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Urteil vom 28. Februar 2018, VIII R 30/15

Zur Besteuerung von Liquidationszahlungen nach Auflösung einer Stiftung

ECLI:DE:BFH:2018:U.280218.VIIIR30.15.0

BFH VIII. Senat

EStG § 20 Abs 1 Nr 9, EStG § 20 Abs 1 Nr 1, EStG § 22 Nr 1, EStG § 22 Nr 3, EStG § 20 Abs 1 Nr 2, EStG § 20 Abs 1 Nr 9, EStG VZ 2005 , ErbStG § 7 Abs 1 Nr 9

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 02. März 2015, Az: 5 K 3703/11

Leitsätze

1. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. erfasst nicht unterschiedslos alle wiederkehrenden oder einmaligen Zahlungen einer Stiftung, die von den beschlussfassenden Stiftungsgremien aus den Erträgen der Stiftung an den Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge während des Bestehens der Stiftung oder anlässlich ihrer Auflösung ausgekehrt werden (entgegen BMF) .

2. Die Auszahlung des Liquidationsendvermögens an den ausschließlich Anfallberechtigten ist nicht ‑‑wie von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. vorausgesetzt‑‑ mit Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 3. März 2015  5 K 3703/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Tochter und Erbin des im Jahr ... verstorbenen X (Stifter). Dieser hatte die X-Stiftung (Stiftung), die zuletzt nicht i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit war, gegründet. Nach dem Tod des Stifters war der Zweck der Stiftung darauf gerichtet, ihr Vermögen zu verwalten und das Stimmrecht bei der Y-GmbH auszuüben. Vorstand der Stiftung war zunächst der Stifter selbst. Nach dessen Tod sollte die Stiftung durch den Stiftungsvorstand, zu dessen Bestimmung die Stiftungssatzung umfangreiche Regelungen enthielt (§ 4 der Stiftungssatzung), vertreten werden. Im Falle der Beendigung der Stiftung sollte das Stiftungsvermögen an den Stifter fallen, nach dessen Tod war das Vermögen an dessen Erben zu verteilen (§ 8 der Stiftungssatzung).

  2. Der Stiftungsvorstand, dem die Klägerin zu keinem Zeitpunkt angehört hat, beschloss auf Vorschlag der Klägerin am ... 2004 die Auflösung der Stiftung, die das Regierungspräsidium ... nachfolgend genehmigte. Das Liquidationsendvermögen in Höhe von ... € wurde am ... 2005 an die Klägerin ausgekehrt.

  3. Mit Bescheid vom 5. Juli 2006 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) für den Erwerb aus der Zuwendung der Stiftung gegenüber der Klägerin erklärungsgemäß Schenkungsteuer fest. Darüber hinaus änderte das FA am 28. Oktober 2009 die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (2005), wobei es die Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen um ... € erhöhte und die Einkommensteuer entsprechend höher festsetzte. Zudem erging gegenüber der Stiftung am 24. November 2009 ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid über Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag für ... 2005.

  4. Mit ihrem gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 2005 gerichteten Einspruch legte die Klägerin eine Steuerbescheinigung der Stiftung vom 30. November 2009 für die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Bezüge vor. Daraufhin rechnete das FA im Einkommensteueränderungsbescheid 2005 vom 14. Dezember 2009 die festgesetzte Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag an. Im Übrigen wies es den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 28. September 2011 als unbegründet zurück.

  5. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die Einkünfte aus der Auskehrung des Stiftungsvermögens unterlägen weder als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) noch als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 und 2 Buchst. a EStG der Einkommensteuer.

  6. Die hiergegen gerichtete Revision begründet das FA mit der Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe verkannt, dass im Streitfall die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfüllt seien.

  7. Das FA beantragt,
    das angefochtene FG-Urteil vom 3. März 2015  5 K 3703/11 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  8. Die Klägerin beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Liquidation der Stiftung weder Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG noch des § 22 EStG bezogen hat.

  2. 1. Die Auskehrung des Liquidationsendvermögens führt bei der Klägerin nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Die Stiftung ist zwar ein von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasstes Sondervermögen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, jedoch sind die streitigen Zahlungen keine Einnahmen aus Leistungen, die Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind.

