ECLI:DE:BFH:2017:U.270617.IXR3.17.0
BFH IX. Senat
EStG § 15, EStG § 17, EStG § 18 Abs 1 Nr 1, AO § 14 S 3, EStG VZ 2014
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 05. Dezember 2016, Az: 8 K 123/16
Leitsätze
NV: Die wiederholte Gründung und Veräußerung von sog. Vorratsgesellschaften ‑‑hier: Gründung und Veräußerung von insgesamt 40 GmbHs‑‑ überschreitet die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung .
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. Dezember 2016 8 K 123/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob Gewinne aus der Gründung und Veräußerung von sog. Vorratsgesellschaften als private Beteiligungseinkünfte nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbar sind.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2014 als Steuerberaterin Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Von 2005 bis 2014 gründete die Klägerin jeweils als Alleingesellschafterin GmbHs. Die GmbHs verfügten über keinen Geschäftsbetrieb und bis auf das von der Klägerin eingezahlte Stammkapital über kein Betriebsvermögen. Die Klägerin veräußerte die von ihr gegründeten GmbHs über die Firma Z als gegen Zahlung einer Provision eingeschaltete Vermittlerin weiter. In den Jahren 2005 bis 2014 veräußerte die Klägerin insgesamt 40 GmbHs. Im Streitjahr 2014 gründete sie 5 GmbHs und veräußerte diese weiter. Daraus erzielte sie einen Gewinn in Höhe von 2.692 €.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 erklärte die Klägerin den Gewinn aus der Veräußerung der Vorratsgesellschaften im Rahmen der Einkünfte aus § 15 EStG. Die Veranlagung erfolgte mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 28. Dezember 2015 erklärungsgemäß. Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die Einkünfte aus der Gründung und Veräußerung der Gesellschaften im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung erzielt zu haben und begehrte den Ansatz des Gewinns im Rahmen der Einkünfte aus § 17 EStG und die Anwendung des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 2016 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies mit Urteil vom 6. Dezember 2016 8 K 123/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2017, 462) die Klage als unbegründet ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der Verkauf von GmbH-Anteilen könne nicht mit einem Produktionsbetrieb gleichgesetzt werden. Sie habe keinen Geschäftsbetrieb eingerichtet, unterhalte kein Büro und setze kein Fremdkapital ein. Sie benötige für Gründung und Verkauf einer GmbH lediglich Telefon und Internetanschluss. Die Umschichtung der GmbH-Anteile finde in ihrem Privatvermögen statt. Mangels aktuell am Kapitalmarkt erzielbarer Zinsen habe sie sich nach besseren Anlagemöglichkeiten und neuen Möglichkeiten der Fruchtziehung umgesehen. Sie reichere die GmbH-Anteile nicht mit werterhöhenden Dienstleistungen oder Merkmalen an. Ihr Arbeitsaufwand sei nicht größer als beim An- und Verkauf börsennotierter Wertpapiere über eine Bank. Ihre Tätigkeit überschreite auch nicht die Grenze zu einem gewerblichen Wertpapierhandel, wie z.B. bei einem Day-Trader. Sie werde nicht als Wertpapierhändlerin wahrgenommen und verhalte sich auch nicht als solche.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG vom 6. Dezember 2016 8 K 123/16 und die Einspruchsentscheidung vom 19. April 2016 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 28. Dezember 2015 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0 € angesetzt werden.Das FA betragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin die Anteile an den Vorratsgesellschaften in ihrem Betriebsvermögen und nicht in ihrem Privatvermögen gehalten hat, so dass die Anwendung des § 17 EStG und damit auch des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG ausscheidet (1.). Mangels steuerlicher Auswirkung kann offenbleiben, ob die Anteile zu einem gewerblichen Betriebsvermögen der Klägerin oder zu ihrem freiberuflichen Betriebsvermögen als Steuerberaterin gehört haben (2.).
