ECLI:DE:BFH:2017:BA.120717.XB16.17.0
BFH X. Senat
AO § 146 Abs 1, AO § 162 Abs 1, AO § 162 Abs 2, EStG § 4 Abs 3, FGO § 56, EStG § 4 Abs 3, EStG VZ 2008 , EStG VZ 2009 , EStG VZ 2010
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 08. Januar 2017, Az: 4 V 4265/15
Leitsätze
1. Eine Aufbewahrung von Tagessummen-Belegen mit Einzelaufzeichnung der Erlöse und Summenbildung kann, sofern im Betrieb keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen angefallen sind, in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Verwendung einer offenen Ladenkasse bei Anlegung des im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfungsmaßstabs den formellen Anforderungen an die Aufzeichnungen genügen .
2. Die Rechtsprechung, wonach Einzelaufzeichnungen der Erlöse in bestimmten Fällen aus Zumutbarkeitsgründen nicht geführt werden müssen, ist nicht auf Einzelhändler beschränkt, sondern kann auch auf Klein-Dienstleister anwendbar sein .
3. Die Anforderungen, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743), gelten bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden .
4. Eine während des Prüfungszeitraums vorgenommene Preiserhöhung um 26 % schließt es im Regelfall aus, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen .
5. Es ist bisher nicht geklärt, ob die monatlichen Rohgewinnaufschlagsätze, die von der Software der Finanzverwaltung geschätzt werden, der Gauß'schen Normalverteilung folgen, und ob die in einem üblichen Prüfungszeitraum (drei Jahre mit 36 Monats-Einzelwerten) erhobene Grundgesamtheit groß genug für die Anwendung der bei einer Gauß'schen Normalverteilung geltenden Gesetzmäßigkeiten ist .
6. Es ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Gericht nicht darauf hinweist, dass eine bei ihm sechs Arbeitstage vor Fristablauf eingereichte Rechtsmittelschrift nicht unterschrieben ist .
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 aufgehoben. Die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, werden ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einen Monat nach anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens ohne Sicherheitsleistung in dem Umfang von der Vollziehung ausgesetzt, der sich -nach näherer Maßgabe der Erläuterungen unter III.4. der Entscheidungsgründe- ergibt, wenn die Hinzuschätzungsbeträge je Streitjahr auf einen Netto-Mehrerlös von 3.000 € und eine Mehr-Umsatzsteuer von 570 € begrenzt werden. Die Ermittlung der auszusetzenden Beträge wird dem Finanzamt übertragen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller zu 13 % und der Antragsgegner zu 87 % zu tragen; die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu 33 % und der Antragsgegner zu 67 % zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde in den Streitjahren 2008 bis 2010 mit seiner ‑‑nicht am vorliegenden Verfahren beteiligten und seit 2012 von ihm getrennt lebenden‑‑ Ehefrau (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er erzielte gewerbliche Einkünfte aus einer Gaststätte, deren Gewinn er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. E war im Betrieb als Angestellte beschäftigt.
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 brachte der Antragsteller den Betrieb zu Buchwerten in eine GbR ein, an der er zu 98 % und E zu 2 % beteiligt war. Insoweit ist für die Gewinnfeststellung der Jahre 2011 und 2012 beim IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Parallelverfahren anhängig (IV B 4/17).
Nahezu sämtliche Betriebseinnahmen fielen in Form von Bargeld an, das der Antragsteller in einer offenen Ladenkasse vereinnahmte. Die Einnahmen stammten neben dem laufenden Gaststättenbetrieb noch aus zwei weiteren Bereichen: So richtete der Antragsteller Veranstaltungen aus (Familienfeiern, Buffets); ferner beteiligte er sich an dem einmal jährlich stattfindenden dreitägigen örtlichen Volksfest.
Die Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb notierte der Antragsteller ‑‑getrennt je Kassiervorgang‑‑ auf einem Zettel. Durch Summenbildung ermittelte er die Tageseinnahmen und schloss die Summe mit seinem Namenszeichen ab. Die Tageseinnahmen-Zettel enthalten das jeweilige Datum, ansonsten aber kein Ordnungskriterium.
Die Einnahmen aus der Bewirtung beim Volksfest notierte der Antragsteller lediglich als Tagessumme. Die Einnahmen aus Veranstaltungen notierte er gleichermaßen in einer Summe pro Veranstaltung auf den Tageseinnahmen-Zetteln. Weitere Unterlagen zu den Veranstaltungen ‑‑insbesondere Angebote, Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen‑‑ hat er im bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht vorgelegt.
