ECLI:DE:BFH:2021:U.170521.IXR32.18.0
BFH IX. Senat
GlSpielG SH § 1, GlSpielG SH § 35, GlSpielG SH § 40, GlSpielG SH § 41, GlSpielG SH § 42, GG Art 20 Abs 1, GG Art 70 Abs 1, GG Art 100 Abs 1, GG Art 105, GG Art 110, EGRL 34/98 Art 8 Abs 1, EGRL 34/98 Art 9 Abs 1, EGRL 34/98 Art 1 Nr 3, EGRL 34/98 Art 1 Nr 4, EGRL 34/98 Art 1 Nr 5, EGRL 34/98 Art 1 Nr 11, AEUV Art 267, GG Art 3 Abs 1, EURL 24/2010 Art 2
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht , 04. Juni 2018, Az: 5 K 17/16
Leitsätze
NV: § 35 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH verstoßen nicht gegen Verfassungs- und Europarecht.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 05.06.2018 - 5 K 17/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Vereinbarkeit der Glücksspielabgabe nach dem Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels (Glücksspielgesetz Schleswig-Holstein ‑‑GlSpielG SH‑‑ vom 20.10.2011, Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-Holstein ‑‑GVBl SH‑‑ 2011, 280) mit Verfassungs- und Europarecht, soweit es um Glücksspiele mit Spielern geht, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Land Schleswig-Holstein, sondern im übrigen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) haben.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft [ausländischen] Rechts. Sie verfügte über eine Spiellizenz in A (Mitgliedstaat der Europäischen Union –EU-). Weiter verfügte die Klägerin über eine am … durch das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein erteilte Erlaubnis, wonach sie ab dem 01.05.2012 Sportwetten veranstalten und im Wege des Fernvertriebs vertreiben durfte. Mit weiterem Bescheid des Innenministeriums vom … erhielt sie die Erlaubnis, im Geltungsbereich des GlSpielG SH Online-Glücksspiele zu vertreiben. Die Erlaubnis erging unter der Auflage, dass sie nur im Geltungsbereich des GlSpielG SH Anwendung findet und nur Spieler mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Geltungsbereich des GlSpielG SH zur Teilnahme an den genehmigten Glücksspielen zugelassen werden dürften. Über Onlineplattformen bot die Klägerin Sportwetten und Online-Glücksspiele im Internet an. Das Online-Glücksspiel für Schleswig-Holstein fand auf der Grundlage der schleswig-holsteinischen Genehmigung auf der Internetplattform "…" statt. Das Online-Glücksspiel im übrigen Bundesgebiet fand auf der Grundlage der der Klägerin erteilten Glücksspiellizenzen des EU-Mitgliedstaats A auf "…" statt.
Die Klägerin reichte am 17.03.2014 Jahresanmeldungen der Glücksspielabgabe nach § 40 Abs. 2 GlSpielG SH für die Jahre 2012 und 2013 ein. Sie erklärte für das Jahr 2012 eine Glücksspielabgabe in Höhe von … € und für das Jahr 2013 in Höhe von … €. Bei der Bemessung waren Roherträge aus dem Vertrieb von Sportwetten (bis 30.06.2012) und Online-Glücksspielen an Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Schleswig-Holstein und Roherträge aus dem Vertrieb an Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland berücksichtigt. Eine Aufschlüsselung der Roherträge hinsichtlich des Wohnsitzes der Spieler oder der Monate der erzielten Roherträge fehlte.
Mit Bescheiden vom 21.03.2014 wurde die Glücksspielabgabe erklärungsgemäß festgesetzt. Die Klägerin legte dagegen am 31.03.2014 Widerspruch ein. Sie führte aus, die Erhebung der Glücksspielabgabe auf Online-Casinospiele und Sportwetten sei rechtswidrig, soweit diese aus dem Vertrieb an Personen resultiere, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland außerhalb von Schleswig-Holstein hätten.
Am 20.02.2015 reichte die Klägerin eine berichtigte Jahresanmeldung für 2013 ein und erklärte eine Glücksspielabgabe in Höhe von … €. Enthalten waren Umsätze mit Spielern außerhalb Schleswig-Holsteins in Höhe von … €. Mit Bescheid vom 11.03.2015 wurde die Glücksspielabgabe für 2013 erklärungsgemäß festgesetzt. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsentscheidung vom 11.01.2016 als unbegründet zurückgewiesen.
Die von der Klägerin dagegen erhobene Klage hat das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 05.06.2018 - 5 K 17/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1463) als unbegründet zurückgewiesen.
Mit ihrer Revision bringt die Klägerin vor: Für die Regelung des § 35 Abs. 2 GlSpielG SH fehle es an der Gesetzgebungskompetenz des Landes Schleswig-Holstein. Die Erteilung einer Glücksspiellizenz durch die Landesverwaltung mit Regelungswirkung nur für den Bereich eines Landes berechtige nicht zur bundesweiten Erhebung der Glücksspielabgabe bei Spielern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im übrigen Bundesgebiet. Die Gesetzgebungskompetenz eines Bundeslandes sei nach dem Territorialitätsgrundsatz auf sein Hoheitsgebiet begrenzt; die angegriffene Regelung des § 35 Abs. 2 GlSpielG SH stelle einen Fall unzulässiger extraterritorialer Hoheitstätigkeit dar. Die anderen Bundesländer seien mit dem gesetzgeberischen Alleingang des Landes Schleswig-Holstein auch nicht einverstanden gewesen. Für die Spieler in den übrigen Bundesländern gebe es keinen Anknüpfungspunkt tatsächlicher Art ("genuine link") in Schleswig-Holstein, welcher nach völkerrechtlichen Grundsätzen indes erforderlich sei. Das Vorhandensein einer staatlichen Genehmigung oder die Werbemöglichkeit mit einer Lizenz begründeten keinen derartigen Anknüpfungspunkt. Eine nur für ein Bundesland geltende Lizenz leiste überdies keinen besonders hohen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Auch die in § 35 Abs. 2 GlSpielG SH enthaltene gesetzliche Fiktion könne keinen Anknüpfungspunkt für eine Steuererhebung begründen. Das gleiche gelte für die mit dem GlSpielG SH verfolgten Lenkungsziele. Es fehle daher an der Verbandskompetenz des Landes Schleswig-Holstein. Die nicht vorhandene Gesetzgebungskompetenz könne auch nicht mittels § 40 der Abgabenordnung (AO) überwunden werden. Ein Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung liege damit vor.
