ECLI:DE:BFH:2019:U.100719.XIR28.18.0
BFH XI. Senat
UStG § 14 Abs 4 S 1 Nr 5, UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, EGRL 112/2006 Art 226 Nr 6, FGO § 118 Abs 2, UStG VZ 2010
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 18. Juni 2018, Az: 1 K 1828/17
Leitsätze
1. Zur Frage, welchen Anforderungen Rechnungsangaben zur Bezeichnung der Menge und der Art der gelieferten Gegenstände i.S. des Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL genügen müssen, kann sich ein Unternehmer darauf berufen, dass die von ihm verwendeten Bezeichnungen "handelsüblich" i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG sind .
2. Die Tatsacheninstanz muss ‑‑u.U. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen‑‑ ermitteln, welche Angabe der Art der gelieferten Gegenstände unter Berücksichtigung von Handelsstufe, Art und Inhalt des Geschäftes und dem Wert der einzelnen Waren handelsüblich ist .
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 19.06.2018 - 1 K 1828/17 aufgehoben.
Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb im Streitjahr (2010) einen Handel mit Textilien, insbesondere mit sog. niedrigpreisiger Bekleidung.
In seinen Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite bis vierte Kalendervierteljahr 2010 machte er u.a. Vorsteuern in Höhe von insgesamt ... € aus insgesamt 27 Rechnungen eines Lieferanten über eine Vielzahl abgerechneter Textillieferungen geltend.
Die streitgegenständlichen Rechnungen enthalten die Angaben "T-Shirt", "Bluse", "Tops", "Kleid", "Hosen" und ähnliche Bezeichnungen, (hohe) Stückzahlen sowie den Ausweis von Einzelpreisen. Teilweise ist mehrfach dieselbe Bezeichnung der gelieferten Gegenstände enthalten, die nur durch die Angabe einer unterschiedlichen Anzahl und eines unterschiedlichen Preises pro Stück ergänzt wird. Sonstige Belege ‑‑wie Bestellunterlagen, Lieferscheine, Korrespondenz mit den Lieferanten‑‑ liegen nicht vor.
Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das zweite bis vierte Kalendervierteljahr 2010 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Vorsteuerabzug aus den streitgegenständlichen Rechnungen, da er davon ausging, dass den Rechnungen kein tatsächlicher Leistungsaustausch zugrunde liege, und setzte die Umsatzsteuer für 2010 mit Bescheid vom 20.08.2013 in Höhe von ... € fest.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.09.2017 wies das FA den Einspruch des Klägers zurück, da nicht nur Zweifel an einem tatsächlichen Leistungsaustausch vorlägen, sondern ein Vorsteuerabzug bereits an einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung und der nicht ordnungsgemäßen Angabe der Adresse des Lieferanten scheitere.
Das Hessische Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 19.06.2018 - 1 K 1828/17 (juris) als unbegründet ab, da die streitgegenständlichen Rechnungen den Anforderungen zur Ausübung des Vorsteuerabzugs mangels hinreichender Leistungsbeschreibungen nicht genügten.
Es führte im Wesentlichen aus, dass für eine hinreichende Leistungsbeschreibung in einer ordnungsgemäßen Rechnung eine Beschaffenheitsbeschreibung dergestalt notwendig sei, dass die zu einer Identifizierung notwendigen und erforderlichen Merkmale beschrieben werden. Die bloße Angabe einer Gattung stelle keine handelsübliche Bezeichnung dar. Diesbezüglich schließe man sich den Ausführungen im Urteil des Hessischen FG vom 23.06.2015 - 6 K 1826/12 (juris) an. Danach sei die Identifikation von Kleidungsstücken allein über abstrakte Warenbezeichnungen im Vergleich zur großen Mehrheit der Textileinzelhändler nicht "handelsüblich". Auch im sog. Niedrigpreissegment des Textileinzelhandels erfolge der typische Weiterverkauf an Endverbraucher in einem Ladenlokal nach Ausstellung und Anprobe, was eine Sortierung nach Modelltypen und Größen erfordere. Es liege nicht im Interesse eines Einzelhändlers, das Risiko einzugehen, in nahezu unbegrenzter Menge ein immer gleiches Kleidungsstück in der immer gleichen Größe zu erhalten. Daher sei es nicht handelsüblich, in großen Mengen Kleidungsstücke zu beziehen, deren Größe und Modelltyp anhand der Rechnung in keiner Weise überprüft werden könne. Hinsichtlich der Handelsüblichkeit einer Bezeichnung sei nicht nach verschiedenen Verkehrskreisen ‑‑nämlich dem Handel mit Waren im mittleren und oberen Preissegment einerseits, dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits‑‑ zu differenzieren.
