ECLI:DE:BFH:2019:U.221019.VIIR24.18.0
BFH VII. Senat
AO § 124 Abs 1 S 2, AO § 236, AO § 238, EnergieStG § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst b, EnergieStG § 49, EnergieStG § 53, EGRL 96/2003 Art 14 Abs 1 Buchst a, EGRL 9/2008 Art 15 Abs 1 S 1, EGRL 9/2008 Art 19 Abs 2, EGRL 9/2008 Art 22 Abs 1
vorgehend FG Düsseldorf, 12. Juni 2018, Az: 4 K 1304/17 AO
Leitsätze
1. Ein Zinsbescheid über Prozesszinsen enthält nicht zugleich eine stillschweigende Ablehnung weiterer Zinsen, insbesondere auf unionsrechtlicher Grundlage.
2. Sieht eine Richtlinie eine obligatorische Steuerbefreiung vor, die der Mitgliedstaat nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt hat, und kann sich der Steuerpflichtige deshalb unmittelbar auf die entsprechende Richtlinienbestimmung berufen, stehen ihm nach den unionsrechtlichen Grundsätzen Zinsen auf den Entlastungsbetrag zu, wenn der Mitgliedstaat anfänglich dessen Auszahlung verweigert.
3. Der Behörde steht eine angemessene Frist für die Bearbeitung des ‑‑vollständigen‑‑ Entlastungsantrags zu, die bei der Zinsberechnung zu berücksichtigten ist.
4. In Fällen der Energiesteuerentlastung beginnt der Zinslauf 4 Monate und 10 Arbeitstage nach Eingang des vollständigen Entlastungsantrags .
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 13.06.2018 - 4 K 1304/17 AO sowie der Bescheid vom 08.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2017 aufgehoben, soweit der Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 betroffen ist.
Zugunsten der Klägerin werden weitere, nach § 238 der Abgabenordnung zu berechnende Zinsen auf den Erstattungsbetrag von 68.834,75 € für den Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 festgesetzt.
Die Berechnung der Zinsen wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Von den Kosten des gesamten Verfahrens haben die Klägerin 30% und der Beklagte 70 % zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt Motorenprüfstände, in denen die durch die Verbrennung von versteuertem Benzin erzeugte mechanische Energie unter Einsatz angeschlossener Generatoren in Strom umgewandelt wird.
Sie beantragte am 25.07.2011 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑), ihr für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 Energiesteuer für die Verwendung des nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) versteuerten Benzins für die Erzeugung von Strom nach § 49 EnergieStG zu vergüten. Zugleich beantragte sie für denselben Zeitraum, ihr weitere Energiesteuer für die Verwendung des nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i.V.m. § 49 Abs. 2a EnergieStG versteuerten Benzins für die Erzeugung von Strom nach § 53 EnergieStG zu vergüten.
Diese Anträge lehnte das HZA ab. Nachdem der Einspruch hiergegen erfolglos geblieben war, hatte die am 26.02.2015 erhobene Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das HZA mit Urteil vom 09.12.2015 - 4 K 625/15 VE, der Klägerin Energiesteuer in Höhe von 68.834,75 € für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 zu vergüten. Dieser Anspruch ergebe sich unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (EnergieStRL).
In der Folge setzte das HZA mit Bescheid vom 22.01.2016 für die Klägerin eine Entlastung von Energiesteuer fest. Zugleich erließ es einen "Zinsbescheid über Prozesszinsen" nach "Maßgabe von § 236 Abgabenordnung" und setzte zugunsten der Klägerin Prozesszinsen für den Zeitraum vom 26.02.2015 (Rechtshängigkeit der Klage) bis zum 25.01.2016 (Auszahlungstag) in Höhe von 3.784 € fest.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 11.03.2016, beim HZA eingegangen am 14.03.2016, die Zinsen auf den festgesetzten Steuerentlastungsbetrag bereits für den Zeitraum ab dem 01.08.2011 festzusetzen. Sie habe gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL einen Anspruch auf die von ihr begehrte Steuerentlastung gehabt, weil eine nationale Regelung zur Entlastung gefehlt habe. Nach dem Unionsrecht stünden ihr deshalb Zinsen nicht erst ab Rechtshängigkeit des Entlastungsanspruchs zu.