Es werde zudem gegen die Notifizierungspflicht nach der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ L 204 vom 21.07.1998, S. 37), geändert durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.07.1998 (ABlEG L 217 vom 05.08.1998, S. 18), und die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20.11.2006 (Amtsblatt der Europäischen Union L 363 vom 20.12.2006, S. 81) ‑‑nachfolgend EGRL 98/34 ‑‑ verstoßen. § 35 Abs. 2 GlSpielG SH sei in seiner endgültigen Fassung nicht der Kommission zugeleitet worden. Es sei vielmehr nur der Gesetzesentwurf an die Kommission übermittelt worden und darin seien die Steuererhebungsregeln in § 40 GlSpielG SH geregelt gewesen, welcher überdies einen anderen Wortlaut gehabt habe. Die Vorschrift sei aber in der Gesetz gewordenen Fassung notifizierungspflichtig. Sie stehe in einem Förderungszusammenhang mit den Regulierungsbestimmungen in §§ 18 bis 20 GlSpielG SH, die unbestritten notifizierungspflichtig seien. Die Erhebung der Glücksspielabgabe solle sicherstellen, dass die Regulierungsbestimmungen eingehalten würden. Der Lenkungszweck des GlSpielG SH verknüpfe die Normen. Es handele sich mithin um technische De-facto-Vorschriften. Zudem enthalte § 35 Abs. 2 GlSpielG SH eine erhebliche Ausweitung der Glücksspielabgaben auf Glücksspiele mit Spielern im übrigen Bundesgebiet. Dies sei so nicht der Kommission vor Beschlussfassung mitgeteilt worden.
Die Glücksspielabgabe stelle zudem eine verfassungswidrige Sonderabgabe dar. Sie habe gleichrangig einen Finanzierungszweck und einen Lenkungszweck. Auf die Einordnung durch den Landesgesetzgeber komme es nicht an. Es handele sich um eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion. Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion lägen aber nicht vor. Die Gruppe der Abgabenpflichtigen sei nicht homogen. Alle Glücksspielveranstalter verursachten die Gefahren, die das GlSpielG SH beseitigen wolle. Daher müsse die Abgabe von allen Anbietern erhoben werden und nicht nur von denjenigen, die eine Genehmigung des Landes Schleswig-Holstein erhalten hätten. Das Aufkommen der Abgabe werde nur zum Teil gruppennützig verwendet. Erhebliche Teile des Aufkommens flössen in Bereiche, die mit der Gruppe der Glücksspielanbieter nicht im Ansatz etwas zu tun hätten. Mit Blick auf die erteilte Erlaubnis könne keine Vorteilsabschöpfung betrieben werden. Eine Orientierung an der Kostendeckung gemäß dem Äquivalenzprinzip fehle. Es komme allenfalls eine Abgabe in Betracht, die die Kosten der Konzessionserteilung abdecke. Selbst wenn man eine Sonderabgabe mit Lenkungswirkung und nicht mit Finanzierungsfunktion annehme, fehle es an einer Rechtfertigung für die Lenkungswirkung. Auch wenn man die Rechtfertigung darin sehe, Mittel für den Spieler- und Jugendschutz sowie die Suchtbekämpfung zu generieren, werde die Glücksspielabgabe nicht für diese Zwecke verwendet. Gleiches gelte für die Bekämpfung des Wettbetrugs. Es werde mit der Abgabe nur der gemeinnützige Amateursport gefördert. Wettmanipulationen kämen allerdings nur im professionellen Sport vor. Eine Rettung der Glücksspielabgabe durch Umdeutung in eine Verkehrssteuer sei wegen der Grundsätze der Normenwahrheit und -klarheit nicht möglich. Die Glücksspielabgabe sei dann mit der Umsatzsteuer vergleichbar.
Schließlich liege ein strukturelles Vollzugsdefizit vor. In keinem einzelnen Fall sei es zu einer Überprüfung konzessionierter Auslandsanbieter gekommen. Es bestünden keine Kontrollmöglichkeiten. Unbekannte Abgabenpflichtige würden nicht erfasst. Ausländische Anbieter träten anonym auf. Bei ausländischen Anbietern laufe die Möglichkeit einer Nachschau leer. Die Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen ‑‑EURL 2010/24 ‑‑ (ABlEU L 84 vom 31.03.2010, S. 1) greife nicht für die Glücksspielabgabe. Die Glücksspielabgabe könne daher in EU-Mitgliedstaat A nicht vollstreckt werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 05.06.2018 - 5 K 17/16, die Widerspruchsentscheidung vom 11.01.2016 sowie die Festsetzungen der Glücksspielabgabe vom 21.03.2014 und vom 11.03.2015 aufzuheben, soweit es um Glücksspiele mit Spielern geht, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Land Schleswig-Holstein, sondern im übrigen Gebiet von Deutschland haben, hilfsweise, die Rechtssache dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Die vom Land Schleswig-Holstein nach dem GlSpielG SH erteilte Lizenz genehmige das von der Klägerin angebotene Glücksspiel nur, soweit es Personen zulasse, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Schleswig-Holstein haben. Das Spielangebot der Klägerin ermögliche jedoch auch Spielern, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Schleswig-Holsteins haben, die Möglichkeit zur Teilnahme am Glücksspiel im Internet. Die Klägerin habe keine technischen oder sonstigen Vorrichtungen getroffen, dies wirksam zu unterbinden. Weder ihre im EU-Mitgliedstaat A erteilte Genehmigung zur Durchführung von Glücksspielen im Internet noch die vom Land Schleswig-Holstein erteilten Lizenzen hätten insoweit Legalisierungswirkung. Um einer sachwidrigen Nutzung der erteilten Lizenzen entgegenzuwirken und die Abgabenpflicht auch auf das nicht genehmigte Glücksspiel von Spielern mit einem Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Schleswig-Holsteins zu erstrecken, sei vom Land Schleswig-Holstein die Lizenzerteilung als Anknüpfungspunkt für die Erhebung der Glücksspielabgabe gewählt worden. Darin liege kein unzulässiger Eingriff in den Hoheitsbereich der anderen Bundesländer. Bei einer grenzüberschreitenden Regelung von Sachverhalten reiche nach völkerrechtlichen Grundsätzen zur Begründung der Regelungskompetenz ein Anknüpfungspunkt im Inland aus. Die Regelungen des GlSpielG SH liefen auch nicht dem Bestreben der anderen Bundesländer entgegen, Glücksspiele über das Internet zu verbieten, sondern unterstütze dieses sogar, indem Glücksspielabgabe auf Umsätze von Spielern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb