ECLI:DE:BFH:2020:U.060220.IVR6.17.0
BFH IV. Senat
AO § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a, AO § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst b, AO § 180 Abs 3 S 1 Nr 2, AO § 180 Abs 3 S 2, EStG § 4 Abs 3, EStG § 26b, FGO § 48 Abs 1 Nr 1, UStG § 19, BGB § 709 Abs 1, BGB § 714, EStG VZ 2014 , AO § 19 Abs 1 S 1, AO § 18 Abs 1 Nr 2, AO § 21, AO § 22 Abs 1 S 1
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 21. Februar 2017, Az: 9 K 230/16
Leitsätze
Betreiben zusammen veranlagte Ehegatten in GbR eine Photovoltaikanlage auf ihrem eigengenutzten Wohnhaus, so hat eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen regelmäßig zu unterbleiben, wenn kein Streit über Höhe und Aufteilung der daraus resultierenden Einkünfte besteht. Dem steht nicht entgegen, dass die GbR keinen Gebrauch von der Nichterhebung der Umsatzsteuer als Kleinunternehmer macht .
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22.02.2017 - 9 K 230/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GbR, die aus den Eheleuten F und M besteht. F und M werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin betreibt auf einem von den Ehegatten zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstück eine Photovoltaikanlage (PVA). Die dabei erzeugte Energie nutzen F und M zum Teil privat, zum Teil wird sie an einen Stromversorger veräußert und in das öffentliche Stromnetz eingespeist.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 (Streitjahr) erklärten F und M u.a. Einkünfte aus dem Betrieb der PVA. Sie ermittelten auf Grundlage einer Einnahmen-Überschussrechnung Einkünfte in Höhe von ./. 3.402 €. Die Klägerin reichte eine Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ein. Ebenfalls gab sie eine Umsatzsteuererklärung ab, mit der ein Vorsteuerüberhang geltend gemacht wurde, der zu einer entsprechenden Festsetzung durch das FA führte. Eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellung) reichte die Klägerin nicht ein.
Das FA schätzte die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin und stellte deren Einkünfte mit Gewinnfeststellungsbescheid 2014 vom 26.01.2016 fest. Der nicht gegen die Art oder Höhe der festgestellten Einkünfte, sondern gegen die Vornahme einer gesonderten und einheitlichen Feststellung als solche gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Nach Ansicht der Klägerin war die Durchführung eines Gewinnfeststellungsverfahrens nicht erforderlich. Im Laufe des Einspruchsverfahrens wurde der Bescheid mehrfach geändert.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit Urteil vom 22.02.2017 statt und hob den Gewinnfeststellungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung auf. Es liege ein Fall von geringer Bedeutung nach § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vor; die Durchführung eines Gewinnfeststellungsverfahrens sei nicht erforderlich. Die Art der Einkünfte ‑‑gewerbliche Einkünfte‑‑ wie auch ihre hälftige Aufteilung auf F und M sei unstreitig. Wegen des geringen Umfangs der jährlichen Geschäftsvorfälle weise die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen keine besonderen Schwierigkeiten auf. Auf rein finanzamtsinterne unterschiedliche Zuständigkeiten von Sachbearbeitern könne es für die Frage nach der Durchführung eines Gewinnfeststellungsverfahrens nicht ankommen. Nur unterschiedliche Zuständigkeiten von Finanzämtern könnten die Vornahme eines Gewinnfeststellungsverfahrens rechtfertigen. Das FA sei vorliegend jedoch für die Zusammenveranlagung der Gesellschafter-Eheleute zur Einkommensteuer zuständig und wäre es auch für eine Gewinnfeststellung der GbR.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO. Die Regelung bezwecke, im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung divergierende Ermittlungsergebnisse zu vermeiden. Die Ansicht des FG, Zweck der Regelung sei die Vermeidung von Divergenzen nur zwischen den einzelnen Feststellungsbeteiligten, nicht auch zwischen der Gesellschaft und einzelnen Feststellungsbeteiligten, lasse sich nicht der Begründung des Gesetzes oder der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entnehmen. Es könne zudem für die Frage, ob ein Gewinnfeststellungsverfahren durchzuführen sei, nach den Kriterien des FG für jedes Jahr zu zufälligen Ergebnissen kommen, je nachdem, ob in dem betreffenden Jahr die Gefahr divergierender Entscheidungen bestehe. Weiterhin sei die Entstehung abweichender ertrag- und umsatzsteuerlicher Ergebnisse für die Beurteilung des Betriebs bzw. des Unternehmens der GbR zu vermeiden. Für die Umsatzsteuer werde der GbR eine eigene Steuernummer aus dem Veranlagungsbereich der Personengesellschaften zugeteilt, während die Einkommensbesteuerung der Gesellschafter in einem anderen Veranlagungsbereich mit separater Steuernummer durchzuführen sei. Auch wenn beide Veranlagungsbereiche wie hier demselben Finanzamt zugehörten, bestehe aufgrund der unterschiedlichen zuständigen Bearbeiter und Bearbeitungszeiten die Gefahr divergierender Entscheidungen.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG vom 22.02.2017 - 9 K 230/16 aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BFH verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Zutreffend hat das FG erkannt, dass die Klage als solche der GbR zulässig ist (dazu unter 1.) und dass ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, der keiner Durchführung eines eigenständigen Gewinnfeststellungsverfahrens bedarf (dazu unter 2.).
