ECLI:DE:BFH:2018:U.071118.IIR38.15.0
BFH II. Senat
BGB § 328 Abs 1, BGB § 330, BGB § 525 Abs 1, GrEStG § 1 Abs 1 Nr 1, GrEStG § 3 Nr 2, AO § 42, GrEStG § 3 Nr 6
vorgehend FG Düsseldorf, 30. Juni 2015, Az: 7 K 1256/14 GE
Leitsätze
1. Die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Geschwistern, die ein Elternteil in einem Schenkungsvertrag durch Auflage gegenüber dem beschenkten Kind angeordnet hat, kann ‑‑ebenso wie die Verpflichtung hierzu‑‑ aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften von der Grunderwerbsteuer befreit sein, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb im Grunde als abgekürzter Übertragungsweg darstellt .
2. Die Steuerfreiheit des Grundstückserwerbs kann sich aus der mehrfachen Anwendung derselben grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschrift für die unterbliebenen Zwischenerwerbe ergeben .
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2015 7 K 1256/14 GE wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Schwester waren je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks 1, das ihnen ihre Mutter am 20. Dezember 2002 unter Vorbehalt eines Nießbrauchs übertragen hatte.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12. August 2010 übertrug die Mutter das Grundstück 2 auf die Schwester unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs. In Ziff. II § 4 des Vertrags ordnete die Mutter als Auflage an, dass die Schwester verpflichtet ist, ihren hälftigen Anteil an dem Grundstück 1 (Miteigentumsanteil) auf den Kläger unentgeltlich unter Übernahme der im Grundbuch zugunsten der Mutter eingetragenen Belastungen ‑‑des Nießbrauchs und einer Rückauflassungsvormerkung‑‑ zu übertragen. Der Kläger muss sich diesen Erwerb auf seinen Pflichtteilsanspruch bei dem Tod der Mutter anrechnen lassen. Die Schwester übertrug ihren hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück 1 auf den Kläger zur Erfüllung der Auflage (Ziff. III des Vertrags). Der hälftige Verkehrswert des Grundstücks 1 wurde mit 144.000 € angegeben.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte gegenüber dem Kläger für den Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Grundstück 1 mit Bescheid vom 24. August 2010, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 144.000 €, Grunderwerbsteuer in Höhe von 5.040 € fest. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Grunderwerbsteuer auf 2.665 € herab. Zur Begründung führte das FA aus, es handle sich wegen der Übernahme der grundbuchrechtlichen Belastungen um eine Schenkung unter einer Auflage, deren Wert die Bereicherung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) mindere. Daher unterliege nach § 3 Nr. 2 Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grundstückserwerb mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer. Als Bemessungsgrundlage zog das FA ausgehend vom hälftigen Jahreswert des Nießbrauchs einen Betrag von 76.163 € heran.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Bescheid vom 24. August 2010 und die Einspruchsentscheidung auf. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften sei die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück 1 von der Schwester auf den Kläger, die seitens der Mutter im Rahmen der Übertragung des Grundstücks 2 veranlasst wurde und deren Zuwendungswert auf den Pflichtteil anzurechnen war, bei gleichzeitiger Übernahme des Nießbrauchs und der Rückauflassungsvormerkung zugunsten der Mutter von der Grunderwerbsteuer befreit. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1625 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung des § 3 Nr. 2 und Nr. 6 GrEStG geltend.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Erwerb des Miteigentumsanteils durch den Kläger von seiner Schwester aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet. Die Auflassung unterliegt nur dann der Grunderwerbsteuer, wenn kein Rechtsgeschäft vorangegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG).
a) Verpflichtungsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG kann auch ein Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑) sein.
