ECLI:DE:BFH:2018:B.090418.XR9.18.0
BFH X. Senat
FGO § 56 Abs 1, FGO § 120 Abs 1 S 1
vorgehend FG München, 11. Mai 2016, Az: 13 K 3559/13
Leitsätze
1. NV: Eine Erkrankung ist nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn sie plötzlich aufgetreten ist, mit ihr nicht gerechnet werden musste und sie so schwerwiegend war, dass weder die Wahrung der laufenden Fristen noch die Bestellung eines Dritten, der sich um die Fristwahrung kümmern konnte, möglich war .
2. NV: Wer geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, muss überdies grundsätzlich dafür Vorkehrungen treffen, dass auch bei einer nicht vorhergesehenen Erkrankung Fristen in den Verfahren gewahrt werden, deren Betreuung er im Rahmen des betreffenden Geschäftsbetriebes übernommen hat. Dies gilt auch für einen Einzelanwalt .
3. NV: Die organisatorischen Pflichten zur Vorsorge für den Fall einer Erkrankung verdichten sich, wenn ein berufsmäßiger Vertreter wegen einer bereits bestehenden chronischen Erkrankung mit plötzlich auftretenden weiteren Krankheitsschüben rechnen muss .
4. NV: Für den Vortrag, die Revisionseinlegung durch einen Rechtsanwalt und Steuerberater sei wegen Handlungsunfähigkeit unwirksam, reicht eine pauschale Behauptung auch dann nicht aus, wenn sie in einer ärztlichen Bescheinigung enthalten ist, sofern sie zu anderen Teilen der Bescheinigung in Widerspruch steht und die schriftlichen Erklärungen, die der Prozessbevollmächtigte im Laufe des Verfahrens eingereicht hat, in keiner Weise einen Anhaltspunkt für bestehende Handlungsunfähigkeit erkennen lassen .
Tenor
Die am 31. Dezember 2017 eingelegte Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 12. Mai 2016 13 K 3559/13 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) legten gegen das ihnen am 2. Juni 2016 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 12. Mai 2016 13 K 3559/13 durch ihren früheren Prozessbevollmächtigten (P), einen Rechtsanwalt und Steuerberater, am 10. Juni 2016 Revision ein. Eine gesonderte Revisionsbegründung reichten sie nicht ein.
Mit Beschluss vom 7. November 2017 verwarf der Senat die Revision als unzulässig, weil es an der erforderlichen Revisionsbegründung fehle. Dieser Beschluss ist am 5. Dezember 2017 mit einfachem Brief abgesandt worden und dem P nach dem Vorbringen der Kläger am 7. Dezember 2017 zugegangen.
Am 31. Dezember 2017 legten die Kläger erneut Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil ein und beantragten hinsichtlich der versäumten Frist für die Einlegung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie tragen vor, P sei im Jahr 2016 krankheitsbedingt geschäfts- und postulationsunfähig gewesen. Die von ihm eingelegte Revision sei daher unwirksam. Sie selbst hätten von der Erkrankung am 18. Dezember 2017 im Rahmen der Haftungsinanspruchnahme des P erstmals erfahren; am 20. Dezember 2017 habe sie dann die ärztliche Bestätigung mit näheren Angaben zur Schwere der Erkrankung erreicht. Erst dieses Ereignis stelle den Beginn der Wiedereinsetzungsfrist dar.
Zur Glaubhaftmachung reichten sie eine Bestätigung des behandelnden Arztes (A) vom 19. Dezember 2017 ein, die den folgenden Wortlaut hat: "<P> wurde bei der Grunderkrankung ... von Februar 2014 bis September 2014 intensiv chemotherapiert. Nach aufgetretenem Rückfall wurde im Juni 2016 eine weitere Chemotherapie eingeleitet und bis Oktober 2017 fortgeführt. Hiermit bestätigen wir, dass <P> aufgrund dieser Erkrankung und den erhaltenen Chemotherapien inklusiver immunmodulatorischer und sedierender Medikamente nur sehr eingeschränkt handlungsfähig und insbesondere seit Frühjahr 2016 nicht in der Lage war, berufliche Aufgaben als Verfahrensbevollmächtigter zu erfüllen, ohne dies selbst erkennen zu können."