Schleswig-Holsteins erhoben werde. Denn Ziel sei, dass die Inhaber einer in Schleswig-Holstein ausgegebenen Lizenz sich auf das legale Glücksspiel beschränkten. Hinsichtlich der Notifizierungspflicht habe das Land Schleswig-Holstein den Gesetzentwurf des GlSpielG SH im Februar 2011 an die Kommission der Europäischen Union (EU-Kommission) übersandt. Die EU-Kommission habe anschließend Bemerkungen übermittelt. Diesen Bemerkungen sei im endgültigen Gesetzentwurf, der der EU-Kommission ebenfalls übermittelt worden sei, Rechnung getragen worden. Die EU-Kommission habe kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die in § 35 GlSpielG SH geregelte Sonderabgabe sei zulässig. Das Land Schleswig-Holstein habe eine Lenkung beabsichtigt. Übergeordnetes und verklammerndes Gesamtziel des GlSpielG SH sei die Schaffung eines Ordnungsrahmens für das Glücksspiel in Schleswig-Holstein gewesen. Der Gesetzgeber habe das Ziel verfolgt, dem Glücksspiel lenkende Strukturen zu geben, die Glücksspielnachfrage zu legalen und überwachten Spielangeboten zu leiten und die Spielsucht einzudämmen. Das Land Schleswig-Holstein habe sich für eine moderate und mit hohen Schutzstandards versehene Öffnung des Markts durch ein Lizensierungsverfahren und die Schaffung einer Lenkungsabgabe entschieden. Die Glücksspielabgabe sei nicht zur Finanzierung einer bestimmten Aufgabe erhoben worden. Sie könne daher auch als Verkehrssteuer mit Lenkungszweck beurteilt werden. Dafür bestehe die Regelungskompetenz des Landes.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Der Senat kommt nicht zu der für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erforderlichen Überzeugung, dass die streitige Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH wegen Verstoßes gegen die Gesetzgebungskompetenz des Landes Schleswig-Holstein formell verfassungswidrig ist (dazu unter 1.). Ebenso liegt aufgrund der Erstreckung des Geltungsbereichs über die Landesgrenzen hinaus kein Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vor (dazu unter 2.). Nach den in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Grundsätzen handelt es sich nicht um eine unzulässige Sonderabgabe (dazu unter 3.). Ebenfalls liegen nach den Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte für ein strukturelles Vollzugsdefizit vor, das der Erhebung der Glücksspielabgabe entgegenstünde (dazu unter 4.). Es liegt kein Verstoß gegen die Notifizierungspflicht nach der RL 98/34/EG vor (dazu unter 5.). Daher hat das FG bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht keine bundesrechtlichen Normen verletzt und es erübrigt sich eine Vorlage an den EuGH oder das BVerfG (dazu unter 6.).
1. Der erkennende Senat ist der Überzeugung, dass das Land Schleswig-Holstein die für den Erlass des GlSpielG SH erforderliche Gesetzgebungskompetenz besaß; vor diesem Hintergrund ist die in Rede stehende Regelung des § 35 GlSpielG SH formell verfassungsgemäß.
a) Nach Art. 70 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das GG nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Da es sich bei der Glücksspielabgabe um eine nichtsteuerliche Sonderabgabe handelt (vgl. Landtagsdrucksache 17/1100, S. 52), ergeben sich die Abgabenhoheit und Gesetzgebungskompetenz nicht aus den Art. 105 ff. GG, sondern aus den Regelungen der Art. 70 ff. GG. Danach hat das Land Schleswig-Holstein ‑‑vorbehaltlich einer bundesgesetzlichen Regelung‑‑ das Gesetzgebungsrecht.
Art. 105 GG begründet als spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm Gesetzgebungskompetenzen für Steuern (BVerfG-Beschluss vom 17.07.2003 - 2 BvL 1/99, 2 BvL 4/99, 2 BvL 6/99, 2 BvL 16/99, 2 BvL 18/99, 2 BvL 1/01, BVerfGE 108, 186, unter C.I.1.a). Nach ihrem materiellen Gehalt stellt die Glücksspielabgabe keine Steuer dar. Anders als Abgaben, die unter den herkömmlichen Steuerbegriff fallen, dient sie in erster Linie nicht der Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf des Landes Schleswig-Holstein. Vielmehr dient sie der Abdeckung des speziellen Finanzbedarfs, der in der Folge der Legalisierung von Sportwetten und Online-Glücksspielen anfallen wird. Insoweit regeln § 42 Abs. 2 und Abs. 3 GlSpielG SH, dass mindestens ein Drittel des Aufkommens dem Landessportverband Schleswig-Holstein "zum Zwecke der Förderung der Integrität des gemeinnützigen Sports" zukommen und damit der Bekämpfung des Wettbetrugs dienen soll. Zudem dient ein Teil des Aufkommens der Finanzierung der Suchtarbeit und der Schuldner- und Insolvenzberatung. Stellt der Gesetzgeber eine derartige tatbestandliche Verknüpfung einer Abgabepflicht dem Grunde und der Höhe nach mit dem Anfall bestimmter Kosten für die Erledigung einer speziellen Aufgabe her, so nimmt er eine besondere Finanzierungsverantwortung der Gruppe der Abgabenpflichtigen in Anspruch. Dieses lässt sich nur als Auferlegung einer öffentlich-rechtlichen Abgabe, die keine Steuer ist (sog. nichtsteuerliche Abgabe), rechtfertigen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 108, 186, unter C.I.1.a aa).
b) Für nichtsteuerliche Abgaben richtet sich die Gesetzgebungskompetenz nach den allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. GG über Sachgesetzgebungskompetenzen. Es liegt kein Fall der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 GG vor. Die Gesetzgebungsbefugnis des Landes Schleswig-Holstein war auch durch eine im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 GG zulässig erlassene bundesrechtliche Regelung nicht ausgeschlossen. Eine spezielle bundeseinheitliche Regelung bestand ‑‑nur bezogen auf Sportwetten‑‑ erst mit dem Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten vom 29.06.2012 (BGBl I 2012, 1424) und damit nicht bei Erlass des GlSpielG SH; mit Blick auf die Besteuerung von Online-Casinos mit einer Glücksspielabgabe bestand im Streitzeitraum keine bundesgesetzliche Regelung (die Länderzuständigkeit bejahend auch Ennuschat, Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht ‑‑ZfWG‑‑ 2020, 2, 5).