aa) Voraussetzung eines solchen Vertrags ist, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Übereignung des Grundstücks zu fordern (vgl. § 328 Abs. 1 BGB). Ob bei einer Schenkung unter einer Auflage (§ 525 Abs. 1 BGB), bei der die Auflage darin besteht, einem Dritten etwas zuzuwenden, ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegt, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 25. Juni 1986 21 U 239/84, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1987, 1248; Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Aufl., § 330 Rz 3, m.w.N.). Ist zwischen Schenker und Bedachtem vereinbart, dass der Bedachte eine Leistung an einen Dritten erbringen soll, ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte unmittelbar das Recht erlangen soll, die Leistung zu fordern (vgl. § 330 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB). Entsprechendes gilt, wenn sich die Vereinbarung darauf bezieht, ein Grundstück auf einen Dritten zu übertragen.
bb) Der Grunderwerbsteuer unterliegt in diesem Fall der Vertrag zwischen Schenker und Bedachtem als Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, denn dieser begründet den Anspruch des Dritten auf Übertragung des Grundstücks.
b) Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob der von der Mutter und der Schwester des Klägers abgeschlossene Schenkungsvertrag vom 12. August 2010 hinsichtlich der Auflage zugunsten des Klägers ‑‑Verpflichtung zur Übereignung des Miteigentumsanteils am Grundstück 1 gemäß Ziff. II § 4 des Vertrags‑‑ ein echter Vertrag zugunsten Dritter und damit grunderwerbsteuerbar ist oder ob die von der Schwester in Erfüllung der Auflage vorgenommene Übertragung des Miteigentumsanteils gemäß Ziff. III des Vertrags auf den Kläger der Grunderwerbsteuer unterliegt. In beiden Fällen ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger wegen der Nichtbeachtung der grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
2. Die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Geschwistern, die ein Elternteil in einem notariell beurkundeten Schenkungsvertrag durch Auflage gegenüber dem beschenkten Kind angeordnet hat, kann ‑‑ebenso wie die Verpflichtung hierzu‑‑ aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck von der Grunderwerbsteuer befreit sein.
a) Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind von der Besteuerung ausgenommen der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S. des ErbStG. Schenkungen unter einer Auflage unterliegen der Besteuerung jedoch hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG). Nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG ist von der Besteuerung weiter ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind oder deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist. Die Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 2 und Nr. 6 GrEStG knüpfen an den Erwerb an. Daher ist, falls Schenker oder Veräußerer und Übertragender nicht personenidentisch sind, für die Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des jeweiligen Befreiungstatbestands erfüllt sind, auf das Verhältnis zwischen den am grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerb Beteiligten ‑‑dem Übertragenden und dem Erwerber‑‑ abzustellen (vgl. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 3 Rz 1; Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 3 Rz 10, 21 ff.; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 3 Rz 2 ff.).
b) Die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils aufgrund einer Schenkung unter Auflage an einem Grundstück unter Geschwistern ist für sich allein betrachtet weder nach § 3 Nr. 2 GrEStG noch nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.
aa) Eine Befreiung gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG scheidet nach dessen Gesetzeswortlaut aus. Die Befreiungsvorschrift setzt voraus, dass zivilrechtlich und schenkungsteuerrechtlich Gegenstand der Schenkung ein Grundstück ist und sich der Grundstückserwerb zwischen Schenker und Bedachtem vollzieht (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 16. Dezember 2015 II R 49/14, BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 10). Überträgt ein Kind einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück auf seine Geschwister zur Erfüllung einer durch einen Elternteil in einem notariell beurkundeten Vertrag angeordneten Auflage, erfolgt die Übertragung zwischen den Geschwistern nicht freigebig, sondern aufgrund der Verpflichtung aus der Auflage des Elternteils. Schenker des Grundstücks ist in diesem Fall nicht das mit der Auflage beschwerte Kind, sondern der Elternteil, der die Auflage verfügt. Schenkungsteuerrechtlich ist der Elternteil als Zuwendender i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG anzusehen, weil das mit der Auflage beschwerte Kind ihm gegenüber zur Übertragung des Miteigentumsanteils auf seine Geschwister verpflichtet ist. Grunderwerbsteuerrechtlich vollzieht sich der Grundstückserwerb aber nicht zwischen dem Schenker und dem Bedachten, da die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils zwischen den Geschwistern erfolgt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 11 f.).