Mit Hinweisschreiben vom 3. Januar 2018 regte die Vorsitzende des beschließenden Senats an, die Angaben zu dem Wiedereinsetzungsgrund in den folgenden Punkten zu ergänzen:
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Konkretisierung der Zeitangabe "seit Frühjahr 2016" hinsichtlich der einzelnen Diagnose- und Therapieschritte, jedenfalls vom Beginn der erneuten Therapie bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist;
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Substantiierung der Angabe, P sei "nur sehr eingeschränkt handlungsfähig" gewesen, durch Nennung konkreter Tatsachen;
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Substantiierung der Behauptung, P habe seine "nur sehr eingeschränkte Handlungsfähigkeit" nicht selbst erkennen können;
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Angabe zu den organisatorischen Vorkehrungen, die P ‑‑gerade im Hinblick auf die ihm seit 2014 bekannte schwerwiegende Grunderkrankung‑‑ getroffen habe, um auch für den Fall einer akuten Verschlechterung seines Gesundheitszustands die Einhaltung von Fristen sicherzustellen.
Am 18. Januar 2018 haben die Kläger die Revisionsbegründung eingereicht und auch insoweit die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie sind der Auffassung, bei dem gegebenen Krankheitsverlauf sei es P nicht anzulasten, dass er die Notwendigkeit einer weiteren Revisionsbegründung nicht erkannt habe. Da er die eigene Handlungsunfähigkeit nicht habe erkennen können, könne man ihm auch nicht anlasten, nicht für eine Vertretung gesorgt zu haben. Für P seien keine Mitarbeiter tätig; dessen Ehefrau (E) übernehme nur Botengänge. Am 27. Mai 2014 habe P der E, ersatzweise seinen drei Kindern, eine notariell beurkundete Generalvollmacht zur Vertretung in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten sowie eine Vorsorgevollmacht erteilt.
Die Kläger legten eine weitere Bestätigung des A vom 5. Januar 2018 vor. Darin sind die einzelnen Therapiemaßnahmen wie folgt beschrieben:
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Der Schlusssatz der ärztlichen Bescheinigung war nunmehr ‑‑in Abweichung vom Wortlaut der Bescheinigung vom 19. Dezember 2017‑‑ wie folgt formuliert: "Hiermit bestätigen wir, dass <P> aufgrund dieser Erkrankung und den erhaltenen Chemotherapien inklusiver immunmodulatorischer und sedierender Medikamente nur sehr eingeschränkt handlungsfähig und insbesondere seit Frühjahr 2016 nicht in der Lage war, rechtliche Fragestellungen verantwortlich beurteilen zu können. Medikamentation und Krankheitsbild hatten zu diesem Zeitpunkt bereits zu passagerer Verwirrtheit zu Zeit und Ort geführt."
Ferner legten die Kläger eine eidesstattliche Versicherung der E vor, in der es heißt, sie wisse aus Gesprächen mit P, dass er der Auffassung gewesen sei, es bedürfe keiner besonderen Revisionsbegründung, da die tragenden Gründe bereits in der Revisionsschrift niedergelegt worden seien.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Revisionseinlegungs- und Revisionsbegründungsfrist das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2013 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2011 dahingehend zu ändern, dass ...Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) tritt der Revision entgegen. Er ist der Auffassung, die vorgelegte ärztliche Bestätigung sei für die Gewährung von Wiedereinsetzung nicht ausreichend. Aus dem Auftreten des P während der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 12. Mai 2016 hätten sich keine Erkenntnisse ergeben, die auf eine sehr eingeschränkte Handlungsfähigkeit des P hingedeutet hätten. Bei einer Erkrankung, zu deren Symptomatik es gehöre, dass der Patient die bei ihm bestehenden Einschränkungen nicht selbst erkennen könne, sei zu erwarten, dass er während der Behandlung hierauf hingewiesen werde.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unzulässig und gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.
