ECLI:DE:BFH:2021:B.030221.XIB45.20.0
BFH XI. Senat
UStG § 1 Abs 1 Nr 1 S 1, UStG § 3 Abs 11, UStG § 3 Abs 11a, BGB § 164 Abs 1, BGB § 164 Abs 2, TKG § 6 Abs 1, TKG § 45h Abs 4, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, UStG VZ 2013 , UStG VZ 2014
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 21. Juli 2020, Az: 6 K 600/18
Leitsätze
1. NV: Im Falle einer objektiv mehrdeutigen Erklärung, die sowohl als Handeln im eigenen als auch als Handeln im fremden Namen verstanden werden kann, gehen Unklarheiten zu Lasten des Erklärenden - auf dieser Grundlage wird der angebliche Vermittler verpflichtet, wenn er seine Vermittlerrolle nicht hinreichend deutlich macht.
2. NV: Rechtsfolge der sog. Ladenrechtsprechung des BFH ist, dass eine Person, die ein Gewerbe angemeldet hat oder Inhaber einer Konzession ist, in Bezug auf die davon umfassten Leistungen grundsätzlich als leistender Unternehmer anzusehen ist.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 22.07.2020 - 6 K 600/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, erbrachte bis einschließlich November 2013 Leistungen im Zusammenhang mit der Bereitstellung und Unterhaltung von Mobilfunkanschlüssen durch Endverbraucher im Niedrigpreissegment. Sie war dabei als sog. Mobile Virtual Network Operator (MVNO) mit eigener Vorwahl tätig und gab an ihre Kunden sowohl SIM-Karten als auch Telefongutscheine (Telefonkarten oder virtuelle Zugangscodes) aus. Die dazu erforderlichen Eingangsleistungen bezog sie u.a. von anderen Telekommunikationsunternehmen (Netzbetreibern) aufgrund von Netzversorgungsverträgen und für die Schaltung internationaler Verbindungen von einer in der Portugiesischen Republik (Portugal) ansässigen Schwestergesellschaft.
Am 01.11.2013 schloss die Klägerin mit einer in Irland ansässigen Schwestergesellschaft (X) einen Vertriebsvertrag, nach dem die Klägerin die SIM-Karten und Telefongutscheine ab dem 01.12.2013 nicht mehr im eigenen Namen in Verkehr bringen sollte. Die Ausgabe sollte vielmehr im Namen und für Rechnung der X erfolgen. Die Klägerin sollte die für deutsche Mobilfunkanschlüsse bestimmten SIM-Karten und Gutscheine von X erwerben und weiterverkaufen. Das Eigentum sollte bei X verbleiben. Die Gefahr des zufälligen Übergangs ging gleichwohl auf die Klägerin über. Für ihre Tätigkeit sollte die Klägerin von X eine Vermittlungsprovision erhalten. Mit Vereinbarung vom 26.11.2013 trat X darüber hinaus in sämtliche Rechte und Pflichten der Netzversorgungsverträge ein, was den Vertragspartnern angezeigt wurde.
Ab Dezember 2013 enthielten die für deutsche Mobilfunkanschlüsse ausgegebenen Gutscheine folgenden Text:
"Dieser Multifunktionsgutschein wird durch ... [(X)] in Irland vertrieben. Der Gutschein kann für Telekommunikation, Guthabenübertragung oder ... Nachrichtendienste verwendet werden. Für weitere Infos besuchen Sie: www. ... .de." (nachfolgend: deutsche Internetadresse)
Bei der Bundesnetzagentur war weiterhin die Klägerin (und nicht X) gemäß § 6 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) als Erbringerin inländischer Netzdienstleistungen der X-Gruppe registriert. Auch in den bei Vertragsschluss auf der deutschen Internetadresse hinterlegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind nur die Klägerin sowie andere Schwestergesellschaften der X-Gruppe, aber nicht X erwähnt.
In ihren am 19.12.2014 und 25.05.2016 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) eingereichten Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2013 und 2014 (Streitjahre) ging die Klägerin davon aus, dass sie ab Dezember 2013 nur noch (im Inland nicht steuerbare) Vermittlungsleistungen an X und keine eigenen Telekommunikationsdienstleistungen an die Endkunden erbracht habe.
