ECLI:DE:BFH:2020:U.220720.IIR32.18.0
BFH II. Senat
AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 2, GrEStG § 5 Abs 2, GrEStG § 16 Abs 3 Nr 1, GrEStG § 16 Abs 3 Nr 2, GrEStG § 8 Abs 1, AO § 169 Abs 2, BGB § 437
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 03. Juli 2018, Az: 3 K 206/16
Leitsätze
1. Die Herabsetzung der Gegenleistung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht keine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
2. Eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG auf einen im Kaufvertrag vereinbarten, einseitig durchsetzbaren Anspruch auf Herabsetzung der Gegenleistung ist nicht möglich.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 04.07.2018 - 3 K 206/16 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28.10.2008 (Kaufvertrag) erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) von einer GmbH Ackerflächen, Grünland, Umland, Wald und sonstige Flächen zu einem Gesamtkaufpreis von 1.003.973,90 €.
Unter § 2 des Vertrages "Kaufgegenstand/Verkauf/Kaufpreis" hieß es:
"Nach Ansicht des Käufers ergibt sich für ihn nach den Vorgaben des AusglLeistG und der FlErwV ein Anspruch darauf, die vertragsgegenständlichen Flächen zu einem günstigeren Preis als dem vereinbarten Kaufpreis erwerben zu können. Er behält sich daher vor, gerichtlich die erfolgte Kaufpreisbildung und -höhe einer Prüfung zu unterziehen sowie einen Anspruch auf Anpassung des vereinbarten Kaufpreises geltend zu machen.Die Verkäuferin erklärt, dass sie bei der Kaufpreisbildung, die sie dem Käufer im Einzelnen dargelegt hat, nicht von niedrigeren Werten als den von ihr festgestellten und anhand vergleichbarer Verkäufe in der Region abgeleiteten Vergleichswerten ausgehen durfte. Andernfalls würde sie bei der Vereinbarung eines niedrigeren Kaufpreises eine ggf. europarechtswidrige Beihilfe gewähren, zumindest aber einen höheren Preisnachlass als den durch das AusglLeistG vorgegebenen 35%-igen Abschlag vom Verkehrswert.
Die Parteien sind sich jedoch darüber einig, dass sie den Vertrag entsprechend einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ggf. anpassen werden. Die Einigkeit besteht jedoch auch darüber, dass der Vertrag mit dem vereinbarten Kaufpreis Bestand haben soll, sofern der Käufer den sich vorbehaltenen Kaufpreisanpassungsanspruch nicht weiter verfolgt oder ggf. durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt wird, dass ihm ein solcher nicht zusteht."
Der Erwerb bedurfte der Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung. Am 01.12.2008 teilte der Notar dem seinerzeit zuständigen Finanzamt mit, dass der Kaufvertrag rechtswirksam geworden sei. Mit Bescheid vom 10.02.2009 (Grunderwerbsteuerbescheid) setzte das seinerzeit zuständige Finanzamt Grunderwerbsteuer in Höhe von 35.139 € fest. Als Bemessungsgrundlage zog es den Kaufpreis in Höhe von 1.003.973 € heran. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Urteil des Landgerichts (LG) A vom 15.04.2015 (Az.: …) wurde die GmbH verurteilt, an die Klägerin 131.550,81 € nebst Zinsen zu zahlen, da nach dem Ausgleichleistungsgesetz (AusglLeistG) der zutreffende Kaufpreis 872.423,09 € betrage. Die Differenz zum tatsächlich gezahlten Kaufpreis ergebe den gemäß § 2 Nr. 5 des Kaufvertrags zu erstattenden Betrag. Diesen Betrag zahlte die GmbH am 10.06.2015 an die Klägerin zurück.
Den daraufhin von der Klägerin mit Schreiben vom 18.08.2015 gestellten Antrag auf Änderung der festgesetzten Grunderwerbsteuer ‑‑ausgehend nunmehr von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 872.422 €‑‑ lehnte der mittlerweile zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) mit Bescheid vom 10.12.2015 ab und wies auch den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19.04.2016 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) seien nicht erfüllt. Der Grunderwerbsteuerbescheid könne ebenso wenig nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO) geändert werden.