Die am 31. Dezember 2017 eingelegte Revision gegen das den Klägern am 2. Juni 2016 zugestellte Urteil hat die einmonatige Revisionseinlegungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht gewahrt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.
1. Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag ‑‑nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag‑‑ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Zwar kann der Eintritt einer Erkrankung als Entschuldigungsgrund anzuerkennen sein. Dies setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung allerdings voraus, dass die Krankheit plötzlich aufgetreten ist, mit ihr nicht gerechnet werden musste und sie so schwerwiegend war, dass weder die Wahrung der laufenden Fristen noch die Bestellung eines Dritten, der sich um die Fristwahrung kümmern konnte, möglich war. Wer geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, muss ‑‑zur Vermeidung eines Organisationsverschuldens‑‑ überdies grundsätzlich dafür Vorkehrungen treffen, dass auch bei einer nicht vorhergesehenen Erkrankung Fristen in den Verfahren gewahrt werden, deren Betreuung er im Rahmen des betreffenden Geschäftsbetriebes übernommen hat (zum Ganzen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 29. Juli 2003 VII R 39, 43/02, BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828, unter 1., m.w.N., und vom 10. Mai 2013 II R 5/13, BFH/NV 2013, 1428, Rz 9; vgl. jüngst auch Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 20. Dezember 2017 XII ZB 213/17, Betriebs-Berater 2018, 258).
Es gehört zu den Organisationspflichten eines Rechtsanwalts bzw. Steuerberaters, die nach den jeweiligen Umständen gebotene Vorsorge für den Fall zu treffen, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben ‑‑vor allem an der Wahrung gesetzlicher Fristen‑‑ gehindert ist (BFH-Beschluss vom 7. Februar 2002 III R 12/01, BFH/NV 2002, 794, unter II.3.a). Insbesondere muss ein Prozessbevollmächtigter, der wegen einer chronischen Erkrankung in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist, sein Büro so organisieren, dass Fristen auch für den Fall eines plötzlich auftretenden Krankheitsschubes ordnungsgemäß gewahrt werden können, z.B. durch Bereithaltung eines Vertreters (BFH-Beschluss vom 11. Oktober 1995 VIII B 106/95, BFH/NV 1996, 332). Dies gilt auch für einen Prozessbevollmächtigten, der aufgrund seines hohen Alters und seines bereits angegriffenen Gesundheitszustands mit krankheitsbedingten Ausfällen rechnen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 9. August 1989 IX R 163/85, BFH/NV 1990, 303: 76-jähriger Prozessbevollmächtigter, der an einer chronischen Erkrankung litt und bereits drei schwere Darmoperationen hinter sich hatte). Diese Anforderungen sind auch an einen Einzelanwalt zu stellen (BGH-Beschluss vom 26. November 1998 IX ZB 84/98, Anwaltsblatt 1999, 227).
Unverschuldet handelt ein berufsmäßiger Prozessbevollmächtigter in solchen Fällen nur dann, wenn er plötzlich in einer Weise erkrankt, die es ihm ‑‑auch wenn er sich allgemein um einen Vertreter gekümmert hat‑‑ unmöglich gemacht hat, diesen Vertreter rechtzeitig ausreichend zu informieren (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 794, unter II.3.b).
2. Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall keine Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionseinlegungsfrist gewährt werden. Eine krankheitsbedingte Verhinderung des P ist für den hier maßgebenden Zeitraum nicht in ausreichender Weise glaubhaft gemacht worden (dazu unten a). Erst recht gilt dies für die Behauptung, P sei im maßgebenden Zeitraum zur Vornahme wirksamer Prozesshandlungen von vornherein nicht in der Lage gewesen (unten b). Darüber hinaus sind auch die Darlegungen zu den von P getroffenen organisatorischen Vorkehrungen für den Krankheitsfall nicht ausreichend (unten c).
a) Die Kläger haben eine krankheitsbedingte Verhinderung des P für die Zeit vom 2. Juni 2016 bis zum 4. Juli 2016 nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
aa) Sie haben zunächst die ärztliche Bescheinigung vom 19. Dezember 2017 eingereicht, in der es ‑‑ohne weitere Ausführungen‑‑ heißt, P sei aufgrund der Erkrankung und der Chemotherapien "nur sehr eingeschränkt handlungsfähig und insbesondere seit Frühjahr 2016 nicht in der Lage, berufliche Aufgaben als Verfahrensbevollmächtigter zu erfüllen, ohne dies selbst erkennen zu können". Dies hat die Senatsvorsitzende zum Anlass genommen, darauf hinzuweisen, dass die Behauptungen, einerseits sei P nur sehr eingeschränkt handlungsfähig gewesen und andererseits habe er dies nicht selbst erkennen können, durch Nennung konkreter Tatsachen substantiiert werden müssten.
Aus der daraufhin eingereichten ausführlichen Auflistung des A vom 5. Januar 2018 über die durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen geht zwar hervor, dass P sich von Februar bis September 2014, von Mai bis Juli 2015 und von Juni 2017 bis mindestens Januar 2018 Chemotherapien unterziehen musste. Für die Monate Juni und Juli 2016 sind in dieser ärztlichen Bescheinigung hingegen keine therapeutischen Maßnahmen verzeichnet. Lediglich im Mai 2016 ‑‑kurz vor der Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils‑‑ sind einige diagnostische Maßnahmen durchgeführt worden (...), deren Befunde aber weitgehend unauffällig waren.
bb) Damit fehlt es für den hier maßgebenden Zeitraum (beginnend mit der Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils am 2. Juni 2016 bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist am 4. Juli 2016) an einem substantiierten Tatsachenvortrag zu den seinerzeit gegebenen Beeinträchtigungen des P durch seine Grunderkrankung.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat die zu Beginn der Bestätigung vom 5. Januar 2018 enthaltene Formulierung, bei P seien im Juni 2016 weitere Chemotherapien eingeleitet und bis Oktober 2017 fortgeführt worden, seiner Entscheidung nicht zugrunde legen. Diese Zeitangaben stehen in klarem Widerspruch zu dem Inhalt der nachfolgenden ausführlichen Auflistung der einzelnen ärztlicherseits getroffenen Maßnahmen: Danach wurde die weitere Chemotherapie nicht etwa im Juni 2016, sondern erst im Juni 2017 ‑‑weit außerhalb des hier entscheidungserheblichen Zeitraums‑‑ eingeleitet. Sie wurde auch nicht etwa im Oktober 2017 beendet, sondern dauerte bei Ausstellung der Bestätigung im Januar 2018 unverändert an.
b) Erst recht haben die Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises der Senatsvorsitzenden nicht glaubhaft gemacht, P sei im maßgebenden Zeitraum nicht in der Lage gewesen, Verfahrenshandlungen ‑‑hier: die Einlegung der Revision‑‑ wirksam vornehmen zu können.
aa) Dies folgt zum einen aus der ausführlichen Auflistung der ärztlichen Maßnahmen, in der für die Monate Juni und Juli 2016 ‑‑wie bereits ausgeführt‑‑ weder Einträge noch Medikationen verzeichnet sind.
bb) Vor allem aber lassen die bei Gericht eingegangenen Schreiben des P in keiner Weise erkennen, dass dieser handlungsunfähig gewesen sein könnte.
(1) P hat am 10. Juni 2016 formgerecht Revision eingelegt. Zwar erfüllte dieser Schriftsatz nicht zugleich die Anforderungen an eine Revisionsbegründung. Er enthält aber sämtliche Elemente, die für eine Revisionsschrift zu fordern sind.
