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Urteil vom 20. Februar 2019, III R 44/18

Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 11.12.2018  III R 26/18 - Kindergeld; Abgrenzung zwischen mehraktiger Erstausbildung und Zweitausbildung bei Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt

ECLI:DE:BFH:2019:U.200219.IIIR44.18.0

BFH III. Senat

EStG § 62 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 63 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 32 Abs 1 Nr 1, EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a, EStG § 32 Abs 4 S 2, EStG § 32 Abs 4 S 3, EStG VZ 2013 , EStG VZ 2014 , EStG VZ 2015

vorgehend FG Düsseldorf, 19. Juni 2018, Az: 7 K 224/18 Kg

Leitsätze

1. NV: Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen.

2. NV: Eine einheitliche Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2018  7 K 224/18 Kg aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

  1. Streitig ist der Kindergeldanspruch von August 2013 bis Januar 2015.

  2. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater eines im April 1989 geborenen Sohnes (S). S erwarb im Juni 2009 die allgemeine Hochschulreife. Von August 2009 bis April 2010 leistete S Zivildienst und absolvierte von August 2010 bis Juli 2013 bei einer Gemeinde eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Ab November 2013 nahm er an dem Angestelltenlehrgang II eines Studieninstituts teil, bestand am 29. Juni 2016 die Zweite Prüfung für Angestellte im kommunalen Verwaltungsdienst und war damit berechtigt, die Berufsbezeichnung "Verwaltungsfachwirt" zu führen. Ab Juli 2013 übte S zudem eine Erwerbstätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden in der kommunalen Verwaltung aus.

  3. Der Kläger hatte am 4. Oktober 2010 Kindergeld beantragt und dabei angegeben, dass sich S vom 1. August 2010 bis 31. Juli 2013 in einer Berufsausbildung zum Verwaltungsangestellten befände. Am 6. Oktober 2017 beantragte der Kläger erneut Kindergeld und gab an, S habe sich von August 2010 bis Juli 2013 in einer Ausbildung zum Verwaltungsangestellten und von November 2013 bis Juli 2016 in der von Beginn an angestrebten Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt befunden.

  4. Die Beklagte und Revisionsklägerin (die Familienkasse) lehnte den letzteren Antrag vom 6. Oktober 2017 mit Bescheid vom 30. Oktober 2017 ab dem Monat August 2013 mit der Begründung ab, dass S seine Erstausbildung bereits abgeschlossen habe und neben der Ausbildung einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Den dagegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2018 als unbegründet zurück.

  5. Auf die hiergegen gerichtete Klage, mit der der Kläger eine Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum August 2013 bis Januar 2015 begehrte, verpflichtete das Finanzgericht (FG) die Familienkasse, Kindergeld ab August 2013 bis Januar 2015 festzusetzen.

  6. Mit der dagegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

  7. Die Familienkasse beantragt,
    das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  8. Der Kläger beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Denn der Senat kann aufgrund der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob die im Angestelltenlehrgang II am Studieninstitut durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sind.

  2. 1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird. In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

  3. a) Hinsichtlich der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale erstmalige Berufsausbildung und Erststudium hat der Senat entschieden, dass das Erststudium nur einen Unterfall des Oberbegriffes erstmalige Berufsausbildung darstellt (Senatsurteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 19 ff.) und der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird" (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 22 ff.). Die den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG begrenzenden Kriterien hat der Senat dabei vor allem in folgenden Punkten gesehen: Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Dieser muss auf einen Abschluss ausgerichtet sein, der in Form einer Prüfung erfolgt (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, wodurch insbesondere eine Abgrenzung gegenüber dem Besuch einer allgemein bildenden Schule erfolgen soll (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese dann eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 27). In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30). Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30). An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient (Senatsurteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615, Rz 15).

  4. b) Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind ‑‑wie der Senat mit Urteil vom 11. Dezember 2018 III R 26/18 (BFHE 263, 209) entschieden hat‑‑ für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist, fortzuentwickeln und zu präzisieren.

  5. Danach kann es an einer einheitlichen Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden, für die vor allem die nachfolgenden Kriterien von Bedeutung sind.

