ECLI:DE:BFH:2021:B.130721.IR6.18.0
BFH I. Senat
EStG § 20 Abs 1 Nr 7, EStG § 43 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 43 Abs 1 S 1 Nr 7, EStG § 44 Abs 5 S 1, EStG § 49 Abs 1 Nr 5 Buchst a, EStG § 49 Abs 1 Nr 5 Buchst c DBuchst aa S 2, EStG § 50d Abs 1 S 2, AO § 191, EStG VZ 2012 , EStG VZ 2013 , GG Art 3 Abs 1
vorgehend FG Düsseldorf, 05. Dezember 2017, Az: 2 K 1289/15 H
Leitsätze
Zinsen aus Wandelanleihen führen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG zu beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften. Dies gilt auch dann, wenn sie in Form von Teilschuldverschreibungen ausgegeben worden sind. Die tatbestandlichen Ausnahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG finden auf Wandelanleihen keine Anwendung.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 06.12.2017 - 2 K 1289/15 H wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob Zinserträge eines ausländischen Anteilseigners aus Wandelanleihen, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben worden sind, in den Streitjahren (2012 und 2013) der beschränkten Steuerpflicht unterlagen und damit zu Kapitalertragsteuer führten.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Limited Liability Company (LLC) mit Sitz und Geschäftsleitung in den Vereinigten Staaten von Amerika, hat im Inland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter. Sie gehört zu einer Unternehmensgruppe, die mehrere Private Equity Fonds verwaltet und im Rahmen dieser Tätigkeit im Jahr 2010 Anteile an der Beigeladenen übernahm.
Die Beigeladene begab am 07.12.2010 Schuldverschreibungen in Höhe von insgesamt ... € als Teilschuldverschreibungen zu jeweils ... €. Die im Jahr 2018 fälligen Schuldverschreibungen begründeten nachrangige, nicht besicherte Verbindlichkeiten mit einer festen Verzinsung in Höhe von 10,5 % pro Jahr. Sie waren während ihrer Laufzeit mit einer bedingten Pflichtwandlung und einem jederzeitigen Wandlungsrecht der Gläubigerin in Inhaberaktien der Beigeladenen ausgestaltet. Nach den Emissionsbedingungen dienten die Schuldverschreibungen als haftendes Eigenkapital in Form von Ergänzungskapital i.S. des § 10 Abs. 2b Satz 1 Nr. 5 und Abs. 5a des Gesetzes über das Kreditwesen in der für die Streitjahre geltenden Fassung. Die Klägerin war Inhaberin (Gläubigerin) dieser Schuldverschreibungen.
Hieraus erzielte die Klägerin im Dezember 2012 einen Zinsanspruch in Höhe von ... €. Die Beigeladene zahlte hierauf lediglich einen Betrag in Höhe von ... € an die Klägerin und behielt ... € zurück. Obwohl der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) der Beigeladenen auf Nachfrage mitgeteilt hatte, dass die Zinszahlungen an die Klägerin der beschränkten Steuerpflicht unterlägen und hierfür Kapitalertragsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen sei, gab die Beigeladene ihre Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Dezember 2012 ohne Einbeziehung dieser Zinsen ab. Sie teilte dem FA mit, dass eine Abführung von Kapitalertragsteuer unter Berücksichtigung der Emissionsbedingungen nur auf Grundlage eines Haftungsbescheids möglich sei. Nach ihrer Auffassung bestehe aber keine Kapitalertragsteuerpflicht.
Das FA erließ daraufhin für Dezember 2012 den Haftungsbescheid vom 17.01.2013, den es nach einem Hinweis der Beigeladenen am 29.01.2013 auf den zutreffenden Betrag von ... € erhöhte (... € Kapitalertragsteuer zuzüglich ... € Solidaritätszuschlag).
