ECLI:DE:BFH:2018:U.180918.VIIR18.18.0
BFH VII. Senat
AO § 171 Abs 3a, AO § 228, AO § 231, EStG § 36 Abs 2
vorgehend FG München, 15. Februar 2018, Az: 8 K 2196/15
Leitsätze
NV: Wird die Festsetzung der Einkommensteuer geändert, ist im Umfang dieser Änderung auch die mit dem Änderungsbescheid verbundene Anrechnungsverfügung anzupassen, ohne dass bis dahin ggf. abgelaufene Zahlungsverjährungsfristen bezüglich früher entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entgegenstehen (Bestätigung der Rechtsprechung). Eine Teil-Zahlungsverjährung sich aus früheren Steuerbescheiden ergebender Abschlusszahlungen tritt in solchen Fällen nicht ein .
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 16. Februar 2018 8 K 2196/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Mit an den Kläger und Revisionskläger (Kläger) gerichteten Einkommensteuerbescheiden für 2001 bis 2003 vom 20. Februar 2006 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die bisher für diese Veranlagungszeiträume ergangenen Bescheide. Aus den damit verbundenen Steueranrechnungen und der Berücksichtigung bereits getilgter Beträge ergab sich jeweils eine Abschlusszahlung. Nach hiergegen erhobenen Einsprüchen gewährte das FA die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Bescheide mit Schreiben vom 21. März 2006, in dem es (u.a.) hieß: "Die Aussetzung der Vollziehung endet bei einem angefochtenen Bescheid/Verwaltungsakt mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung/des geänderten Bescheides."
Unter dem 21. Dezember 2007 erließ das FA weitere Änderungsbescheide für die o.a. Veranlagungszeiträume, deren Anrechnungsverfügungen wiederum zu (wenn auch verringerten) Abschlusszahlungen führten.
Mit Datum vom 21. Oktober 2014 erließ das FA erneut Änderungsbescheide für die genannten Veranlagungszeiträume, womit sich die bis dahin anhängig gewesenen Einspruchsverfahren erledigten. Die festgesetzte Einkommensteuer wurde für 2001 erhöht, für 2002 sowie für 2003 herabgesetzt und Zinsen zur Einkommensteuer sowie der Solidaritätszuschlag entsprechend geändert. Die Steueranrechnungen führten wiederum zu für alle Veranlagungszeiträume verringerten Abschlusszahlungen.
Mit Abrechnungsbescheid vom 17. Dezember 2014 stellte das FA (u.a.) für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 fest, dass die mit den Leistungsgeboten der Bescheide vom 21. Oktober 2014 geforderten Abschlusszahlungen in dieser Höhe bestünden und auch Säumniszuschläge angefallen seien.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit welcher der Kläger den Eintritt der Zahlungsverjährung für die angeforderten Beträge geltend machte, wies das Finanzgericht (FG) ab. Zwar sei die Zahlungsverjährung nicht während des gesamten vergangenen Zeitraums durch AdV unterbrochen gewesen, weil davon auszugehen sei, dass die dem Kläger gewährte AdV einen Monat nach dem Erlass der Änderungsbescheide vom 21. Dezember 2007 geendet habe. Allerdings sei das FA wegen der seinerzeit noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfrist berechtigt gewesen, die Änderungsbescheide vom 21. Oktober 2014 zu erlassen. Ändere sich in einem solchen Fall die Festsetzung der Einkommensteuer, sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die mit dem Änderungsbescheid verbundene Anrechnungsverfügung anzupassen, ohne dass der Anpassung bis dahin ggf. bereits abgelaufene Zahlungsverjährungsfristen bezüglich früher entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entgegenstehen könnten. Einer im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach eine Teilverjährung des Steueranspruchs eintreten könne, sei nicht zu folgen.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die BFH-Entscheidungen, auf die sich das FG stütze, beträfen Fälle von Änderungen der Anrechnungsverfügung wegen geänderter Steueranrechnungsbeträge, nicht aber wegen geänderter Steuern. Richtigerweise sei in Fällen geänderter Steuerbescheide von einer teilweisen Zahlungsverjährung auszugehen. Dies entspreche dem Wortlaut des § 229 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) sowie dem Sinn und Zweck der Zahlungsverjährung. Mit dem Änderungsbescheid beginne eine neue Zahlungsverjährungsfrist nur hinsichtlich des Steueranspruchs in seiner geänderten Höhe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit er für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 angefochten ist. Die sich aus den Leistungsgeboten der Änderungsbescheide vom 21. Oktober 2014 ergebenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (Abschlusszahlungen) sind nicht gemäß § 47 i.V.m. § 228 AO durch Zahlungsverjährung erloschen.