Das HZA lehnte eine Änderung des Zinsbescheids vom 22.01.2016 ab, weil dieser bestandskräftig geworden sei. Der Antrag auf Änderung sei nicht vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt worden, wie von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) gefordert. Eine Änderung nach § 173 AO komme nicht in Betracht, weil es sich bei dem mittlerweile ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.09.2015 - VII R 32/14 (BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323), nach dem Abgaben, die auf der Grundlage einer für ungültig erklärten Unionsverordnung erhoben wurden, ab dem Zeitpunkt der Zahlung der unionsrechtswidrig erhobenen Abgaben zu verzinsen seien, nicht um eine neue Tatsache handele.
Nachdem ihr Einspruch erfolglos war, erhob die Klägerin Klage und begehrte weiterhin Zinsen ab dem 01.08.2011. Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Das HZA habe in dem Zinsbescheid stillschweigend eine Verzinsung für einen früheren Zeitraum abgelehnt. Dabei sei unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage (§ 236 AO oder Unionsrecht) die Zinsen festgesetzt worden seien. Änderungsvorschriften hielt das FG nicht für einschlägig. Die Bestandskraft stehe einer Änderung entgegen; darin liege kein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz. Die Klägerin habe nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit gehabt, innerhalb einer angemessenen Frist einen Rechtsbehelf gegen den Zinsbescheid einzulegen.
Hiergegen richtet sich die Revision. Die Klägerin trägt vor, der Bescheid über Prozesszinsen habe nicht zugleich die Ablehnung einer anderweitigen Verzinsung beinhaltet. Aus dem Zinsrecht der AO ergebe sich, dass die einzelnen Zinstatbestände nebeneinander bestünden. In der Praxis käme es regelmäßig zu verschiedenen Zinsfestsetzungen. Eine stillschweigende Ablehnung weitergehender Zinsansprüche widerspreche dem Bestimmtheitsgrundsatz. Der Zinsbescheid stehe somit einer weitergehenden Verzinsung nach Unionsrecht nicht entgegen. Hierzu verweist die Klägerin auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ (EuGH-Urteil Irimie vom 18.04.2013 - C-565/11, EU:C:2013:250, Rz 23, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2013, 659) und des erkennenden Senats (Urteil in BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323). Der Zinslauf sei durch die Stellung des Erstattungsantrags in Gang gesetzt worden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG vom 13.06.2018 - 4 K 1304/17 AO aufzuheben und das HZA unter Aufhebung des Bescheids vom 08.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2017 zu verpflichten, Zinsen von 6 % auf den Steuerentlastungsbetrag von 68.834,75 € für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis zum 24.01.2016 festzusetzen.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Mit ihrem Antrag auf weitergehende Verzinsung habe die Klägerin kein weiteres Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, weil es sich um denselben Verfahrensgegenstand, nämlich den Zinsanspruch, gehandelt habe. Sie habe nicht die Festsetzung anderer Zinsen beantragt, sondern rückwirkend den Zeitraum erweitern wollen, für den sie für die zu Unrecht vorenthaltene Steuervergütung entschädigt werden wolle. Sowohl § 236 AO als auch der unionsrechtliche Zinstatbestand dienten der Entschädigung für die Vorenthaltung von Kapital. Deshalb habe es einer Änderung des Zinsbescheids bedurft, die jedoch nach Eintritt der Bestandskraft mangels einschlägiger Änderungsvorschriften nicht möglich sei. Das Unionsrecht verpflichte eine Verwaltungsbehörde selbst bei unionsrechtlich rechtswidrigen Entscheidungen nicht zu einer Rücknahme, sofern die Bescheide nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs Bestandskraft erlangt hätten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass der Klägerin auf unionsrechtlicher Grundlage weitere Zinsen für den Zeitraum vom 10.12.2011 bis zum 25.02.2015 zustehen. Die Vorentscheidung verletzt insoweit Bundesrecht und ist daher aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg; es bleibt insoweit bei der Klageabweisung.
Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass der Klägerin keine weiteren Zinsen zustehen. Der Zinsbescheid vom 22.01.2016 enthielt nicht zugleich die konkludente Ablehnung der Verzinsung vor Rechtshängigkeit (1.). Der Klägerin steht ein auf Unionsrecht gestützter Zinsanspruch zu (2.).
1. Der Zinsbescheid vom 22.01.2016 steht der Festsetzung weiterer Zinsen nicht entgegen. Zwar ist dieser Bescheid formell bestandskräftig, weil die Klägerin keinen Einspruch eingelegt hat, jedoch umfasste dieser Bescheid nicht die von der Klägerin begehrten weiteren Zinsen, so dass dessen Bestandskraft dem erweiterten Zinsanspruch nicht entgegenstehen kann. Der Ansicht des FG, das HZA habe in dem Zinsbescheid stillschweigend die Gewährung weiterer Zinsen ‑‑auch auf anderer Rechtsgrundlage als § 236 AO‑‑ abgelehnt, folgt der Senat nicht. Das HZA hat durch den Bescheid vom 22.01.2016 ausschließlich Prozesszinsen auf der Grundlage von § 236 AO festgesetzt.
a) Ob das HZA den Willen hatte, mit diesem Bescheid auch weitergehende Zinsansprüche abzulehnen, ist unerheblich. Denn der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts bestimmt sich nicht nach dem, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat. Vielmehr wird ein Verwaltungsakt nur mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 2 AO). Maßgebend ist, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) verstehen konnte (BFH-Urteile vom 18.07.1994 - X R 33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4, und vom 30.11.1999 - IX R 57/98, BFH/NV 2000, 678, m.w.N.). Die Auslegung des Verwaltungsakts muss dabei einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben (BFH-Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791).
b) Die Auslegung eines Verwaltungsakts durch das FG ist im Revisionsverfahren überprüfbar, wenn die tatsächlichen Feststellungen des FG hierzu ausreichen (BFH-Urteile vom 12.06.1997 - I R 72/96, BFHE 183, 30, BStBl II 1997, 660; vom 24.08.2005 - II R 16/02, BFHE 210, 515, BStBl II 2006, 36, und vom 04.06.2008 - I R 72/07, BFH/NV 2008, 1977).
c) Der streitgegenständliche Bescheid ist mit "Zinsbescheid über Prozesszinsen" überschrieben und verweist ausdrücklich auf § 236 AO. Das HZA hatte von Amts wegen entschieden; ein Antrag ist auch nicht erforderlich (Heuermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 236 AO Rz 35). Die Klägerin selbst hatte einen Antrag auf (unionsrechtliche) Zinsen erst mit Schreiben vom 11.03.2016 gestellt, wobei der Senat dahinstehen lässt, ob ein solcher Antrag nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil Irimie, EU:C:2013:250, Rz 23, HFR 2013, 659) erforderlich ist. Jedenfalls musste die Klägerin nicht davon ausgehen, dass das HZA bereits mit Bescheid vom 22.01.2016 konkret hierüber entschieden hatte.
2. Der Klägerin steht ein weitergehender Zinsanspruch zu, der sich direkt aus dem Unionsrecht ergibt. Die Rechtsprechung des EuGH zur Verzinsung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.