Nachdem die Beigeladene auch den Zinsanspruch 2013 in Höhe von ... € nicht in ihre Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Dezember 2013 einbezogen und das FA hierüber unter Hinweis auf das Jahr 2012 informiert hatte, erließ das FA für Dezember 2013 am 11.02.2014 einen weiteren Haftungsbescheid in Höhe von ... € (... € Kapitalertragsteuer zuzüglich ... € Solidaritätszuschlag).
In beiden Haftungsbescheiden wurde die Beigeladene als "Steuerschuldnerin" bezeichnet und § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) als Haftungsnorm genannt. Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene legten gegen die Haftungsbescheide fristgerecht Einspruch ein. Die Haftungsbeträge wurden während der Einspruchsverfahren beglichen.
Die von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage wies das Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit Urteil vom 06.12.2017 - 2 K 1289/15 H (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2018, 1965) als unbegründet ab. Die Haftungsbescheide in Gestalt der während des Klageverfahrens ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 seien weder gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 119 der Abgabenordnung (AO) nichtig noch gemäß § 126 Abs. 1 AO formell rechtswidrig. Darüber hinaus seien auch die materiellen Voraussetzungen für eine Haftung gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 AO i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG erfüllt. Die Zinsen aus der Wandelanleihe unterlägen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht, ohne dass die Ausnahme für Teilschuldverschreibungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG zur Anwendung komme. Außerdem habe das FA bei der Inanspruchnahme der Klägerin ermessensfehlerfrei gehandelt (§ 102 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend.
Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die gegen die Beigeladene gerichteten Haftungsbescheide vom 29.01.2013 für Dezember 2012 und vom 11.02.2014 für Dezember 2013 über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 aufzuheben.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Klägerin an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind hiervon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Auch der Schriftsatz der Klägerin vom 18.06.2021 enthält keine Erwägungen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen. Die streitentscheidenden Argumente sind aus den im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsätzen bekannt und wurden von den Beteiligten umfassend diskutiert.
Das FG hat die Klage gegen die an die Beigeladene gerichteten Haftungsbescheide vom 29.01.2013 für Dezember 2012 und vom 11.02.2014 für Dezember 2013 über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.08.2015 zu Recht abgewiesen. Die Beigeladene hätte für die der Klägerin zustehenden Zinsen aus den Schuldverschreibungen nicht nur Kapitalertragsteuer i.S. der §§ 43 ff. EStG einbehalten, sondern auch anmelden und abführen müssen. Insbesondere unterlagen die Zinserträge gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Hierfür haftet die Beigeladene gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 AO i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG. Die Inanspruchnahme der Beigeladenen durch die Haftungsbescheide war auch frei von Ermessensfehlern (§ 102 FGO). Hinsichtlich des Solidaritätszuschlags gilt Entsprechendes (§ 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 in der für die Streitjahre geltenden Fassung).
1. Die angefochtenen Haftungsbescheide erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 191 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 AO i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG.
a) Das FG hat zu Recht die Haftungsbescheide nicht mangels hinreichender Bestimmtheit als nichtig (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 119 Abs. 1 AO) oder mangels ausreichender Begründung als formell rechtswidrig (§ 126 Abs. 1 AO) beurteilt. Die ursprünglich fehlerhaften Bezeichnungen der Beigeladenen als Steuerschuldnerin (statt als Entrichtungsschuldnerin) und des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG als Haftungsnorm (statt § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG) sind in der Einspruchsentscheidung korrigiert und damit "geheilt" worden (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO). Da die Klägerin insoweit keine Einwendungen erhebt, sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.
b) Darüber hinaus hat das FG auch die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen rechtsfehlerfrei bejaht.
aa) Gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG haften u.a. der Schuldner der Kapitalerträge und die die Kapitalerträge auszahlenden Stellen für die Kapitalertragsteuer, die sie einzubehalten und abzuführen haben, es sei denn, sie weisen nach, dass sie die ihnen auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt haben.
