ECLI:DE:BFH:2020:U.260820.VIR6.18.0
BFH VI. Senat
EStG § 8 Abs 1, EStG § 11 Abs 1 S 4, EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 38a Abs 1 S 3, AO § 39 Abs 2 Nr 1, AO § 41 Abs 1 S 1, AktG § 67 Abs 2, AktG § 68 Abs 1 S 1, AktG § 68 Abs 2 S 1, BGB § 398, BGB § 413, AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG VZ 2007
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 13. Juni 2017, Az: 14 K 14026/15
Leitsätze
1. NV: Wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil erlangt, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.
2. NV: § 41 Abs. 1 Satz 1 AO ist auch bei der Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Anwendungsbereich des § 39 Abs. 2 AO zu beachten. Voraussetzung ist aber immer das Vorliegen eines unwirksamen Erwerbsgeschäfts.
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 14.06.2017 - 14 K 14026/15 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für das Streitjahr (2007) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger war seit 1998 leitender Angestellter zunächst der X GmbH, später ‑‑nach deren Umwandlung‑‑ der X AG. Das Grundkapital der X AG bestand aus vinkulierten Namensaktien.
Für die unternehmensprägende Mitarbeit während der Gründungs- und Aufbauphase sollte der Kläger u.a. 50 000 Namensaktien der X AG erhalten. Hierzu hatte die X AG dem Kläger ‑‑ausweislich des rechtskräftigen Urteils des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg vom 14.06.2017 - 14 K 14026/15 wegen Einkommensteuer 2006‑‑ im Jahr 2006 zunächst 28 000 Aktien aus eigenem Bestand übertragen.
Am ...2007 schloss die X AG, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Y, mit dem Vorstandsmitglied G eine Vereinbarung über die Abtretung von 22 000 Aktien an der X AG zum Preis von 13,50 € je Aktie. Der Vertrag lautet (auszugsweise) wie folgt:
1.) Präambel
Die X AG ist auf Grundlage einer aus dem Jahr 2003 stammenden Vereinbarung vertraglich verpflichtet, insgesamt 50 000 Stückaktien an den Kläger zu übertragen. Dieser Verpflichtung ist die X AG durch eine Teillieferung über 28 000 Stückaktien bereits nachgekommen. Die Verpflichtung zur Übertragung weiterer 22 000 Stückaktien steht noch aus. Die X AG hält keine Stückaktien und ist ‑‑mangels Ermächtigungsgrundlage‑‑ auch nicht zum Erwerb eigener Stückaktien berechtigt. Dieser Vertrag soll dazu dienen, die rechtliche Verpflichtung der X AG gegenüber dem Kläger nunmehr zu erfüllen.
2.) Verpflichtung von G
G verpflichtet sich, nach Maßgabe dieses Vertrages insgesamt 22 000 auf den Namen lautende Stückaktien der X AG nebst allen aus ihnen folgenden Rechten, insbesondere Dividenden und Bezugsrechte, abzutreten. Die Abtretung erfolgt als Erfüllungshandlung der in der Präambel beschriebenen Verpflichtung der X AG gegenüber dem Kläger.
3.) Verpflichtung der X AG
Die X AG verpflichtet sich, bis spätestens ...2007 einen Betrag in Höhe von 297.000,00 € auf ein (näher benanntes) Konto des G zu bezahlen. Dies entspricht einem Preis von 13,50 € je Stückaktie.
4.) Aufschiebende Bedingungen
Die Abtretung und Übertragung der Aktien sind aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Kaufpreises gemäß Ziffer 3 Abs. 1.
Bereits mit E-Mail vom ...2007 hatte die Rechtsabteilung der X AG dem Kläger mitgeteilt, dass er nunmehr 50 000 Aktien an der X AG halte. Eine korrigierte Stimmkarte werde ihm am Tag der Hauptversammlung übergeben.
Im Aktienregister wurde der Abgang der Aktien bei G mit dem Zusatz: "Aktienübertrag gem. Vereinbarung v. ...07 … [G]/XAG/… [Kläger]" vermerkt. Später erfolgte die Eintragung des Klägers als Inhaber von 50 000 Aktien in das Aktienregister.
In der Folgezeit bot der Kläger den übrigen Gesellschaftern der X AG einen Teil dieser Aktien (10 000 Stück) zu einem Preis von 15,50 € je Aktie zum Kauf an. Zu einer Veräußerung kam es jedoch nicht.
In der am 09.08.2008 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger zu den Vorgängen betreffend die hier streitigen 22 000 Aktien keine Angaben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid vom 23.12.2008 erklärungsgemäß.