a) In ständiger Rechtsprechung geht der EuGH davon aus, dass sich im Fall von Steuerbeträgen, die unter Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrechts erhoben worden sind, ein Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Beträge, sondern auch der Beträge ergibt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an den Mitgliedstaat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch Einbußen aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Geldbeträgen. Der Anspruch auf Erstattung der Beträge einschließlich der Zinsen ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht (EuGH-Urteile Zuckerfabrik Jülich vom 27.09.2012 - C-113/10, C-147/10, und C-234/10, EU:C:2012:591, Rz 66, HFR 2012, 1210; Metallgesellschaft vom 08.03.2001 - C-397/98 und C-410/98, EU:C:2001:134, Rz 84 ff., HFR 2001, 628; Littlewoods Retail u.a. vom 19.07.2012 - C-591/10, EU:C:2012:478, Rz 24 ff., HFR 2012, 1018; Irimie, EU:C:2013:250, Rz 21, HFR 2013, 659, und Rafinăria Steaua Română vom 24.10.2013 - C-431/12, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat angeschlossen (Senatsbeschluss vom 05.12.2017 - VII B 85/17, BFH/NV 2018, 321; Senatsurteil in BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323).
b) Den bisherigen Entscheidungen des EuGH ist gemeinsam, dass ein Mitgliedstaat in Widerspruch zum Unionsrecht Abgaben erhoben hat. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall insofern, als es nicht um eine unionsrechtswidrige Erhebung einer Abgabe geht, sondern um eine unionsrechtswidrige Nichtgewährung einer obligatorischen Steuerbefreiung.
Der Klägerin stand aufgrund einer unmittelbaren Anwendung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL ein Anspruch auf die Vergütung der Energiesteuer zu, weil die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) diese Regelung nicht fristgerecht in deutsches Recht umgesetzt hatte (EuGH-Urteil Flughafen Köln/Bonn vom 17.07.2008 - C-226/07, EU:C:2008:429, HFR 2008, 1092). Unter Anwendung dieser EuGH-Rechtsprechung hatte das FG in seinem Urteil vom 09.12.2015 - 4 K 625/15 VE der Klägerin einen Vergütungsanspruch zugesprochen.
Nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL haben die Mitgliedstaaten Energieerzeugnisse, die bei der Stromerzeugung verwendet werden, von der Energiesteuer zu befreien. Wie diese Steuerbefreiung von den Mitgliedstaaten umgesetzt wird ‑‑ob als Ausnahme von der Besteuerung oder durch Gewährung von Entlastungsansprüchen‑‑ ist diesen überlassen. Mit Blick auf den Effektivitätsgrundsatz darf sich jedenfalls kein Nachteil für den Steuerpflichtigen daraus ergeben, dass die obligatorische Steuerbefreiung in einem Mitgliedstaat im Wege der Steuerentlastung realisiert wird, wie es in Deutschland durch §§ 49 und 53 EnergieStG geschehen ist. Wie der EuGH entschieden hat, entfaltet Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL unmittelbare Wirkung, so dass ein Wirtschaftsbeteiligter unter Berufung auf diese Vorschrift die Erstattung einer unter Verstoß gegen diese Bestimmung erhobene Steuer erwirken kann (EuGH-Urteil Flughafen Köln/Bonn, EU:C:2008:429, HFR 2008, 1092). Hinsichtlich der fehlenden Verfügbarkeit des Erstattungsbetrags darf ihm nach den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität eine angemessene Entschädigung nicht vorenthalten werden (EuGH-Urteile Irimie, EU:C:2013:250, HFR 2013, 659, und Rafinăria Steaua Română, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163). Insoweit ist die dargestellte EuGH-Rechtsprechung auf den Streitfall übertragbar.
c) Dem steht nicht entgegen, dass der Senat grundsätzlich nicht von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz auf (angemessene) Verzinsung rückständiger Staatsleistungen ausgeht, sondern das geltende Recht nur die Verzinsung nach Maßgabe genau umschriebener Tatbestände kennt (vgl. Senatsurteile vom 29.04.1997 - VII R 91/96, BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476; vom 06.05.2008 - VII R 10/07, BFH/NV 2008, 1714). Die genannten Entscheidungen befassten sich nicht mit der Verzinsung unionsrechtswidrig erhobener oder nicht erstatteter Abgaben, für die vorrangig die oben dargestellte EuGH-Rechtsprechung zu beachten ist.