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sieht für Zinsen aus Teilschuldverschreibungen, bei denen neben einer festen Verzinsung ein Recht auf Umtausch in Gesellschaftsanteile eingeräumt ist (Wandelanleihen), eine entsprechende Verpflichtung des inländischen Schuldners der Kapitalerträge zum Einbehalt und zur Abführung von Kapitalertragsteuer vor (§ 43 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG). Die Kapitalertragsteuer beträgt 25 % des Brutto-Kapitalertrags (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG) und entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG).
bb) Im Streitfall handelt es sich nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) um Wandelanleihen in Form von Teilschuldverschreibungen, die neben einer festen Verzinsung ‑‑zumindest auch‑‑ das klassische Element eines jederzeitiges Wandlungsrechts des Gläubigers in Aktien des Schuldners vorsehen. Die Zinsen aus der Wandelanleihe führen zu Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die grundsätzlich gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag unterliegen. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten ‑‑ebenso wie über die konkreten Abzugsbeträge‑‑ zu Recht kein Streit.
cc) Da die Klägerin als Inhaberin der Wandelanleihen nicht in Deutschland ansässig ist, setzt die Verpflichtung zum Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer zusätzlich voraus, dass die Zinsen zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften i.S. des § 49 EStG gehören. Die hierfür maßgeblichen Kriterien sind bei Zinsen aus Wandelanleihen stark umstritten, vom FG aber zu Recht unter ausschließlicher Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG bejaht worden.
aaa) Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG gehören zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 (mit Ausnahme der Erträge aus Investmentanteilen), 2, 4, 6 und 9 EStG, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. Nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift gilt "dies" auch für Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen.
§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG regelt dagegen die beschränkte Steuerpflicht für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 7 EStG. Für diese Einkünfte ist der erforderliche Inlandsbezug gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG erfüllt, wenn das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz, durch inländische Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert ist. Satz 2 dieser Vorschrift sieht eine Ausnahme u.a. für Zinsen aus Anleihen und Forderungen vor, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind.
bbb) In der Literatur wird teilweise vertreten, dass die Nennung der Wandelanleihen in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG nur das Kriterium des Inlandsbezugs betreffe. Ansonsten soll für Erträge aus Wandelanleihen § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG anwendbar bleiben, da es sich weiterhin um Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handele. In der Folge gelte insbesondere die Ausnahme für Teilschuldverschreibungen in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG auch für Wandelanleihen (vgl. Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rz H 245; Klein/Link in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 833 und 846; Schmidt/Loschelder, EStG, 40. Aufl., § 49 Rz 99, unter Verweis auf 38. Aufl., § 49 Rz 99; Jelinek in Bordewin/Brandt, § 49 EStG Rz 152; Reimer in Brandis/Heuermann, § 49 EStG Rz 259 und 266; Viebrock in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 49 Rz 235 und 242; Häuselmann, Hybride Finanzinstrumente, 2019, Kap. 10 Rz 117). Davon abweichend wird geltend gemacht, dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG nur einen zusätzlichen Inlandsbezug fordere, d.h. auch die Kriterien des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG kumulativ erfüllt sein müssten, um zur beschränkten Steuerpflicht zu gelangen (Stöber in Lademann, EStG, § 49 EStG Rz 1766 und 1800).
ccc) Die Vorinstanz hat sich dagegen zu Recht einer anderen Auffassung angeschlossen. Danach ergibt sich die beschränkte Steuerpflicht für Erträge aus Wandelanleihen ausschließlich aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG, so dass die Ausnahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG (einschließlich der Ausnahme für Teilschuldverschreibungen) auf Wandelanleihen keine Anwendung finden (vgl. FG Köln, Urteil vom 23.01.2019 - 2 K 1315/13, EFG 2019, 1764, Revision beim Bundesfinanzhof ‑‑BFH‑‑ Az. I R 27/19; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 49 Rz 74 und 79; Fetzer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, § 49 Rz 469; Kraft in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner/Geserich, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 49 Rz 179; Strunk in Korn, § 49 EStG Rz 187; Ackermann, Internationale Wirtschaftsbriefe ‑‑IWB‑‑ 2015, 270, 272 f.; Körner in Köhler/Goebel/Körner, Handbuch der steueroptimalen Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl., Teil B Rz 320; Zimmermann, Recht der Finanzinstrumente, 2019, S. 88).
Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem Wortlaut der zugrundeliegenden Normen und wird durch eine teleologisch-historische und systematische Auslegung bestätigt. Die Klägerin kann sich deshalb auch nicht auf einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑) und den Grundsatz der Normenklarheit berufen.
(1) § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG regelt nicht nur die Kriterien eines ausreichenden Inlandsbezugs, sondern darüber hinaus auch die beschränkte Steuerpflicht bestimmter Beteiligungseinkünfte, sofern diese Kriterien erfüllt sind. Wenn "dies" nach Halbsatz 2 auch für Wandelanleihen gelten soll, obwohl insoweit keine Beteiligungseinkünfte vorliegen, ist nach dem Wortlaut nicht nur der Inlandsbezug geregelt, sondern es liegt eine abschließende Bestimmung der beschränkten Steuerpflicht für den Sonderfall der Zinserträge aus Wandelanleihen vor. Diese Regelung ist im Vergleich zur allgemeinen Bezugnahme auf Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG spezieller und damit vorrangig.
(2) Dieses Verständnis wird durch eine teleologisch-historische Auslegung bestätigt. Eine Sonderregelung für Wandelanleihen wurde erstmals durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 01.02.1938 (RGBl I 1938, 99, RStBl 1938, 97) vorgesehen. Danach waren Zinserträge aus Teilschuldverschreibungen zwar grundsätzlich nicht beschränkt steuerpflichtig. Eine Ausnahme sollte aber für diejenigen Teilschuldverschreibungen gelten, die in Form von Wandelanleihen ausgegeben waren und bei denen der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hatte. Vergleichbare Sonderregelungen für Wandelanleihen wurden auch in den nachfolgenden Gesetzesfassungen beibehalten.
Dies gilt auch für das Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom 14.12.1984 (BGBl I 1984, 1493, BStBl I 1984, 659), mit dem die maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen die für die Streitjahre geltende Fassung erhielten. Es handelte sich um Änderungen, die daraus resultierten, dass die breitere Einbeziehung von Zinserträgen infolge des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 25.03.1965 (BGBl I 1965, 147, BStBl I 1965, 103, sog. Kuponsteuer) wieder rückgängig gemacht wurde, um höhere Kapitalzuflüsse ausländischer Investoren zu fördern (Erster Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BTDrucks 10/2370, S. 6 und 8). Die Einbeziehung der Zinserträge aus Wandelanleihen in die beschränkte Steuerpflicht, die schon vor Einführung der Kuponsteuer bestanden hatte, sollte dagegen nicht berührt werden, wie insbesondere die nachträgliche Einfügung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Halbsatz 2 EStG auf Grundlage der Ersten Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zeigt (BTDrucks 10/2367, S. 10).
Auch wenn es für die Auslegung in den Streitjahren keine Bedeutung hat, ist dieses Verständnis mittlerweile durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451, BStBl I 2020, 17) ausdrücklich klargestellt worden (vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 19/13436, S. 119 zur Ergänzung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG).