Die hiergegen eingelegte Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner Begründung im Wesentlichen aus, die Herabsetzung des Kaufpreises aufgrund des Urteils des LG habe steuerliche Wirkung für die Vergangenheit i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gehabt, da damit in eine wesentliche Besteuerungsgrundlage, nämlich den Wert der Gegenleistung, eingegriffen worden sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1781 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 38 AO sowie §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG geltend.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Entgegen der Auffassung des FG konnte der Grunderwerbsteuerbescheid aufgrund der Herabsetzung des Kaufpreises nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden. Eine Änderungsbefugnis ergibt sich auch nicht aus anderen Vorschriften.
1. Das FA hat die Grunderwerbsteuer am 10.02.2009 in zutreffender Höhe festgesetzt.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag, soweit er sich auf inländische Grundstücke bezieht.
§ 3 Abs. 7a AusglLeistG ermöglicht Berechtigten i.S. des § 3 Abs. 5 Satz 1 AusglLeistG, volkseigene, von der Treuhandanstalt zu privatisierende landwirtschaftliche Flächen und Waldflächen zu erwerben. Dabei sieht das AusglLeistG für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen einen Preisnachlass i.S. eines 35%igen Abschlags auf den Verkehrswert des Grundstücks vor (§ 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG). Der vergünstigte Erwerb unterliegt der Grunderwerbsteuer. Unschädlich ist, dass die Vergünstigung eine Kompensation für die letztlich nicht vollzogene Wiedergutmachung in Geld darstellt und daher Entschädigungscharakter hat (vgl. zu einem Grundstückserwerb durch Alteigentümer nach § 3 Abs. 5 AusglLeistG: Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 22.11.2018 - II B 51/18, BFH/NV 2019, 205, Rz 13, 25 ff., m.w.N.).
b) Die Grunderwerbsteuer bemisst sich gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gelten als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Als Gegenleistung war der von der Klägerin geschuldete Kaufpreis in der im Kaufvertrag vereinbarten Höhe anzusetzen.
c) Ob dem Umstand, dass bereits bei Kaufvertragsabschluss eine Kaufpreisanpassung in Rede stand, dadurch Rechnung zu tragen gewesen wäre, dass die Festsetzung der Grunderwerbsteuer verfahrensrechtlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) oder vorläufig (§ 165 Abs. 1 AO) zu ergehen hatte (vgl. BFH-Urteil vom 17.04.1991 - II R 119/88, BFHE 164, 130, BStBl II 1991, 586, unter II.2.; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 16 Rz 95; Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 16 Rz 222; Koppermann in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, § 16 Rz 145 f.; Vettermann, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2017, 1518, unter 2.1, Fn. 6), kann dahingestellt bleiben. Der Grunderwerbsteuerbescheid ist ohne eine solche Nebenbestimmung ergangen.
2. Eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist nicht möglich.
a) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Zu den rückwirkenden Ereignissen zählen alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge, aber auch tatsächliche Lebensvorgänge, die steuerrechtlich ‑‑ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen‑‑ in der Weise Rückwirkung entfalten, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH-Urteil vom 12.05.2016 - II R 39/14, BFHE 255, 286, BStBl II 2017, 63, Rz 18, m.w.N.). Ein nachträgliches Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung muss zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat, und nicht nur zu einer veränderten (rechtlichen) Beurteilung des nämlichen Sachverhalts (vgl. BFH-Urteile vom 17.05.2017 - II R 60/15, BFH/NV 2017, 1299, Rz 19, und vom 12.03.2019 - IX R 2/18, BFH/NV 2019, 1073, Rz 22, jeweils m.w.N.). Eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalt kann insbesondere dann zu einer rückwirkenden Änderung steuerrechtlicher Rechtsfolgen führen, wenn Steuertatbestände an einen einmaligen Vorgang anknüpfen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.07.1993 - GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.d; BFH-Urteil vom 11.07.2019 - II R 36/16, BFHE 265, 430, BStBl II 2020, 391, Rz 24).
b) Ob einer nachträglichen Änderung eines Sachverhalts rückwirkende steuerrechtliche Bedeutung zukommt, ob mithin eine solche Änderung dazu führt, dass bereits eingetretene steuerrechtliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht. Nach diesem ist zu beurteilen, ob zum einen eine Änderung des ursprünglich gegebenen Sachverhalts den Steuertatbestand überhaupt betrifft und ob darüber hinaus der nach § 38 AO bereits entstandene materielle Steueranspruch mit steuerrechtlicher Rückwirkung noch geändert werden oder entfallen kann (BFH-Urteile in BFHE 255, 286, BStBl II 2017, 63, Rz 18; in BFH/NV 2017, 1299, Rz 20; in BFH/NV 2019, 1073, Rz 22, und in BFHE 265, 430, Rz 24, jeweils m.w.N.).