Der Kläger macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend. Er führt u.a. aus, das FG habe einen unzutreffenden Gesetzeszweck mit der Annahme unterstellt, dass die Einzelidentifikation dazu diene, eine mehrfache Abrechnung zu verhindern. Zudem rügt er, das FG habe fälschlicherweise die Handelsüblichkeit der verwendeten Bezeichnungen in Bezug auf Textileinzelhändler ermittelt, während hier auf die Bezeichnungen im Großhandel abzustellen sei. Danach sei bei Kleidungslieferungen im Großhandel selbstverständlich, dass diese in einem ausgewogenen Verhältnis an Größen und Farben geliefert würden. Eine Beschaffenheitsbeschreibung unter Angabe von Größen und Farben sei nicht üblich.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2017 den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 20.08.2013 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von ... € zum Abzug zugelassen werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es trägt vor, Zweck der Rechnungsangaben sei auch, dass die Finanzverwaltung zur Verhinderung von Steuerhinterziehung kontrollieren könne, ob eine mehrfache Abrechnung der erbrachten Leistungen erfolgt sei. Selbst wenn im Niedrigpreissektor unter Berücksichtigung des bei großen Liefermengen greifenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Anforderungen geringer sein könnten, sei die Angabe gewisser Identifizierungsmerkmale sowohl zumutbar als auch erforderlich, zumal sich diese bereits durch Verweis auf Geschäftsunterlagen ergeben könnten. Im Übrigen bestünden erhebliche Zweifel an einem tatsächlichen Leistungsaustausch zwischen dem Rechnungsaussteller und dem Kläger, da ein entsprechender Wareneinkauf beim Rechnungsaussteller nicht belegbar sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Zwar hat das FG zu Recht angenommen, dass die nach unionsrechtlichen Vorgaben notwendigen Rechnungsangaben im Rahmen ihres Kontrollzwecks auch dem Ausschluss der mehrfachen Abrechnung derselben Leistung dienen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14.10.2002 - V B 9/02, BFH/NV 2003, 213, unter II.1., Rz 15; vom 05.02.2010 - XI B 31/09, BFH/NV 2010, 962, Rz 8; BFH-Urteil vom 15.05.2012 - XI R 32/10, BFH/NV 2012, 1836, Rz 43). Allerdings genügt nach der nationalen Regelung in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als Angabe der Art der gelieferten Gegenstände deren "handelsübliche Bezeichnung". Die Feststellungen der Vorinstanz zur Handelsüblichkeit der streitgegenständlichen Angaben tragen die Entscheidung nicht, so dass im zweiten Rechtsgang Ermittlungen dazu erforderlich sind, ob die von den Lieferanten verwendeten Bezeichnungen unter Berücksichtigung der Handelsstufe, Art und Inhalt der Lieferungen handelsüblich sind. Außerdem wird das FG zu klären haben, ob den streitgegenständlichen Rechnungen tatsächlich jeweils ein Leistungsaustausch zugrunde lag.
1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Unionsrechtliche Grundlage ist insofern Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine Rechnung besitzen muss, die die in Art. 226 MwStSystRL aufgeführten Angaben enthält.
2. Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss grundsätzlich die dem Unternehmer erteilte Rechnung ordnungsgemäß sein und den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen (BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 1836, Rz 37; vom 16.01.2014 - V R 28/13, BFHE 244, 126, BStBl II 2014, 867, Rz 10). Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung hat daher nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG folgende Angaben zu enthalten: "die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung".
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind diese Anforderungen dahingehend auszulegen, dass die Rechnung Angaben tatsächlicher Art enthalten muss, die die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen, ohne dass dabei eine erschöpfende Beschreibung der konkret erbrachten Leistungen erforderlich ist. Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahingehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung, über die abgerechnet worden ist, ermöglichen. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzung erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH-Urteile in BFHE 244, 126, BStBl II 2014, 867, Rz 12; vom 01.03.2018 - V R 18/17, BFHE 261, 187, Rz 15 f., jeweils m.w.N.). Mit der ‑‑aus der Vorgängerregelung in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG i.d.F. bis zum 31.12.2003‑‑ übernommenen Formulierung "handelsübliche Bezeichnung" (im Klammerzusatz) verweist § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG auf die (besonderen) Abrechnungsgepflogenheiten unter Kaufleuten (vgl. BFH-Beschluss vom 14.03.2019 - V B 3/19, BFHE 263, 571, Rz 18).
b) Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist für das Streitjahr Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL. Hiernach müssen ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke u.a. "Menge und Art der gelieferten Gegenstände beziehungsweise Umfang und Art der erbrachten Dienstleistung" enthalten. Eine Bezugnahme auf die Handelsüblichkeit der verwendeten Bezeichnung enthält der Wortlaut des Unionsrechts nicht (vgl. auch die englische Fassung: "... nature of the goods supplied" oder die französische Fassung: "... la nature des biens livrés").
c) Die formellen Anforderungen des Vorsteuerabzugs regeln die Modalitäten und die Kontrolle seiner Ausübung sowie das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Astone vom 28.07.2016 - C-332/15, EU:C:2016:614, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2017, 457, Rz 47, m.w.N.). Insbesondere die Anforderungen des Art. 226 MwStSystRL an die Angaben in einer Rechnung stellen formelle Voraussetzungen des Abzugsrechts dar (EuGH-Urteile Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos vom 15.09.2016 - C-516/14, EU:C:2016:690, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2016, 795, Rz 41; Senatex vom 15.09.2016 - C-518/14, EU:C:2016:691, UR 2016, 800, Rz 29; Paper Consult vom 19.10.2017 - C-101/16, EU:C:2017:775, Mehrwertsteuerrecht ‑‑MwStR‑‑ 2017, 991, Rz 40; Vadan vom 21.11.2018 - C-664/16, EU:C:2018:933, HFR 2019, 65, Rz 40; EuGH-Beschluss Mennica Wrocławska vom 13.12.2018 - C-491/18, EU:C:2018:1042, Rz 33).
aa) Dabei sollen die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, den Steuerverwaltungen es insbesondere ermöglichen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren (vgl. EuGH-Urteile Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos, EU:C:2016:690, UR 2016, 795, Rz 27, mit Verweis auf Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 18.02.2016 zur Rechtssache C-516/14, EU:C:2016:101, Rz 46; Geissel und Butin vom 15.11.2017 - C-374/16 und C-375/16, EU:C:2017:867, UR 2017, 970, Rz 41; BFH-Urteil in BFHE 261, 187, Rz 16). Dazu gehört auch, dass ausgeschlossen werden kann, dass eine Leistung mehrfach abgerechnet wird (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 213, unter II.1., Rz 15; in BFH/NV 2010, 962, Rz 8; BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1836, Rz 43).
