ECLI:DE:BFH:2018:U.130318.IXR41.17.0
BFH IX. Senat
EStG § 6 Abs 1 Nr 1a, EStG § 7 Abs 1, EStG § 7 Abs 4, EStG § 7 Abs 5, EStG § 9 Abs 1 S 1, EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr 7, EStG § 9 Abs 5 S 2, EStG § 21 Abs 1 S 1 Nr 1, HGB § 255 Abs 1, HGB § 255 Abs 2 S 1, EStG VZ 2014
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 25. September 2017, Az: 12 K 113/16
Leitsätze
1. Unvermutete Aufwendungen für Renovierungsmaßnahmen, die lediglich dazu dienen, Schäden zu beseitigen, welche aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Nutzungsberechtigten entstanden sind, führen unter den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu anschaffungsnahen Herstellungskosten .
2. Dies gilt auch, wenn im Rahmen einer solchen Renovierung "verdeckte", d.h. dem Steuerpflichtigen im Zuge der Anschaffung verborgen gebliebene, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandene Mängel behoben werden .
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26. September 2017 12 K 113/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr (2014) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 18. Oktober 2012 erwarben die Kläger eine vermietete Eigentumswohnung in A zum Kaufpreis von 60.000 €; die anteiligen Anschaffungskosten für das Gebäude beliefen sich auf 40.316 €.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Instandhaltungsaufwendungen in Höhe von insgesamt 12.406 € geltend, die anteilig auf die Erneuerung des Badezimmers (8.517 €), die Erneuerung der Elektroinstallation (2.000 €), den Einbau von Fenstern (1.275 €), den Austausch einer Scheibe (186 €) sowie auf verschiedene Ersatzteile und Kleinmaterialien (428 €) entfielen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 21. März 2016 lediglich die Kosten für verschiedene Ersatzteile und Kleinmaterialien in Höhe von 428 € als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen; die übrigen Aufwendungen in Höhe von 11.978 € ordnete das FA den anschaffungsnahen Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) zu und berücksichtigte diese lediglich im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA).
Im Einspruchsverfahren trugen die Kläger vor, bei den durchgeführten Arbeiten habe es sich um Schönheitsreparaturen gehandelt. Überdies könne die Dreijahresfrist des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Streitfall nicht zur Anwendung kommen, da die langjährige Mieterin kurz nach Erwerb der Wohnung plötzlich verstorben sei und die Wohnung ohne Durchführung der Sanierungsmaßnahmen nicht erneut habe vermietet werden können. Das Badezimmer sei 40 Jahre alt und verwohnt, die Fenster lediglich einfach verglast, die Fensterrahmen defekt und die Fußböden schadhaft gewesen. Die Elektroinstallation habe nicht mehr dem aktuellen VDE-Standard entsprochen. Diese Situation sei für die Kläger nicht vorhersehbar gewesen. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen. Es führte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Juni 2016 IX R 22/15 (BFHE 254, 251, BStBl II 2016, 999) aus, zu den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zählten auch Schönheitsreparaturen. Da die von den Klägern innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Objekts insgesamt geltend gemachten Aufwendungen 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes überstiegen, seien die Aufwendungen insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten anzusehen und nur über die AfA (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1, 4 Satz 1 Nr. 2a EStG) zu berücksichtigen. Eine Segmentierung der Gesamtkosten oder isolierte Betrachtung einzelner baulicher Maßnahmen finde nicht statt.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger. Sie tragen vor, die maßgebliche Wohnung in betriebsbereitem und vermietetem Zustand erworben zu haben. Der Umstand, dass durch den plötzlichen Tod der Mieterin Investitionen erforderlich geworden seien, um eine Neuvermietung zu ermöglichen, rechtfertige es, den Sinngehalt der maßgeblichen Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG teleologisch zu reduzieren und die insoweit getragenen Aufwendungen als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu berücksichtigen. Der BFH habe in seinem Urteil vom 9. Mai 2017 IX R 6/16 (BFHE 259, 42, BStBl II 2018, 9) anerkannt, dass Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden, die nach Anschaffung einer vermieteten Immobilie durch das schuldhafte Handeln des Mieters verursacht werden, als Werbungskosten sofort abziehbar seien. Das angefochtene Urteil des FG stehe hierzu im Widerspruch.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil des FG vom 26. September 2017 12 K 113/16 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 21. März 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. April 2016 mit der Maßgabe zu ändern, dass ‑‑bei gleichzeitiger Herabsetzung der AfA von bisher 1.046 € auf 807 €‑‑ weitere sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 11.978,35 € bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Das FA weist darauf hin, dass es sich bei den von den Klägern geltend gemachten Kosten nicht um solche für unvermutete Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Schadens handele, der nachweislich erst nach der Anschaffung des Gebäudes durch das schuldhafte Handeln eines Dritten verursacht worden sei. Eine Divergenz zum BFH-Urteil in BFHE 259, 42, BStBl II 2018, 9 bestehe daher nicht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für die durchgeführten Renovierungsmaßnahmen den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen und damit lediglich im Rahmen der AfA zu berücksichtigen sind.
