ECLI:DE:BFH:2019:B.131119.VIIIB42.19.0
BFH VIII. Senat
EStG § 3 Nr 12, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 116 Abs 3 S 3, GG Art 100 Abs 1, EStG VZ 2013
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 11. Dezember 2018, Az: 7 K 128/15
Leitsätze
NV: Stützt sich ein Beschwerdeführer zur Begründung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache darauf, die bisherigen Kriterien des BFH zur Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit gleichheitswidriger Begünstigungsausschlüsse im Rahmen des Art. 100 Abs. 1 GG führten zu einer verfassungswidrigen Rechtsschutzlücke, muss er gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO substantiiert sowohl darlegen, welche Norm des einfachen Rechts aus welchen Gründen einen verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss verursacht, als auch darlegen, aus welchen Gründen die in der Rechtsprechung zu Art. 100 Abs. 1 GG bislang herangezogenen Kriterien die behauptete Rechtsschutzlücke zur Folge haben .
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 12.12.2018 - 7 K 128/15 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legen die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrunds nicht hinreichend dar.
a) Die Kläger werfen als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, "ob es im Zusammenhang mit der milden Einkommensbesteuerung der Bundestagsabgeordneten (vgl. § 3 Nr. 12 EStG in Verbindung mit § 12 AbgG), die durch Abgeordnete als Gesetzgeber geschaffen wurde, mit dem Demokratieprinzip (Artikel 20 GG) vereinbar ist, dass verfassungswidriges Staatshandeln partiell nicht zur Überprüfung gestellt werden kann oder ob nicht dem einkommensteuerpflichtigen Nichtabgeordneten die Möglichkeit eröffnet werden muss, seinen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen".
b) Es wird nicht hinreichend dargelegt, dass diese Rechtsfrage im Streitfall klärungsfähig ist.
aa) Die Darlegung der Voraussetzungen des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verlangt u.a. substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Macht ein Beschwerdeführer ‑‑wie die Kläger im Streitfall‑‑ mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Fragen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geltend, so erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik. Wird ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG geltend gemacht, ist auf naheliegende Gründe für und gegen die angegriffene Differenzierung einzugehen (vgl. zum Ganzen z.B. BFH-Beschluss vom 18.04.2017 - V B 147/16, BFH/NV 2017, 1052, Rz 8, 11, m.w.N.). Hat der BFH in einer früheren Entscheidung begründet, warum er eine Norm nicht für verfassungswidrig hält, muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten sein könnte (BFH-Beschluss vom 06.03.2019 - VIII B 94/18, BFH/NV 2019, 935, Rz 4). Eine Rechtsfrage ist klärungsfähig, wenn sie in einem künftigen Revisionsverfahren für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich ist (BFH-Beschluss vom 14.06.2017 - X B 118/16, BFH/NV 2017, 1437, Rz 28). Dies gilt auch für verfassungsrechtliche Fragen, die als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen werden.
bb) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung des GG handelt, die Entscheidung des BVerfG einzuholen (Art. 100 Abs. 1 GG). Wie aus Art. 100 Abs. 1 GG folgt, ist der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit eines Verfassungsverstoßes die Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts vorgelagert, ob es in dem zu entscheidenden Streitfall auf die Gültigkeit einer entscheidungserheblichen Norm des einfachen Rechts ankommt. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, nach welchem Maßstab die Entscheidungserheblichkeit eines Verfassungsverstoßes aufgrund eines behaupteten gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses im Rahmen einer "Richtervorlage" gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zu beurteilen ist, stellt sich danach erst und nur dann, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit der im Einzelfall entscheidungserheblichen Norm des einfachen Rechts (hier: des § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) überzeugt ist.
cc) Für die Darlegungslast gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO bedeutet dies, dass ein Beschwerdeführer im Fall eines behaupteten gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses durch § 3 Nr. 12 EStG nach dem unter 1.b aa aufgezeigten Maßstab fundiert darlegen muss, dass (1) diese Regelung eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung entgegen Art. 3 Abs. 1 GG begründet und (2) für den Fall einer entsprechenden Überzeugungsbildung des Gerichts auch ungeklärte Fragen nach dem zutreffenden Maßstab für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit dieses Verfassungsverstoßes im Rahmen des Art. 100 Abs. 1 GG aufgeworfen sind. Im Streitfall fehlt es jedoch an der notwendigen fundierten Darlegung einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Kläger durch § 3 Nr. 12 EStG.