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das FG ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Tätigkeit der Klägerin nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und der Verkehrsanschauung die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) überschreitet, so dass die Anteile an den Vorratsgesellschaften dem Betriebsvermögen der Klägerin zuzuordnen und die daraus folgenden Einkünfte nicht nach § 17 EStG steuerbar sind.
a) Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.1., sowie BFH-Urteil vom 14. Juli 2016 IV R 34/13, BFHE 255, 12, BStBl II 2017, 175, unter II.3.a bb (1), jeweils m.w.N.). Der Kernbereich der Vermögensverwaltung wird in § 14 Satz 3 AO durch Bezugnahme auf Regelbeispiele (verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen und die Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Vermögen) abgegrenzt. Dadurch wird die Vermögensverwaltung gleichwohl nicht abschließend definiert. Sie wird in der Rechtsprechung des BFH letztlich negativ danach bestimmt, "ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht" (BFH-Urteile vom 25. Juli 2001 X R 55/97, BFHE 195, 402, BStBl II 2001, 809, unter II.2.d, und vom 11. Oktober 2012 IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, unter B.II.2.c cc (1) (a), jeweils m.w.N.).
Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung ist somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.II., und BFH-Urteile in BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, unter B.II.2.c cc (1) (b), und in BFHE 255, 12, BStBl II 2017, 175, unter II.3.a bb (1)). Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das "Bild des Gewerbebetriebs" durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Zu diesen gehören die ‑‑selbständig und nachhaltig ausgeübten‑‑ Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 19. Januar 2017 IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, unter B.I.1.b bb, und in BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, unter B.II.2.c cc (1) (b), jeweils m.w.N.). Ob Veräußerungen noch der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind, lässt sich nicht für alle Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten. Gegenstand des händlertypischen Umschlags von Waren können grundsätzlich alle handelbaren Wirtschaftsgüter oder Sachgesamtheiten sein. Hierzu gehören auch Unternehmen sowie Beteiligungen an Unternehmen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 195, 402, BStBl II 2001, 809, unter II.2.f, und in BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, unter B.II.2.c cc (1) (b)).
b) Nach Maßgabe der nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG und unter Berücksichtigung der in der o.g. Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze zur Abgrenzung einer gewerblichen von einer vermögensverwaltenden Tätigkeit ist die Würdigung des FG, wonach eine private Vermögensverwaltung nicht vorliegt, nicht zu beanstanden.
aa) Die Tätigkeit der Klägerin ist bereits nach der Art der betroffenen Wirtschaftsgüter nicht den klassischen Bereichen der privaten Vermögensverwaltung wie ‑‑u.a. den in § 14 Satz 3 AO erwähnten Formen‑‑ der Anlage von Kapitalvermögen oder Vermietung von unbeweglichem Vermögen zuzuordnen (vgl. Schmidt/ Wacker, EStG, 36. Aufl., § 15 Rz 89; Hartrott, Finanz-Rundschau 2008, 1095, 1096). Denn Vorratsgesellschaften sind mangels mit ihnen verbundener Ertrags- und Wertsteigerungsaussichten als bloße ("leere") Hüllen allein kein taugliches Mittel einer privaten Vermögenverwaltung. Ihre Gründung ist daher mit der Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter der Vermögensverwaltung, mit denen auf eine Wertsteigerung spekuliert wird (wie z.B. Gold, unbebaute Grundstücke) oder auf Erträge abgestellt wird (z.B. Aktien, bebaute Grundstücke) nicht vergleichbar. Privatpersonen bedienen sich auch üblicherweise ‑‑selbst in Niedrigzinsphasen‑‑ nicht der Gründung und Weiterveräußerung von Vorratsgesellschaften als Mittel zur Kapitalanlage. Vielmehr werden diese regelmäßig von gewerblichen Anbietern oder Angehörigen der steuer- und rechtsberatenden Berufe ‑‑wie der Klägerin‑‑ am Markt angeboten.