Nach Durchführung einer Außenprüfung für die Streitjahre, an der die Klägerin nicht mitgewirkt hatte, vertrat das FA in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden vom 29.08.2016 und vom 30.08.2016 die Auffassung, dass die Klägerin auch nach November 2013 als Kommissionärin und Erbringerin von Telekommunikationsdienstleistungen anzusehen sei. Sie sei nach dem eindeutigen Wortlaut der AGB als Vertragspartnerin der Endkunden aufgetreten und bei der Bundesnetzagentur weiterhin als Leistungserbringerin angemeldet gewesen. Die Klägerin habe Sicherheitsabfragen der deutschen Behörden beantwortet. Die Höhe der Umsätze schätzte das FA nach § 162 der Abgabenordnung.
Nachdem die Klägerin im Laufe des Einspruchsverfahrens Unterlagen vorgelegt hatte, setzte das FA mit Änderungsbescheiden vom 08.03.2017 die Umsatzsteuer zunächst herab. Mit Einspruchsentscheidungen vom 19.03.2018 setzte das FA allerdings die Umsatzsteuer ‑‑nach vorherigem Hinweis‑‑ wieder höher fest und wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Es ging weiterhin davon aus, dass die Klägerin als Eigenhändlerin und nicht als Vermittlerin tätig geworden sei. Die im Laufe des Einspruchsverfahrens mehrfach geänderten Ermittlungen zur Höhe der Ausgangsumsätze seien insgesamt nicht nachvollziehbar und deshalb zu verwerfen.
Das Hessische Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem Urteil vom 22.07.2020 - 6 K 600/18 ab und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, bei Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) habe die Klägerin auch nach November 2013 Telekommunikationsdienstleistungen an Endkunden erbracht. Die Klägerin sei als unmittelbare Leistungserbringerin gegenüber den Endkunden aufgetreten. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der AGB. Der auf den Gutscheinen angebrachte Text habe ausdrücklich auf die deutsche Internetseite verwiesen, auf der sich diese befunden hätten. Der Wille, als Vermittlerin auftreten zu wollen, sei für die Kunden nicht erkennbar gewesen. Der zusätzliche Vermerk, dass der Gutschein durch X in Irland "vertrieben" werde, führe zu keiner abweichenden Würdigung. Zum einen sei die Firmenangabe der X aufgrund der fehlenden Anschrift unvollständig. Zum anderen lasse die Verwendung des Verbs "vertreiben" ‑‑entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin‑‑ gerade nicht auf die Person des Erbringers der Telekommunikationsdienstleistungen, sondern allenfalls auf die Person eines in Betracht kommenden Vermittlers oder Vertriebspartners des Leistungserbringers schließen. Deshalb liege keine von den AGB abweichende individualvertragliche Vereinbarung vor. Aus der Perspektive eines objektiven Empfängers handele es sich um einen vagen informatorischen Hinweis auf den Vertriebsweg. Der Hinweis auf die Inhalte der deutschen Internetseite solle wie ein allgemeiner Vorbehalt wirken, der für den Kunden zweifelsfrei dahin gehend zu verstehen gewesen sei, dass es für die Bestimmung der Person des Leistenden in jedem Fall auf den Inhalt der dort zu findenden Angaben ankommen solle. Für die Annahme eines Geschäfts für den, den es angeht, oder die Anwendung der sog. Ladenrechtsprechung (mit der Folge der Zuordnung der Leistungsbeziehungen zu X) bleibe danach kein Raum. Die über Jahre aufrechterhaltene Meldung der Klägerin bei der Bundesnetzagentur spreche zusätzlich für den Leistungswillen der Klägerin gegenüber den Kunden.
Gleichzeitig nahm das FG an, dass diese Erwägungen entsprechend für die sonstigen elektronischen Dienstleistungen der Klägerin gelten würden. Außerdem sei die Höhe der vom FA vorgenommenen Schätzung der im Inland steuerbaren Umsätze nicht zu beanstanden. Die Vorgehensweise des FA werde vom FG uneingeschränkt geteilt. Die Klägerin habe sowohl ihre Aufzeichnungspflichten als auch ihre verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten verletzt.
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz und greifbarer Gesetzeswidrigkeit sowie zur Rechtsfortbildung zuzulassen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist unbegründet; die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
1. Die von der Klägerin geltend gemachte Divergenz der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH und der Rechtsprechung anderer Finanzgerichte liegt nicht vor.
a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, der EuGH, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG; das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18.07.2017 - XI B 24/17, BFH/NV 2018, 60, Rz 15; vom 27.02.2018 - XI B 97/17, BFH/NV 2018, 738, Rz 8).