2. Soweit das FG die Tätigkeit der Klägerin unter den Tatbestand des § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH subsumiert und in dieser Vorschrift eine geeignete landesrechtliche Grundlage für die Heranziehung der Klägerin zur Glücksspielabgabe gesehen hat, vermag dies aus Sicht des Senats keine für eine Vorlage an das BVerfG ausreichenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung zu begründen. Insbesondere ruft die damit verbundene Erstreckung des Geltungsbereichs der Regelung auf im übrigen Bundesgebiet getätigte Glücksspielumsätze im Hinblick auf das Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG keine verfassungsrechtlichen Zweifel hervor, die zu einer für eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG erforderlichen Überzeugung von der (formellen) Verfassungswidrigkeit der Norm führen.
a) Eine Regelung dergestalt, dass eine Gebietskörperschaft auch Steuern und Abgaben über ihr Hoheitsgebiet hinaus erhebt ("extraterritorialer Anwendungsbereich"), sofern ein inländischer Anknüpfungspunkt besteht, ist dem deutschen Abgaben- und Steuerrecht nicht fremd. So kennt das Steuerrecht im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Tatbestände, bei denen aufgrund einzelner Sachverhalte eine Steuerpflicht im Inland begründet wird, der Steuerschuldner jedoch im Ausland ansässig ist. Das länderübergreifende Gelten eines (Landes-)Gesetzes ist zudem möglich, wenn ein sachgerechter Anknüpfungspunkt im Land besteht und die Regelung die Hoheitstätigkeit des anderen Landes, auf dessen Gebiet er sich auswirkt, nicht stört. Ein (Bundes-)Land kann daher seinen Verwaltungsakten Rechtswirksamkeit über seine Grenze hinaus beimessen. Bereits die Verpflichtung zur gegenseitigen Amts- und Vollstreckungshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 GG zeigt, dass der Anwendungsbereich von Verwaltungsakten bei landesüberschreitenden Sachverhalten nicht auf das Gebiet des jeweiligen Hoheitsträgers beschränkt sein muss (vgl. Berberich, Das Internet-Glücksspiel, 2004, S. 118). So ist es nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber einer Gebietskörperschaft Regelungen erlässt, die Sachverhalte räumlich jenseits seines Hoheitsbereichs betreffen, sofern ein inländischer Anknüpfungspunkt vorhanden ist. Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muss der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen (vgl. BVerfG-Urteil vom 01.12.1954 - 2 BvG 1/54, BVerfGE 4, 115, Leitsatz 4b und unter B.IV., und BVerfG-Beschluss vom 22.03.1983 - 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, unter B.II.4.b; Becker, ZfWG 2020, 14, 17; vgl. dazu kritisch Hambach/Riege in Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, §§ 1 bis 3 GlüG SchH Rz 43, 59 ff., und ablehnend Birk/Brüggemann in Gebhardt/Korte, Glücksspiel-Ökonomie, Recht, Sucht, 2. Aufl., 2018, § 26 Glücksspiel und Abgaben, Rz 53 f.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint es im Hinblick auf die Besonderheiten des Internet-Glücksspiels für die Besteuerung der im Bundesgebiet ansässigen Spieler vor dem Hintergrund der föderalen Ordnung des GG (Bundesstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG) weder als unverhältnismäßig noch sinnwidrig, an das Erteilen einer Genehmigung nach dem GlSpielG SH anzuknüpfen. Das GG sichert den Ländern alle staatlichen Befugnisse und Aufgaben zu, soweit es diese nicht dem Bund zuweist (Art. 30 GG). Die föderale Praxis lässt die Hoheitstätigkeit eines Landes über seine Grenzen hinweg zu. Dies gilt erst recht, wenn sich ein sachgerechter Anhaltspunkt für das grenzüberschreitende Tätigwerden feststellen lässt (vgl. J. Isensee in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 126 Rz 41, 46). Ein solcher Anhaltspunkt kann eine vom jeweiligen Bundesland erteilte Genehmigung sein, und zwar insbesondere dann, wenn es bei einer online und grenzüberschreitend erbrachten Dienstleistung an einem anderen sachgerechten inländischen Anknüpfungspunkt fehlt.
b) Vor diesem Hintergrund ist die Regelung in § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH mit dem Bundesstaatsprinzip vereinbar. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des FG Glücksspiele an Kunden außerhalb von Schleswig-Holstein vertrieben und insoweit Einnahmen aus Glücksspielen erzielt. Der Klägerin war nach den Feststellungen des FG am … eine Erlaubnis für das Angebot von Sportwetten und am … eine Erlaubnis für das Angebot von Online-Glücksspielen erteilt worden.
Anknüpfungspunkt für die (landesrechtliche) Regelung in § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH ist der Umstand, dass der Genehmigungsinhaber Glücksspiele im Geltungsbereich des GlSpielG SH vertreibt. Aufgrund dieser Vorschrift gelten Glücksspiele als im Geltungsbereich des GlSpielG SH vertrieben, sofern sie über dessen eigentlichen Geltungsbereich hinaus durch einen Genehmigungsinhaber solchen Personen bestimmungsgemäß zugänglich gemacht werden, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet Deutschlands haben. Diese Reichweite der Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH ist nach den o.g. Grundsätzen mit dem GG vereinbar.
Dies gilt insbesondere für online vertriebene Glücksspiele wie im Streitfall. Denn Kennzeichen des Internetvertriebs ist, dass sowohl der Sitz des Anbieters als auch die technische Infrastruktur (Server) sich an einem beliebigen Ort befinden können, sodass sich das Erfordernis eines Anknüpfungspunkts für die Besteuerung stellt. Dies gilt nicht nur im Verhältnis von Deutschland zum Ausland, sondern auch im Verhältnis der Bundesländer untereinander. Denn das Online-Glücksspiel entbehrt ansonsten einer einfach zuzuordnenden territorialen Anbindung und könnte sich dem Zugriff des nationalen Gesetzgebers oder des Landesgesetzgebers ohne Weiteres entziehen (vgl. Becker, ZfWG 2020, 14).
Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass die beiden im Streitzeitraum erteilten Genehmigungen ordnungsrechtlich nur eine Tätigkeit in Schleswig-Holstein betrafen und die Klägerin im Streitzeitraum möglicherweise genehmigungswidrig bzw. lediglich auf der Grundlage ihrer Erlaubnis im EU-Mitgliedstaat A auch Kunden im übrigen Bundesgebiet mit ihrem Glücksspielangebot bediente. Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin (erlaubt) Werbung für ihr Angebot im übrigen Bundesgebiet gemacht (vgl. § 26 GlSpielG SH) und dieses Kunden außerhalb Schleswig-Holsteins zugänglich gemacht. Insoweit lassen die Ausführungen des FG, wonach das GlSpielG SH die Anwendung des § 40 AO unberührt lässt (§ 35 Abs. 4 GlSpielG SH) und es für die Erfassung eines Tatbestandes mit der Glücksspielabgabe unerheblich ist, ob das abgabenpflichtige Verhalten genehmigungsrechtlich legal oder gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (vgl. Becker, ZfWG 2020, 14, 16), keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Im Übrigen ist es Aufgabe der übrigen Bundesländer, das in ihrem Hoheitsgebiet aus dem Ausland heraus betriebene und nach den Regelungen des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag vom 15.12.2011 ‑‑GlüStV‑‑) ggf. illegale Online-Glücksspiel ordnungsrechtlich zu unterbinden.
c) Ob es ‑‑wie von der Ausgangsentscheidung angeführt und von der Klägerin verneint‑‑ völkerrechtlich zulässig ist, dass Staaten und damit auch Bundesländer Sachverhalte außerhalb ihres Territoriums und damit ihres Hoheitsgebiets regeln, kann offenbleiben.
aa) Die Erstreckung der Regelungsgewalt auf einen außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets ansässigen Rechtsträger setzt völkerrechtlich einen Anknüpfungspunkt des Auslandssachverhalts an einen Inlandssachverhalt und die Hoheitsgewalt des die Regelung setzenden Staates voraus. Denn soweit die Regelung eines Staates Wirkungen ganz oder zum Teil auf fremdem Territorium entfalten soll, bedarf es eines Anknüpfungspunkts im Inland, der eine Verletzung fremder Hoheitsgewalt ausschließt (vgl. Epping in Epping/Heintschel von Heinegg, Völkerrecht, 7. Aufl., § 7 Rz 70 f.; Becker, ZfWG 2020, 14, 16). Das BVerfG hat hierzu ausgeführt: "Für die Auferlegung von Abgaben gegen einen im Ausland lebenden Ausländer, die an einen Sachverhalt anknüpft, der ganz oder teilweise im Ausland verwirklicht ist, bedarf es, soll er nicht eine völkerrechtswidrige Einmischung in den Hoheitsbereich eines fremden Staates sein, hinreichender sachgerechter Anknüpfungsmomente für die Abgabenerhebung in dem Staat, der die Abgaben erhebt" (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 63, 343, unter B.II.4.b).
bb) Die Beziehungen zwischen dem Bund und den Ländern stehen allerdings nicht unter dem Regime des Völkerrechts, sondern allein unter dem des GG (vgl. Isensee/Kirchhof, a.a.O., § 126 Rz 33). Regeln des Völkerrechts finden auch nicht innerhalb des Bundesstaats im Verhältnis von Land zu Land Anwendung (vgl. schon BVerfG-Urteile vom 23.10.1951 - 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, unter E 9, und vom 30.01.1973 - 2 BvH 1/72, BVerfGE 34, 216, unter B.II.4.b). Das völkerrechtliche Prinzip der Territorialität gilt hier nicht.
Auch die Abgabenhoheit der anderen Bundesländer wird nicht beeinträchtigt. Die streitige Abgabenregelung setzt zwar voraus, dass veranstaltete Glücksspiele auch an Spieler jenseits der Landesgrenzen vermittelt werden. Es bleibt den übrigen Bundesländern aber unbenommen, nach Maßgabe eines ggf. geänderten GlüStV die dort getätigten Umsätze durch eigene Regelungen der Besteuerung zu unterwerfen oder vergleichbar der Besteuerung von Sportwetten nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz auf eine bundesrechtliche Regelung zu drängen.
3. Die Glücksspielabgabe genügt den Anforderungen an die Erhebung von Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion (Art. 105 GG).
a) Der Gesetzgeber darf sich einer Sonderabgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Das BVerfG unterscheidet zwischen Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion, die bestimmten in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Anforderungen genügen müssen (vgl. u.a. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 108, 186, beginnend ab C.I.2.a bb, m.w.N.; vom 24.11.2009 - 2 BvR 1387/04, BVerfGE 124, 348, unter C.I.2.b bb, und vom 06.05.2014 - 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12, 2 BvR 1141/12, BVerfGE 136, 194), und Sonderabgaben ohne Finanzierungsfunktion, für die weniger strenge verfassungsrechtliche Anforderungen gelten (vgl. BVerfG-Urteil vom 26.05.1981 - 1 BvL 56/78, 1 BvL 57/78, 1 BvL 58/78, BVerfGE 57, 139, unter C.III.3.a; Jachmann-Michel/M. Vogel in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 105 Rz 15; Bundesverwaltungsgericht ‑‑BVerwG‑‑, Urteil vom 04.07.1986 - 4 C 50/83, BVerwGE 74, 308; abweichend Heun in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 105 Rz 25). Zu den Sonderabgaben ohne Finanzierungsfunktion gehören alle nichtsteuerlichen Abgaben, die keine Gebühren oder Beiträge sind, die im Gegensatz zu Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion aber aufgrund spezieller Sach- und Zweckzusammenhänge unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe aufweisen, welche eine Konkurrenz der Abgabe zur Steuer verhindern. Sonderabgaben ohne Finanzierungsfunktion dürfen nicht der Finanzierung einer besonderen Sachaufgabe dienen, weder als Haupt- noch als Nebenzweck. Ein bloßer Finanzierungseffekt, also die Tatsache, dass ein (gewisses) Abgabenaufkommen anfällt, ist unschädlich (vgl. Jachmann-Michel/M. Vogel in v. Mangoldt/Klein/Starck, a.a.O., Art. 105 Rz 17; Heun in: H. Dreier (Hrsg.), a.a.O., Art. 105 Rz 26). Die Maßstäbe, die das BVerfG für die Prüfung bundesrechtlicher Abgaben entwickelt hat, gelten auch für landesrechtliche Abgaben (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 24.01.1995 - 1 BvL 18/93, 1 BvL 5/94, 1 BvL 6/94, 1 BvL 7/94, 1 BvR 403/94, 1 BvR 569/94, BVerfGE 92, 91, unter D.II.3.a, und vom 09.11.1999 - 2 BvL 5/95, BVerfGE 101, 141, unter B.I.2., m.w.N., und in BVerfGE 108, 186, unter C.I.1.b).