1. Die Klage ist zulässig. Zu Recht hat das FG durch Auslegung der Klageschrift rechtsschutzgewährend angenommen, dass nicht die Eheleute F und M, sondern die Klägerin auf Grundlage von § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO den Gewinnfeststellungsbescheid angefochten hat.
a) Führt das FA eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen durch, besteht für eine Anfechtungsklage eine Klagebefugnis der Gesellschaft. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO können gegen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Vertretung berufene Geschäftsführer oder hilfsweise der Klagebevollmächtigte Klage erheben. Die Klagebefugnis der Gesellschafter wird für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft auf diese verlagert (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 23.01.2020 - IV R 48/16, Rz 21, m.w.N.). Die Klagebefugnis der Gesellschaft besteht auch insoweit, als die Aufhebung eines positiven Feststellungsbescheids allein darauf gestützt wird, es fehle an den Voraussetzungen für ein gesondertes Feststellungsverfahren, weil es sich um einen Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO handele.
Den Gesellschaftern selbst steht ein eigenes Klagerecht gegen einen solchen Feststellungsbescheid nur in den Fällen zu, in denen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 FGO vorliegen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Gesellschafter klagebefugt im Zusammenhang mit der Erteilung oder Nichterteilung eines Negativbescheids nach § 180 Abs. 3 Satz 2 AO wären, weil ein solcher Bescheid hier weder beantragt noch erlassen oder abgelehnt worden ist.
Im Streitfall hat das FG danach zu Recht die Klageschrift rechtsschutzgewährend so ausgelegt, dass eine Klage der Klägerin, vertreten durch ihre Gesellschafter als Geschäftsführer (§ 709 Abs. 1, § 714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑), erhoben worden ist.
b) Für die Klage mit dem Antrag auf Aufhebung des Gewinnfeststellungsbescheids besteht auch ein Rechtsschutzinteresse. Zwar kann zur Klärung der Frage, ob ein Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt, ein Negativbescheid nach § 180 Abs. 3 Satz 2 AO beantragt werden. Diese Rechtsschutzmöglichkeit geht über die reine Beseitigung durch Anfechtung eines erlassenen Gewinnfeststellungsbescheids hinaus. Von ihr muss aber nicht vorrangig Gebrauch gemacht werden (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 24.03.2011 - IV R 13/09, Rz 17). Ist ‑‑wie hier‑‑ allerdings ein positiver Gewinnfeststellungsbescheid ergangen, kann das Rechtsschutzziel nur erreicht werden, wenn dieser Bescheid aufgehoben wird.
2. Das FG hat zutreffend erkannt, dass ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt und ein Gewinnfeststellungsverfahren deshalb nicht durchzuführen ist.
a) Nach § 179 Abs. 1 AO werden Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in der AO oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist. Eine gesonderte Feststellung wird gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2 AO gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist. Nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden insbesondere die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind.
Im Fall der Klägerin, einer GbR, liegen diese Voraussetzungen grundsätzlich vor. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
b) Keine gesonderte Feststellung ist allerdings nach § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AO durchzuführen, wenn es sich nach den Verhältnissen im Feststellungszeitraum um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, insbesondere weil die Höhe des festgestellten Betrags und die Aufteilung feststehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ zusammen veranlagte Ehegatten eine PVA auf ihrem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Haus betreiben und kein Streit über die Höhe und Aufteilung der Einkünfte aus der PVA besteht. Eine einheitliche Rechtsanwendung gegenüber allen Beteiligten der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung ist dann sichergestellt.
aa) Der Gesetzesentwicklung ist zu entnehmen, dass die Regelung der Verwaltungsvereinfachung dienen soll, ohne eine einheitliche Rechtsanwendung zu gefährden.