Das FA ging, nachdem es anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der X AG von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, davon aus, dass der Kläger im Streitjahr 22 000 Aktien erworben habe, die als steuerbarer Sachbezug zu erfassen seien. Entsprechend dieser Rechtsauffassung erließ es unter dem 19.12.2013 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 297.000 € erhöhte, was einem geschätzten Stückpreis von 13,50 € je Aktie entsprach.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Die 22 000 Namensaktien seien dem Kläger nicht zugeflossen. Die X AG habe diese Aktien von G wegen Verstoßes gegen § 112 des Aktiengesetzes (AktG) nicht erworben, entsprechend sei eine Weiterübertragung auf ihn nicht möglich gewesen. Davon abgesehen habe er zu keinem Zeitpunkt mit der X AG einen Vertrag über die Abtretung der Aktien geschlossen. Außerdem habe der Wert der Aktien zu dem Übertragungszeitpunkt wegen betrügerischer Finanzmanipulationen und Scheinrechnungen des früheren Vorstands maximal 1 € je Aktie betragen.
Während des Einspruchsverfahrens übersandten die Kläger dem FA eine auf den ...2014 datierte Vereinbarung, nach der die Übertragung der streitgegenständlichen Aktien, sofern sie rechtswirksam erfolgt sei, rückabgewickelt wurde.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22.01.2015 wies das FA den Einspruch zurück.
Die daraufhin erhobene Klage wies das FG ab.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragen,
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.06.2017 - 14 K 14026/15 sowie die Einspruchsentscheidung vom 22.01.2015 und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 19.12.2013 aufzuheben.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Soweit das FG davon ausgegangen ist, dem Kläger seien die streitigen 22 000 Aktien zugeflossen, tragen die dazu getroffenen Feststellungen des FG dessen Entscheidung nicht.
1. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört auch der Vorteil aus der unentgeltlichen Überlassung von Aktien, wenn der Vorteil dem Arbeitnehmer "für" seine Arbeitsleistung gewährt wird (z.B. Senatsurteil vom 01.09.2016 - VI R 16/15, BFHE 255, 138, BStBl II 2017, 149, Rz 16, m.w.N.). Die Anwendung dieser Grundsätze ist zwischen den Beteiligten zu Recht ebenso wenig streitig wie die Würdigung des FG, dass der streitige Aktienerwerb des Klägers auf der Grundlage der Zusage der X AG aus dem Jahr 2003 durch das Dienstverhältnis veranlasst war.
2. Arbeitslohn, der ‑‑wie im Streitfall‑‑ nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließt (§ 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). Nur zugeflossener Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer (Senatsurteil vom 22.02.2018 - VI R 17/16, BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 26).
a) Arbeitslohn ist mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zugeflossen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil in BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 27, m.w.N.). Bei einem Aktienerwerb ist das der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien erfüllt wird (z.B. Senatsurteil vom 30.06.2011 - VI R 37/09, BFHE 234, 187, BStBl II 2011, 923, Rz 11), und damit der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das zivilrechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den versprochenen Aktien verschafft (Senatsurteil in BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 29).
b) Das zivilrechtliche Eigentum an unverbrieften (Namens-)Aktien geht durch schuldrechtliche Vereinbarung und Übertragung durch Indossament (§ 68 Abs. 1 Satz 1 AktG) oder ‑‑wie Forderungen‑‑ durch formlose Abtretungsvereinbarung nach §§ 398, 413 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf den Erwerber über (Bezzenberger in Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 68 AktG Rz 5). Steht ‑‑wie im Streitfall‑‑ die Übertragung vinkulierter Aktien in Rede, bedarf es für eine (wirksame) Übertragung der Aktien gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 AktG zusätzlich der Zustimmung der Gesellschaft. Hat die Gesellschaft in die Übertragung eingewilligt, ist die Übertragung von Anfang an wirksam; ohne Zustimmung ist die Aktienübertragung zunächst schwebend unwirksam. Wird aber die Einwilligung verweigert, ist die Übertragung von vornherein unwirksam (Senatsurteil in BFHE 234, 187, BStBl II 2011, 923, Rz 13 f., m.w.N.).
c) Das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auf einen Erwerber über, wenn dieser
(1) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position (Anwartschaftsrecht) erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und
(2) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie
(3) das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.
Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteile vom 24.01.2012 - IX R 69/10, Rz 27, und vom 04.07.2007 - VIII R 68/05, BFHE 218, 299, BStBl II 2007, 937, Rz 28 ff.; jeweils m.w.N.).
