Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Urteil vom 20. Mai 2021, IV R 31/18

Keine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mietzinsen, die zu den Herstellungskosten unterjährig ausgeschiedenen Umlaufvermögens gehören

ECLI:DE:BFH:2021:U.200521.IVR31.18.0

BFH IV. Senat

GewStG § 7 S 1, GewStG § 8 Nr 1 Buchst d, EStG § 4 Abs 4, GewStG VZ 2008 , GewStG VZ 2009 , EStG VZ 2008 , EStG VZ 2009

vorgehend FG Münster, 19. Juli 2018, Az: 4 K 493/17 G

Leitsätze

1. NV: Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnen, soweit sie in die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens einzubeziehen sind.

2. NV: Insoweit reicht es aus, dass die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte und deshalb hätte aktiviert werden müssen (Anschluss an BFH-Urteil vom 30.07.2020 - III R 24/18, BFHE 269, 342).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20.07.2018 - 4 K 493/17 G wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die ein Bauunternehmen betreibt. In den Streitjahren (2008 und 2009) bezahlte sie für die Benutzung gemieteter und geleaster Maschinen und anderer beweglicher Wirtschaftsgüter, die auf bzw. für Baustellen der Klägerin zum Einsatz kamen, Miet- und Pachtzinsen sowie Leasingraten (nachfolgend: Mietzinsen) in Höhe von 1.288.257,83 € (2008) und 1.618.064,44 € (2009).

  2. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Für die Baustellen, die im Jahr ihres Beginns nicht auch abgeschlossen wurden, erfasste sie zum Bilanzstichtag die unfertigen Erzeugnisse mit deren Herstellungskosten. Für die Ermittlung des Gewerbeertrags rechnete die Klägerin in ihren Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre dem Gewinn Mietzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines Anderen standen, in Höhe von 294.916 € (2008) und 302.458 € (2009) hinzu. Für die übrigen Mietzinsen betreffend bewegliche Wirtschaftsgüter unterblieb eine Hinzurechnung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte die Gewerbesteuermessbeträge 2008 und 2009 zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.

  3. Eine Außenprüfung bei der Klägerin kam zu dem Ergebnis, dass dem Gewerbeertrag alle für bewegliche Wirtschaftsgüter gezahlten Mietzinsen hinzuzurechnen seien. Es komme nicht darauf an, ob eine Aktivierung für unfertige Erzeugnisse vorgenommen worden sei. Es sei unschädlich, wenn die für die Hinzurechnung erforderliche Absetzung von dem Gewinn erst zeitlich versetzt im Jahr der Fertigstellung erfolge. Das FA schloss sich dieser Ansicht an und nahm weitere Hinzurechnungen zu dem Gewerbeertrag der Klägerin für Mietzahlungen in Höhe von 993.341,83 € (2008) und 1.315.606,44 € (2009) vor. Die Gewerbesteuermessbescheide 2008 und 2009 wurden dem entsprechend am 04.12.2012 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geändert.

  4. In dem hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin nicht nur gegen die mit den geänderten Bescheiden vorgenommenen Hinzurechnungen, sondern begehrte auch, die bisher auf Grundlage ihrer eigenen Erklärungen vorgenommenen Hinzurechnungen von Mietzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern zu beseitigen. Denn es fehle an der für jede Hinzurechnung erforderlichen vorherigen Absetzung bei der Gewinnermittlung. Der Einspruch blieb erfolglos.

  5. In dem Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Das FG gab der Klage mit Urteil vom 20.07.2018 - 4 K 493/17 G statt und änderte die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide in der Weise, dass die Mietzinsen, die für die Nutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern nach § 8 Nr. 1 Buchst. d des Gewerbesteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (GewStG) dem Gewerbeertrag hinzugerechnet worden waren, um 1.288.257,83 € (2008) und 1.618.064,44 € (2009) gekürzt wurden. Eine Hinzurechnung der streitigen Mietzinsen sei nicht vorzunehmen, da sie Herstellungskosten darstellten und damit nicht i.S. von § 8 GewStG bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden seien.

  6. Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung von § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG.

  7. Das FA beantragt,
    das Urteil des FG vom 20.07.2018 - 4 K 493/17 G aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  8. Die Klägerin beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

  9. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Einen Antrag hat es nicht gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die von der Klägerin im Streitzeitraum gezahlten Mietzinsen für die Benutzung beweglicher Wirtschaftsgüter zur Erbringung von Arbeiten auf von der Klägerin betriebenen Baustellen sind nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG dem Gewinn bei Ermittlung des Gewerbeertrags hinzuzurechnen.

  2. 1. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG werden zur Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines Anderen stehen, hinzugerechnet, soweit die Summe der nach § 8 Nr. 1 GewStG vorzunehmenden Hinzurechnungen den Betrag von (in den Streitjahren) 100.000 € übersteigt. Nach dem Einleitungssatz des § 8 GewStG sind die genannten Miet- und Pachtzinsen jedoch nur hinzuzurechnen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

  3. a) Die von der Klägerin in den Streitjahren angemieteten Baumaschinen waren Anlagevermögen i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG.

  4. Die Hinzurechnungsnorm des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG verlangt eine fiktive Zuordnung der genutzten beweglichen Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines Anderen stehen, zum Anlagevermögen des Mieters oder Pächters. Es ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 08.12.2016 - IV R 55/10, BFHE 256, 519, BStBl II 2017, 722, Rz 17; vom 25.07.2019 - III R 22/16, BFHE 265, 386, BStBl II 2020, 51, Rz 22, und vom 30.07.2020 - III R 24/18, BFHE 269, 342, Rz 18).