Das FG hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Recht entschieden, dass im Streitfall der (vom FG angenommene) Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist für die sich aus den Änderungsbescheiden vom 21. Dezember 2007 ergebenden Abschlusszahlungen dem sich aus den Änderungsbescheiden vom 21. Oktober 2014 jeweils ergebenden Steueranspruch auf Entrichtung der Abschlusszahlung nicht entgegensteht.
Die Steueränderungsbescheide vom 21. Oktober 2014 sind innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen, die wegen der seinerzeit nicht beendeten Einspruchsverfahren noch nicht abgelaufen war (§ 171 Abs. 3a AO). Zwar haben die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung keine Wirkung auf die mit dem Steuerbescheid verbundene Anrechnungsverfügung, da es sich bei dieser um einen Verwaltungsakt im Steuererhebungsverfahren handelt, in dem es nur die Zahlungsverjährung gemäß § 228 AO gibt, weshalb nach Ablauf der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist eine Anrechnungsverfügung grundsätzlich weder zu Gunsten noch zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert werden kann. Anders verhält es sich jedoch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Senatsurteil vom 29. Oktober 2013 VII R 68/11, BFHE 243, 111, BStBl II 2016, 115, m.w.N.), wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ mit einem Steueränderungsbescheid die Festsetzung der Einkommensteuer geändert wird. In einem solchen Fall ist im Umfang dieser Änderung auch die mit dem Änderungsbescheid verbundene Anrechnungsverfügung anzupassen, ohne dass bis dahin ggf. abgelaufene Zahlungsverjährungsfristen bezüglich früher entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entgegenstehen. Dies folgt aus der durch § 36 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ‑‑in der in den Streitjahren geltenden Fassung‑‑ hergestellten Verknüpfung zwischen Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren, die dem Steuerbescheid eine einem Grundlagenbescheid ähnliche bindende Wirkung für ihm folgende Anrechnungsverfügungen bzw. Abrechnungsbescheide verleiht. Die Anrechnungsverfügung ist der geänderten Steuerfestsetzung anzupassen, indem der geänderte festgesetzte Steuerbetrag in sie eingestellt wird. Dies hat innerhalb der Zahlungsverjährungsfrist des § 228 AO zu geschehen, die mit der Bekanntgabe des Steueränderungsbescheids (insoweit erneut) in Lauf gesetzt wird.
An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Der Einwand der Revision, die vorgenannte BFH-Rechtsprechung betreffe allein Fälle geänderter Steueranrechnungsbeträge, trifft nicht zu. Vielmehr wird im Senatsurteil in BFHE 243, 111, BStBl II 2016, 115 ausdrücklich hervorgehoben, dass dem damaligen Streitfall eine geänderte Steuerfestsetzung zugrunde gelegen habe, die sich entsprechend auf die Anrechnungsverfügung auswirken müsse.
Daher kommt ‑‑wie das FG zutreffend erkannt hat‑‑ eine Teilverjährung der wegen des Steueränderungsbescheids nunmehr angepassten Abschlusszahlung in dem Sinne, dass ein Steueranspruch nur auf Entrichtung eines über die frühere Abschlusszahlung hinausgehenden Betrags besteht, nicht in Betracht. Für einen bestimmten Veranlagungszeitraum der Einkommensteuer besteht ein einheitlicher Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, der bei mehrfach geänderter Steuerfestsetzung nicht in unterschiedliche Steuerzahlungsansprüche oder Erstattungsansprüche aufgespalten werden kann, die bezogen auf die jeweils ergangenen Steuerbescheide unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegen (Senatsurteil vom 6. Februar 1996 VII R 50/95, BFHE 179, 556, BStBl II 1997, 112; ebenso Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 229 AO Rz 10a; a.A.: Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 228 AO Rz 5; Koenig/Fritsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 228 Rz 8; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 228 AO Rz 14). Mit der der geänderten Steuerfestsetzung angepassten Anrechnungsverfügung wird der Betrag der Abschlusszahlung bzw. der Erstattung im Ganzen neu ausgewiesen und nicht etwa nur ein über die geänderte Anrechnungsverfügung hinausgehender Betrag. Durch den Änderungsbescheid verliert der geänderte Bescheid in vollem Umfang seine Wirkung (s. für Änderungen im Einspruchsverfahren § 365 Abs. 3 AO). Um Unterbrechungshandlungen i.S. des § 231 Abs. 4 AO, auf den die vorgenannten Vertreter der Gegenmeinung verweisen, geht es dabei nicht. Auch dies hat das FG zutreffend ausgeführt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.