Eine zur Zulassung wegen Divergenz führende Nichtübereinstimmung im Rechtsgrundsätzlichen liegt jedoch nicht vor, wenn das FG einen Sachverhalt lediglich abweichend würdigt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11.05.2007 - V B 49/06, BFH/NV 2007, 1683, unter II.1., Rz 12) oder wenn das FG von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht und diese lediglich unzutreffend auf den Einzelfall anwendet (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 07.02.2017 - V B 48/16, BFH/NV 2017, 629, Rz 11; vom 05.07.2018 - XI B 18/18, BFH/NV 2018, 1284, Rz 18).
b) Eine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen liegt nach diesen Grundsätzen nicht vor.
aa) Die Beschwerde macht geltend, das FG sei von dem abstrakten Rechtssatz ausgegangen, dass ein Handeln im fremden Namen nur unter einer vollständigen Firmenangabe erfolgen könne und zur Vollständigkeit neben dem Namen der Gesellschaft auch die Anschrift gehöre. Dies weiche in entscheidungserheblicher Weise von den BFH-Urteilen vom 16.03.2000 - V R 44/99 (BFHE 191, 97, BStBl II 2000, 361) und vom 10.08.2016 - V R 4/16 (BFHE 254, 458, BStBl II 2017, 135) sowie dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 19.06.2019 - 7 K 5277/16 (zweiter Rechtsgang nach dem BFH-Verfahren V R 4/16) ab. Der BFH und das FG Berlin-Brandenburg hätten dort ausgeführt, dass sich ein Handeln im fremden Namen auch aus den Umständen ergeben könne und nicht voraussetze, dass der Name des Vertretenen bei Vertragsabschluss genannt werde.
bb) Die Behauptung, das FG sei im angefochtenen Urteil von diesen Grundsätzen in entscheidungserheblicher Weise abgewichen, trifft nicht zu. Das FG ist vielmehr, wie die Ausführungen auf den S. 17 ff. des Urteils zeigen, von den Rechtsgrundsätzen des BFH und des EuGH ausgegangen. Die angebliche Divergenzentscheidung in BFHE 191, 97, BStBl II 2000, 361, die von der angeblich anderen Divergenzentscheidung in BFHE 254, 458, BStBl II 2017, 135 zitiert worden ist, hat es auf S. 19 des Urteils ausdrücklich zitiert und deren Rechtsgrundsätze berücksichtigt. Hätte das FG diese Grundsätze fehlerhaft auf den Streitfall angewendet, läge darin keine Divergenz.
Eine Divergenz ist aber vor allem deshalb ausgeschlossen, weil das FG seine Würdigung, dass die Klägerin gegenüber den Kunden als Erbringerin der Telekommunikationsdienstleistung aufgetreten ist, nicht nur auf die fehlende Anschrift gestützt hat, sondern auch darauf, dass die Verwendung des Verbs "vertreiben" ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ nicht auf die Person des Leistungserbringers schließen lasse. Aus der Perspektive eines objektiven Empfängers handele es sich, so das FG, um einen vagen informatorischen Hinweis auf den Vertriebsweg und nicht um einen Hinweis auf den leistenden Unternehmer. Dieser ergebe sich vielmehr (aufgrund des Verweises des Gutscheins auf die deutsche Internetseite) aus den AGB. Dies weicht nicht im Rechtsgrundsätzlichen von den von der Klägerin angeführten BFH-Urteilen sowie der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg ab, sondern entspricht vielmehr dem auf S. 18 des Urteils zitierten, sich aus § 164 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergebenden Grundsatz, dass im Falle einer objektiv mehrdeutigen Erklärung, die sowohl als Handeln im eigenen als auch als Handeln im fremden Namen verstanden werden kann, Unklarheiten zu Lasten des Erklärenden gehen und der angebliche Vermittler verpflichtet wird (s. z.B. Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 13.12.2018 - 8 U 142/18, Recht und Schaden 2020, 582, Rz 89; Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Aufl., § 164 Rz 16; MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl., § 164 Rz 177).