  3. a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG, die Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, soweit sie nicht bereits zu den Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören; Nummer 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

  4. b) Für die Annahme von Einnahmen aus Leistungen, die Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Leistungsempfänger rechtlich die Stellung eines Anteilseigners innehat. Ausschlaggebend ist, ob die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht, was zumindest dann der Fall ist, wenn der Leistungsempfänger unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 3. November 2010 I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417 zu Zahlungen einer Stiftung an Destinatäre außerhalb einer Liquidation; kritisch: Lange, Zweifelsfragen bei der Besteuerung von Familienstiftungen und ihren Destinatären, Forum Steuerrecht 2014, S. 233, 248; vgl. auch Jachmann/Lindenberg in Lademann, EStG, § 20 Rz 458; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 20 Rz 61; Blümich/Ratschow, § 20 EStG Rz 337, 339).

  5. c) Unabhängig von der Frage, ob die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht, fehlt es bereits dem Grunde nach an einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ nach der Auflösung einer Stiftung das Liquidationsendvermögen an den ausschließlich Anfallberechtigten gezahlt wird. Denn der Gesetzgeber hat in dem Bewusstsein, dass auch in Liquidationszahlungen thesaurierte Erträge enthalten sein können, nicht auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG Bezug genommen.

  6. aa) § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG verweist ausschließlich auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der Beteiligungserträge, die von einer bestehenden Körperschaft gewährt werden, erfasst. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG führt demnach die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geregelte Verteilung des im Rahmen des Stiftungszweckes erwirtschafteten Überschusses an "hinter einer Stiftung stehende Personen" zu Einkünften aus Kapitalvermögen.

  7. Auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, der die aufgrund der Liquidation erfolgende Verteilung des Stiftungsvermögens regelt, verweist § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG hingegen nicht. Handels- und steuerrechtlich sind jene Zahlungen aufgrund einer Herabsetzung von Grund- oder Stammkapital oder einer Liquidation dem Grunde nach als Kapitalrückgewähr und nicht als Kapitalertrag zu qualifizieren (vgl. Geurts in Bordewin/Brandt, § 20 EStG Rz 210; von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 20 Rz 57, m.w.N.). § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst demnach Bezüge, die nicht zu den Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören (z.B. Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 121). Andernfalls wäre die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch überflüssig (vgl. Meilicke, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2017, 227, 228).

  8. bb) Die Auszahlung des Liquidationsendvermögens an den ausschließlich Anfallberechtigten ist demnach keine Leistung, die Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar ist (vgl. Pöllath/Richter in Seifart/ v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 42 Rz 18; vgl. auch Meilicke, DStR 2017, 227, 228). Sie ist vielmehr von diesen zu unterscheiden, was sich auch daran zeigt, dass das, was der Anfallberechtigte bei Aufhebung einer Stiftung erwirbt, gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) als Schenkung unter Lebenden gilt (vgl. auch Meilicke, DStR 2017, 227, 228).

  9. Entgegen der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ (Schreiben vom 27. Juni 2006 IV B 7 -S 2252- 4/06, BStBl I 2006, 417; wohl auch Jochum, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 20 Rz C/9 14; anders: Wassermeyer, DStR 2006, 1733, 1734) erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG daher nicht unterschiedslos alle wiederkehrenden oder einmaligen Leistungen einer Stiftung, die von den beschlussfassenden Stiftungsgremien aus den Erträgen der Stiftung an den Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge während des Bestehens der Stiftung oder anlässlich ihrer Auflösung ausgekehrt werden.

  10. cc) Der Zweck der Norm bestätigt dieses Verständnis. Mit der im Zuge der Umstellung der Körperschaftsteuer vom Anrechnungs- auf das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren erfolgten Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433) wollte der Gesetzgeber bestehende Belastungsunterschiede zwischen Stiftungen/Destinatären einerseits und Kapitalgesellschaften/Anteilseignern in einen Zustand der Belastungsgleichheit überführen (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Januar 2015 X R 31/13, BFHE 248, 556, BStBl II 2015, 540). Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.d.F. des StSenkG enthielt den Zusatz, dass die Leistungen Gewinnausschüttungen im Sinne der Nummer 1 wirtschaftlich vergleichbar sein müssen, allerdings noch nicht. Dieser wurde erst durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858) mit Wirkung zum 25. Dezember 2001 (vgl. Art. 12 Abs. 1 UntStFG) ergänzt. Hierin sah der Gesetzgeber eine Klarstellung: Bei Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, denen die von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfassten Leistungen wirtschaftlich vergleichbar sein müssen, handele es sich um die gesellschaftsrechtlich veranlasste offene oder verdeckte Verteilung des Gewinnes der Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter, der im Rahmen des Gesellschaftszweckes erwirtschaftet worden sei (Verteilung des erwirtschafteten Überschusses, vgl. BTDrucks 14/6882, S. 35).