Der Umstand, dass einem Ereignis ertragsteuerrechtlich Rückwirkung zukommt, ist für Zwecke der Grunderwerbsteuer nicht ausschlaggebend (vgl. BFH-Beschluss vom 04.11.2019 - II B 48/19, BFH/NV 2020, 182, Rz 13).
c) Die Herabsetzung der Gegenleistung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht nach der insoweit zwingenden gesetzlichen Systematik keine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Das folgt aus § 16 Abs. 4 GrEStG und § 175 Abs. 1 Satz 2 AO und entspricht dem Grundsatz, dass die steuerrechtliche Wirkung eines Ereignisses für die Vergangenheit autonom für das jeweilige materielle Steuergesetz zu beurteilen ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2020, 182, Rz 16).
aa) § 16 Abs. 3 GrEStG lässt als spezialgesetzliche Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG unter den dort näher aufgeführten Voraussetzungen auf Antrag die Änderung einer Steuerfestsetzung zu, wenn die Gegenleistung nach Entstehung der Steuer herabgesetzt wird. Eine nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung erlaubt aber nur dann eine Änderung der Steuerfestsetzung, wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) oder wenn die Herabsetzung (Minderung) aufgrund des § 437 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vollzogen wird (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Tritt ein Ereignis ein, das nach § 16 Abs. 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, endet die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses (§ 16 Abs. 4 GrEStG).
bb) Wäre ein Ereignis, das nach § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, namentlich die Herabsetzung der Gegenleistung, ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, liefe § 16 Abs. 4 GrEStG ausnahmslos leer. Denn mit dem Ende des Kalenderjahres einer Kaufpreisherabsetzung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG würde dann die vierjährige Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO erneut beginnen. Damit bedürfte es des § 16 Abs. 4 GrEStG nicht, wonach die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) lediglich nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses endet. Eine Auslegung, mit der eine gesetzliche Vorschrift jeglichen Anwendungsbereich verlöre, widerspräche der gesetzlichen Systematik, kann von Gesetzes wegen nicht gewollt sein und wäre offenkundig unzutreffend (BFH-Beschluss in BFH/NV 2020, 182, Rz 19).
3. Die Vorentscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (vgl. § 126 Abs. 4 FGO), denn die vollzogene Herabsetzung der Gegenleistung durch den anteilig zurückgezahlten Kaufpreis war auch nicht nach anderen Änderungsvorschriften zu berücksichtigen.
a) Zwar liegt eine von § 16 Abs. 3 GrEStG erfasste Herabsetzung der Gegenleistung vor, jedoch sind die übrigen Voraussetzungen für die begehrte Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nicht erfüllt.
aa) Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird auf Antrag die Steuer entsprechend niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert, wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
aaa) Die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG geschieht dies mit Abschluss des Kaufvertrags. Nach § 14 Nr. 2 GrEStG entsteht die Grunderwerbsteuer allerdings, wenn ein Erwerbsvorgang einer Genehmigung bedarf, erst mit der Genehmigung.
bbb) Im Streitfall ist die Steuer am 01.12.2008 entstanden. Die Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung trat ‑‑wie das FG zutreffend ausgeführt hat‑‑ spätestens am 01.12.2008 mit der Mitteilung des Notars an das seinerzeit zuständige Finanzamt über den Eintritt der Rechtswirksamkeit des Vertrags ein. Die Zweijahresfrist des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG war bei Verkündung des Urteils des LG am 15.04.2015 und der anschließenden Rückzahlung des anteiligen Kaufpreises an die Klägerin daher bereits abgelaufen.
bb) Gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist eine Herabsetzung der Steuer auf Antrag bei Herabsetzung der Gegenleistung für das Grundstück unbefristet möglich, wenn die Herabsetzung (Minderung) aufgrund des § 437 BGB vollzogen wird.