3. Nach diesen Grundsätzen kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben. Denn das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und zu welchem Zeitpunkt dem Kläger der Vorteil aus der unentgeltlichen Überlassung des streitigen Aktienpakets tatsächlich zugeflossen ist. Es hat weder festgestellt, ob und wann der Kläger zivilrechtlicher Eigentümer (dazu unter a), noch, ob und wann der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer (dazu unter b) der Aktien geworden ist. Den Zufluss der Aktien konnte es auch nicht auf § 41 AO stützen (dazu unter c).
a) Für die Verschaffung des zivilrechtlichen Eigentums fehlt es bereits an der Feststellung, dass die Aktien durch Indossament oder ‑‑was vorliegend wohl allein in Betracht kommt‑‑ durch Abtretung auf den Kläger übertragen worden sind. Aus der Vereinbarung vom ...2007 zwischen der X AG und G lässt sich die Abtretung der Aktien an den Kläger nicht ableiten. Denn Inhalt der Vereinbarung ist lediglich die schuldrechtliche Verpflichtung des G, 22 000 Aktien an den Kläger zur Erfüllung der der X AG obliegenden Verpflichtung abzutreten. Auch den weiteren Feststellungen des FG ist nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls wann G die Aktien an den Kläger tatsächlich abgetreten hat oder ob und gegebenenfalls wann G die Aktien zunächst an die X AG und diese die Aktien anschließend an den Kläger übertragen hat.
b) Ebenfalls fehlt es an Feststellungen des FG, ob und zu welchem Zeitpunkt der Kläger zumindest wirtschaftliches Eigentum an den streitbefangenen Aktien erlangt hat. Feststellungen zu dem Vorliegen eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts zwischen der X AG und dem Kläger, aufgrund dessen dieser im Streitjahr eine rechtlich geschützte Position auf den Erwerb der Aktien erworben hatte, welche ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden konnte, hat das FG nicht getroffen. Die Vereinbarung vom ...2007 und der vom FG festgestellte E-Mail-Verkehr, insbesondere mit den darin dokumentierten Verkaufsbemühungen des Klägers, lassen zwar den Schluss zu, dass die X AG sich gegenüber dem Kläger bereits vor dem Streitjahr (schuldrechtlich) verpflichtet hatte, diesem insgesamt 50 000 Aktien zu übertragen. Da die X AG über die hier in Streit stehenden 22 000 Aktien zum Zeitpunkt dieser Verpflichtung aber noch nicht verfügen konnte, kann allein durch diese frühere Verpflichtung unter keinen Umständen wirtschaftliches Eigentum an den Aktien auf den Kläger übertragen worden sein. Ob und inwieweit die X AG und der Kläger bezüglich der streitgegenständlichen Aktien eine weitere schuldrechtliche Vereinbarung getroffen haben, hat das FG nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass sich der Kläger offensichtlich mit Billigung der X AG und des G als Eigentümer der Aktien geriert hat, rechtfertigt ohne Feststellung eines konkreten Vertragsverhältnisses nicht den Schluss, das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien sei auf ihn übergegangen.
Auch die Eintragungen im Aktienregister lassen einen derartigen Schluss nicht zu. Darin ist der Abgang der 22 000 Aktien beim Aktionär G, versehen mit der Erläuterung "Aktienübertrag gem. Vereinbarung v. ...07 … [G]/XAG/… [Kläger]" vermerkt. Des Weiteren wurde der Kläger als Inhaber dieser und der bereits im Jahr 2006 zugewandten (insgesamt 50 000) Aktien in das Aktienregister der X AG eingetragen. Zwar verzeichnet das Aktienregister auf Seiten der Gesellschaft die Inhaber von Namensaktien und deren Aktienbestände und dient den Aktionären gemäß § 67 Abs. 2 AktG als Legitimationsgrundlage für die Geltendmachung der Mitgliedschaftsrechte gegenüber der Gesellschaft (Bezzenberger in Schmidt, K./Lutter, AktG, a.a.O., § 67 AktG Rz 1, 1a). Die Eintragung in das Aktienregister vermittelt jedoch keine materielle Berechtigung ‑‑Inhaberschaft der Aktie‑‑ (Bezzenberger in Schmidt, K./Lutter, AktG, a.a.O., § 67 AktG Rz 1a), die Grundlage eines Anwartschaftsrechts sein könnte.