(3) Darüber hinaus wird die vom Senat vertretene Auffassung durch eine systematische Auslegung unter Berücksichtigung des § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG gestützt, auch wenn es in dieser Regelung nicht um den Umfang der Steuerpflicht, sondern nur um die Erhebung durch Abzug von Kapitalertragsteuer geht. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sieht insoweit ebenfalls eine Sonderregelung für Zinsen aus Wandelanleihen vor. Die Nichterfassung von Teilschuldverschreibungen ist in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a EStG auf die allgemeine Regelung für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG beschränkt. Dass § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ‑‑abweichend von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG‑‑ Teilschuldverschreibungen ausdrücklich erfasst und diese Erträge in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG ‑‑abweichend von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG‑‑ auch ausdrücklich von der allgemeinen Regelung ausgeschlossen werden, ändert nichts daran, dass der systematische Vergleich das gesetzgeberische Grundverständnis einer Sonderbehandlung von Wandelanleihen belegt.
Im Übrigen hätte die Sonderregelung für Wandelanleihen in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Halbsatz 2 EStG nahezu keinen Anwendungsbereich, wenn hierfür auch die Ausnahme für Teilschuldverschreibungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG zu berücksichtigen wäre. Denn Wandelanleihen werden in der Regel als Teilschuldverschreibungen ausgegeben (Stöber in Lademann, a.a.O., § 49 EStG Rz 1763; Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 49 Rz H 244; Ackermann, IWB 2015, 270, 273).
(4) Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass Art. 3 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung von Zinsen aus Wandelanleihen und sonstigen Zinsen erfordere. Dies folgt aus der Besonderheit, dass das jederzeitige Wandlungsrecht des Gläubigers ein beteiligungsähnliches Element darstellt, das wesentlich von normalen Schuldverschreibungen abweicht. Dieser Unterschied rechtfertigt es, auch die daraus resultierenden Zinseinkünfte unterschiedlichen Regelungen zu unterwerfen.
(5) Auch das u.a. an den Bundesverband deutscher Banken e.V. adressierte und über dessen Website veröffentlichte Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10.04.2014 - IV C 2 - S 2742/12/10003:002 führt zu keinem anderen Ergebnis. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit dieses Schreiben zumindest für die streitgegenständlichen Wandelanleihen verallgemeinerungsfähig ist oder ob es ausschließlich sog. "AT1-Instrumente Typ B" zur Schaffung zusätzlichen bankaufsichtsrechtlichen Kernkapitals i.S. der Art. 51 ff. der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Amtsblatt der Europäischen Union 2013, Nr. L 176, 1) betrifft. Dem entsprechend kann auch dahingestellt bleiben, ob dies durch ein neueres BMF-Schreiben klargestellt worden ist, wie vom FA ohne Veröffentlichung oder Vorlage dieses Schreibens behauptet. In jedem Fall ist der Senat nicht an die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gebunden, wenn diese den gesetzlichen Regelungen widerspricht. Im Übrigen erfolgten die streitigen Zinszahlungen zeitlich vor Erlass des BMF-Schreibens vom 10.04.2014 - IV C 2 - S 2742/12/10003:002.
dd) Das FG ist weiterhin zu Recht davon ausgegangen, dass die Beigeladene ihre Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt hat. Weder die Beigeladene noch die Klägerin haben Umstände geltend gemacht, die eine Exkulpation rechtfertigen. Auch der Meinungsstreit in der Literatur zur Behandlung von Zinsen aus Wandelanleihen ist hierfür nicht geeignet, da das FA der Beigeladenen auf deren Nachfrage noch im Dezember 2012 mitgeteilt hatte, sie sei zur Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag verpflichtet. Des Weiteren hat die Beigeladene unter Hinweis auf die Emissionsbedingungen der Wandelanleihe den Erlass eines Haftungsbescheids selbst angesprochen.
ee) Eine Haftung entfällt auch nicht wegen § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG, der durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz ‑‑AmtshilfeRLUmsG‑‑) vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) eingeführt worden ist und gemäß § 52a Abs. 16c Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG für Zahlungen nach dem 31.12.2012 gilt. Zwar ist die Verpflichtung zum Steuerabzug grundsätzlich vom Emittenten auf die auszahlende Stelle umgestellt worden. Im Streitfall ergibt sich aber aus den Emissionsbedingungen, auf die das FG Bezug genommen hat, dass die Beigeladene nicht nur Emittentin, sondern auch Zahlstelle ist (§ 13 der Emissionsbedingungen).
