ECLI:DE:BFH:2017:B.140217.VB154.16.0
BFH V. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, UStG § 15 Abs 1, UStG § 15 Abs 1b, UStG § 27 Abs 16, UStG VZ 2010 , UStG VZ 2011 , UStG VZ 2012
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 06. Oktober 2016, Az: 9 K 1738/15
Leitsätze
1. NV: Ist ein Gegenstand für eine gemischte Nutzung vorgesehen, wird dieser nur dann für das Unternehmen bezogen, wenn und soweit der Unternehmer ihn seinem Unternehmen zugeordnet hat (Zuordnungswahlrecht) .
2. NV: Die Zuordnung eines Gebäudes zum Unternehmensvermögen kann bei beabsichtigter oder tatsächlicher anteiliger unternehmerischer Nutzung nicht unterstellt werden, weil es dem Unternehmer in einem solchen Fall gleichwohl freisteht, das Gebäude in vollem Umfang seinem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen .
3. NV: Eine beabsichtigte und später tatsächlich vollzogene anteilige unternehmerische Nutzung eines Gebäudes genügt nicht, um eine rechtzeitige Zuordnungsentscheidung ‑‑bis zum 31. Mai des Folgejahres der entstandenen Eingangsbezüge‑‑ zu dokumentieren .
4. NV: Im Einzelfall kommt ggf. eine Billigkeitsmaßnahme im Hinblick auf die inzwischen in Kraft getretene ‑‑im Streitfall noch nicht anwendbare‑‑ Regelung in § 15 Abs. 1b UStG in Betracht, wonach bei gemischt genutzten Grundstücken ein Vorsteuerabzug entsprechend der anteiligen unternehmerischen Nutzung möglich ist .
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 2016 9 K 1738/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt als Unternehmer u.a. einen Hofladen. In den Jahren 2009 bis 2011 errichtete er nach Maßgabe eines entsprechenden Bauantrags aus dem Jahr 2003 ein Wohnhaus mit im Untergeschoss befindlichen gewerblichen Sozialräumen und eine Ladenerweiterung. Ausweislich der Baupläne war das Wohnhaus durch einen überdachten Zugang, auf dem sich die Terrasse befand, mit der Ladenerweiterung verbunden.
Der Kläger machte erstmals mit der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für das Jahr 2009 am 9. August 2011 und für das Jahr 2010 am 20. Juni 2012 Vorsteuerbeträge aus den anteiligen Baukosten für die gewerblichen Räume geltend. Infolge einer für die Jahre 2009 und 2010 durchgeführten Umsatzsteueraußenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der begehrte Vorsteuerabzug mangels rechtzeitiger Zuordnung der streitbefangenen Gebäudeteile zum Unternehmensvermögen zu versagen sei. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) schloss sich dieser Meinung an und erließ am 22. Januar 2014 entsprechende Umsatzsteuerjahresbescheide für 2009 und 2010. Die hiergegen erhobenen Einsprüche blieben ohne Erfolg. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2011 reichte der Kläger am 4. Juni 2013 ein. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2012 ging am 20. August 2014 beim FA ein.
Mit Schreiben vom 28. April 2014 beantragte der Kläger die Herabsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 2010 und 2011 (Streitjahre) um jeweils 1.849,37 € "im Wege der Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG". Gegen die Ablehnung dieser Anträge legte der Kläger Einspruch ein. Ferner erhob der Kläger Einspruch gegen den geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Jahr 2012 (Streitjahr), mit dem das FA den begehrten Vorsteuerabzug in Höhe von 1.839,47 € aus den Herstellungskosten des Untergeschosses nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht anerkannte.
Das FA wies die Einsprüche des Klägers für alle Streitjahre als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, dass die begehrte Vorsteuerberichtigung nicht in Betracht komme, weil wegen der nicht rechtzeitigen Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmensvermögen schon dem Grunde nach kein Vorsteuerabzug gegeben sei.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 und Alternative 2 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits geklärt, so dass kein Grund für die Zulassung der Revision besteht.
a) Der Kläger hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig,
"ob bei einem vom Steuerpflichtigen selbst als Wohnhaus und als Hofladen genutzten Objekt der Ausweis von Räumlichkeiten in den Bauantragsunterlagen als zum Unternehmen des Steuerpflichtigen gehörende Räumlichkeiten ausreicht, um die entsprechenden (hergestellten) Räumlichkeiten dem Unternehmensvermögen umsatzsteuerrechtlich zuzuordnen bzw. hierfür ein Beweisanzeichen zu sein."
b) Diese Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des BFH und des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) bereits entschieden.
aa) Ist ein Gegenstand ‑‑wie im Streitfall‑‑ sowohl für den unternehmerischen als auch für den nichtunternehmerischen Bereich des Unternehmers vorgesehen (gemischte Nutzung), wird der Gegenstand nur dann für das Unternehmen bezogen, wenn und soweit der Unternehmer ihn seinem Unternehmen zuordnet (vgl. EuGH-Urteil Bakcsi vom 8. März 2001 C-415/98, EU:C:2001:136, Leitsatz 1 und Rz 25). Insoweit hat der Unternehmer nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH ein Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder den Gegenstand entsprechend dem ‑‑geschätzten‑‑ unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen und im Übrigen seinem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. Juli 2011 V R 21/10, BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81; vom 11. Juli 2012 XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266, Zeitschrift für das gesamte Mehrwertsteuerrecht ‑‑MwStR‑‑ 2013, 51, Rz 35; vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, Rz 21, jeweils m.w.N.). Dabei ist Zuordnungsgegenstand das gesamte, gemischt genutzte Gebäude.
Ferner ist bereits geklärt, dass eine Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmensvermögen bei beabsichtigter oder tatsächlicher unternehmerischer Nutzung nicht unterstellt werden kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2014 V B 75/13, BFH/NV 2014, 914, Rz 5, unter Hinweis auf BFH-Urteil in BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, Rz 42). Denn in einem solchen Fall steht es dem Unternehmer gleichwohl frei, das Gebäude in vollem Umfang seinem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen und damit dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 266, MwStR 2013, 51, Rz 53, m.w.N., und BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 914, Rz 3, 4, m.w.N.).
bb) Danach ist durch die vorhandene Rechtsprechung geklärt, dass die vom Kläger dargestellte und belegte unternehmerische Nutzung von Teilen des Gebäudes entsprechend dem schon im Jahr 2003 gestellten Bauantrag alleine nicht genügt, um eine rechtzeitige erforderliche Zuordnungsentscheidung zu dokumentieren. Die vom Kläger erst nach dem 31. Mai des jeweiligen Folgejahres der Umsatzsteuerjahresfestsetzungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge reichen demgegenüber unstreitig nicht für die Vornahme rechtzeitiger Zuordnungsentscheidungen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, Rz 33 bis 35).
cc) Die Entscheidung des Senats umfasst indessen keine etwa mögliche Billigkeitsmaßnahme im Einzelfall dahingehend, im Hinblick auf die im Streitfall noch nicht anwendbare Regelung in § 15 Abs. 1b UStG (vgl. § 27 Abs. 16 UStG) ggf. gleichwohl die beantragte Vorsteuerberichtigung in Betracht zu ziehen.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO). Aus den dargelegten Gründen ist die Revision auch nicht zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.