Zu den Sonderabgaben ohne Finanzierungsfunktion zählen auch Lenkungsabgaben. Lenkungsabgaben zeichnen sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber durch die abgabenrechtliche Belastung eines Handelns oder eines Unterlassens das Verhalten der Abgabepflichtigen motivierend beeinflussen will (Jachmann-Michel/M. Vogel in v. Mangoldt/Klein/Starck, a.a.O., Art. 105 Rz 17; P. Kirchhof in Isensee/Kirchhof, a.a.O., § 119 Rz 93; Jochum, Steuer und Wirtschaft ‑‑StuW‑‑ 2008, 134, 141).
Nichtsteuerliche Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion bedürfen einer besonderen sachlichen Rechtfertigung, die über die Einnahmeerzielung hinausgeht und gestaltend auf den geregelten Sachbereich Einfluss nimmt. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von einer Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, unterscheiden (nachfolgend unter b aa). Die Erreichung des Lenkungsziels muss in die besondere Finanzierungsverantwortung der belasteten Gruppe fallen und der Belastungsgleichheit der Steuerpflichtigen Rechnung tragen (nachfolgend unter b bb). Zusätzlich muss der Gesetzgeber im Interesse wirksamer parlamentarisch-demokratischer Legitimation und Kontrolle und des Verfassungsgrundsatzes der Vollständigkeit des Haushaltsplans die erhobenen Sonderabgaben haushaltsrechtlich vollständig dokumentieren und ihre sachliche Rechtfertigung in angemessenen Zeitabständen überprüfen ‑‑nachfolgend unter b cc‑‑ (vgl. BVerfG-Urteil vom 10.12.1980 - 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274; BVerfG-Beschlüsse vom 31.05.1990 - 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159; vom 11.10.1994 - 2 BvR 633/86, BVerfGE 91, 186, und in BVerfGE 108, 186, unter C.I.1.a aa, und unter C.I.2.a aa; Jachmann-Michel/M. Vogel in v. Mangoldt/Klein/Starck, a.a.O., Art. 105 Rz 20; P. Kirchhof in Isensee/Kirchhof, a.a.O., § 119 Rz 94; BVerwG-Urteil in BVerwGE 74, 308; Jochum, StuW 2008, 134, 135).
b) Diese verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zulässiger Erhebung einer Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion sind bei der Glücksspielabgabe nach dem GlSpielG SH erfüllt.
aa) Die Glücksspielabgabe verfügt über eine besondere sachliche Rechtfertigung und unterscheidet sich zudem ihrer Art nach von einer voraussetzungslos auferlegten und geschuldeten Steuer.
(1) Bei der Glücksspielabgabe handelt es sich um eine "nichtsteuerliche, lenkende Sonderabgabe" ohne Finanzierungsfunktion (vgl. Landtagsdrucksache 17/1100, S. 52; zum Begriff der Sonderabgabe Jachmann-Michel/M. Vogel in v. Mangoldt/Klein/Starck, a.a.O., Art. 105 Rz 15; Becker, ZfWG 2020, 14, 15). Mit der Abgabe nach § 35 GlSpielG SH werden die in § 1 GlSpielG SH genannten, über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehenden Sachzwecke verfolgt. Dazu gehören u.a. die Gewährleistung eines "wirksamen Jugend- und Spielerschutzes" (§ 1 Nr. 3 GlSpielG SH) sowie "Suchtgefahren bei Glücksspielen vorzubeugen und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung sowie Vorkehrungen vor Ausbeutung durch Glücksspiel zu schaffen" (§ 1 Nr. 4 GlSpielG SH). Daher regelt § 42 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH, dass ein "erheblicher Teil" des Aufkommens zur Finanzierung der Ziele des § 1 GlSpielG SH sowie nach Maßgabe eines Landesgesetzes zur Förderung öffentlicher und steuerbegünstigter Zwecke im Sinne der AO verwendet wird. Abweichend davon steht nach § 42 Abs. 2 Satz 2 GlSpielG SH das Abgabenaufkommen aus Sportwetten zu einem Drittel dem Landesportbund Schleswig-Holstein zu. Jeweils 5% der Abgabe auf Online-Glücksspiele sollen nach § 42 Abs. 2 Satz 3 GlSpielG SH zur Finanzierung der Suchtarbeit, zur Förderung des Landesfeuerwehrverbands, zur Aufstockung des Kapitals der Friesenstiftung und zur Finanzierung der Schuldner- und Insolvenzberatung verwendet werden (zu den Zielen vgl. auch Landtagsdrucksache 17/1100, S. 43).
(2) Die Glücksspielabgabe lässt sich auch nach ihrem materiellen Gehalt hinreichend deutlich von einer Steuer unterscheiden. Sie dient nicht allein der Mittelbeschaffung für den allgemeinen Finanzbedarf des Landes. Denn sie kann von der Landesexekutive nicht frei verwendet werden, sondern unterfällt den in § 42 Abs. 2 und Abs. 3 GlSpielG SH enthaltenen Verwendungsbeschränkungen. Damit dient sie in erster Linie der Finanzierung der in § 1 GlSpielG SH genannten Ziele. Zudem trifft die Abgabe nur die Glücksspielanbieter, die beim Land Schleswig-Holstein eine Glücksspiellizenz beantragt und eine entsprechende Genehmigung erhalten haben oder ein im Land Schleswig-Holstein genehmigungspflichtiges Glücksspiel ohne erforderliche Genehmigung bestimmungsgemäß zugänglich gemacht haben (§ 35 Abs. 2 GlSpielG SH). Sie wird ohne Rücksicht auf die allgemeine steuerliche Leistungsfähigkeit erhoben.