3. Der Klägerin stehen unionsrechtliche Zinsen allerdings erst ab dem 10.12.2011 und ‑‑begrenzt durch die bereits festgesetzten Prozesszinsen‑‑ nur bis zum 25.02.2015 zu.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Mehrwertsteuerüberschuss und zur Durchsetzung des Neutralitätsprinzips steht der Steuerbehörde eine angemessene Frist für die Bearbeitung zu (vgl. EuGH-Urteile Enel Maritsa Iztok vom 12.05.2011 - C-107/10, EU:C:2011:298, Slg. 2011, I-3873, und Rafinăria Steaua Română, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163). Maßgeblich ist danach, in welchem angemessenen Zeitraum eine Bearbeitung des Erstattungsantrags erwartet werden kann. Dieser Zeitraum ist bei der Berechnung des Zinsanspruchs, der dem Ausgleich des infolge des vorübergehenden Kapitalentzugs entstandenen wirtschaftlichen Nachteils dient, zu berücksichtigen. Insoweit begrenzen die Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Vollzugs steuerrechtlicher Entlastungsregelungen den auf Unionsrecht beruhenden Zinsanspruch.
Nach diesen Grundsätzen ist auch bei der Prüfung von Anträgen auf Entlastung von der Energiesteuer der Behörde eine angemessene Bearbeitungszeit zuzubilligen. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung orientiert sich der Senat zur Bestimmung der Bearbeitungsfrist an den unionsrechtlichen Regelungen in der Richtlinie 2008/9/EG (RL 2008/9/EG) des Rates vom 12.02.2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (RL 2008/9/EG), weil darin die Wertung des Unionsgesetzgebers Ausdruck gefunden hat, welche Bearbeitungsfrist er für angemessen erachtet.
Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 RL 2008/9/EG muss der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Sodann stehen der Behörde gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 22 Abs. 1 RL 2008/9/EG insgesamt 4 Monate und 10 Arbeitstage zur Verfügung, um den Erstattungsantrag zu bearbeiten und den Erstattungsbetrag auszuzahlen. Muss die Behörde weitere Informationen beim Antragsteller anfordern, verlängert sich die Bearbeitungsfrist (vgl. Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 RL 2008/9/EG). Arbeitstage sind nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 03.06.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine alle Tage außer Feiertage, Sonntage und Sonnabende.
Eine Übernahme dieser Fristen für die vorliegende Konstellation erscheint dem Senat sachgerecht, weil auch bei der Energiesteuer wegen der für alle Antragsteller gleichen Abgabefristen für Entlastungsanträge mit einem erhöhten Antragsaufkommen zu bestimmten Zeiten zu rechnen ist.
Maßgebend für den Zinsbeginn ist die Abgabe des vollständigen Antrags auf Entlastung. Nur bei Vorlage eines ordnungsgemäßen und vollständigen Antrags wird die Behörde in die Lage versetzt, den Antrag zu bearbeiten und das Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Steuerentlastung festzustellen. Im Streitfall hat das FG nicht festgestellt, dass ein unvollständiger Antrag vorliegt, so dass der Senat von der Abgabe eines vollständigen Antrags am 25.07.2011 ausgeht.
Der Zinslauf beginnt mithin 4 Monate (25.11.2011) und 10 Arbeitstage (28.11.2011 bis 02.12.2011 und 05.12.2011 bis 09.12.2011) nach Abgabe dieses Antrags, also am 10.12.2011.
b) Schließlich ist der Anspruch der Klägerin begrenzt, weil bereits Zinsen nach § 236 AO festgesetzt wurden. Soweit der Klägerin bereits Zinsen zugesprochen wurden (ab Rechtshängigkeit 26.02.2015), steht einem weitergehenden Zinsanspruch der Zinsbescheid vom 22.01.2016 entgegen.
4. In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung obliegt es den Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Zahlung der Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode, festzulegen. Die Bedingungen müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität entsprechen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2018, 321, m.w.N.).
Nach § 238 Abs. 1 AO betragen die Zinsen für jeden Monat 0,5 %. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).
Die Berechnung der Zinsen wird dem HZA übertragen (§§ 121 Satz 1, 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.