ff) Schließlich können auch der Grundsatz der Akzessorietät der Entrichtungsschuld zur Kapitalertragsteuerschuld des Gläubigers der Kapitalerträge (vgl. BFH-Urteil vom 21.09.2017 - VIII R 59/14, BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163) und die Berücksichtigung der Festsetzungsfristen (§ 191 Abs. 3 und 5 AO) nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftungsbescheide führen. Das FA hat die Haftungsbescheide jeweils innerhalb von drei Monaten nach den Zinszahlungen und der (unvollständigen) Anmeldung der Kapitalertragsteuer erlassen. Im Übrigen besteht zwischen den Beteiligten hierüber kein Streit, so dass der Senat von weiteren Ausführungen absieht.
2. Das FG hat des Weiteren zu Recht entschieden, dass das FA die angefochtenen Haftungsbescheide ermessensfehlerfrei erlassen hat (§ 102 FGO). Dies gilt sowohl für das Auswahl- als auch für das Entschließungsermessen.
a) Insbesondere war es frei von Ermessensfehlern, die Beigeladene als Entrichtungsschuldnerin der Kapitalertragsteuer in Haftung zu nehmen, da die Klägerin als Inhaberin der Wandelanleihen ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland hatte (vgl. allgemein auch Senatsbeschlüsse vom 03.12.1996 – I B 44/96, BFHE 181, 562, BStBl II 1997, 306; vom 08.11.2000 – I B 59/00, juris; vom 30.09.2020 - I R 76/17, BFHE 270, 455, BStBl II 2021, 275; Senatsurteil vom 19.12.2012 – I R 81/11, BFH/NV 2013, 698, jeweils m.w.N.).
b) Darüber hinaus ist es nicht zu beanstanden, dass das FA beim Entschließungsermessen auf den Schriftsatz der Beigeladenen vom 10.01.2013 abgestellt hat. Die Beigeladene hatte in diesem Schreiben mitgeteilt, dass die Abführung der Kapitalertragsteuer nach den Emissionsbedingungen der Wandelanleihen erst nach Erlass eines Haftungsbescheids möglich sei.
c) Schließlich war vom FA auch nicht zu berücksichtigen, ob und inwieweit das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29.08.1989 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 04.06.2008 (BGBl I 2008, 612, BStBl I 2008, 784) ‑‑DBA-USA 1989/2008‑‑ zu einer Freistellung von der inländischen Quellensteuer führt (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG, Art. 29 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008). Denn insoweit ist grundsätzlich ein eigenständiges Erstattungsverfahren in § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG und gegebenenfalls § 44a Abs. 9 EStG vorgesehen. Deshalb kam es im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Haftungsinanspruchnahme nicht darauf an, ob die Klägerin in der Rechtsform einer LLC als Personen- oder Kapitalgesellschaft zu qualifizieren ist (zum sog. Rechtstypenvergleich einer LLC vgl. Senatsurteil vom 20.08.2008 - I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263; Senatsbeschluss vom 18.05.2021 - I B 75/20 (AdV), juris; BMF-Schreiben vom 19.03.2004, BStBl I 2004, 411) und welche Auswirkungen dies auf die Abkommensberechtigung hat (vgl. auch Senatsurteil vom 26.06.2013 - I R 48/12, BFHE 242, 195, BStBl II 2014, 367 zur S-Corporation). Diese Fragen sind in einem etwaigen Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG zu klären (vgl. hierzu allgemein Gosch in Kirchhof/Seer, a.a.O., § 50d Rz 10a). Ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn der Erstattungsanspruch völlig unproblematisch ist, muss im Streitfall nicht entschieden werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, 3 FGO; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 FGO).