ECLI:DE:BFH:2016:B.151216.XR20.16.0
BFH X. Senat
FGO § 56, FGO § 120, BGB § 1587o
vorgehend FG Münster, 21. Juni 2016, Az: 7 K 727/14 E
Leitsätze
NV: Werden bei Einlegung der Revision Antrag und Begründung einem besonderen Schriftsatz vorbehalten, ersetzt die Beifügung des FG-Urteils grundsätzlich weder Antrag noch Begründung.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 22. Juni 2016 7 K 727/14 E wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte Klage erhoben, die auf die steuerliche Berücksichtigung von Abfindungszahlungen zum Ausschluss eines Versorgungsausgleichs gerichtet war. Mit Urteil vom 22. Juni 2016 wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab und ließ die Revision zu. Das Urteil wurde am 28. Juni 2016 zugestellt. Am 1. Juli 2016 hat der Kläger Revision eingelegt und dabei formuliert: "Antrag und Begründung der Revision wird ein besonderer Schriftsatz enthalten".
Nachdem kein weiterer Schriftsatz eingegangen war, wies die stellvertretende Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 2. September 2016, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 6. September 2016, auf die am 29. August 2016, einem Montag, abgelaufene Revisionsbegründungsfrist nach § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie auf §§ 124, 56 FGO hin. Am 13. September 2016 erwiderte der Kläger unter Hinweis auf das bei dem Senat anhängige Revisionsverfahren X R 60/14, der Revisionsantrag richte sich gegen den Nichtansatz von Ausgleichszahlungen nach § 1587o des Bürgerlichen Gesetzbuchs a.F. (BGB) auf Seiten des Zahlenden. Dies sei nach seiner Auffassung hinreichend klar gewesen, da das FG-Urteil beigefügt gewesen sei und sich die Revisionsbegründung dort ausreichend wiederfinde. Er hätte sich lediglich weitere Revisionsgründe vorbehalten wollen. Ein diesbezügliches Missverständnis bitte er zu entschuldigen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) hat sich zu der Revision bisher nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist mangels Revisionsbegründung unzulässig und nach § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluss zu verwerfen.
1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO ermöglicht die Verlängerung der Frist auf Antrag. Nach § 120 Abs. 3 FGO muss die Begründung die Revisionsanträge (Nr. 1) sowie die Angabe der Revisionsgründe (Nr. 2) enthalten. Beides fehlt.
a) Der Kläger hat innerhalb der Frist des § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO, die mangels Antrags auch nicht verlängert wurde, keinen Revisionsantrag gestellt. Ein förmlicher Revisionsantrag ist zwar entbehrlich, wenn sich aus dem Vorbringen des Revisionsklägers eindeutig ergibt, inwieweit er sich durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt und inwieweit er dessen Aufhebung oder Änderung erstrebt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 21. Januar 2014 IX R 9/13, BFHE 244, 225, BStBl II 2016, 515, unter II.1.). So verhält es sich hier aber nicht. Insbesondere hat der Kläger gerade nicht durch Bezugnahme auf das FG-Urteil oder auf seine Anträge im Verfahren vor dem FG kenntlich gemacht, dass er sein Anliegen unverändert weiterverfolge, sondern stattdessen für seinen Antrag nur auf einen noch einzureichenden Schriftsatz Bezug genommen. Die Fortsetzung des bisherigen Begehrens versteht sich auch nicht etwa von selbst. Es ist bei Zahlungen jedweder Art stets möglich, dass nur ein Teilbetrag steuerlich zu berücksichtigen ist und geltend gemacht wird.
b) Ebenso fehlt es an einer fristgerechten Angabe der Revisionsgründe. § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO verlangt als Angabe der Revisionsgründe die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (Buchst. a, betreffend materiell-rechtliche Rügen) und/oder die Bezeichnung der Tatsachen, die einen Verfahrensmangel ergeben (Buchst. b, betreffend Verfahrensrügen). Im Falle des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO gehört dazu u.a. eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen FG-Urteils. Es muss erkennbar sein, dass der Revisionskläger die Begründung jenes Urteils und sein eigenes bisheriges Vorbringen überprüft hat. Zu diesem Zweck muss dargetan werden, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen. Selbst eine wörtliche Wiederholung der in der Klageschrift enthaltenen Ausführungen genügt regelmäßig nicht, es sei denn, der Revisionskläger hätte sich schon in der Klageschrift umfassend und abschließend mit denjenigen Argumenten auseinandergesetzt, auf die das FG in der Folge seine Entscheidung gestützt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Juni 2006 I R 12/05, BFH/NV 2006, 2088). Die kommentarlose Beifügung des FG-Urteils unter Ankündigung eines Revisionsbegründungsschriftsatzes enthält schon keine Bezugnahme auf das Urteil und die vorangehenden Schriftsätze und erst recht keine Auseinandersetzung mit den Gründen des Urteils.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt auch aufgrund des Schriftsatzes vom 13. September 2016 nicht in Betracht. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Zudem ist u.a. nach § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO innerhalb der Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO (zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses) die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. In diesem Fall kann Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag gewährt werden.
a) Es ist schon nicht erkennbar, dass der Kläger ohne Verschulden gehindert gewesen wäre, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Soweit er ein Missverständnis geltend macht und damit sinngemäß vorträgt, er habe mit der Revisionsschrift in einer den Begründungsanforderungen genügenden Weise auf das FG-Urteil Bezug nehmen wollen, dies aber versehentlich nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, schließt dies zum einen das Verschulden nicht unbedingt aus, ist zum anderen aber auch nicht glaubhaft, weil der Kläger in der Revisionsschrift ausdrücklich Antrag und Begründung angekündigt hat. Mit dieser Formulierung bringt er umgekehrt sehr deutlich zum Ausdruck, dass er gerade nicht nur eine Begründung durch Bezugnahme auf das FG-Urteil abgeben will.
b) Zudem hat der Kläger auch in dem Schriftsatz vom 13. September 2016 die Revisionsgründe nicht angegeben und damit entgegen § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt. Der Senat kann offenlassen, ob der Hinweis auf den Nichtansatz der Ausgleichszahlungen den Anforderungen an einen Revisionsantrag i.S. des § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO genügt. Es fehlt aber nach wie vor die Angabe der Revisionsgründe i.S. des § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO. Zwar hat der Kläger mit diesem Schriftsatz nunmehr ausdrücklich das FG-Urteil zum Gegenstand seiner Revisionsbegründung gemacht, allerdings auch nur dieses, nicht etwa Schriftsätze im FG-Verfahren. Nach den unter II.1.b angegebenen Maßstäben genügt diese Bezugnahme den Anforderungen an eine Revisionsbegründung nicht. Das FG hat zu der Abzugsmöglichkeit der Ausgleichszahlung als Werbungskosten sowie als Sonderausgaben einschließlich der Frage, ob eine Realteilung oder ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre, im Einzelnen Stellung genommen. Als Gründe i.S. des § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO hat der Kläger mit der Bezugnahme auf das FG-Urteil nunmehr lediglich vorgebracht, was das FG seinerseits als Inhalt des klägerischen Vortrags wiedergegeben hat. Danach habe der Kläger sich im Einspruchsverfahren darauf berufen, dass er einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich abgefunden habe, während er im Klageverfahren vorgetragen habe, nach den Vereinbarungen mit der Arbeitgeberin sei die Realteilung der Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung nicht ausgeschlossen gewesen. Der einfache Hinweis auf bisher vertretene Rechtsauffassungen, die zudem nicht ohne Weiteres miteinander vereinbar sind, ersetzt die Auseinandersetzung mit den Gründen des Urteils nicht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.