ECLI:DE:BFH:2017:B.081217.VIB53.17.0
BFH VI. Senat
EStG § 33a Abs 1 S 3, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 118 Abs 2, FGO § 76 Abs 1, EStG VZ 2005 , EStG VZ 2006
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 12. Dezember 2016, Az: 7 K 177/13
Leitsätze
1. NV: Es ist in der Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt, dass unverwertbares Vermögen bei der Anwendung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG unberücksichtigt zu bleiben hat. Eine generelle Unverwertbarkeit kann dabei nur angenommen werden, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Verwertung des Vermögens ausgeschlossen ist. An der Verwertbarkeit des Vermögens kann es daher fehlen, wenn der Unterhaltsempfänger nicht in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln herbeizuführen .
2. NV: Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsfähig, wenn sie auf der Grundlage der nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG nicht entscheidungserheblich ist .
3. NV: Hat das FG zu einer entscheidungserheblichen Frage bereits ein Sachverständigengutachten eingeholt, ist es nur dann zur Einholung eines Zweitgutachtens verpflichtet, wenn die bisherigen gutachterlichen Stellungnahmen nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechen, widersprüchlich oder von unsachlichen Erwägungen getragen sind .
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13. Dezember 2016 7 K 177/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO oder erfordert eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts als Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2012 VI B 120/11, BFH/NV 2012, 1438, und vom 20. Oktober 2015 IV B 80/14, BFH/NV 2016, 168).
Eine Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind (BFH-Beschluss vom 11. November 2015 VII B 57/15, BFH/NV 2016, 372). Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat (BFH-Beschlüsse vom 5. Juni 2013 XI B 116/12, BFH/NV 2013, 1640, und vom 24. Februar 2014 XI B 15/13, BFH/NV 2014, 839, jeweils m.w.N.). An der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage fehlt es demgegenüber, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587). Andererseits reicht der bloße Vortrag, der BFH habe eine bestimmte Rechtsfrage noch nicht entschieden, für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus (BFH-Beschlüsse vom 12. Mai 2010 IV B 19/09, BFH/NV 2010, 1480, und vom 20. April 2000 V B 156/99, BFH/NV 2000, 1347).
b) Die Klägerin meint, die Frage, "ob bei einer bestehenden ... Verfügungsbeschränkung dennoch 'verwertbares Vermögen' vorliegt, wenn diese Verfügungsbeschränkung nicht an einer Veräußerung des Vermögensgegenstandes 'auf Termin' hindert", erfordere eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts.
Die Klägerin legt aber nicht dar, inwiefern die Beantwortung dieser Frage zu Zweifeln Anlass gibt und ob, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Die Klägerin trägt insoweit lediglich ihre eigene Rechtsauffassung vor. Sie setzt sich auch nicht hinreichend mit der zu dieser Frage bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander und zeigt nicht auf, warum eine erneute Entscheidung des BFH geboten sei.
So hat der BFH bereits entschieden, dass unverwertbares Vermögen bei der Anwendung des § 33a Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unberücksichtigt zu bleiben hat (BFH-Urteile vom 29. Mai 2008 III R 48/05, BFHE 221, 221, BStBl II 2009, 361, und vom 30. Juni 2010 VI R 35/09, BFHE 230, 538, BStBl II 2011, 267). Eine generelle Unverwertbarkeit kann dabei aber nur angenommen werden, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Verwertung des Vermögens ausgeschlossen ist (Senatsurteil in BFHE 230, 538, BStBl II 2011, 267). Aus dem BFH-Urteil in BFHE 221, 221, BStBl II 2009, 361 ergibt sich ferner, dass es an der Verwertbarkeit des Vermögens fehlen kann, wenn der Unterhaltsempfänger nicht in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln herbeizuführen. Im Übrigen sind Verfügungsbeschränkungen von der Rechtsprechung des BFH als wertbeeinflussende Faktoren anerkannt (BFH-Urteil in BFHE 221, 221, BStBl II 2009, 361). Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann die von der Klägerin aufgeworfene Frage damit bejaht und eindeutig so beantwortet werden, wie es auch das Finanzgericht (FG) getan hat.
c) Die Klägerin ist ferner der Auffassung, eine Entscheidung des BFH sei zu der Frage erforderlich, "ob verwertbares Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 4 [Satz 3 in der in den Streitjahren geltenden Fassung des] EStG auch dann vorliegt, wenn die Verwertung des Vermögens dazu führt, dass der Vermögensgegenstand von dem Unterhaltsverpflichteten wieder zurückgefordert werden kann".
Diese Frage wäre in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren allerdings schon nicht klärbar. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsfähig, wenn sie auf der Grundlage der nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht entscheidungserheblich ist (BFH-Beschlüsse vom 8. April 2004 VII B 110/03, BFH/NV 2004, 1310; vom 4. November 2009 VI B 43/09, BFH/NV 2010, 852, und vom 27. September 2010 II B 164/09, BFH/NV 2011, 193).