bb) Regelmäßig dürfte die nach diesen Maßstäben erforderliche Bezeichnung mit derjenigen übereinstimmen, mit der auch der Hersteller die Waren üblicherweise in den Verkehr bringt und die damit handelsüblich ist (so auch FG Hamburg, Urteil vom 30.09.2015 - 5 K 85/12, juris, Rz 47; BeckOK UStG/Weymüller, 21. Ed. 24.04.2019, UStG § 14 Rz 355.4). Denn eine "handelsübliche Bezeichnung" muss den Erfordernissen von Kaufleuten genügen, d.h. sie soll ‑‑ebenso wie für Umsatzsteuerzwecke‑‑ den Abgleich zwischen konkret gelieferter und in Rechnung gestellter Ware ermöglichen, um etwaige Mängel dem Verkäufer unverzüglich anzuzeigen, da die gelieferte Ware nach § 377 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs ansonsten als genehmigt gilt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 263, 571, Rz 18). Somit wird dem Klammerzusatz in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG im Regelfall nur erläuternde und indizielle Bedeutung zukommen.
d) Im Bereich des Vorsteuerabzugs können die Mitgliedstaaten nach Art. 273 MwStSystRL zwar weitere Verpflichtungen vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden. Diese Möglichkeit darf aber nicht dazu genutzt werden, zusätzlich zu den namentlich in Art. 226 MwStSystRL genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen (EuGH-Urteile Pannon Gép Centrum vom 15.07.2010 - C-368/09, EU:C:2010:441, UR 2010, 693, Rz 41; Polski Trawertyn vom 01.03.2012 - C-280/10, EU:C:2012:107, UR 2012, 366, Rz 42; Evita-K vom 18.07.2013 - C-78/12, EU:C:2013:486, UR 2014, 475, Rz 51; Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos, EU:C:2016:690, UR 2016, 795, Rz 25; Geissel und Butin, EU:C:2017:867, UR 2017, 970, Rz 36 ff.). Daher müssen nach Art. 226 MwStSystRL ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die darin genannten Angaben enthalten (vgl. EuGH-Urteil Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos, EU:C:2016:690, UR 2016, 795, Rz 25).
aa) Dementsprechend ist der Klammerzusatz "handelsübliche Bezeichnung" in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG in Übereinstimmung mit den o.g. Vorgaben unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass dies keine zusätzliche ‑‑verschärfende‑‑ Voraussetzung für den Vorsteuerabzug darstellt. Insofern genügt jede Bezeichnung der Art der gelieferten Gegenstände den formellen Vorsteuerabzugsvoraussetzungen, die unter die unionsrechtliche Definition "Menge und Art der gelieferten Gegenstände" fällt. Die Prüfung, ob dies im jeweiligen Einzelfall erfüllt ist, obliegt der jeweiligen Tatsacheninstanz (EuGH-Urteil Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos, EU:C:2016:690, UR 2016, 795, Rz 28).
Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der durch § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 (BGBl I 2003, 2645) die Vorgaben der sog. Rechnungsrichtlinie (Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20.12.2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungsstellung) umsetzen wollte (BRDrucks 630/03, 82; BTDrucks 15/1562, 48).
bb) Soweit die Verwendung der "handelsüblichen Bezeichnung", d.h. einer im Geschäftsverkehr für einen Gegenstand allgemein bzw. üblicherweise verwendeten Bezeichnung (vgl. Erkenntnis des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs ‑‑ÖVwGH‑‑ vom 23.02.2005 - 2001/14/0002, abrufbar im "Rechtsinformationssystem des Bundes" unter www.ris.bka.gv.at; FG Münster, Urteil vom 14.03.2019 - 5 K 3770/17 U, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2019, 1137, Rz 67; Abschn. 14.5 Abs. 15 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) eine Vereinfachung im geschäftlichen Verkehr darstellt und damit eventuell von den Mindestvorgaben des Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL abweicht (vgl. Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 14 Rz 102), könnte sie für den Unternehmer "günstiger" sein. Dann ginge dies dem Unionsrecht vor, selbst wenn es dem Unionsrecht widersprechen würde (BFH-Urteile vom 25.11.2004 - V R 4/04, BFHE 208, 470, BStBl II 2005, 415, unter II.4.c, Rz 37, m.w.N.; vom 18.08.2005 - V R 42/03, BFHE 211, 537, BStBl II 2006, 44, unter II.4., Rz 41; vom 24.08.2017 - V R 25/16, BFHE 259, 171, Rz 14). Insofern kann der Klammerzusatz nicht völlig unbeachtet bleiben (a. A. FG Münster in EFG 2019, 1137, Rz 66, 74). Vielmehr kommt ihm als nationalem "Hilfsmerkmal" eigenständige Bedeutung zu, da sich der Unternehmer darauf berufen kann, dass die Voraussetzungen nach nationalen Vorgaben erfüllt sind.