Die Gaststätte hatte in den Streitjahren keinen festen Ruhetag. Allerdings liegen zu einigen Tagen der Streitjahre keine Aufzeichnungen über Einnahmen vor (2008: 14 Tage; 2009: 25 Tage; 2010: 22 Tage). Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Samstage. Der Antragsteller hat hierzu erklärt, die Gaststätte sei an diesen Tagen geschlossen gewesen.
Aus den Steuererklärungen des Antragstellers ergeben sich die folgenden betrieblichen Kennzahlen:
Jahr
Umsatzerlöse 19 %
Gewinn
Rohgewinnaufschlagsatz (RAS)
2008
142.888 €
28.374 €
123 %
2009
124.302 €
19.842 €
181 %
2010
119.439 €
20.103 €
187 %
Der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) führte beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Streitjahre durch, in deren Verlauf er zu der Einschätzung kam, die Kassenführung sei nicht ordnungsgemäß. Die vollständige Erfassung der Bareinnahmen sei nicht überprüfbar. So sei weder feststellbar, ob sämtliche Einzelbeträge auf den Tageseinnahmen-Zetteln notiert worden seien, noch sei bei den Zetteln sichergestellt, dass sie vollständig und nicht nachträglich austauschbar seien. Gleiches gelte für die Einnahmen aus Veranstaltungen, die sich im Einzelfall auf erhebliche Beträge belaufen hätten. Es sei nicht dokumentiert, ob der Kassenbestand täglich durch tatsächliches Auszählen ermittelt worden sei. Auch sei nicht glaubhaft, dass die gelegentlichen Schließungstage der Gaststätte ausgerechnet auf Samstage entfielen, an denen der Antragsteller im Durchschnitt die höchsten Tageseinnahmen erziele.
Der Prüfer ermittelte die Höhe der Hinzuschätzung mittels der sog. "Quantilsschätzung". Dazu führte er zunächst einen Zeitreihenvergleich durch. Dabei schätzte er die monatlichen RAS, indem er die vom Antragsteller im jeweiligen Monat geleisteten Zahlungen für Wareneinkäufe (nach Abzug eines pauschalen Eigenverbrauchs) als Wareneinsatz ansah und ins Verhältnis zu den aufgezeichneten monatlichen Erlösen setzte. Der Prüfer interpretierte diese Werte dahingehend, dass sie erhebliche Schwankungen aufweisen würden, die nicht durch betriebliche Umstände erklärbar seien. Die Aufzeichnungen des Antragstellers seien daher nicht schlüssig und zu verwerfen.
Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Speisekarten ermittelte der Prüfer, dass die Preise der Gaststätte zum 1. Januar 2009 um durchschnittlich 17 % erhöht worden seien. Daher nahm er eine sog. "Konjunkturbereinigung" vor und legte dem Zeitreihenvergleich für die Jahre 2009 und 2010 nicht die tatsächlichen Erlöse zugrunde, sondern solche Werte, die erst nach Vornahme eines Zuschlags von 17 % den tatsächlichen Erlösen entsprechen würden.
Für sein weiteres Vorgehen unterstellte der Prüfer, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügten, 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung lägen und "damit am wahrscheinlichsten" seien. Im Umkehrschluss lägen 31,73 % der Datensätze (je 15,865 % am oberen bzw. unteren Ende) außerhalb der ersten Standardabweichung. Bei "abgemilderter" Anwendung führe dies dazu, die obersten 20 % der Datensätze außer Betracht zu lassen (hier: sieben der insgesamt 36 RAS-Monatswerte). Der nächsthöchste Wert (hier: der achthöchste der 36 RAS-Monatswerte) sei der zutreffende Schätzwert, der auf den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum anzuwenden sei.
Dieser achthöchste Wert lag im streitgegenständlichen Drei-Jahres-Zeitraum bei 185 %. Diesen Wert wendete der Prüfer allerdings nur auf das Jahr 2008 an. Für die Jahre 2009 und 2010 nahm er eine umgekehrte "Konjunkturbereinigung" um 17 % vor und legte seiner Schätzung insoweit einen RAS von 233 % zugrunde.