Die vorgenannte Rechtsfrage könnte sich allenfalls unter Zugrundelegung eines vom FG nicht festgestellten Sachverhalts stellen. Denn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO auch in einem künftigen Revisionsverfahren gebunden wäre, lassen nicht den Schluss auf die Rechtsfolge zu, dass die Klägerin als Unterhaltsverpflichtete zur Rückforderung der GmbH-Beteiligung berechtigt wäre, falls ihre unterhaltsberechtigte Tochter die GmbH-Beteiligung "auf Termin" veräußert hätte. Die Rechtsausführungen der Klägerin, nach denen sie im Falle der Verwertung der GmbH-Beteiligung durch ihre Tochter zur Rückforderung der Beteiligung berechtigt gewesen sei, sind durch den vom FG festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt.
d) Der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, "ob auch dann über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden, wenn der betreffende Steuerpflichtige im Rahmen einer Bewertung zu dem Ergebnis gekommen ist, die von ihm abgegebene Bewertung sei zutreffend", kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
Die Klägerin legt nicht dar, inwiefern diese Frage klärungsbedürftig sein soll. Sie setzt sich insbesondere nicht mit der Rechtsprechung des BFH zum Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) und zur Verlängerung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auseinander. Zudem wäre die von der Klägerin aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren auch nicht klärbar. Denn das FG hat ‑‑für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO)‑‑ festgestellt, es sei der Klägerin bewusst gewesen, dass sie die GmbH-Beteiligung ihrer Tochter in ihrer Steuererklärung hätte angeben müssen, und sie hätte erkennen können, dass durch das Verschweigen der Beteiligung Steuern verkürzt werden konnten. Das FG hat auch den Vortrag der Klägerin, sie habe sich über den Wert der GmbH-Beteiligung in einem Rechtsirrtum befunden, nicht als glaubhaft angesehen. An diese Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz wäre der Senat in einem künftigen Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO ebenfalls gebunden.
2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen, soweit sich die Klägerin explizit auf offensichtliche Rechtsfehler der finanzgerichtlichen Entscheidung beruft.
a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zur Sicherung der Rechtseinheit zwar auch dann zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung des FG in einem Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur wiederhergestellt werden könnte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 17. März 2010 X B 118/09, BFH/NV 2010, 1277, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt bei einem offensichtlichen materiellen und formellen Rechtsfehler von erheblichem Gewicht, der die Entscheidung der Vorinstanz als willkürlich oder greifbar gesetzwidrig erscheinen lässt. Vorliegen kann dies etwa, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat, das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht. Ferner kann ein gravierender Rechtsanwendungsfehler auch vorliegen, wenn das FG bei der Auslegung einer Willenserklärung anerkannte Auslegungsgrundsätze in einem Maße außer Acht lässt, dass seine Entscheidung nicht mehr nachvollziehbar erscheint (BFH-Beschluss vom 6. März 2014 IX B 159/13, BFH/NV 2014, 888).
b) Das FG-Urteil enthält solche gravierenden Rechtsfehler entgegen der Ansicht der Klägerin nicht. Insbesondere verstößt die Annahme des FG, die Tochter der Klägerin habe die GmbH-Beteiligung "auf Termin" veräußern können, nicht ‑‑wie die Klägerin meint‑‑ gegen "elementarste Grundsätze des Schuldrechts". Vielmehr hat die Klägerin ausweislich des Tatbestandes des FG-Urteils selbst vorgetragen, ihre Tochter habe "sich mit Aufhebung der Treuhandvereinbarung schriftlich verpflichtet, die Anteile nicht innerhalb der Behaltefrist des § 13a Abs. 5" des Erbschaftsteuergesetzes zu veräußern. Diesen Vortrag der Klägerin hat das FG in den Entscheidungsgründen als wahr unterstellt und ist von einem fünfjährigen Veräußerungsverbot ausgegangen. Dies lässt keine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung erkennen.
3. Dem FG ist auch der gerügte Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht unterlaufen.
a) Zwar kann der Verzicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht i.S. des § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO beinhalten, sofern dem FG die erforderliche eigene Sachkunde fehlt (BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 2004 VIII B 107/03, BFH/NV 2004, 1533, und vom 5. November 2013 VI B 86/13, BFH/NV 2014, 360).
b) Im Streitfall hat das FG seine Sachaufklärungspflicht aber nicht verletzt. Es hat entsprechend dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 360 ein Sachverständigengutachten über den Wert der GmbH-Beteiligung eingeholt. Dabei hat es sich mit den Äußerungen des Sachverständigen auseinandergesetzt, diese einer eigenen kritischen Würdigung unterzogen und daraus den Schluss gezogen, dass der Wert der GmbH-Beteiligung erheblich über dem Betrag gelegen habe, bei dem noch von einem geringen Vermögen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG auszugehen sei. Diese Beurteilung ist im Streitfall nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend, sie leidet weder unter Verfahrensfehlern noch unter einem Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das FG kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt hat.
c) Für die Einholung eines weiteren Gutachtens hätte nur dann Anlass bestanden, wenn die bisherigen gutachterlichen Stellungnahmen nicht dem Stand der Wissenschaft entsprochen hätten, widersprüchlich oder von unsachlichen Erwägungen getragen worden wären (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 1533, und vom 31. Oktober 2002 XI B 43/02, BFH/NV 2003, 626). Derartige Anhaltspunkte sind jedoch nicht erkennbar. Zwar hat die Klägerin behauptet, das Gutachten des Sachverständigen entspreche nicht dem Stand der Wissenschaft. Sie hat diese Behauptung aber in keiner Weise substantiiert. Inhaltlich wendet sie sich mit der Rüge, das FG hätte ein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen, vielmehr gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Auf die Rüge der fehlerhaften Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann ein Verfahrensmangel aber nicht gestützt werden.
4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.