cc) Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass Handelsgepflogenheiten nicht Gesetze auslegen könnten, sondern sich am Gesetz ausrichten müssten (so aber Kulmsee, EFG 2019, 1140), denn der Handel muss seine Bezeichnungen nicht anpassen, wenn der Gesetzgeber handelsübliche Bezeichnungen ausdrücklich ausreichen lässt.
3. Gemessen daran hält die Vorentscheidung den Angriffen der Revision nicht stand und ist aufzuheben.
Das FG hat den Sachverhalt zwar dahingehend gewürdigt, dass die in den Rechnungen enthaltene bloße Angabe einer Gattung, wie z.B. "T-Shirt", "Bluse", "Tops", "Kleid", "Hosen" und ähnliche Bezeichnungen, keine handelsübliche Bezeichnung darstelle. Allerdings ist diese Würdigung für den Senat nicht bindend, da das FG bei seinen Erwägungen hierzu weder von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen noch nachvollziehbar ist, auf welchen Ermittlungen und Erwägungen sie beruht.
a) Zwar obliegt die Subsumtion der im vorliegenden Streitfall verwendeten Bezeichnungen unter den Begriff "handelsübliche Bezeichnung" nach nationalem Verfahrensrecht dem FG (vgl. BFH-Beschluss vom 29.03.2016 - XI B 77/15, BFH/NV 2016, 1181, Rz 22) und bindet den BFH als Sachverhaltswürdigung grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO.
b) Dies gilt jedoch nur, wenn die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung frei von Verfahrensfehlern ist und weder Widersprüche noch einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze enthält und zumindest möglich ist (BFH-Urteile vom 01.03.2016 - XI R 11/14, BFHE 253, 438, BStBl II 2016, 753, Rz 21; vom 13.06.2018 - XI R 2/16, BFHE 262, 187, BStBl II 2018, 678, Rz 7; vom 14.11.2018 - XI R 16/17, BFHE 263, 71, Rz 25, m.w.N.). Außerdem hat der BFH im Rahmen der revisionsrechtlichen Kontrolle auch nachzuprüfen, ob das FG die für die Subsumtion bedeutsamen Begleitumstände erforscht und zutreffend gewürdigt hat (BFH-Urteile vom 28.08.2013 - XI R 4/11, BFHE 243, 41, BStBl II 2014, 282, Rz 47; vom 03.08.2017 - V R 15/17, BFHE 258, 566, Rz 26; in BFHE 263, 71, Rz 23 f.; vom 14.02.2019 - V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 27, jeweils m.w.N.).
c) Im Streitfall ist die Vorinstanz hinsichtlich der Handelsüblichkeit der verwendeten Bezeichnungen bereits von nicht tragfähigen Prämissen ausgegangen.
Zum einen nimmt das FG auf "Ermittlungen" des Hessischen FG im Urteil vom 23.06.2015 - 6 K 1826/12 (juris) zur Handelsüblichkeit von Bezeichnungen im Einzelhandel Bezug und hält diese auf Großhändler für übertragbar, da auch deren Waren mittelbar über weitere Händler in den Einzelhandel gelangen würden. Allerdings ist bereits der Schluss aus den Bedürfnissen des Einzelhandels darauf, was im Großhandel üblich sei, bei der Feststellung der tatsächlich im Großhandel allgemein gebräuchlichen Bezeichnungen nicht zulässig.