Bereits in der ursprünglichen Fassung der am 01.01.1977 in Kraft getretenen AO (BGBl I 1976, S. 613) war in § 180 Abs. 3 geregelt, dass eine gesonderte Feststellung von Einkünften, wenn daran mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind, dann nicht vorzunehmen ist, wenn es sich um Fälle von geringerer Bedeutung handelt. In dem Gesetzesentwurf für diese Regelung war zur Begründung auf die Vorgängerregelung in § 215 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung verwiesen worden. Es solle mit der Norm verhindert werden, dass gesonderte Feststellungen vorgenommen werden, für die in der Praxis kein Bedürfnis bestehe (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks VI/1982 vom 19.03.1971, S. 157). Mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19.12.1985 (BGBl I 1985, S. 2436) wurde die Regelung neu gefasst und die Ausnahme von der gesonderten Feststellung bei Vorliegen eines Falles von geringer Bedeutung in § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO um den Einschub "insbesondere weil die Höhe des festgestellten Betrages und die Aufteilung feststehen" ergänzt. In der Begründung des Gesetzesentwurfs heißt es, die Ergänzung solle sicherstellen, dass ein Feststellungsverfahren nur in verfahrensmäßig bedeutsamen Fällen durchgeführt werde. Die Finanzbehörde solle von der Einleitung eines Feststellungsverfahrens absehen, wenn es zur einheitlichen Rechtsanwendung und zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens nicht erforderlich sei (BTDrucks 10/1636 vom 19.06.1984, S. 46).
bb) In der Rechtsprechung des BFH wird eine geringe Bedeutung im Sinne der genannten Norm dann bejaht, wenn die Gefahr divergierender Entscheidungen gegenüber den einzelnen Feststellungsbeteiligten nahezu ausgeschlossen ist.
Dies wird angenommen, wenn für die Gewinnfeststellung gegenüber der Personengesellschaft und die Ertragsbesteuerung der Gesellschafter dieselbe Behörde zuständig ist, es sich um einen kurzfristigen und leicht überschaubaren Vorgang handelt und zudem die festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach Art und Höhe unstreitig sind (vgl. BFH-Urteile vom 31.07.1990 - I R 3/90, BFH/NV 1991, 285, unter II.3.b [Rz 16]; vom 17.05.1995 - X R 64/92, BFHE 177, 478, BStBl II 1995, 640, unter II.2. [Rz 32]; vom 16.03.2004 - IX R 58/02, BFH/NV 2004, 1211, unter II.2.b [Rz 12], und vom 07.02.2007 - I R 27/06, BFHE 216, 551, BStBl II 2008, 526, unter III.3. [Rz 24]).
Alleine der Umstand, dass es sich bei den potentiellen Feststellungsbeteiligten um Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner handelt, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, soll allerdings noch nicht zur Annahme eines Falles von geringer Bedeutung führen (vgl. BFH-Urteile vom 25.06.1970 - IV 190/65, BFHE 99, 513, BStBl II 1970, 730; vom 20.01.1976 - VIII R 253/71, BFHE 117, 437, BStBl II 1976, 305, unter 3.a [Rz 13]; in BFHE 177, 478, BStBl II 1995, 640, unter II.2. [Rz 32], und in BFH/NV 2004, 1211, unter II.2.b [Rz 13]). Ebenso wenig ist ein Fall des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO schon allein deshalb anzunehmen, weil mehrere Personen an Einkünften beteiligt sind und das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt auch für die Festsetzung der Einkommensteuer aller an den Einkünften beteiligten natürlichen Personen zuständig ist (BFH-Urteile vom 08.03.1994 - IX R 37/90, BFH/NV 1994, 868, unter 1. [Rz 15], und vom 14.02.2008 - IV R 44/05, BFH/NV 2008, 1156, unter II.1.c [Rz 14]).
cc) Entgegen der Ansicht des FA ist für die Frage, ob die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen wegen unterschiedlicher Zuständigkeiten besteht, nur auf die Zuständigkeitskonzentration auf eine Finanzbehörde, nicht ‑‑noch weiter gehend‑‑ auf die interne funktionale alleinige Zuständigkeit einer Person abzustellen.
