ECLI:DE:BFH:2018:U.201218.IVR2.16.0
BFH IV. Senat
FGO § 48 Abs 1 Nr 1, EStG § 15b Abs 1, EStG § 15b Abs 4 S 5, AO § 179, AO § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a, ZPO § 240, UmwG § 2 Nr 1, UmwG § 20, InsO § 80 Abs 1, EStG VZ 2008
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 07. Dezember 2015, Az: 6 K 6215/12
Leitsätze
Werden verrechenbare Verluste nach § 15b Abs. 4 Satz 5 EStG gesondert und einheitlich festgestellt, gelten für die Klagebefugnis dieselben Grundsätze wie für die Anfechtung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2015 6 K 6215/12 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Tatbestand
I. Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die X-GmbH & Co. KG. Über ihr Vermögen und über das ihrer Komplementär-GmbH, der M-GmbH, wurde im Juni 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin ist aufgrund Verschmelzungsvertrags vom ...2011 Rechtsnachfolgerin der Z-GmbH & Co. KG (Z-KG) geworden. Die Z-KG war im Dezember 2005 gegründet worden. Sie sollte als ...-Fonds tätig werden und auf Grundlage eines aufgelegten Prospekts zur Kapitalaufbringung weitere Kommanditisten aufnehmen. Der Prospekt wies zur Erläuterung der steuerlichen Grundlagen für eine Beteiligung als Kommanditist darauf hin, dass die Tatbestandsvoraussetzungen eines Steuerstundungsmodells i.S. des § 15b des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (EStG) vorlägen, da die Gesellschafter sich an einem vorgefertigten Fondskonzept beteiligten und die prognostizierten Anfangsverluste 10 % der Kommanditeinlagen überstiegen.
Im Jahr 2007 wurden 286 Kommanditisten der Z-KG in das Handelsregister eingetragen. Darunter befanden sich auch die beiden Beigeladenen. Diese veräußerten im Streitjahr 2008 ihre Kommanditanteile an der Z-KG wieder. Der Beigeladene zu 1. veräußerte seinen Anteil zu einem Preis unterhalb seiner Anschaffungskosten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) stellte die Einkünfte für die Z-KG betreffend das Streitjahr 2008 zunächst auf Grundlage des von ihr erklärten Verlustes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesondert und einheitlich fest (Gewinnfeststellung). Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Z-KG kamen die Prüfer jedoch zu dem Schluss, dass die für die Beigeladenen ermittelten Verluste nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich verrechenbar nach § 15b EStG seien. Das FA folgte dieser Auffassung und stellte in geänderten Feststellungsbescheiden vom 21. September 2011 verrechenbare Verluste nach § 15b Abs. 4 EStG für das Jahr 2008 fest. Für den Beigeladenen zu 1. wurden dabei 8.531,68 € festgestellt. Das hiergegen durchgeführte Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Das von der Klägerin angerufene Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) beschloss die Beiladung der beiden ausgeschiedenen Gesellschafter und gab der Klage mit Urteil vom 8. Dezember 2015 insoweit statt, als die Feststellung verrechenbarer Verluste nach § 15b Abs. 4 EStG für den Beigeladenen zu 1. betreffend die Z-KG auf den 31. Dezember 2008 um 8.500 € vermindert wurde. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung von § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG.
Es beantragt,
das Urteil des FG vom 8. Dezember 2015 6 K 6215/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Das Revisionsverfahren ist weder wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin noch wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Komplementärin gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen worden.
1. Für den Gewinnfeststellungsbescheid ist entschieden, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft das Gewinnfeststellungs-, Rechtsbehelfs-, Klage- und Revisionsverfahren unberührt lässt, da die (steuerrechtlichen) Folgen des Gewinnfeststellungsbescheids nur die Gesellschafter persönlich und nicht den nach Insolvenzrecht abzuwickelnden Vermögensbereich der Personengesellschaft selbst betreffen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 13. Juli 1967 IV 191/63, BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790; vom 11. Oktober 2007 IV R 52/04, BFHE 219, 129, BStBl II 2009, 705, unter II.B.; vom 20. Mai 2010 IV R 74/07, BFHE 229, 71, BStBl II 2010, 1104, Rz 17, und vom 7. Juni 2018 IV R 11/16, Rz 29).
