim Fällen zerstört werden. Daher bedarf es keiner Erörterung der Rechtslage bei einer andersartigen Bewirtschaftung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.