c) Zu Unrecht hat das FG unter Berufung auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 41 AO von der Feststellung eines Rechtsgeschäfts des Klägers mit der X AG, welches den Übergang des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums der Aktien auf den Kläger beinhaltete, abgesehen.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO ist für die Besteuerung unerheblich, wenn ein Rechtsgeschäft unwirksam ist oder es unwirksam wird, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen wollen. Der in § 41 Abs. 1 Satz 1 AO angeordneten Maßgeblichkeit des tatsächlichen Vollzugs eines unwirksamen Rechtsgeschäfts ist dabei auch bei der Konkretisierung des § 39 Abs. 2 AO Rechnung zu tragen, wenn ein solches ‑‑so es denn wirksam gewesen wäre‑‑ entweder zivilrechtliches oder zumindest wirtschaftliches Eigentum bei dem Steuerpflichtigen begründen würde (s. BFH-Urteile vom 17.02.2004 - VIII R 26/01, BFHE 205, 204, BStBl II 2004, 651, und vom 24.01.2012 - IX R 69/10). § 41 Abs. 1 Satz 1 AO setzt daher immer ein (unwirksames, aber gleichwohl steuerwirksames) Rechtsgeschäft voraus. Der Anwendungsbereich der Norm ist mithin nicht eröffnet, wenn es überhaupt an einem Rechtsgeschäft fehlt (s. dazu Senatsurteil vom 26.01.2006 - VI R 2/03, BFH/NV 2006, 1045, Rz 13). Das FG durfte die Feststellung eines Rechtsgeschäfts daher nicht unterlassen. Ohne weitere Feststellungen lässt sich der Zufluss des streitigen Aktienpakets entgegen der Auffassung des FG vorliegend daher nicht allein damit begründen, dass die X AG und der Kläger das wirtschaftliche Ergebnis der vermeintlichen Aktienübertragung hätten eintreten und bestehen lassen wollen.
4. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen. Es hat im zweiten Rechtsgang die entsprechenden Feststellungen betreffend den Zufluss des streitigen Aktienpakets nachzuholen.
a) Sollte es dabei zu der Ansicht gelangen, dass der Kläger im Streitjahr zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer der streitbefangenen Aktien geworden und ihm daher der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen Überlassung des Aktienpakets zugeflossen ist, weist der Senat darauf hin, dass das FG insoweit zutreffend davon ausgegangen ist, die vom Kläger im Einspruchsverfahren vorgelegte Rückabwicklungsvereinbarung vom ...2014 stehe dem Zufluss des Vorteils nicht entgegen, da diese kein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstelle, welches nachträglich zur Beseitigung der dem Kläger im Streitjahr zugeflossenen Vermögensmehrung führen könnte.
aa) Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht.
Eine steuerliche Vorschrift, die ausnahmsweise eine Änderung des steuererheblichen Sachverhalts rückwirkend zulässt, ist hier nicht ersichtlich. Für die Überschusseinkünfte kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BFH allein auf die tatsächlichen Zu- und Abflüsse von Einnahmen und Ausgaben an. Diese tatsächlichen Vorgänge können nicht durch später bewirkte Rückzahlungen ungeschehen gemacht werden (z.B. Senatsurteile vom 30.09.2008 - VI R 67/05, BFHE 223, 98, BStBl II 2009, 282, Rz 17, und vom 04.05.2006 - VI R 17/03, BFHE 213, 383, BStBl II 2006, 830, Rz 15; jeweils m.w.N.).
bb) Dies gilt entgegen der Auffassung der Kläger nicht nur, soweit die Rückabwicklung laufenden Arbeitslohns in Rede steht, sondern auch dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien einen sonstigen Bezug rückabwickeln wollen (s. Senatsurteil in BFHE 223, 98, BStBl II 2009, 282 zur Rückübertragung von Aktien wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses). Denn nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen und Ausgaben nach dem kalenderjahrbezogenen Zu- und Abflussprinzip zu erfassen, sofern nicht eine abweichende gesetzliche Ausnahmeregelung greift. Eine solche ist im Hinblick auf einen sonstigen Bezug im Streitfall nicht ersichtlich. Denn auch Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstiger Bezug), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG).
b) Darüber hinaus hat das FG im Falle des Zuflusses den geldwerten Vorteil erneut ‑‑stichtagsgenau‑‑ (z.B. Senatsurteil in BFHE 255, 138, BStBl II 2017, 149, Rz 37) nach §§ 11 Abs. 2 Satz 1, 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu bewerten. § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG ist im Streitjahr für ertragsteuerliche Zwecke nicht (mehr) anzuwenden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Sollte dem FG für eine Anteilsbewertung die erforderliche Sachkunde fehlen, wird es ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen haben (Senatsurteil vom 15.03.2018 - VI R 8/16, BFHE 261, 122, BStBl II 2018, 550, Rz 49, m.w.N.).
5. Da die Revision der Kläger bereits mit der Sachrüge Erfolg hat, kann der Senat dahinstehen lassen, ob dem FG der gerügte Verfahrensfehler unterlaufen ist.
6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.