2. Das Urteil des FG ist auch nicht "greifbar gesetzeswidrig".
a) Ein Fehler bei der Rechtsanwendung kann ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 09.04.2014 - XI B 10/14, BFH/NV 2014, 1099, Rz 18). Ein derartiger Fehler liegt nur dann vor, wenn die angefochtene FG-Entscheidung objektiv willkürlich oder zumindest greifbar gesetzeswidrig ist. Diese Voraussetzungen sind nur dann erfüllt, wenn eine Entscheidung jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt, auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte, oder wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat oder eine solche Vorschrift völlig unvertretbar ausgelegt hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19.12.2019 - XI B 115/18, BFH/NV 2020, 340, Rz 19). Dabei ist eine Entscheidung (objektiv) willkürlich, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19.05.2020 - VIII B 126/19, BFH/NV 2020, 1264, Rz 18). Eine bloße etwaige Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung oder eine fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles genügen nicht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13.11.2019 - XI B 119/18, BFH/NV 2020, 367, Rz 15).
b) Ausgehend davon liegt eine "greifbare Gesetzeswidrigkeit" der Vorentscheidung nicht vor.
aa) Die Klägerin schließt aus dem Umstand, dass das FG die Vertragsparteien aus den AGB abgeleitet habe, auf die "greifbare Gesetzeswidrigkeit" der Vorentscheidung. Die Bestimmung der Vertragsparteien allein anhand der AGB sei denklogisch nicht möglich. Denn die Geltung der AGB setze einen Vertrag zwischen den Vertragsparteien voraus, für den sie gelten sollten. Hätten A und B einen Vertrag geschlossen, könne sich nicht aus den AGB ergeben, dass C Vertragspartner sei. Das FG müsse daher zunächst den Vertragsschluss beurteilen und dabei die Vertragsparteien bestimmen. Erst danach könne es feststellen, (ob und) mit welchem Inhalt die AGB in den Vertrag einbezogen worden seien.
bb) Diese Rüge der Klägerin geht von falschen Grundannahmen aus.
Das FG hat auf S. 23 unten und S. 24 des Urteils dahin erkannt, dass die Geltung der AGB zwischen den Vertragsparteien wirksam vereinbart sein muss. Es hat sodann darauf hingewiesen, dass auf den Gutscheinen ein Hinweis auf die deutsche Internetseite angebracht ist, auf der die AGB hinterlegt gewesen seien. Dass die Klägerin gegenüber dem Kunden eine Willenserklärung im fremden Namen abgegeben hätte, konnte das FG im Streitfall nicht feststellen. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass aus Kundensicht derjenige, der die Willenserklärung abgegeben hat, und derjenige, der durch den Vertrag verpflichtet ist, identisch sind. Dies entspreche den Angaben in den AGB. Abweichendes ergebe sich nicht aus dem Hinweis, dass der Vertrieb durch X erfolge.
Diese Würdigung ist aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder die Grundsätze der Vertragsauslegung (§ 133, § 157 BGB). Sie entspricht außerdem aufgrund der festgestellten Unklarheiten den Wertungen des § 164 Abs. 2 BGB (s.o. II.1.b bb) und würde daher den Senat in einem gedachten Revisionsverfahren binden (§ 118 Abs. 2 FGO). Diese Bindungswirkung ist bereits im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision zu beachten (vgl. zur Bindungswirkung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren an eine tatsächliche Würdigung des FG BFH-Beschlüsse vom 22.07.2014 - XI B 29/14, BFH/NV 2014, 1780, Rz 22; vom 29.08.2017 - XI B 57/17, BFH/NV 2018, 22, Rz 12, und an eine Vertragsauslegung des FG BFH-Beschlüsse vom 24.07.2017 - XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635, Rz 13; vom 13.03.2019 - XI B 89/18, BFH/NV 2019, 945, Rz 18). Das FG hat also nicht, wie die Klägerin meint, aus einem zwischen X und den Kunden abgeschlossenen Vertrag abgeleitet, dass die Klägerin Vertragspartner ist. Vielmehr hat das FG entschieden, dass der Vertrag zwischen der Klägerin und den Kunden geschlossen wurde, weil der Wille der Klägerin, im fremden Namen handeln zu wollen, durch den Hinweis "dieser Multifunktionsgutschein wird durch [X] in Irland vertrieben" nicht erkennbar hervorgetreten ist. Dann liegt aber ein Handeln der Klägerin im eigenen Namen vor (s.o. II.1.b bb) und keine Ableitung des Vertragspartners nur aus den AGB.
cc) Daneben rügt die Klägerin als "greifbar gesetzeswidrig", dass das FG auf den S. 18 bis 21 seines Urteils verschiedenste Rechtsgrundsätze zur Stellvertretung erörtert habe, aus der Subsumtion des FG aber nicht ersichtlich sei, welche es seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt habe. Das FG hätte, so die Klägerin, entweder in seinen allgemeinen Ausführungen die Rechtsgrundsätze, die aus seiner Sicht im Streitfall keine Rolle spielen, nicht erwähnen dürfen, oder es hätte im Rahmen der Subsumtion eine umfassende Überprüfung anhand aller erwähnten Grundsätze vornehmen müssen. So sei insbesondere nicht ersichtlich, weshalb das FG die Auslegungsgrundsätze des BFH zu sog. Strohmanngeschäften wiedergegeben habe. Möglicherweise sei das FG davon ausgegangen, dass ein sog. Strohmann-Fall vorliege, ohne dies im Urteil zu begründen.
dd) Diese Ausführungen lassen eine "greifbare Gesetzeswidrigkeit" der Vorentscheidung ebenfalls nicht erkennen.
