ECLI:DE:BFH:2018:U.160518.IIR14.13.0
BFH II. Senat
BewG § 22 Abs 4 S 2, BewG § 27, BewG § 79 Abs 5, FGO § 135 Abs 2
vorgehend FG Köln, 22. Januar 2013, Az: 4 K 3625/09
Leitsätze
NV: Die nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 eingeführte Zweckbindung nach dem Wohnraumförderungsgesetz kann bei Nachfeststellungen oder Wertfortschreibungen nicht berücksichtigt werden .
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 23. Januar 2013 4 K 3625/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete im Jahr 2007 auf einem ihm gehörenden Grundstück unter Inanspruchnahme von Baudarlehen nach dem Wohnraumförderungsgesetz vom 13. September 2001 (BGBl I 2001, 2376) mit späteren Änderungen ein Haus mit sechs Mietwohnungen. Aufgrund dieser Förderung unterliegt der Kläger hinsichtlich der Wohnungen für die Dauer von 20 Jahren einer Miet- und Belegungsbindung (Zweckbindung).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) stellte den Einheitswert für das Grundstück (Grundstücksart: Mietwohngrundstück, § 76 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes ‑‑BewG‑‑) auf den 1. Januar 2008 durch Bescheide vom 9. Juli 2008 und 10. Dezember 2008 durch Art- und Wertfortschreibung (§ 22 BewG) auf 70.762 € (138.400 DM) fest. Der gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 78 bis 80 BewG im Ertragswertverfahren erfolgten Feststellung des Einheitswerts legte das FA eine Jahresrohmiete von 14.275 DM und einen Vervielfältiger von 9,7 zugrunde. Die angesetzte Monatsmiete von 3,40 DM/qm schätzte das FA aufgrund der in einem Mietspiegel auf den 1. Januar 1964 für Gemeinden mit einer Einwohnerzahl bis 5 000 für frei finanzierte und nicht steuerbegünstigte Nachkriegsbauten mit guter Ausstattung ausgewiesenen Mietwertspanne.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2009 setzte das FA den Einheitswert ausgehend von einer Jahresrohmiete von 12.624 DM (3 DM/qm monatlich) auf 62.582 € (122.400 DM) herab.
Das Finanzgericht (FG) wies die auf Herabsetzung des Einheitswerts auf 42.120 € (82.400 DM) gerichtete Klage mit der Begründung ab, das FA habe den Einheitswert zu Recht unter Ansatz einer ortsüblichen Miete anstelle der Miete für öffentlich geförderte Wohnungen festgestellt. Die aufgrund der öffentlichen Förderung bestehende Zweckbindung könne bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden, weil das Wohnraumförderungsgesetz erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 erlassen worden sei und sich von der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wohnbauförderung in verschiedener Hinsicht unterscheide. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 759 veröffentlicht.
Mit der Revision vertritt der Kläger die Ansicht, die aufgrund der öffentlichen Förderung bestehende Zweckbindung müsse bei der Bewertung berücksichtigt werden.
Auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Dezember 2014 II R 14/13 (BFH/NV 2015, 475) entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 10. April 2018 1 BvL 11/14 u.a. (Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2018, 791), dass die §§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76, 79 Abs. 5, § 93 Abs. 1 Satz 2 BewG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes vom 22. Juli 1970 (BGBl I 1970, 1118), soweit sie bebaute Grundstücke außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit dem 1. Januar 2002 unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sind. Der Gesetzgeber ist nach dem Urteil verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 2019 zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden. Den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12, über die das BVerfG mit dem Urteil in DStR 2018, 791, ebenfalls entschied, gab das Gericht daher nur insoweit statt, als es feststellte, dass die angegriffenen BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 2011 II B 74/10 und vom 24. Februar 2012 II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile und Verwaltungsakte die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Aufgehoben wurden die Entscheidungen nicht. Es blieb daher auch bei den finanzgerichtlichen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer.
Der Kläger hat sich zu diesem Urteil nicht geäußert.
Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert unter Änderung der Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 2008 vom 9. Juli 2008 und 10. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2009 auf 42.120 € (82.400 DM) festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die im Streitfall anwendbaren Vorschriften über die Einheitsbewertung waren zwar im Feststellungszeitpunkt 1. Januar 2008 nicht mehr verfassungsgemäß. Sie dürfen aber nach dem BVerfG-Urteil in DStR 2018, 791 auf diesen Zeitpunkt angewandt werden.
2. Der vom FA in der Einspruchsentscheidung festgestellte Einheitswert ist nicht zu beanstanden. Wie der BFH im Beschluss in BFH/NV 2015, 475 (Rz 15 bis 17) im Einzelnen dargelegt hat, kann die nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 eingeführte Zweckbindung nach dem Wohnraumförderungsgesetz bei Nachfeststellungen oder Wertfortschreibungen nicht berücksichtigt werden, weil zu den Wertverhältnissen i.S. von § 22 Abs. 4 Satz 2, §§ 27, 79 Abs. 5 BewG auch Miet- und Belegungsbindungen aufgrund einer öffentlichen Förderung des Wohnungsbaus gehören. Darauf wird Bezug genommen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Dies gilt auch dann, wenn wie im Streitfall das BVerfG die dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Vorschriften zwar rückwirkend für verfassungswidrig erklärt, aber zugleich deren weitere Anwendung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugelassen hat und der Verwaltungsakt deshalb nicht aufzuheben oder zu ändern ist (BFH-Beschluss vom 18. März 1994 III B 543/90, BFHE 173, 506, BStBl II 1994, 473). Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Urteil des BVerfG in DStR 2018, 791, das die mit den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12 angegriffenen BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 2011 II B 74/10 und vom 24. Februar 2012 II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile einschließlich der getroffenen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer trotz des festgestellten Verfassungsverstoßes unverändert bestehen ließ.