Zum anderen geht es fälschlicherweise davon aus, dass nicht nach verschiedenen Verkehrskreisen ‑‑nämlich dem Handel mit Textilien im mittleren und oberen Preissegment einerseits und dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits‑‑ zu differenzieren sei. Vielmehr ist die Handelsüblichkeit einer Bezeichnung immer von den Umständen des Einzelfalles, wie etwa der jeweiligen Handelsstufe, Art und Inhalt des Geschäftes und insbesondere dem Wert der einzelnen Waren, abhängig (vgl. ÖVwGH, Erkenntnis vom 23.02.2005 - 2001/14/0002).
Schließlich hat das FG in keiner Weise dargelegt, aufgrund welcher Tatsachenermittlungen es zu dem Ergebnis kommt, dass die Bezeichnung im gegebenen Zusammenhang nicht als handelsüblich angesehen werden kann. So fehlen Feststellungen dazu, welche Bezeichnungen und Mengenangaben statt den von den Lieferanten verwendeten handelsüblich seien, wie die Geschäfte auf der Handelsstufe des Klägers abgewickelt werden und welche konkretere Beschreibungen allgemein gebräuchlich seien (vgl. ÖVwGH, Erkenntnis vom 23.02.2005 - 2001/14/0002; Ruppe/Achatz, Kommentar zum österreichischen Umsatzsteuergesetz, 5. Aufl., § 11 Rz 68).
Damit fehlt es im Streitfall an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für eine Sachverhaltswürdigung. Hierin liegt ein materiell-rechtlicher Fehler, der zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. allgemein z.B. BFH-Urteile vom 25.09.2014 - III R 10/14, BFHE 247, 239, BStBl II 2015, 655, Rz 28; vom 25.10.2016 - I R 54/14, BFHE 256, 66, BStBl II 2017, 1216, Rz 10, jeweils m.w.N.; vom 08.02.2017 - I R 55/14, BFH/NV 2017, 1588, Rz 15).
4. Die Sache ist nicht spruchreif.
Es kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht sicher darauf geschlossen werden, dass die in den streitgegenständlichen Rechnungen verwendete Angabe der Art der gelieferten Gegenstände unter Berücksichtigung von Handelsstufe, Art und Inhalt des Geschäftes und dem Wert der einzelnen Waren nicht handelsüblich ist und damit den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG genügt. Das FG wird somit im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Ermittlungen zur handelsüblichen Bezeichnung der gelieferten Gegenstände ‑‑möglicherweise unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen‑‑ vorzunehmen haben.
Zudem hat es festzustellen, ob den streitgegenständlichen Rechnungen tatsächlich ein Leistungsaustausch zugrunde lag (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse vom 16.05.2019 - XI B 13/19, BFHE 264, 521; vom 16.05.2019 - XI B 14/19, BFH/NV 2019, 931). Denn das Recht auf Vorsteuerabzug hängt davon ab, dass die entsprechenden Umsätze tatsächlich bewirkt wurden; kein Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn die Lieferung des Gegenstands nicht bewirkt wurde (vgl. EuGH-Urteil SGI vom 27.06.2018 - C-459/17, C-460/17, EU:C:2018:501, UR 2018, 684, Rz 36, 40 f.). Außerdem ist ‑‑unabhängig von der Erfüllung formeller Rechnungsanforderungen‑‑ das Recht auf den Vorsteuerabzug auch zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (EuGH-Urteile Paper Consult, EU:C:2017:775, MwStR 2017, 991, Rz 43, m.w.N.; Dobre vom 07.03.2018 - C-159/17, EU:C:2018:161, HFR 2018, 419, Rz 36; Gamesa Wind Romania vom 12.09.2018 - C-69/17, EU:C:2018:703, HFR 2018, 926, Rz 39, m.w.N.).
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.