Auf diese Weise ermittelte der Prüfer die folgenden Änderungen der Besteuerungsgrundlagen:
Jahr
2008
2009
2010
Mehrerlös netto
+ 37.000 €
+ 23.000 €
+ 20.000 €
Mehr-Umsatzsteuer
+ 7.030 €
+ 4.370 €
+ 3.800 €
Passivierung der Umsatzsteuer
./. 15.200 €
Mehrgewinn
+ 44.030 €
+ 27.370 €
+ 8.600 €
Die Passivierung der infolge der Außenprüfung erhöhten Umsatzsteuer im Jahr 2010 beruhte darauf, dass der Prüfer die Auffassung vertrat, infolge der Buchwerteinbringung des Betriebs in die GbR zum 1. Januar 2011 habe der Antragsteller zum 31. Dezember 2010 zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich übergehen und einen entsprechenden Übergangsgewinn ermitteln müssen. Dabei seien die Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten gewinnmindernd anzusetzen.
Am 15. bzw. 21. September 2015 erließ das FA entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuer-Festsetzungen für die Jahre 2008 bis 2010, einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2008 sowie erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für 2009 und 2010.
Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hatte beim FA zunächst keinen Erfolg. Während des anschließenden gerichtlichen AdV-Verfahrens gewährte das FA am 19. bzw. 20. Januar 2016 AdV für einen Teil der für das Streitjahr 2008 angeforderten Nachzahlungen. Grundlage hierfür war, dass das FA nunmehr von einer Preiserhöhung zum 1. Januar 2009 von 25,83 % (aufgerundet 26 %) ausging, die "Konjunkturbereinigung" entsprechend anpasste, und dadurch für 2008 einen RAS von noch 165 % (statt bisher 185 %) zugrunde legte. Für AdV-Zwecke geht es seither von einem Netto-Mehrerlös im Jahr 2008 von 25.000 € und einer Mehr-Umsatzsteuer von 4.750 € aus.
In Höhe der verbleibenden angeforderten Beträge lehnte das Finanzgericht (FG) den Aussetzungsantrag ab (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2017, 537). Zur Begründung führte es aus, eine Aufzeichnungspflicht folge im Streitfall zwar nicht aus § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wohl aber aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Diese Pflicht habe der Antragsteller nicht erfüllt. Zwar handele es sich dabei lediglich um einen formellen Mangel. Die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs würden aber auch auf materielle Mängel hindeuten. Die Quantilsschätzung sei eine sachgerechte Methode für die Ermittlung der Höhe der Hinzuschätzung. Wegen der Divergenz zu einer anderen instanzgerichtlichen Entscheidung hat das FG die Beschwerde zugelassen.
Die Entscheidung des FG wurde der Prozessbevollmächtigten (P) des Antragstellers, einer Partnerschaftsgesellschaft mit vier Standorten, nach eigenen Angaben ‑‑ein förmliches Empfangsbekenntnis befindet sich nicht in den Akten‑‑ am 10. Januar 2017 zugestellt. Am 16. Januar 2017 ging beim FG ein mit normaler Briefpost übersandter, nicht unterschriebener Schriftsatz der P ein, mit dem Beschwerde gegen den FG-Beschluss eingelegt wurde. Das FG wies auf die fehlende Unterschrift nicht hin, sondern beschloss am 17. Januar 2017, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und legte das Verfahren dem BFH vor, wo die Akten am 23. Januar 2017 eingingen.
Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 (der P zugestellt am 11. Februar 2017) wies die Vorsitzende des beschließenden Senats auf die fehlende Unterschrift sowie die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags hin. Mit einem unterschriebenen Schriftsatz, der am 24. Februar 2017 beim BFH einging, legte P nochmals Beschwerde ein, begründete diese zugleich und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu führte sie aus, die in ihrer Kanzlei bestehenden Abläufe zum Posteingang, zur Fristenkontrolle und zum Postausgang seien standardisiert und dokumentiert; sie würden von allen Mitarbeitern einheitlich angewandt. Zur Dokumentation der Arbeitsabläufe werde eine Datev-Software eingesetzt. Nach Tz. 4.1 der ‑‑dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügten‑‑ Arbeitsanweisung sei eine Kontrolle der Unterschrift vorzunehmen. Sei ein Schriftsatz nicht unterschrieben, lege ihn das Kanzleipersonal erneut vor, damit die Unterschrift nachgeholt werde. Diese Verfahrensweise habe sich in einer 40-jährigen Kanzleihistorie eingespielt und bewährt. Es seien bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen Schriftsätze die Kanzlei ohne Unterschrift verlassen hätten. Am maßgebenden Tag sei die Zentrale durch die zuverlässigste und ausreichend geschulte Kraft, Frau D, besetzt gewesen.