Das FG hat auf den S. 17 ff. seines Urteils umfassend dargelegt, von welchen Rechtsgrundsätzen es ausgeht. Auch wenn der Klägerin insbesondere die Ausführungen zu den Voraussetzungen eines Scheingeschäfts bzw. zum sog. Strohmanngeschäft als entbehrlich erscheinen, verdeutlichen sie das Umfeld der Subsumtion im Streitfall. Aus dem Umstand, dass das FG im Rahmen seiner konkreten Subsumtion auf den S. 23 ff. des Urteils darauf nicht mehr ausdrücklich zurückgekommen ist, ist der Schluss zu ziehen, dass das FG das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen stillschweigend verneint hat. Dies zeigt im Übrigen auch das vom FG gefundene Ergebnis auf, dass zivilrechtlich die Klägerin mit den Endkunden den Vertrag geschlossen hat und dieser umsatzsteuerrechtlich der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
3. Die Revision ist schließlich nicht zur Rechtsfortbildung zuzulassen.
a) Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2017, 1635, Rz 16; vom 21.03.2018 - XI B 113/17, BFH/NV 2018, 739, Rz 8).
aa) Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23.07.2019 - XI B 29/19, BFH/NV 2019, 1363, Rz 12; vom 14.07.2020 - XI B 1/20, BFH/NV 2020, 1258, Rz 13). Auch dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24.07.2017 - XI B 25/17, BFH/NV 2017, 1591, Rz 25; vom 02.01.2018 - XI B 81/17, BFH/NV 2018, 457, Rz 16).
bb) Soweit die Fortbildung des Rechts als Zulassungsgrund geltend gemacht wird, gelten die für die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu beachtenden Darlegungsanforderungen entsprechend (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19.12.2016 - XI B 57/16, BFH/NV 2017, 599, Rz 36; vom 26.09.2017 - XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240, Rz 23). Ein Beschwerdeführer muss deshalb eine hinreichend bestimmte und für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen sowie schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den dazu in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13.03.2019 - XI B 97/18, BFH/NV 2019, 711, Rz 3; vom 29.04.2020 - XI B 113/19, BFHE 268, 480, BStBl II 2020, 476, Rz 18).
b) Diese Voraussetzungen liegen, soweit den Darlegungsanforderungen genügt ist, im Streitfall nicht vor.
aa) die Klägerin macht geltend, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge von der Beantwortung folgender Rechtsfragen ab:
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"Ist die sog. Ladenrechtsprechung auch im Fall eines Kettengeschäfts (Telekommunikationsunternehmen - Händler 1 - Händler 2 - Endkunde) anzuwenden, wenn beim Verkauf von Telefonguthabenkarten durch ein Telekommunikationsunternehmen weitere Händler tätig werden und der Endkunde seine Telefonguthabenkarte erst beim letzten Händler erwirbt, mit der Folge, dass die Leistung dem Telekommunikationsunternehmen zuzurechnen ist und sowohl Händler 1 als auch Händler 2 als Vermittler anzusehen sind? Oder anders gefragt, führt die Ladenrechtsprechung nur eine Rechtsfolge bei dem Unternehmer herbei, mit dem der Kunde unmittelbar in Kontakt tritt (Händler 2), oder kann die Rechtsfolge auch bei einer anderen Person in der 'Kette' davor (Händler 1) eintreten?
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Gilt die für Bargeschäfte des täglichen Lebens i.S. der Ladenrechtsprechung geltende Besonderheit, dass ein Ladeninhaber umsatzsteuer[recht]lich grundsätzlich als Eigenhändler und nur in Ausnahmefällen als Handelsvertreter anzusehen ist, auch in Fällen, in denen sich die Leistung nicht in einem einaktigen Geschehen (wie z.B. beim Kauf einer Packung Butter) erschöpft, sondern wie im Fall einer multifunktionalen Telefonguthabenkarte zu fortgesetzten Leistungen (Telefonate, SMS, Internetnutzung etc.) des leistenden Unternehmers führt?