  5. Die von der Klägerin angemieteten Gegenstände dienten dem Betrieb der von der Klägerin unterhaltenen Baustellen und der Erbringung der dort erbrachten Werkleistungen und wären, wenn sie im Eigentum der Klägerin gestanden hätten, als Produktionsmittel deren Anlagevermögen zuzuordnen gewesen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 269, 342, Rz 18). Da dies zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.

  6. b) Die für die Anmietung der auf bzw. für Baustellen der Klägerin eingesetzten beweglichen Wirtschaftsgüter angefallenen Mietzinsen sind nicht im Sinne des Einleitungssatzes des § 8 GewStG bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden.

  7. aa) Eine Hinzurechnung von Zinsen setzt deren Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben voraus. Der betreffende Aufwand muss bei der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung eine Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellen. Eine Gewinnabsetzung liegt dagegen nicht vor, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeht (BFH-Urteil in BFHE 269, 342, Rz 22, m.w.N.).

  8. bb) Eine Gewinnminderung im Sinne des Einleitungssatzes des § 8 GewStG ist nicht anzunehmen, soweit Mietzinsen i.S. des § 8 Abs. 1 Buchst. d GewStG in die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einbezogen und aktiviert worden sind und noch keine gewinnmindernde Absetzung für Abnutzung (AfA) oder Teilwertabschreibung von den Herstellungskosten vorgenommen wurde. Für die Zwecke der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung kann zudem nicht auf den über die AfA ergebniswirksam werdenden Aufwand zurückgegriffen werden (näher BFH-Urteil in BFHE 269, 342, Rz 23 bis 27, m.w.N.).

  9. cc) Aber auch soweit Mietzinsen i.S. des § 8 Abs. 1 Buchst. d GewStG den Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens zuzuordnen sind, kommt ihre gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung nicht in Betracht (im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 269, 342, Rz 28 f.). Dabei findet eine Hinzurechnung nach § 8 Abs. 1 Buchst. d GewStG auch dann nicht statt, wenn keine Aktivierung der hergestellten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag stattgefunden hat (BFH-Urteil in BFHE 269, 342, Rz 30). Insoweit kommt es allein auf die Umqualifizierung der Mietzinsen in Herstellungskosten und nicht auf die Speicherung der Mietzinsen am Bilanzstichtag und deren Verschiebung in eine andere Periode an. Zur Begründung im Einzelnen schließt sich der erkennende Senat dem Urteil des III. Senats des BFH in BFHE 269, 342 (Rz 31 ff.) an. Auch die vom III. Senat des BFH ausgeführten gleichheitsrechtlichen Überlegungen (BFH-Urteil in BFHE 269, 342, Rz 40 ff.) hält der erkennende Senat für zutreffend.

  10. dd) Entgegen der Annahme des BMF schließen ein solches Rechtsverständnis weder Wortlaut noch Systematik und Zweck der Hinzurechnungsnorm des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG aus. Denn ein Betrag ist nicht "bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden" im Sinne des Einleitungssatzes von § 8 GewStG, wenn er nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts, auf die § 7 Satz 1 GewStG für die Ermittlung des Gewerbeertrags verweist, den Herstellungskosten eines entstandenen Wirtschaftsguts zuzuordnen ist, das ein steuerrechtlich eigenständiges Schicksal hat. Es gibt ‑‑im Gegenteil‑‑ keine Grundlage dafür, eine von der einkommensteuerrechtlichen Bewertung abweichende Zuordnung von Herstellungskosten vorzunehmen, um einen davon losgelösten Ansatz gewerbesteuerrechtlicher Hinzurechnung verfolgen zu können. Überdies vermeidet die Rechtsauslegung des III. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, ‑‑anders als der Ansatz des BMF‑‑ zufällige Ergebnisse, die gleichheitsrechtlich kaum zu rechtfertigen sind. Denn trotz identischer Leistungsfähigkeit der Gewerbebetriebe führte die Ansicht des BMF zu einer Hinzurechnung des Mietaufwands bei einer Fertigstellung des mit den gemieteten Gegenständen hergestellten Wirtschaftsguts (kurz) vor dem Bilanzstichtag, während sie bei einer Fertigstellung des Wirtschaftsguts (kurz) nach dem Bilanzstichtag unterbliebe. Dies widerspräche jedoch dem Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, der ‑‑selbst wenn er nur die objektivierte Ertragskraft des Gewerbebetriebs erfasst‑‑ auch für das Gewerbesteuerrecht gilt (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 - 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217, Rz 106).

  11. ee) Nach diesen Maßstäben kommt eine Hinzurechnung der Mietzinsen für die Benutzung der von der Klägerin zur Fertigung von Bauwerken eingesetzten beweglichen Wirtschaftsgüter nicht in Betracht, weil sie als Baustelleneinzelkosten zu den Herstellungskosten der Bauwerke der Klägerin gehören. Es kommt nicht darauf an, ob bzw. inwieweit dabei ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder des Umlaufvermögens hergestellt worden ist und ob bzw. inwieweit es zum jeweils maßgeblichen Bilanzstichtag zu einer Aktivierung der entsprechenden Aufwendungen gekommen ist. Vielmehr genügt es, dass die Mietzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte und deshalb hätte aktiviert werden müssen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 269, 342, Rz 16).

  12. c) Das FG hat demnach zutreffend der Klage stattgegeben. Die Revision war deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

  13. 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Seite drucken