bb) Die Erreichung des Lenkungsziels fällt auch in die besondere Finanzierungsverantwortung der belasteten Gruppe und trägt der Belastungsgleichheit Rechnung (vgl. zu der Anforderung BVerfG-Urteil in BVerfGE 55, 274, unter C.I.2.b ee; BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 91, 186, unter C.II.2., und in BVerfGE 101, 141, unter B.II.2.a, sowie in BVerfGE 108, 186, unter C.I.1.a aa). Glücksspielanbieter schaffen mit ihrer Tätigkeit abstrakte Gefahren (Spielsucht, Spiel- und Wettbetrug, Gefährdung des Jugendschutzes), denen § 1 GlSpielG SH und damit auch die Glücksspielabgabe entgegenwirken wollen. Die Möglichkeit, Glücksspiele legal anzubieten, hängt zudem eng damit zusammen, dass es für die Ordnungsbehörden einfacher ist, legale Anbieter über Auflagen zu den erteilten Genehmigungen zu bestimmten Schutzmaßnahmen zu verpflichten. So ist es ausdrücklich Ziel des GlSpielG SH, sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß, fair und transparent durchgeführt werden, der natürliche Spieltrieb in geordnete Bahnen gelenkt wird, den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten, Suchtgefahren vorzubeugen und Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen sowie Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs infolge von Sportwetten vorzubeugen (§ 1 Nr. 1 bis 5 GlSpielG SH). Zu diesem Zweck können Genehmigungen nach § 4 Abs. 1 GlSpielG SH mit Nebenbestimmungen versehen werden, um den Zielen nach § 1 GlSpielG SH gerecht zu werden. Das Nichteinhalten der Anforderungen des § 1 GlSpielG SH hätte die Untersagung der Tätigkeit und damit die Unmöglichkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit zur Folge.
Die Höhe der Glücksspielabgabe ist auch vom Landesgesetzgeber ausdrücklich so bemessen worden, dass sie das legale Angebot nicht in den Schwarzmarkt abdrängt. Sie soll ausschließlich der Lenkung des Glücksspielangebots und der Glücksspielnachfrage durch Verteuerung des Angebots dienen und damit eine Verringerung der Nachfrage und des Angebots erreichen (vgl. Landtagsdrucksache 17/1100, S. 43).
cc) Die Abgabe ist auch in der notwendigen Weise haushaltsrechtlich dokumentiert.
(1) Geboten ist eine Dokumentation, die eine Übersicht über Bestand und Entwicklung der Sonderabgaben gibt. Damit erfährt der finanzverfassungsrechtlich gebotene Ausnahmecharakter der Sonderabgaben eine prozedurale Absicherung. Üblich ist es, in einer Übersicht zum Haushaltsplan das Soll-Abgabeaufkommen für das Planjahr und das vorausgegangene Haushaltsjahr sowie das Ist-Aufkommen des vorvergangenen Haushaltsjahres unter zusammenfassender Nennung der Rechtsgrundlage, des Zwecks der Abgabe, der Abgabepflichtigen und der Begünstigten aufzuführen. Dies reicht aus (vgl. u.a. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 136, 194, Rz 166, und in BVerfGE 108, 186, unter C.I.2.a aa (3)).
(2) Das Aufkommen aus der Glücksspielabgabe fließt in den Landeshaushalt (§ 42 Abs. 1 GlSpielG SH). Die Glücksspielabgabe wird im Landeshaushalt Schleswig-Holstein unter dem Haushaltstitel 1101-099 01 sowohl im Jahr 2013 als auch im Jahr 2014 ausgewiesen. Sie ist in einer Übersicht zum Haushaltsplan mit dem Sollaufkommen unter "Sonstige" angeführt.
Auch die notwendige gesetzgeberische Überprüfung der Glücksspielabgabe hat stattgefunden. Soll eine Aufgabe auf längere Zeit durch Erhebung einer Sonderabgabe finanziert werden, so ist der Gesetzgeber gehalten, in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des Mittels "Sonderabgabe" aufrechtzuerhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände (z.B. Wegfall des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung) zu ändern oder aufzuheben ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 108, 186, unter C.I.2.a bb, m.w.N.).
Die Glücksspielabgabe ist bereits 2013 mit dem Gesetz zur Änderung glücksspielrechtlicher Gesetze vom 01.02.2013 (GVBl SH 2013, 64, 69) und dem Beitritt des Landes Schleswig-Holstein zum GlüStV modifiziert worden. Seitdem galt sie nur noch für einen Übergangszeitraum von sechs Jahren bis längstens 2019. Die notwendige Überprüfung seitens des Gesetzgebers hat daher zeitnah stattgefunden.
4. Soweit die Klägerin unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfG-Urteil vom 09.03.2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) auf das Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits hinweist, führt dies ebenfalls nicht zur Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Festsetzungen.
a) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1., und vom 17.12.2014 - 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50, Rz 123, jeweils m.w.N.). Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen. Zur Gleichheitswidrigkeit führt aber nicht ohne Weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, sondern nur das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts (BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 22.04.2008 - IX R 29/06, BFHE 221, 97, BStBl II 2009, 296, unter II.1.b bb (2)). Nicht jeder Vollzugsmangel genügt aber schon, eine Abweichung von der erforderlichen Ausrichtung zu belegen. Nur wenn das Umsetzungsdefizit bereits in der Regelung angelegt ist oder wenn gehäufte oder gar systematische Verstöße nicht konsequent geahndet und unterbunden werden, prägt dies die tatsächliche Handhabung der Regelung und lässt auf Defizite der normativen Sicherung schließen (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
b) Den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO binden, lassen sich keine Tatsachen entnehmen, die auf das Vorliegen eines normativ bedingten strukturellen Vollzugsdefizits schließen lassen. Aus dem FG-Urteil ergeben sich insbesondere keine Feststellungen dazu, dass die für die Erhebung und Beitreibung zuständige Landesfinanzbehörde mangels entsprechender gesetzlicher Regelung die Abgabe bei den Inhabern einer Genehmigung nach dem GlSpielG SH nicht erheben und beitreiben hätte können. So regelt § 39 GlSpielG SH eine Registrierungspflicht und § 40 GlSpielG SH die Pflicht zur Anmeldung und Entrichtung der Abgabe. Die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist nach § 44 Abs. 1 GlSpielG SH mitteilungspflichtig gegenüber den Finanzbehörden. § 46 GlSpielG SH legt den Glücksspielanbietern umfangreiche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten auf. § 47 GlSpielG SH regelt die Möglichkeit einer Nachschau. Auch der Möglichkeit, dass ausländische Anbieter ihrer Abgabepflicht nicht nachkommen, versucht das normative Regelwerk entgegenzuwirken. Denn nach § 44 Abs. 2 GlSpielG SH haben Behörden, die Kenntnis über unerlaubte Glücksspiele erlangen, dies der zuständigen Finanzbehörde mitzuteilen. Anbieter, die sich der Abgabenerhebung entziehen, unterfallen nach § 36 Abs. 4 Satz 2 GlSpielG SH einer pauschalierten Bemessungsgrundlage, wenn eine Schätzung nach § 36 Abs. 4 Satz 1 GlSpielG SH, § 162 AO nicht möglich ist.