  11. Dementsprechend sollten Zahlungen, die sich als Verteilung des erwirtschafteten Überschusses darstellen, gleichbehandelt werden. Der Gesetzesbegründung ist allerdings nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die aufgrund der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfolgende Vermögensverteilung als eine Leistung angesehen hat, die "einer Gewinnausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG" wirtschaftlich vergleichbar ist und er daher in § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG von einer Bezugnahme auf Nr. 2 abgesehen hat. Ein solches Verständnis erscheint in Anbetracht der ausdrücklichen Trennung der Einkunftstatbestände in § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG fernliegend.

  12. dd) Dies gilt umso mehr in Anbetracht der Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Gilt danach das, was der Anfallberechtigte erworben hat, als Schenkung unter Lebenden, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eben diese Leistung ‑‑ohne dies klar zum Ausdruck zu bringen und zu begründen‑‑ zugleich auch einer Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG unterwerfen wollte.

  13. ee) Dieses Normverständnis des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG wird schließlich dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG erstmals mit dem Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) mit Wirkung zum 1. Januar 2007 ‑‑Art. 20 Abs. 6 JStG 2007‑‑ in § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG ergänzt und damit den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf die dort erfassten Bezüge, zu denen u.a. auch solche aus der Auflösung einer Stiftung gehören, erweitert hat.

  14. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Verweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/2712, S. 49) lediglich um eine Klarstellung handeln soll, da es nur auf die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ankomme und somit von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht nur laufende Zahlungen (Gewinnanteile i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG), sondern auch Zahlungen bei Auflösung der Körperschaft (Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG) erfasst seien. Denn eine Gesetzesbegründung, nach der eine Neuregelung nur klarstellend zu verstehen ist, ist für die Gerichte nicht bindend (z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013  1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1). Ob sie gegenüber dem alten Recht deklaratorisch oder konstitutiv wirkt, hängt vom Inhalt des alten und des neuen Rechts ab, der regelmäßig durch Auslegung ermittelt werden muss. Diese ergibt indes ‑‑wie dargelegt‑‑, dass der durch das JStG 2007 ergänzte Verweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG konstitutiv und nicht nur deklaratorisch zu verstehen ist. Darüber hinaus zeigt sich die konstitutive Wirkung der Gesetzesänderung auch darin, dass die geänderte Norm nach dem JStG 2007 erst mit Wirkung zum 1. Januar 2007 (Art. 20 Abs. 6 JStG 2007) in das Gesetz aufgenommen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 2016 X R 49/14, BFH/NV 2016, 1152 zur Ergänzung von § 86 Abs. 2 Satz 1 EStG).

  15. 2. Das FG hat auch zutreffend erkannt, dass die streitigen Zahlungen nicht von § 22 Nr. 1 Satz 1 und 2 Buchst. a EStG erfasst sind.

  16. Dabei kann der Senat dahingestellt lassen, ob die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich subsidiäre Norm im Streitfall überhaupt Anwendung findet. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, lägen die Voraussetzungen für eine Besteuerung der streitigen Leistungen nicht vor.

  17. a) Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1  1. Halbsatz EStG sind sonstige Einkünfte solche aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Entscheidend ist, dass sich die Bezüge aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrunds mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht immer in gleicher Höhe, wiederholen (z.B. BFH-Urteile vom 14. April 2015 IX R 35/13, BFHE 249, 488, BStBl II 2015, 795; vom 25. August 1987 IX R 98/82, BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344). Einmalige Leistungen begründen keine wiederkehrenden Bezüge (z.B. BFH-Urteile in BFHE 249, 488, BStBl II 2015, 795, und vom 27. November 1959 VI 172/59 U, BFHE 70, 174, BStBl III 1960, 65).

  18. b) Im Streitfall fehlt es an wiederkehrenden Bezügen. Die Auskehrung des Liquidationsendvermögens ist eine einmalige Zahlung.

  19. 3. Es liegt auch keine sonstige Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG vor.

  20. a) Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst. Entscheidend ist, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist. Hinreichend ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang in der Weise, dass die Gegenleistung durch das Verhalten "ausgelöst" wird (BFH-Urteil in BFHE 249, 488, BStBl II 2015, 795, m.w.N.).

  21. b) Im Streitfall ist die Zahlung nicht durch eine Leistung der Klägerin ausgelöst worden. Auslöser war vielmehr die Auflösung der Stiftung. Für diesen Fall stand der Klägerin ‑‑der Erbin des Stifters‑‑ als Anfallberechtigter ein Anspruch auf Auszahlung des Liquidationsendvermögens zu.

  22. 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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