bb) Eine Befreiung nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG ist ebenfalls nicht gegeben. Am Erwerb beteiligte Geschwister sind nicht ‑‑wie von der Befreiungsvorschrift gefordert‑‑ in gerader Linie, sondern in der Seitenlinie verwandt (§ 1589 Satz 2 BGB).
c) Eine Steuerbefreiung kann aber aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck über ihren Gesetzeswortlaut hinaus dann gewährt werden, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Übertragungsweg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären (vgl. BFH-Urteil in BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 9; BFH-Beschluss vom 11. August 2014 II B 131/13, BFH/NV 2015, 5, Rz 16). Die Steuerfreiheit der unterbliebenen Zwischenerwerbe kann sich auch aus der mehrfachen Anwendung derselben Befreiungsvorschrift ergeben (vgl. Behrens, Betriebs-Berater 2015, 168). Der Zusammenschau als Auslegungsmethode sind jedoch Schranken gesetzt. Diese darf immer nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen (BFH-Urteil in BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 9). Sie darf nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinaus führen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 5, Rz 21). Des Weiteren darf kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) vorliegen (BFH-Urteil in BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 9).
aa) Die von einem Elternteil durch Auflage in einem notariell beurkundeten Schenkungsvertrag angeordnete unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf das erwerbende Kind stellt sich als abgekürzter Weg einer unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils von dem Elternteil auf das erwerbende Kind dar. Der erste unterbliebene Zwischenerwerb ‑‑die Übertragung des Grundstücks von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf den Elternteil‑‑ wäre nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG steuerfrei, da das Kind und der Elternteil in gerader Linie verwandt sind (§ 1589 Satz 1 BGB). Der zweite unterbliebene Zwischenerwerb ‑‑die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks von dem Elternteil auf das erwerbende Kind‑‑ wäre wegen des Verwandtschaftsverhältnisses in gerader Linie ebenfalls nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit.
bb) Allein der Umstand, dass die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG wegen dessen Satz 2 in Fällen übernommener Belastungen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, weniger weit reicht als § 3 Nr. 6 GrEStG, hindert die Anwendung der zuletzt genannten Vorschrift nicht.
d) Die Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften knüpft an einen real verwirklichten Sachverhalt an. Real verwirklichter Sachverhalt ist die von einem Elternteil in einer Auflage angeordnete unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Grundstück von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf das erwerbende Kind. Gleichzeitig trägt die Zusammenschau dem Umstand Rechnung, dass § 3 Nr. 6 GrEStG den im abgekürzten Übertragungsweg verwirklichten Vorgang ‑‑die von dem Elternteil veranlasste Schenkung des mit grundbuchrechtlichen Belastungen versehenen Miteigentumsanteils an dem Grundstück an das erwerbende Kind‑‑ vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit. Dadurch wird der Sinn und Zweck des § 3 Nr. 6 GrEStG ‑‑die grunderwerbsteuerrechtliche Befreiung von Erwerben zwischen Eltern und Kindern‑‑ erfüllt.
aa) Wird der Miteigentumsanteil an dem Grundstück unentgeltlich unter Übernahme der im Grundbuch eingetragenen Belastungen übertragen, erfüllt die Zuwendung die Merkmale einer Schenkung unter einer Nutzungs- oder Duldungsauflage (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 5, Rz 20). Schenkungsteuerrechtlich liegt eine freigebige Zuwendung des Elternteils an das erwerbende Kind vor (vgl. unter II.2.b aa).
bb) Grunderwerbsteuerrechtlich hat der Gesetzgeber in § 3 Nr. 6 GrEStG Erwerbe zwischen Eltern und Kindern vollständig von der Steuer befreit, unabhängig davon, ob es sich um entgeltliche oder unentgeltliche Erwerbe handelt. Insoweit geht bei unentgeltlichen Übertragungen unter einer Nutzungs- oder Duldungsauflage zwischen Eltern und Kindern als Verwandte in gerader Linie die grunderwerbsteuerrechtliche Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG weiter als diejenige nach § 3 Nr. 2 GrEStG. Nach letzterer wären solche unentgeltlichen Übertragungen zwischen Eltern und Kindern nur teilweise von der Grunderwerbsteuer befreit und würden mit dem Wert der bei der Schenkungsteuer abziehbaren Auflagen der Grunderwerbsteuer unterliegen.
e) Aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften ist die Steuerbefreiung nur dann zu gewähren, wenn für den tatsächlich durchgeführten Übertragungsweg ‑‑die Übertragung auf Veranlassung des Elternteils durch das mit einer Auflage beschwerte Kind auf das erwerbende Kind‑‑ ein über die Steuerersparnis hinausgehender beachtlicher Grund ersichtlich ist. Ein solcher kann darin gesehen werden, dass der veranlassende Elternteil bei einer (Neu-)Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge gegenüber dem erwerbenden Kind als Schenker auftreten möchte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 18; BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 5, Rz 18) und die Übertragung des Grundstücks auf das begünstigte Kind unter Anrechnung auf dessen Pflichtteil nach dem Tod des Elternteils erfolgt.
Liegt ein beachtlicher Grund für den gewählten Übertragungsweg vor, steht der Zusammenschau auch § 42 AO nicht entgegen. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO, der vorliegen kann, wenn eine Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern zwecks Ausnutzung der Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG auf dem Umweg über die Eltern oder einen Elternteil erfolgt und hierfür kein außerhalb der Steuerersparnis liegender beachtlicher Grund vorhanden ist (BFH-Urteil in BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 16), ist dann nicht gegeben.
f) Der Anwendungsbereich von § 3 Nr. 6 GrEStG wird nicht über seinen Sinn und Zweck hinaus erweitert. Unentgeltliche Übertragungen zwischen Geschwistern sind nicht stets, sondern nur ausnahmsweise dann vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn die Übertragung auf dem Willen des schenkenden Elternteils beruht und von diesem veranlasst wurde, sie daher einer solchen zwischen dem Elternteil und dem erwerbenden Kind gleichkommt und ein beachtlicher Grund für den gewählten Weg ersichtlich ist. Das bedeutet insbesondere, dass der innere Grund des Erwerbs nicht allein in dem Verhältnis zwischen den Geschwistern liegen darf.
Soweit der Senat bei lediglich summarischer Prüfung eines ähnlichen Sachverhalts im Beschluss in BFH/NV 2015, 5 (Rz 21) die Auffassung vertreten hat, eine solche Übertragung wäre nur teilweise von der Grunderwerbsteuer befreit, hält er hieran nicht mehr fest.
3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück 1 von der Schwester auf den Kläger vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit war. Die Übertragung war von der Mutter veranlasst. Sie verpflichtete in dem notariell beurkundeten Vertrag vom 12. August 2010 die Schwester im Wege einer Auflage, den Miteigentumsanteil unter Übernahme der zugunsten der Mutter im Grundbuch eingetragenen Belastungen auf den Kläger zu übertragen. Insbesondere wenn ‑‑wie das FA vorträgt‑‑ im Jahr 2002 das Grundstück 1 "aus familiären Gründen" anteilig jeweils zur Hälfte auf die Schwester und den Kläger übergehen sollte, zeigt dies das Interesse der Mutter, im Jahr 2010 die Erbfolge neu zu gestalten und gegenüber dem Kläger auch bezüglich des anderen hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück 1 als Schenkerin aufzutreten. Insoweit entspricht der Sachverhalt auch dem des BFH-Urteils in BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292. Auch dort wurde das Interesse des Schenkers verwirklicht, die Erbfolge neu zu gestalten, nachdem weitere eheliche Kinder/Geschwister geboren wurden. Dass die Zuwendung des hälftigen Miteigentumsanteils von Seiten der Mutter und nicht von der Schwester erfolgen sollte, brachte die Mutter schließlich dadurch zum Ausdruck, dass der Kläger sich den Erwerb auf den Wert seines Pflichtteilsanspruchs nach dem Tod der Mutter anrechnen lassen musste und die Mutter daher durch die Schenkung die Erbfolge vorwegnehmen wollte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.