Der Vereinfachungszweck des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AO besteht sowohl im Interesse des Steuerpflichtigen, dem Aufwand für die Erstellung und Abgabe einer eigenen Feststellungserklärung und das Durchlaufen eines weiteren Verfahrens neben seiner Veranlagung zur Einkommensteuer erspart werden soll, als auch im Interesse der Finanzverwaltung, die nicht gezwungen sein soll, unnötige Verfahren durchführen zu müssen. Bewirken die gesetzlichen Zuständigkeitsregeln, dass dasselbe Amt für die Ertragsbesteuerung der Gesellschafter (§ 19 Abs. 1 Satz 1 AO: Wohnsitzfinanzamt für natürliche Personen) zuständig ist, das auch für die gesonderte Feststellung (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AO: Betriebsfinanzamt) zuständig wäre und damit die maßgebliche Betriebsnähe hat sowie regelmäßig auch für die Umsatzbesteuerung (§ 21 AO: Ort des Betreibens des Unternehmens) und den Gewerbesteuermessbescheid (§ 22 Abs. 1 Satz 1 AO: Betriebsfinanzamt) zuständig ist, so ist durch diese Zuständigkeitsregelungen mit hinreichender Sicherheit gewährleistet, dass der zuständige Entscheidungsträger widerspruchsfreie Entscheidungen treffen kann. Die Behörde hat es dann selbst in der Hand, durch organisatorische Maßnahmen eine hinreichende Sicherheit für die Vermeidung widersprüchlicher Verfahrensergebnisse zu schaffen. Es obliegt ihrer Organisationshoheit ‑‑unter Beachtung des Steuergeheimnisses‑‑, die internen Abläufe so zu gestalten, dass die erforderlichen Informationen aus der Sphäre der Personengesellschaft in einem Fall von geringer Bedeutung auch dem Bearbeiter der Einkommensteuerveranlagung zugänglich gemacht werden.
Dem FA ist nicht darin zu folgen, dass bereits die Erhebung der Umsatzsteuer der Annahme eines Falles von geringer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AO entgegensteht. Das gilt auch dann, wenn auf die Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verzichtet wird (gleicher Ansicht Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 17.10.2016 - S 0361-00000-2011/002).
dd) Unschädlich für die Annahme eines Falles von geringer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AO ist es, dass die Voraussetzungen hierfür in jedem Veranlagungszeitraum vorliegen müssen und deshalb ‑‑insbesondere abhängig von dem Entstehen von Streit zwischen den Beteiligten über die Höhe der Einkünfte, aber ggf. auch von der Fortdauer der Voraussetzungen der Zusammenveranlagung‑‑ nicht fortlaufend gegeben sein müssen.
c) Auf Grundlage seiner Feststellungen hat das FG zu Recht das Vorliegen eines Falles von geringer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AO bejaht. Eine Gewinnfeststellung war danach nicht durchzuführen, denn die Entscheidung darüber, ob ein Fall von geringer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AO vorliegt, ist nicht in das Ermessen der Behörde gestellt, sondern stellt eine gebundene Entscheidung dar (BFH-Urteile in BFH/NV 2004, 1211, unter II.2.b [Rz 11], und vom 12.04.2016 - VIII R 24/13, Rz 15). Der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben.
Nach Feststellung des FG stehen die Art und Aufteilung der Einkünfte zwischen den hälftig an den Einkünften aus dem Betrieb der PVA beteiligten Eheleuten F und M fest und es besteht hierüber kein Streit (vgl. zur Gewerblichkeit von Einkünften aus dem Betrieb einer PVA: BFH-Urteile vom 17.10.2013 - III R 27/12, BFHE 243, 327, BStBl II 2014, 372, Rz 9, und vom 16.09.2014 - X R 32/12, Rz 17). Streit besteht auch nicht über die Höhe der Einkünfte. Die Ehegatten werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (§ 26b des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑). Das FA ist nicht nur für die Einkommensteuerveranlagung zuständig, sondern wäre es auch für die Gewinnfeststellung der GbR, wenn eine solche durchzuführen wäre. Die mehrfachen Änderungen des Gewinnfeststellungsbescheids im Einspruchsverfahren stehen der Annahme eines Falles von geringer Bedeutung nicht entgegen, denn sie beruhen lediglich auf Ergänzungen des mitgeteilten Sachverhalts.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.