aaa) Nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB kann ein Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern und den gezahlten Mehrbetrag erstattet verlangen, wenn die Sache mangelhaft (§§ 434, 435 BGB) ist. Ein Sachmangel liegt gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB u.a. vor, wenn der verkaufte Gegenstand nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat.
bbb) Auch wenn im Gesetz nicht bestimmt ist, was zu der Beschaffenheit der Kaufsache gehört (vgl. Erman/Grunewald, BGB, 15. Aufl., § 434 Rz 2), sind als Beschaffenheit einer Sache i.S. von § 434 Abs. 1 BGB nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben (Urteile des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 15.06.2016 - VIII ZR 134/15, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ‑‑ZIP‑‑ 2016, 1928, Rz 10, und vom 11.12.2019 - VIII ZR 361/18, ZIP 2020, 419, Rz 37, jeweils m.w.N.).
Während demnach Angaben zu wertbildenden Eigenschaften unter Umständen zu Beschaffenheitsvereinbarungen führen und der Wert einer Sache von ihrer Beschaffenheit abhängt, wird der Wert selber jedoch auch durch außerhalb der Sache liegende Marktkräfte gebildet. Teil der Beschaffenheit sind damit nur die wertbildenden Faktoren, nicht aber der Wert selbst (BeckOK BGB/Faust, 54. Ed., 01.05.2020, BGB § 434 Rz 24; MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl., § 434 Rz 11).
ccc) Ein Minderungsanspruch nach § 437 BGB, der eine Änderungsbefugnis nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG begründen könnte, liegt im Streitfall nicht vor.
(1) Bei einem begünstigten Flächenerwerb nach dem AusglLeistG richtet sich die Kaufpreisermittlung nach den §§ 5 und 6 der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV), die § 3 Abs. 7 AusglLeistG näher konkretisieren. Danach ist für landwirtschaftliche Flächen grundsätzlich zunächst der Verkehrswert zu ermitteln und hiervon ein Abschlag von 35 % vorzunehmen. Die Privatisierungsstelle hat diesen ‑‑in § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG als "Wertansatz" bezeichneten‑‑ Kaufpreis nach § 9 Abs. 1 Satz 2 FlErwV nicht zu bestimmen, sondern nach Maßgabe des § 5 FlErwV und den in dieser Vorschrift in Bezug genommenen Vorschriften der Wertermittlungsverordnung zu "ermitteln" (vgl. BGH-Urteil vom 12.12.2014 - V ZR 109/14, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht ‑‑NJW-RR‑‑ 2015, 1008, Rz 15, m.w.N.). Dabei darf die Privatisierungsstelle allerdings von dem in § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG festgelegten Preis nicht abweichen (vgl. BGH-Urteil in NJW-RR 2015, 1008, Rz 14, m.w.N.; Ruppert in Dombert/Witt, Münchener Anwaltshandbuch Agrarrecht, 2. Aufl. 2016, Teil D., § 12 Rz 65).
Da insofern keine Ermessensentscheidung der Privatisierungsstelle vorliegt, stellt die Nachprüfung und Anpassung des Verkehrswertes durch ein Gericht in diesem Zusammenhang nicht Rechtsgestaltung, sondern Auslegung bzw. Rechtsanwendung dar ‑‑auch wenn sie vertraglich wie im vorliegenden Fall durch eine Anpassungsklausel vorgesehen ist (BGH-Urteil in NJW-RR 2015, 1008, Rz 9; Urteil des Kammergerichts Berlin vom 18.11.2010 - 22 U 14/10, Recht der Landwirtschaft 2011, 119, Rz 30, m.w.N.).
(2) Als nach § 3 Abs. 1 und 2 AusglLeistG i.V.m. § 2 FlErwV zum Flächenerwerb Berechtigte hatte die Klägerin somit nach § 3 Abs. 7 S. 1 AusglLeistG einen Anspruch, die streitgegenständlichen Flächen zu 65 % des Verkehrswertes zu erwerben. Insofern diente der Kaufvertrag lediglich der Umsetzung des gesetzlich auch hinsichtlich des Kaufpreises vorgegebenen Erfüllungsanspruchs der Klägerin (vgl. BGH-Urteil in NJW-RR 2015, 1008, Rz 14), den diese gegenüber der GmbH einseitig rechtlich durchsetzen konnte. Einen Minderungsanspruch wegen Mängeln i.S. des § 437 BGB stellt dies jedoch nicht dar.