(2) Nachdem P die Kostenrechnung über die vorläufige Verfahrensgebühr erhalten hatte, hat er am 20. Juli 2016 schriftlich beantragt, die Verfahrensgebühr zu stunden. Auch dieser Schriftsatz ist ordnungsgemäß aufgebaut und lässt in keiner Weise erkennen, dass P wegen einer schwerwiegenden körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung handlungsunfähig gewesen sein könnte.
(3) Mit Schreiben vom 20. August 2016 hat P den Stundungsantrag wieder zurückgenommen. Die hierfür von ihm gegebene Begründung, die Kläger hätten einen Finanzmittelzufluss zu erwarten, war schlüssig; jedenfalls wies sie nicht auf einen Zustand der Handlungsunfähigkeit hin.
(4) Am 1. Oktober 2016 hat P auf die entsprechende Anfrage der Senatsgeschäftsstelle schriftlich erklärt, nicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten. Auch dieses Schreiben stellte eine sachgerechte und zielgerichtete Handlung dar; ein Anhaltspunkt für das Bestehen von Handlungsunfähigkeit kann darin nicht gesehen werden.
(5) Ebenso hat das FA im vorliegenden Verfahren unwidersprochen vorgetragen, P habe während der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 12. Mai 2016 ‑‑bei der er persönlich anwesend war‑‑ nicht handlungsunfähig gewirkt.
cc) Die Kläger selbst haben vorgebracht, P habe E erklärt, es bedürfe keiner besonderen Revisionsbegründung, weil er die tragenden Gründe bereits in der Revisionseinlegungsschrift niedergelegt habe. Eine derart klare und zielgerichtete Äußerung deutet nicht etwa auf eine Handlungsunfähigkeit hin, sondern vielmehr darauf, dass P die Mindestanforderungen an eine ordnungsmäßige Revisionsbegründung rechtlich fehlerhaft beurteilte.
dd) Weitere Tatsachen zur Substantiierung ihrer Behauptung, P sei handlungsunfähig gewesen, haben die Kläger trotz eines ausdrücklichen Hinweises der Senatsvorsitzenden nicht vorgetragen.
c) Die Kläger haben zudem nicht hinreichend dargelegt, dass P die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für erforderlich gehaltenen organisatorischen Vorkehrungen für den Fall einer krankheitsbedingten Verhinderung getroffen hat.
aa) Zu diesem Problemkreis haben die Kläger erstmals auf einen entsprechenden Hinweis der Senatsvorsitzenden vorgetragen. Sie haben erklärt, P, der in seiner Kanzlei keine Mitarbeiter beschäftige, habe der E und seinen Kindern bereits im Jahr 2014 eine notariell beurkundete Generalvollmacht zur Vertretung in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten sowie eine Vorsorgevollmacht erteilt. Dem P sei nicht anzulasten, dass er nicht für die Vertretung durch einen anderen Kollegen gesorgt habe, da er ‑‑so die Angabe in der ersten ärztlichen Bescheinigung vom 19. Dezember 2017‑‑ die eigene Handlungsunfähigkeit nicht habe erkennen können. In der darüber hinaus vorgelegten weiteren Bestätigung des A vom 5. Januar 2018 war die Behauptung, P habe seine eingeschränkte Handlungsfähigkeit nicht selbst erkennen können, allerdings nicht mehr enthalten. Die Behauptung, P sei seit Frühjahr 2016 nur sehr eingeschränkt handlungsfähig gewesen, wurde auch in dieser Bestätigung unverändert wiederholt. Zur Erläuterung wurde ergänzt, "Medikamentation und Krankheitsbild" hätten zu diesem Zeitpunkt bereits zu passagerer (vorübergehender) Verwirrtheit zu Zeit und Ort geführt.
bb) Dieses Vorbringen lässt die von P getroffenen organisatorischen Vorkehrungen nicht als in einer Weise ausreichend erscheinen, um zu der Annahme gelangen zu können, P sei "ohne Verschulden" (§ 56 Abs. 1 FGO) an der Beauftragung eines anderen Prozessbevollmächtigten gehindert gewesen.