  6. aa) Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung kommt es auch darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen. Da die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegen wird, kann allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben. Führt das Kind etwa neben einer 22 Wochenstunden umfassenden Arbeitstätigkeit ein Vollzeitstudium an der Universität durch, kann auch weiter der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen (s. hierzu etwa BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166).

  7. bb) Weiter ist von Bedeutung, ob das Kind mit der nach Erlangung des ersten Abschlusses aufgenommenen Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete Berufstätigkeit auszuüben. Wird z.B. ein Geselle oder Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist. Denn ein solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und ausgeübten Beruf dienen. Nimmt das Kind dagegen eine Berufstätigkeit auf, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss eröffnet wäre (z.B. Aushilfstätigkeit in der Gastronomie oder im Handel) oder handelt es sich bei der Erwerbstätigkeit typischerweise um keine dauerhafte Berufstätigkeit (z.B. bei einem Bachelor, der während des nachfolgenden Masterstudiums mit 19 Stunden als wissenschaftliche Hilfskraft tätig ist und daneben drei Nachhilfestunden pro Woche gibt), kann das für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen.

  8. cc) Darüber hinaus ist in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild "neben der Ausbildung" durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Arbeitet das Kind dagegen annähernd vollzeitig und werden die Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt, deutet dies darauf hin, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur "neben der Berufstätigkeit" durchgeführt werden. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.

  9. c) Diese Fortentwicklung und Präzisierung des Erstausbildungsbegriffes widerspricht nicht der Begründung zum Entwurf des Steuervereinfachungsgesetzes 2011. Danach besteht nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten und damit nicht mehr zu berücksichtigen sei. Die Vermutung gilt durch den Nachweis als widerlegt, dass das Kind sich in einer weiteren Berufsausbildung befindet und tatsächlich keiner (schädlichen) Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt (BTDrucks 17/5125, S. 41). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber zwar ausgeführt, dass auch Ausbildungsgänge (z.B. Abendschulen, Fernstudium), die neben einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit durchgeführt werden, begünstigt werden sollen. Dies sollte aber nach der Gesetzesbegründung nur für Fälle gelten, in denen eine vorhergehende Berufsausbildung noch nicht durchgeführt worden ist. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes, welche sich aus der Begründung ergeben und auch in § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG ihren Niederschlag gefunden haben, wird erkennbar, dass ein weiterer Ausbildungsabschnitt nach Abschluss einer vorhergehenden Berufsausbildung nur dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung sein soll, wenn er im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur "Nebensache" wird.

  10. d) Soweit sich aus der Rechtsprechung des Senats in seinen Urteilen in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 und vom 8. September 2016 III R 27/15 (BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht weiter festgehalten. Der VI. Senat hat mitgeteilt, dass er einer Abweichung von seinem Urteil in BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166 zustimmt.

  11. 2. Das mit der Revision angegriffene Urteil entspricht nicht diesen fortentwickelten Rechtsgrundsätzen. Das Urteil ist daher aufzuheben.

  12. a) Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass S im Streitzeitraum August 2013 bis Januar 2015 die Voraussetzungen eines Berücksichtigungstatbestands nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllte. Denn S befand sich von August 2013 bis Oktober 2013 in einer Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und wurde ab November 2013 i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet. Dabei steht einem Kindergeldanspruch auch nicht entgegen, dass S im April 2014 das 25. Lebensjahr vollendete, da sich der Berücksichtigungszeitraum aufgrund des abgeleisteten neunmonatigen Zivildienstes gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG bis Januar 2015 verlängerte.

  13. b) Das FG hat jedoch nicht hinreichend geprüft, ob S mit seinem ab Juli 2013 eingegangenen Vollzeitarbeitsverhältnis als Angestellter im kommunalen Verwaltungsdienst bereits in den von ihm angestrebten Beruf eintrat und den parallel dazu betriebenen Verwaltungslehrgang II mit dem Berufsziel "Verwaltungsfachwirt" nicht mehr als Teil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern nur noch als berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme durchführte.

  14. 3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann auf der Grundlage der vom FG bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die von S aufgenommene Arbeitstätigkeit als Verwaltungsfachangestellter der Annahme einer Ausbildungseinheit zwischen der Ausbildung zum Verwaltungfachangestellten und dem Verwaltungslehrgang II entgegensteht.