(3) Auch ist die von der GmbH im Kaufvertrag niedergelegte Auffassung, dass der Kaufpreis dem Verkehrswert abzüglich eines 35%igen Abschlags entspreche, keine Beschaffenheitsvereinbarung, die Grundlage eines Minderungsanspruchs nach § 437 BGB sein könnte.
Sonstige Mängel des Grundstücks hat das FG weder festgestellt noch sind solche vorgetragen.
b) Ob aufgrund des nachträglichen Bekanntwerdens von neuen Tatsachen oder Beweismitteln ein Anspruch auf Änderung des unstreitig bestandskräftigen Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben wäre, kann im Streitfall dahingestellt bleiben. Denn für eine Änderung im Jahr 2015 war die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO abgelaufen.
c) § 5 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) begründet ebenfalls keinen Anspruch auf Herabsetzung der bestandskräftig festgesetzten Grunderwerbsteuer.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BewG werden Wirtschaftsgüter, die unter einer auflösenden Bedingung erworben sind, wie unbedingt erworbene behandelt. Tritt die Bedingung ein, so ist die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen. Der Antrag ist bis zum Ablauf des Jahres zu stellen, das auf den Eintritt der Bedingung folgt (§ 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG).
§ 5 Abs. 1 Satz 1 BewG bezieht sich auf Wirtschaftsgüter, die unter einer auflösenden Bedingung erworben sind (BFH-Urteil vom 17.04.2013 - II R 1/12, BFHE 240, 409, BStBl II 2013, 637, Rz 22). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
d) Auch eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG bei einem bereits im Kaufvertrag vereinbarten, einseitig durchsetzbaren Anspruch auf Herabsetzung der Gegenleistung ist nicht möglich.
aa) Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit muss sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck erschließen. Eine Auslegung gegen den Wortlaut kommt zudem nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, wenn nämlich die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (BFH-Urteil vom 06.12.2017 - II R 26/15, BFH/NV 2018, 453, Rz 35; BFH-Beschluss vom 29.08.2019 - II B 79/18, BFH/NV 2020, 22, Rz 5, m.w.N.).
Zwar ist eine analoge Anwendung von § 16 GrEStG nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. zur Minderung aufgrund §§ 634, 638 BGB oder Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 16 Rz 56; Koppermann in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, § 16, Rz 165; Loose in Boruttau, a.a.O., § 16 Rz 244; Claßen, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 8, 1535, 3206; bzw. für ein vertraglich zugesichertes Minderungsrecht: Hofmann, a.a.O., § 16 Rz 57; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 16, Rz 99; Egner/Geißler in Griesar/Jochum, eKomm Ab [01.01.2015], § 16 GrEStG Rz 60 ‑‑Aktualisierung vom 13.05.2019‑‑). Allerdings wurde eine solche bereits für Erwerbe im Flächenerwerbsprogramm nach § 3 AusglLeistG abgelehnt (BFH-Urteile vom 26.10.2006 - II R 49/05, BFHE 215, 292, BStBl II 2007, 324, unter II.3.c, und vom 15.03.2007 - II R 80/05, BFHE 217, 269, BStBl II 2007, 611, unter II.2.c).
