ECLI:DE:BFH:2020:B.051120.XB50.20.0
BFH X. Senat
EStG § 90, AO § 129, AO § 164, AltvDV § 12 Abs 1, EStG VZ 2009 , EStG VZ 2010 , EStG VZ 2012 , EStG VZ 2013
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 27. Mai 2020, Az: 15 K 10256/17
Leitsätze
NV: § 129 AO ist auf das in § 90 Abs. 1 bis 3 EStG beschriebene Verfahren der maschinellen Gewährung und Rückforderung von Altersvorsorgezulagen nicht anwendbar, weil es in diesen Verfahrensabschnitten noch am Erlass eines Verwaltungsakts fehlt.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 28.05.2020 - 15 K 10256/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatten jeweils einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag abgeschlossen und erhielten hierauf zunächst Altersvorsorgezulagen. Der Anbieter informierte den Kläger mit einer Bescheinigung nach § 92 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) vom 27.01.2014 darüber, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (Deutsche Rentenversicherung Bund, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen ‑‑ZfA‑‑) die für die Jahre 2009 und 2010 gewährten Zulagen teilweise zurückgefordert hatte. Ebenso informierte der Anbieter beide Kläger durch getrennte Bescheinigungen vom 17.02.2015 über die teilweise Rückforderung der für die Jahre 2012 und 2013 gewährten Zulagen. In allen Bescheinigungen war auf die in § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG genannte Jahresfrist hingewiesen.
Am 11.03.2016 beantragte der Kläger und am 23.03.2016 die Klägerin die förmliche Festsetzung der Zulagen gemäß § 90 Abs. 4 EStG. Diese Anträge lehnte die ZfA wegen Versäumung der gesetzlichen Jahresfrist ab. Hiergegen machten die Kläger sinngemäß geltend, die maschinelle Gewährung der Zulage stelle einen Verwaltungsakt dar und sei nach § 129 der Abgabenordnung (AO) zu berichtigen, ohne dass es auf die in § 90 Abs. 4 EStG genannte Jahresfrist ankomme. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision.
Die ZfA hält die gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht für erfüllt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Ausdrücklich benennt die Beschwerdebegründung keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe. Der Sache nach wird aber hinreichend deutlich, dass die Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend machen wollen.
a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Senatsbeschluss vom 12.02.2019 - X B 90/18, BFH/NV 2019, 513, Rz 10, m.w.N.).
Eine Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (BFH-Beschluss vom 06.11.2002 - X B 30/02, BFH/NV 2003, 169). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (BFH-Beschlüsse vom 21.09.2009 - VI B 31/09, BFHE 226, 329, BStBl II 2011, 382, und vom 05.02.2018 - X B 161/17, BFH/NV 2018, 527, Rz 13).
b) Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 129 AO auch auf das maschinelle Verfahren der Zulagefestsetzung anwendbar ist, ist mit der vom FG gegebenen Begründung ‑‑offensichtlich‑‑ zu verneinen.
aa) Der Anwendungsbereich des § 129 AO beschränkt sich nach seinem klaren Wortlaut auf offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines "Verwaltungsakts" unterlaufen sind. Auf andere öffentlich-rechtliche Handlungsformen als Verwaltungsakte ist § 129 AO auch nicht analog anwendbar (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz 37).
Der Senat hat bereits entschieden, dass es erstmals im Verfahren nach § 90 Abs. 4 EStG zum Erlass förmlicher Verwaltungsakte kommt (Urteil vom 22.10.2014 - X R 18/14, BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371, Rz 42). Demzufolge stellen die im Zulageverfahren vorgelagerten, in § 90 Abs. 1 bis 3 EStG vorgesehenen maschinellen Mitteilungen der ZfA an den Anbieter keine Verwaltungsakte dar.
bb) Nichts anderes folgt daraus, dass gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der Altersvorsorge-Durchführungsverordnung (AltvDV) das Ermittlungsergebnis des § 90 Abs. 1 Satz 1 EStG stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Zwar sieht § 164 Abs. 1 AO einen Vorbehalt der Nachprüfung unmittelbar nur für Steuerfestsetzungen vor; Steuern werden gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 AO durch Steuerbescheid ‑‑einen Verwaltungsakt (§ 155 Abs. 1 Satz 2 AO)‑‑ festgesetzt, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist. Im Altersvorsorgezulageverfahren ist jedoch durch § 90 Abs. 1 bis 3 EStG etwas anderes vorgeschrieben, so dass man weder aus § 155 Abs. 1 AO noch aus § 164 Abs. 1 AO oder § 12 Abs. 1 Satz 2 AltvDV die Verwaltungsaktsqualität von maschinellen Ermittlungen oder Rückforderungen der Zulage ableiten kann.
cc) Die von den Klägern während des Verfahrens angeführten Entscheidungen (BFH-Urteile vom 31.07.1975 - V R 121/73, BFHE 116, 462, BStBl II 1975, 868; vom 13.11.1997 - V R 138/92, BFH/NV 1998, 419; vom 27.03.1996 - I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509, und vom 11.07.2007 - XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; Urteil des FG Köln vom 18.03.2010 - 10 K 3607/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1182) sind für die vorliegende Problematik nicht einschlägig. Dort ging es jeweils um den Erlass von Steuerbescheiden (Verwaltungsakten); die von den Klägern zitierte Rechtsprechung hat lediglich bejaht, dass § 129 AO auch dann anwendbar ist, wenn ein Verwaltungsakt mit Hilfe automatisierter Einrichtungen bzw. mit Softwareunterstützung erlassen wird. Vorliegend fehlt es aber bereits an dem für § 129 AO grundlegenden Tatbestandsmerkmal des Erlasses eines Verwaltungsakts.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.