  15. a) Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze wird das FG im zweiten Rechtsgang insbesondere zu prüfen haben, ob das Ausbildungsverhältnis eher dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt das Beschäftigungsverhältnis dem Ausbildungsverhältnis. Dabei bestünden keine Bedenken dagegen, die sich danach ergebende Bewertung, ob die Erstausbildung bereits mit der Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten abgeschlossen wurde, auch auf die vor Beginn des Angestelltenlehrgangs II liegende Übergangszeit zu erstrecken, sofern nicht besondere Umstände ersichtlich werden, die eine abweichende Beurteilung der Übergangszeit und des zweiten Ausbildungsabschnitts rechtfertigen.

  16. b) Im Übrigen teilt der Senat in Übereinstimmung mit dem FG nicht die Rechtsansicht der Familienkasse, dass eine Verbindung von zwei Ausbildungsabschnitten zu einer einheitlichen Erstausbildung bereits dann abgelehnt werden kann, wenn die Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung nicht spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts vorgelegt wird. Entgegen der aus der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz 2018 V 6.1 Abs. 1 Satz 8 abgeleiteten Verwaltungsauffassung genügt es, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind. Zwar kann der Zeitpunkt, zu dem der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet worden ist, ein Indiz für oder gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages sein, ebenso, dass ein Sachverhalt nicht oder falsch dargestellt wurde, weil die Rechtslage unzutreffend beurteilt worden war. Dies führt aber nicht dazu, dass der Anspruch auf die Leistung entfällt. Entscheidend ist nicht, was erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage. Denn es handelt sich hier nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung, sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende Tatsachenbekundung. Der Zeitpunkt des Eingangs einer entsprechenden Absichtserklärung bei der Familienkasse mag Bedeutung haben für die Frage, ob die Familienkasse im Falle des Fehlens anderer objektiver Beweisanzeichen verpflichtet ist, aktuell und fortlaufend Kindergeld zu gewähren. Soweit die Familienkasse z.B. im Einspruchsverfahren und nachfolgend das FG aber einen in der Vergangenheit liegenden Anspruchszeitraum zu beurteilen haben, lässt der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung, § 76 Abs. 1 und 4 FGO) keinen Raum dafür, erst nach Ablauf des Anspruchszeitraums entstandene oder bekannt gewordene Beweisanzeichen unberücksichtigt zu lassen.

  17. c) Ebenso wenig kann sich der Senat der Auffassung der Familienkasse anschließen, dass bereits jede von der Prüfungsordnung des zweiten Ausbildungsabschnitts als Prüfungsvoraussetzung geforderte Berufstätigkeit den notwendigen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten entfallen lässt. Eine solche Prüfungsvoraussetzung kann möglicherweise auch durch eine ohne besondere Qualifikationsanforderungen vor oder während des ersten Ausbildungsabschnitts durchgeführte Tätigkeit erfüllt werden. Ebenso ist denkbar, dass einer solchen Prüfungsvoraussetzung durch eine zwar während des zweiten Ausbildungsabschnitts durchgeführte, aber weniger als 20 Wochenstunden umfassende Arbeitstätigkeit genügt werden kann. Besteht in solchen Fällen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten, hielte es der Senat nicht für gerechtfertigt, allein aus einer solchen Prüfungsvoraussetzung eine Zäsur abzuleiten, obwohl die Arbeitstätigkeit die Ausbildung nicht unterbricht und die zweite Ausbildungsphase durch die Ausbildung und nicht durch die Arbeitstätigkeit geprägt wird.

  18. Im Übrigen hat das FG nicht festgestellt, dass der Abschluss zum Verwaltungsfachwirt eine vorangegangene Berufstätigkeit voraussetzt. Der Kläger bestreitet das Bestehen einer entsprechenden Prüfungsvoraussetzung.

  19. 4. Nachdem die Revision der Familienkasse bereits mit der Sachrüge Erfolg hat, muss über die Verfahrensrüge nicht mehr entschieden werden (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 36/14, BFH/NV 2017, 327, Rz 16, m.w.N.).

  20. 5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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