(1) Zu derartigen Vorkehrungen hatte P in besonderem Maße Anlass. Er war im hier maßgebenden Zeitraum (Juni/Juli 2016) 75 Jahre alt, so dass schon altersbedingt ein ‑‑im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt‑‑ erhöhtes Krankheitsrisiko bestand. Vor allem aber war ihm bereits seit dem Jahr 2012 bekannt, dass er an einer schwerwiegenden Erkrankung litt, die jederzeit in ein Stadium eintreten konnte, in dem eine sofortige, Körper und Psyche stark belastende Therapie erforderlich war. Derartige chemotherapeutische Maßnahmen waren bei P von Februar bis September 2014 bereits durchgeführt worden.
Nach den vorstehend unter 1. dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen gelten die organisatorischen Anforderungen für Fälle krankheitsbedingter Verhinderung auch für Einzelanwälte.
(2) Fest steht nach dem Hinweis der Senatsvorsitzenden und der entsprechenden Stellungnahme der Kläger, dass P im Bereich seiner Kanzlei keine organisatorischen Vorkehrungen für den Krankheitsfall getroffen hatte. Die Kläger halten dies indes für entschuldbar, weil P im konkreten Fall ohnehin nicht habe erkennen können, dass er handlungsunfähig sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Für seine persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten hatte P der E, ersatzweise seinen Kindern, bereits im Jahr 2014 ‑‑noch während der laufenden ersten Chemotherapie‑‑ eine umfassende Generalvollmacht erteilt. Dies spricht geradezu zwingend dafür, dass P ‑‑auch unter dem Einfluss der während der Chemotherapie eingesetzten Medikamente‑‑ in der Lage war, zu erkennen, dass in seinen privaten Rechtsangelegenheiten eine Vorsorge für die Zeit eines sich möglicherweise weiter verschlechternden Gesundheitszustands erforderlich war. Für den Bereich seiner Kanzlei hatte P demgegenüber eine solche Vorsorge unterlassen. Zu den Gründen hierfür haben die Kläger sich nicht geäußert. Es ist aber unschlüssig, einerseits zu behaupten, P habe nicht die Einsichtsfähigkeit gehabt, um vorsorglich einen Vertreter für die von ihm betreuten laufenden gerichtlichen Verfahren zu beauftragen, andererseits aber vorzutragen, P habe noch während der ersten Chemotherapie für seine privaten Rechtsangelegenheiten umfassend vorgesorgt.
Darüber hinaus hat A seine in der ersten Bestätigung vom 19. Dezember 2017 noch ‑‑wenn auch in sehr pauschaler Form‑‑ enthaltene Behauptung, P habe seine eingeschränkte Handlungsfähigkeit nicht selbst erkennen können, in der zweiten Bestätigung vom 5. Januar 2018 gerade nicht wiederholt. Die nunmehrige Formulierung, es habe seit Februar 2016 eine vorübergehende Verwirrtheit bestanden, wird nicht näher erläutert. Vor allem aber steht diese Formulierung in Widerspruch zu der detaillierten Auflistung der in der Zeit von November 2012 bis Januar 2018 getroffenen therapeutischen Maßnahmen. Darin erwähnt A für die Zeit zwischen Juli 2015 und Juni 2017 ‑‑also insbesondere für den hier maßgebenden Zeitraum im Juni und Juli 2016‑‑ weder Chemotherapien noch andere Medikamentengaben. Auch wird in der Bescheinigung nicht erläutert, wann die ‑‑ausdrücklich als vorübergehend bezeichnete‑‑ Verwirrtheit konkret aufgetreten sein soll.
Konkrete Tatsachen, die die Behauptung der fehlenden Erkenntnis der eigenen Handlungsunfähigkeit substantiieren könnten, haben die Kläger trotz des entsprechenden Hinweises der Senatsvorsitzenden nicht vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.