1. Aufwendungen, die ‑‑wie im Streitfall‑‑ durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen, sind dann nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) sofort abziehbar, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1, 4 und 5 EStG).
a) Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Anschaffungsnebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574; vom 22. September 2009 IX R 21/08, BFH/NV 2010, 846).
b) Zu den (fiktiven) Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG), sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar.
aa) Der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG ist gesetzlich nicht definiert und bedarf daher der Auslegung. Hierunter sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören daher unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen. Nicht zu den Aufwendungen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören nach dem Wortlaut des Satzes 2 der Vorschrift ausdrücklich nur Aufwendungen für Erweiterungen i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. Der Senat verweist insoweit auf seine Urteile vom 14. Juni 2016 IX R 25/14 (BFHE 254, 236, BStBl II 2016, 992), IX R 15/15 (BFHE 254, 246, BStBl II 2016, 996) und in BFHE 254, 251, BStBl II 2016, 999, jeweils m.w.N.
bb) Im Regelfall kann von einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden. Insoweit enthält die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten, ohne dass es einer Einzelfallprüfung bedarf. Übersteigen die hierfür angefallenen Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der für den Erwerb des Gebäudes aufgewandten Anschaffungskosten, sind diese insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zu behandeln (BFH-Urteile in BFHE 254, 236, BStBl II 2016, 992; in BFHE 254, 246, BStBl II 2016, 996, und in BFHE 254, 251, BStBl II 2016, 999).
cc) Im Rahmen dieser Regelvermutung sind auch die Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung verdeckter ‑‑im Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes jedoch bereits vorhandener‑‑ Mängel den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen. Gleiches gilt für Kosten zur Beseitigung von bei Anschaffung des Gebäudes angelegter, aber erst nach dem Erwerb auftretender altersüblicher Mängel und Defekte; auch solche Aufwendungen sind ihrer Natur nach verdeckte Mängel und mithin in die Betragsgrenze der anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG mit einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 259, 42, BStBl II 2018, 9; FG Düsseldorf, Urteil vom 30. August 2016 10 K 398/15 F, Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 1774, rechtskräftig). Demgegenüber sind Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Schadens, der im Zeitpunkt der Anschaffung nicht vorhanden und auch nicht in dem oben genannten Sinne "angelegt" war, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch das schuldhafte Handeln eines Dritten am Gebäude verursacht worden ist, nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen, wenn die Maßnahmen vom Steuerpflichtigen innerhalb von drei Jahren seit Anschaffung zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft des Gebäudes durchgeführt werden müssen. Die Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt für solche Schäden nicht (BFH-Urteil in BFHE 259, 42, BStBl II 2018, 9).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen zu Recht den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zugeordnet.
a) Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher den BFH bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) führten die Kläger im Streitjahr an ihrer Ende 2012 erworbenen Eigentumswohnung Renovierungsmaßnahmen durch, die (nur) aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den/die jeweiligen Nutzungsberechtigten erforderlich geworden sind. Das FG hat demgegenüber keine Feststellungen getroffen, die den Schluss zulassen, dass die im Zuge der Renovierungsarbeiten beseitigten Schäden ‑‑zeitlich gesehen‑‑ nach dem Erwerb des Objekts seitens der Kläger verursacht worden sind und auf ein schuldhaftes Verhalten der ‑‑rund ein Jahr nach dem Erwerbszeitpunkt verstorbenen‑‑ Vormieterin zurückzuführen sind.
b) Vor diesem Hintergrund sind die von den Klägern in Höhe von 11.978,35 € geltend gemachten weiteren Aufwendungen nicht als sofort abziehbare Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen; sie stellen anschaffungsnahe Herstellungskosten dar. Denn die Kläger haben im Zuge der ‑‑aufgrund des Todes der Mieterin unvermuteten‑‑ Instandsetzungsmaßnahmen lediglich den zeitgemäßen Zustand des Mietobjektes wiederhergestellt und dabei übliche, durch eine vertragsgemäße Wohnnutzung entstandene Mängel beseitigt. Soweit in diesem Rahmen auch "verdeckte", d.h. den Klägern im Zuge der Anschaffung verborgen gebliebene, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandene Mängel behoben wurden, sind auch die hierfür getragenen Aufwendungen den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen (BFH-Urteil in BFHE 259, 42, BStBl II 2018, 9).
Ob das FA die Kosten für verschiedene Ersatzteile und Kleinmaterialien in Höhe von 428 € zu Recht als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu Recht gewertet hat, kann wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots offenbleiben (zum Verböserungsverbot vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 96 Rz 51, m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.