Zudem bestehen ‑‑entgegen der Ansicht der Klägerin‑‑ die Möglichkeiten der Amtshilfe innerhalb der EU gegenüber in … und … ansässigen Glücksspielanbietern. Denn die EURL 2010/24 erfasst nach ihrem Geltungsbereich in Art. 2 mit dem Begriff "Steuern aller Art" auch die Glücksspielabgabe. Die Ausschlusstatbestände des § 1 Abs. 2 des EU-Amtshilfegesetzes vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) betreffen die Glücksspielabgabe nicht. In gleicher Weise ist innerhalb der EU auch die Beitreibung der Glücksspielabgabe möglich. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des EU-Beitreibungsgesetzes vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) sind hiervon "Abgaben aller Art" erfasst. Die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Betreibung ist zudem in § 47 Abs. 5 GlSpielG SH ausdrücklich geregelt. Dass ggf. in anderen EU-Mitgliedstaaten den Amtshilfepflichten nicht hinreichend nachgekommen wird und eine Beitreibung nur zeitaufwändig und wenig erfolgversprechend möglich ist, kann weder dem inländischen Gesetzgeber zugerechnet werden noch sind dazu konkrete Tatsachen vom FG festgestellt worden.
5. Wie das FG ausgeführt hat, liegt auch kein Verstoß gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht nach der EGRL 98/34 vor.
a) Nach Art. 8 Abs. 1 EGRL 98/34 müssen die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich den Entwurf einer "technischen Vorschrift" übermitteln und die Kommission über die Gründe der Festlegung der technischen Vorschrift unterrichten. Der Entwurf darf nach Art. 9 Abs. 1 EGRL 98/34 nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung bei der Kommission angenommen werden. Ein Verstoß gegen die Notifikationspflicht führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (vgl. zuletzt EuGH-Urteil Ince vom 04.02.2016 - C-336/14, EU:C:2016:72, Rz 67).
Unter den Begriff der "technischen Vorschrift" fallen gemäß Art. 1 Nr. 11 EGRL 98/34 vier Kategorien von Maßnahmen: erstens eine technische Spezifikation i.S. des Art. 1 Nr. 3 EGRL 98/34, zweitens eine sonstige Vorschrift i.S. von Art. 1 Nr. 4 EGRL 98/34, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, drittens eine Vorschrift betreffend Dienste i.S. von Art. 1 Nr. 5 EGRL 98/34, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist. Zudem fallen viertens darunter die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats, mit denen die Herstellung, die Einfuhr, das Inverkehrbringen oder die Verwendung eines Erzeugnisses oder die Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.
b) Danach liegt ein Verstoß gegen die Notifizierungspflicht nicht vor.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das GlSpielG SH hinsichtlich der §§ 18 bis 20 i.V.m. § 17 GlSpielG SH der o.g. Notifizierungspflicht unterfiel. Nach den Feststellungen des FG hatte das Land Schleswig-Holstein den ursprünglichen Gesetzentwurf (vgl. Landtagsdrucksache 17/1100) der EU-Kommission übermittelt. Die EU-Kommission hat im Mai 2011 Bemerkungen zu dem übermittelten Entwurf gemacht, denen seitens des Landesgesetzgebers Rechnung getragen worden ist. Auf die hier streitige Vorschrift des § 35 GlSpielG SH bezogen sich die Einwendungen der EU-Kommission nicht. Der Vortrag der Klägerin, die endgültige Fassung des § 35 GlSpielG SH sei der EU-Kommission nicht zugeleitet worden, erweist sich zudem als unzutreffend. Denn der endgültige Entwurf, der auch die hier einschlägigen Regelungen zur Glücksspielabgabe in § 35 GlSpielG SH enthält, war unter der Notifizierungsnummer 2011/63/D der EU-Kommission zugeleitet worden. Diese hatte keine Beanstandungen geäußert.
Zudem unterlag die hier angegriffene Regelung des § 35 Abs. 2 GlSpielG SH nicht der Informationspflicht aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 EGRL 98/34. Die Regelung stellt keine "technische Vorschrift" i.S. von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 1 EGRL 98/34 dar. Es handelt sich nicht um eine technische Spezifikation i.S. von Art. 1 Nr. 3 EGRL 98/34. Dieser Begriff stellt nämlich ausschließlich auf die nationalen Maßnahmen ab, die sich auf das Erzeugnis als solches beziehen und daher eines der für ein Erzeugnis vorgeschriebenen Merkmale wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen festlegen. Aus demselben Grund handelt es sich bei § 35 Abs. 2 GlSpielG SH nicht um eine sonstige Vorschrift i.S. des Art. 1 Nr. 4 EGRL 98/34 (vgl. EuGH-Urteil Ince, EU:C:2016:72, Rz 71 ff.). Auch handelt es sich nicht um eine technische Vorschrift betreffend Dienste i.S. von Art. 1 Nr. 5 EGRL 98/34, weil die Vorschrift nicht den Zugang zu unter Art. 1 Nr. 2 EGRL 98/34 aufgezählten Aktivitäten betrifft, die eine "Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d.h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung" vorsehen. Schließlich handelt es sich bei § 35 Abs. 2 GlSpielG SH nicht um Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, mit denen die Herstellung, die Einfuhr, das Inverkehrbringen oder die Verwendung eines Erzeugnisses oder die Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.
6. Da sich mit Blick auf die Anwendung und Auslegung der landesrechtlichen Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 GlSpielG SH durch das FG weder europarechtliche Zweifel auftun noch der Senat von der Verfassungswidrigkeit der streitigen Regelungen überzeugt ist, erübrigen sich sowohl eine Vorlage an den EuGH als auch an das BVerfG.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.