aaa) Der Kläger, dessen tatsächliche Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung des Streitjahres für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit vollständig berücksichtigt worden sind, hat vor dem Finanzgericht (FG) den Abzug weiterer pauschal ermittelter und nicht nachgewiesener Betriebsausgaben in Höhe von 2.000 € begehrt, was das FG ihm versagt hat. Er rügt eine Benachteiligung gegenüber Abgeordneten, bei denen die gemäß § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei gestellte Abgeordnetenpauschale mangels entsprechender tatsächlicher Aufwendungen im Ergebnis zu einer überschießenden Steuerbefreiung der Einkünfte führe. Hierin sieht der Kläger eine eigene verfassungswidrige Benachteiligung, da er als Nichtabgeordneter seine steuerpflichtigen Einkünfte nicht um eine Betriebsausgabenpauschale mindern dürfe, die seinen tatsächlichen Aufwand übersteige.
Die Begründung der Beschwerde lässt im Weiteren aber die erforderliche vertiefte Auseinandersetzung zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 3 Nr. 12 EStG mit der von der klägerischen Sichtweise abweichenden Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschluss vom 26.07.2010 - 2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08, BVerfGK 17, 438) vermissen. Das BVerfG hat unter Rz 8 in diesem Beschluss ausgeführt, es sei gerade nicht offensichtlich, dass die Abgeordnetenentschädigung im Kern nicht nur tatsächlich entstandenen Aufwand ausgleiche und den Abgeordneten eine ungerechtfertigte Steuerfreistellung ihrer Einkünfte vermittle. Die Tatsache, dass es sich dabei nicht um die Entscheidung eines der beiden Senate des BVerfG, sondern um einen Kammerbeschluss handelt, entbindet die Kläger nicht von der Notwendigkeit, sich zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken mit dessen Inhalt auseinanderzusetzen (BFH-Beschluss vom 19.12.2003 - II B 152/02, BFH/NV 2004, 533). Dementsprechend genügt es nicht, dass die Kläger zur Begründung der Beschwerde im Streitfall lediglich darauf verweisen, diesem Beschluss des BVerfG komme keine gesetzliche Bindungswirkung entsprechend § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zu. Zudem fehlt jedenfalls auch eine vertiefte Diskussion der Vereinbarkeit des § 3 Nr. 12 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG im Fall eines behaupteten gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses anhand des Schrifttums.
bbb) Es ist angesichts der bestehenden Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Frage auch nicht ersichtlich, dass die Vereinbarkeit des § 3 Nr. 12 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt eines gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses eine Rechtsfrage aufwirft, die von offenkundiger grundsätzlicher Bedeutung ist, und deshalb das Verlangen, konkrete Angaben zur Grundsätzlichkeit der Sache zu machen, eine unnötige Förmelei bedeutete, sodass von der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung ausnahmsweise abgesehen werden könnte (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 19.10.1993 - VII B 154/93, BFH/NV 1994, 835).
ccc) Da die grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob § 3 Nr. 12 EStG zu einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss führt, nicht hinreichend dargelegt wird, fehlt es auch an einer schlüssigen Erläuterung, dass die von den Klägern im Streitfall ausschließlich aufgeworfene Rechtsfrage zu Art. 100 Abs. 1 GG im Streitfall klärungsfähig und grundsätzlich bedeutsam ist (vgl. unter 1.b cc).
2. Es stellt auch keinen Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, wenn das FG eine Vorlage des Rechtsstreits an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG unterlässt, weil er nicht von der Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Rechtsnorm überzeugt ist (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2011 - VII B 195/10, BFH/NV 2011, 1743, Rz 11, m.w.N.; vgl. auch BVerfG-Urteil vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64).
3. Der Senat sieht von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.