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Können die Vertragsparteien ‑‑auch wenn sich dies nur durch Auslegung der Begleitumstände ermitteln lässt‑‑ ausschließlich durch eine individualvertragliche Vereinbarung festgelegt werden, sodass eine Auswechslung der Vertragsparteien durch eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen des Vorrangs der Individualabrede nach § 305b BGB nicht möglich ist?"
bb) Hinsichtlich der beiden zur sog. Ladenrechtsprechung aufgeworfenen Rechtsfragen legt die Beschwerde bereits nicht hinreichend dar, dass diese im Streitfall klärbar sind.
(1) Das FG hat auf S. 25 des Urteils angenommen, dass die sog. Ladenrechtsprechung nicht anwendbar und die Klägerin aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen Leistungserbringerin sei.
(2) Soweit die Beschwerde um Klärung von Rechtsfragen zur Reichweite der sog. Ladenrechtsprechung ersucht, setzt sie sich zunächst nicht mit der Rechtsprechung des BFH auseinander, dass diese auch auf sonstige Leistungen anwendbar ist (vgl. zur Anwendbarkeit auf sonstige Leistungen im Internet BFH-Urteil vom 15.05.2012 - XI R 16/10, BFHE 238, 460, BStBl II 2013, 49, Rz 26 ff.). Vor allem legt die Beschwerde nicht hinreichend dar, dass diese Rechtsprechung ‑‑ihre Anwendbarkeit unterstellt‑‑ zu einem von der Beurteilung des FG abweichenden Ergebnis führen könnte. Dies wäre erforderlich gewesen, da nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29.06.1990 - V B 29/90, BFH/NV 1993, 55, juris, Rz 12; vom 30.07.1990 - V B 48/90, BFH/NV 1991, 62, Rz 9; vom 25.06.1999 - V B 107/98, BFH/NV 1999, 1649, unter II.2., Rz 8; vom 20.02.2001 - V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152, unter II., Rz 10; vom 30.05.2007 - V B 186/06, BFH/NV 2007, 1934, unter II.2., Rz 12; vom 02.01.2018 - XI B 81/17, BFH/NV 2018, 457, Rz 19; BFH-Urteil vom 22.09.2005 - V R 52/01, BFHE 211, 562, BStBl II 2006, 278, unter II.1., Rz 10) in Fällen, in denen eine Person ein Gewerbe angemeldet hat oder Inhaber einer Konzession ist, diese Person grundsätzlich als leistender Unternehmer anzusehen ist, weil zu den maßgeblichen Indizien u.a. das Auftreten nach außen ‑‑auch das Auftreten gegenüber den Behörden und dem FA‑‑ gehört. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war im Streitfall weiterhin die Klägerin (und nicht X) bei der Bundesnetzagentur als Erbringerin inländischer Netzdienstleistungen aus der Unternehmensgruppe der X registriert und trat damit nach außen als Leistungserbringerin auf. Weshalb sich aus diesem Umstand (Registrierung) aus der sog. Ladenrechtsprechung ‑‑entgegen den Grundsätzen dieser Rechtsprechung‑‑ ergeben könnte, dass nicht die Klägerin als behördlich registrierte Leistungserbringerin, sondern X Leistungserbringerin sein könnte, legt die Beschwerde nicht hinreichend dar.
cc) Die dritte Rechtsfrage ist im Streitfall nicht klärbar; denn sie geht von einem Sachverhalt aus, der nicht dem vom FG festgestellten Sachverhalt entspricht (s.o. unter II.2.b bb). Im Streitfall sind nach den tatsächlichen Feststellungen des FG und seiner bindenden Vertragsauslegung die Vertragsparteien des individuell geschlossenen Vertrages identisch mit den in den AGB angeführten Parteien. Rechtsfragen, die sich nur stellen könnten, wenn man von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgeht, können in einem gedachten Revisionsverfahren nicht geklärt werden (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14.12.2015 - XI B 113/14, BFH/NV 2016, 599, Rz 12; vom 11.02.2020 - XI B 69, 70/19, BFH/NV 2020, 891, Rz 17).
4. Auf § 45h Abs. 4 TKG in der in den Streitjahren geltenden Fassung kommt es aufgrund der Auslegung durch das FG nicht streiterheblich an. Zulassungsgründe dazu sind auch nicht geltend gemacht worden.
5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.