Auch die im Zusammenhang mit der gesonderten und einheitlichen Einkünftefeststellung getroffenen Feststellungen über die fehlende Ausgleichsfähigkeit und eingeschränkte Verrechenbarkeit von Verlusten im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen nach § 15b EStG betreffen lediglich die Einkünfte der hieran beteiligten Gesellschafter, nicht den Vermögensbereich der Personengesellschaft selbst. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft erstreckt sich der Übergang der Befugnisse zur Vermögensverwaltung nach § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) deshalb, ebenso wie bei der der Gewinnfeststellung selbst, nicht auf die Feststellungen nach § 15b Abs. 4 EStG. Das Besteuerungsverfahren, das finanzgerichtliche Verfahren wie auch ein Revisionsverfahren bleiben deshalb von einem solchen Insolvenzverfahren unberührt.
2. Im Streitfall hat darüber hinaus auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der M-GmbH, der Komplementär-GmbH der Klägerin, keine Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren. Denn die M-GmbH ist vom Ausgang des Klageverfahrens unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen.
III. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage als unzulässig (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
1. Das FG hat zu Recht die Klage als von der Klägerin erhoben angesehen. Zwar ist im Rubrum der Klage die Z-KG genannt. Aus der später vorgelegten Vollmacht ist aber zu entnehmen, dass für die Klägerin Klage erhoben werden sollte. So hat auch das FA die Klage verstanden.
2. Die Klagebefugnis in Bezug auf Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen richtet sich nach § 48 FGO. Diese Vorschrift betrifft ihrem eindeutigen Wortlaut nach alle Bescheide über gesonderte und einheitliche Feststellungen, mithin auch die gesonderte und einheitliche Feststellung verrechenbarer Verluste nach § 15b Abs. 4 Satz 5 EStG. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist die Personengesellschaft befugt, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Klage gegen den Feststellungsbescheid zu erheben. Tritt ein Gesamtrechtsnachfolger an die Stelle der klagebefugten Gesellschaft, geht die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ‑‑anders als die Klagebefugnis betreffend einen an die Gesellschaft als Steuerschuldner gerichteten Bescheid‑‑ nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Vielmehr lebt die durch § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. September 2015 IV R 8/13, BFHE 251, 25, BStBl II 2015, 1046).
3. Im Streitfall ist danach die ursprünglich bestehende Befugnis der Z-KG zur Erhebung eines Rechtsbehelfs gegen die Feststellung verrechenbarer Verluste im Zusammenhang mit der Feststellung ihrer Einkünfte durch deren liquidationslose Vollbeendigung infolge ihrer Verschmelzung auf die Klägerin bereits während des Einspruchsverfahrens erloschen. Klagebefugt wären nur die Beigeladenen als die einzigen von der beanstandeten Feststellung verrechenbarer Verluste betroffenen ehemaligen Gesellschafter der Z-KG gewesen, nicht aber die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Z-KG.
4. Die Klage kann nicht in eine solche der ehemaligen Gesellschafter der Z-KG umgedeutet werden.
Zwar kann im Wege rechtsschutzgewährender Auslegung eine namens der vollbeendeten Personengesellschaft erhobene Klage als eine solche der ehemaligen Gesellschafter anzusehen sein, wenn das Rubrum der Klage spiegelbildlich dem insoweit unzutreffenden Rubrum der Einspruchsentscheidung entspricht und dem FA die Vollbeendigung der Personengesellschaft bei Erlass der Einspruchsentscheidung bereits bekannt war (BFH-Urteile vom 22. Januar 2015 IV R 62/11, Rz 18, und in BFHE 251, 25, BStBl II 2015, 1046, Rz 8, m.w.N.). Dies setzt aber voraus, dass der die Klage einreichende Bevollmächtigte auch von diesen Gesellschaftern bevollmächtigt ist.
Im Streitfall kommt eine solche Umdeutung danach nicht in Betracht. Die Einspruchsentscheidung ist zwar gegenüber der im Zeitpunkt der Bekanntgabe vollbeendeten Z-KG ergangen. Allerdings waren die Beigeladenen als zum Einspruchsverfahren Hinzugezogene und nicht von einem Bevollmächtigten vertretene Gesellschafter ebenfalls Adressaten der Einspruchsentscheidung. Nach den eigenen Angaben der Bevollmächtigen gegenüber dem FG war sie allein von der Klägerin, nicht aber von den Beigeladenen als ehemalige Kommanditisten der Z-KG bevollmächtigt worden. Danach kann auch bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs nicht angenommen werden, dass die ausdrücklich nur namens der Klägerin erhobene Klage für die Beigeladenen als ehemalige Gesellschafter erhoben worden sein sollte. Ob dem FA bei Erlass der Einspruchsentscheidung die Vollbeendigung der Z-KG bekannt war, kann insoweit dahinstehen.
5. Das Urteil des FG ist aufzuheben und, da Spruchreife gegeben ist, die Klage mangels Zulässigkeit abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, § 139 Abs. 4 FGO.