bb) Bei § 16 GrEStG handelt es sich um eine am Besteuerungszweck orientierte gegenläufige Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG (BFH-Urteile vom 18.04.2012 - II R 51/11, BFHE 236, 569, BStBl II 2013, 830, Rz 16, und vom 11.06.2013 - II R 52/12, BFHE 241, 419, BStBl II 2013, 752, Rz 17, jeweils m.w.N.). § 1 GrEStG knüpft an steuerverwirklichende Vorgänge an, ohne das weitere Schicksal dieser Vorgänge zu berücksichtigen. Die Entscheidung, das Verpflichtungsgeschäft in den Mittelpunkt der Besteuerung zu stellen, bedeutete aber keineswegs, dass das weitere Schicksal des Verpflichtungsgeschäftes für die Steuerpflicht bedeutungslos sein sollte (BFH-Urteil vom 22.05.1974 - II R 71/68, BFHE 113, 127, BStBl II 1974, 687). Deswegen entfällt die durch Verwirklichung eines der Rechtsvorgänge des § 1 GrEStG entstandene Steuer nach § 16 GrEStG dann wieder, wenn es zu den durch diese Rechtsvorgänge intendierten Grundstücksumsätzen tatsächlich (wirtschaftlich) nicht kommt oder nicht auf Dauer verbleibt (BFH-Urteile in BFHE 113, 127, BStBl II 1974, 687; vom 29.09.2005 - II R 36/04, BFHE 210, 535, BStBl II 2006, 43, unter II.b., m.w.N.; Vettermann, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2017, 1518, unter 1.). Deswegen ist auch bei nachträglicher Herabsetzung der Gegenleistung in § 16 Abs. 3 GrEStG eine niedrigere Festsetzung der Steuer vorgesehen (vgl. BFH-Urteil vom 31.05.1972 - II R 92/67, BFHE 106, 374, BStBl II 1972, 836, unter 2.). Allerdings ist die Korrekturvorschrift des § 16 Abs. 3 GrEStG bei Kaufpreisminderungen ‑‑im Gegensatz zu unbeschränkter Korrektur bei Kaufpreiserhöhungen nach § 9 GrEStG‑‑ zeitlich und inhaltlich stark eingeschränkt (vgl. Mathäus, DStR 2019, 1785, 1789; Egner/Geißler in Griesar/Jochum, eKomm Ab [01.01.2015], § 16 GrEStG Rz 1 ‑‑Aktualisierung vom 16.11.2020‑‑). So berechtigt eine einvernehmliche nachträgliche Herabsetzung ‑‑unabhängig aus welchem Rechtsgrund oder Motiv‑‑ nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nur innerhalb einer zweijährigen Frist nach Steuerentstehung zur Änderung der Grunderwerbsteuer (BFH-Beschluss vom 22.07.1987 - II B 45/87, BFH/NV 1988, 783, m.w.N.). Dagegen ist die Änderung nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG zeitlich ‑‑abgesehen vom Antragserfordernis‑‑ nicht eingeschränkt, jedoch inhaltlich auf den gesetzlichen Minderungsanspruch nach § 437 BGB begrenzt.
cc) Im Streitfall liegt keine unbeabsichtigte, durch teleologische Auslegung zu füllende Regelungslücke vor (vgl. zu § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG: BFH-Urteil in BFHE 210, 535, BStBl II 2006, 43, unter II.b). Insbesondere ließ sich bereits dem GrEStG i.d.F. vom 17.12.1982 (GrEStG 1983) keine Regel entnehmen, dass die Herabsetzung eines Grundstückskaufpreises auch außerhalb der Frist des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983 steuerrechtlich wirksam ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1988, 783). Der dem weitestgehend entsprechende § 16 Abs. 3 GrEStG wurde lediglich durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23.07.2002 (BGBl I, 2715) der Neufassung des BGB angepasst. Dabei wurde jedoch der Tatbestand nicht auch auf andere nachträglich eingetretene Herabsetzungen der Gegenleistung ausgeweitet (vgl. Adamek, EFG 2005, 554). Der Gesetzgeber hat vielmehr an der bisherigen Formulierung festgehalten und damit zum Ausdruck gebracht, dass er eine Änderung wegen der Herabsetzung des Kaufpreises, gleich aus welchem Grund, an eine zweijährige Frist binden wollte (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) und für die nicht fristgebundene Änderung nach wie vor von einer vollzogenen Minderung aufgrund der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über den Kauf ausgeht (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG).
dd) Mangels Regelungslücke scheidet im vorliegenden Fall auch eine die Änderungsmöglichkeiten nach § 16 Abs. 3 GrEStG erweiternde entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 2 BewG (vgl. Pahlke, a.a.O., § 16 Rz 10; Hofmann, a.a.O., vor § 15 Rz 12) oder Berücksichtigung der erst mit Entscheidung des LG entstandenen Erstattungsverpflichtung als aufschiebend bedingte Last (entsprechend § 6 Abs. 2 BewG) aus.
4. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und die Klage ist abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.