bb) Die Tätigkeit der Klägerin überschreitet auch nach dem Gesamtbild und der Verkehrsanschauung die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung. Die Klägerin hat mit der Gründung der GmbHs ein zunächst nicht vorhandenes Wirtschaftsgut "GmbH-Beteiligung" hergestellt und zeitnah veräußert. Die Klägerin hat damit nicht ein bereits vorhandenes Wirtschaftsgut zur Kapitalanlage angeschafft, sondern sich mit der Schaffung eines neuen Wirtschaftsguts wie ein Produzent oder Dienstleister verhalten, mit dem Unterschied, keine körperlichen Waren hergestellt, sondern mit der Gründung der Beteiligung ein marktgängiges und verkehrsfähiges Wirtschaftsgut geschaffen zu haben. Das Verhalten der Klägerin war auch nicht auf dauerhafte Fruchtziehung ausgerichtet, da sich mangels Ausschüttungseignung der Beteiligungen nur durch eine schnelle Weiterveräußerung und nicht durch ein langfristiges Halten und damit verbundenes Erzielen von Dividendeneinkünften ein Gewinn erzielen ließ. Die Klägerin hat mit dem Erlös aus der Weiterveräußerung der Vorratsgesellschaften nach den Feststellungen des FG auch keine Wertsteigerung des jeweiligen Anteils realisiert. Vielmehr wurden mit dem Aufschlag bei der Weiterveräußerung allein der Zeit- und Arbeitseinsatz der Klägerin, mithin die von der Klägerin erbrachte Dienstleistung, und die damit verbundene Ersparnis des Gründungsaufwands bei den Erwerbern abgegolten.
cc) Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, die neu gegründeten Gesellschaften dauerhaft zu halten, sondern hat diese ‑‑was die vom FG festgestellte kurze Haltedauer jeweils zeigt‑‑ schnellstmöglichst als Vorratsgesellschaften vermarktet. Private Vermögensverwaltung ist aber grundsätzlich langfristig ausgerichtet. Sie dient dazu, Privatvermögen nutzbringend anzulegen und mittels der Wertsteigerungen und Erträge ein finanzielles Polster zu schaffen. Die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern in der Absicht alsbaldiger Veräußerung überschreitet jedoch die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung (vgl. dazu auch Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1110; Reiß in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 15 Rz 131a f., jeweils m.w.N.; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 15 Rz 130, jeweils m.w.N.).
dd) Die Tätigkeit der Klägerin ist auch nicht mit dem (der Vermögensverwaltung zuzuordnenden) Bereich des An- und Verkaufs von börsengehandelten Wertpapieren vergleichbar. Zwar kann der häufige An- und Verkauf von Wertpapieren "typische" Vermögensverwaltung sein. Dies gilt auch dann, wenn die Größe des Vermögens beachtlich ist und dessen Verwaltung häufige und ständige Umschichtungen erfordert (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 2003 X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, unter II.2.c; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 91; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 15 Rz 135; Desens/Blischke, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rz B 79; Fischer, Deutsches Steuerrecht 2009, 398, 399). Dagegen stellen sich die Gründung und der Verkauf von Vorratsgesellschaften anders dar (vgl. für den Handel mit Vorratsgesellschaften Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 16 Rz 131b; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 15 Rz 135a). Es geht nicht um die Anschaffung und Veräußerung von in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht durch Wertpapiere verbrieften und an der Börse handelbaren Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Denn diese werden regelmäßig unter Nutzung eines Markts (Börse) und im Regelfall über Banken (anonym) erworben und veräußert. Auch geht es nicht darum, Zinsen und Dividenden oder Wertsteigerungen durch eine günstige Kursentwicklung zu erzielen. Stattdessen wurden von der Klägerin individuell Kapitalgesellschaften gegründet und an Interessenten veräußert (vgl. BFH-Urteil in BFHE 195, 402, BStBl II 2001, 809, unter II.2.f). Es geht der Klägerin auf der Grundlage der Feststellungen des FG daher nicht in ihrem eigenen Interesse um das bloße Umschichten von Anteilen oder das Ausnutzen von Wertsteigerungen in der Folge von Kursänderungen, sondern allein darum, funktionslose Mantelgesellschaften für interessierte Erwerber zu gründen und zu veräußern (so auch Hennigfeld, EFG 2017, 464).
2. Mangels steuerlicher Auswirkung braucht sich der Senat nicht mit der Frage zu beschäftigen, ob die streitigen Anteile an den Vorratsgesellschaften einem gewerblichen Betriebsvermögen der Klägerin (§ 15 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder ihrem freiberuflichen Betriebsvermögen aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zuzurechnen sind. Da die Klägerin Einzelunternehmerin ist, stellt sich auch nicht die Frage der Anwendung der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.