Am Tag des Postausgangs (13. Januar 2017) seien zwei Beschwerdeschriften erstellt worden; eine im vorliegenden Verfahren und eine im Parallelverfahren der GbR. Letztere sei unterschrieben beim BFH eingegangen. Es könne nur gemutmaßt werden, dass an dem Schriftsatz im vorliegenden Verfahren noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen und dann versäumt worden sei, die Unterschrift nachzuholen. Beim Eintüten der Beschwerdeschrift müsse die fehlende Unterschrift aufgrund eines nie auszuschließenden menschlichen Versehens unbemerkt geblieben sein.
Im elektronischen Postausgangsbuch seien für den 13. Januar 2017 zwei verschiedene Beschwerdeschriften in Sachen des Antragstellers erfasst. Es sei also in der Kanzlei erkannt worden, dass es sich um zwei unterschiedliche Beschwerdeverfahren handele. Das Fehlen der Unterschrift könne daher nicht darauf beruhen, dass der zweite Schriftsatz versehentlich für ein Doppel gehalten worden sei.
In der Sache selbst wiederholt und vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen. Er hält seine Aufzeichnungen im Wesentlichen für ordnungsgemäß und bringt Einwendungen gegen die Richtigkeit der Quantilsschätzung vor.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2008 und 2009, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2008 und 2009 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2010, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2010 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen.Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.Es ist der Auffassung, Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist könne nicht gewährt werden, da es an einer substantiierten, in sich schlüssigen Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen fehle. Der Antragsteller habe bereits nicht die Person benannt, die in der Kanzlei der P mit der Fertigstellung der Beschwerdeschrift beauftragt gewesen sei. Auf dieser Unkenntnis, die einen schweren Organisationsmangel darstelle, fuße die Mutmaßung des Antragstellers, möglicherweise sei an dem Schriftsatz noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen. Bei einer den Anforderungen genügenden Gestaltung der Abläufe hätte der Antragsteller noch heute den tatsächlichen Geschäftsgang beschreiben und mitteilen können, wer an dem Schriftsatz gearbeitet und ihn ohne Unterschrift zur Post gegeben habe. Es sei daher nicht einmal klar, ob es auf die Zuverlässigkeit der Frau D überhaupt ankomme.
In der Sache selbst hält das FA an seiner Auffassung fest, die Aufzeichnungen des Antragstellers seien mangelhaft, die Quantilsschätzung sei eine geeignete Schätzungsmethode und sachgerecht durchgeführt worden, und andere Schätzungsmethoden kämen im Streitfall nicht in Betracht.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.
Das FG hatte den erstinstanzlichen Antrag ‑‑der ebenfalls das ausdrückliche Begehren nach einer AdV der Festsetzungen des Solidaritätszuschlags und der Zinsen enthielt‑‑ im Interesse des Antragstellers zur Vermeidung einer Unzulässigkeit im Hinblick darauf, dass es sich um bloße Folgebescheide handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 413/83, BFHE 151, 319, BStBl II 1988, 240) dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller AdV nur in Bezug auf die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag begehrt. Diese Auslegung hat es in seiner Entscheidung ausführlich begründet und in das Rubrum nur die drei genannten Steuerarten (ohne den Solidaritätszuschlag und die Zinsen) aufgenommen.
Gleichwohl beantragt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ‑‑entgegen dem Rubrum und der Begründung der finanzgerichtlichen Entscheidung‑‑ nochmals ausdrücklich auch die AdV in Bezug auf den Solidaritätszuschlag und die Zinsen. Insoweit ist aber ‑‑weil das FG hierüber zur Vermeidung einer Unzulässigkeitsentscheidung nicht entschieden hat‑‑ noch kein erstinstanzlicher Beschluss ergangen. Eine Erweiterung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung hinaus ist jedoch unzulässig (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2007 VIII B 36/07, BFH/NV 2007, 1911, m.w.N.).
2. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig.
a) Allerdings hat der Antragsteller die zweiwöchige Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht gewahrt.
aa) Die Beschwerde ist gemäß § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG schriftlich (oder ‑‑was vorliegend nicht in Betracht kommt‑‑ zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung einzulegen. Grundsätzlich folgt aus der gesetzlich ausdrücklich angeordneten Schriftform, dass der bestimmende Schriftsatz eigenhändig unterschrieben werden muss (vgl. § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dies gilt auch für Schriftsätze, die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 20. Mai 2015 XI R 48/13, BFH/NV 2015, 1263, Rz 14, m.w.N.).
Der im vorliegenden Verfahren angefochtene Beschluss des FG ist P am 10. Januar 2017 zugegangen. Die Einlegungsfrist endete daher am 24. Januar 2017. Innerhalb dieser Frist ist beim FG lediglich ein nicht unterschriebener Schriftsatz eingegangen.
bb) Zwar kann ausnahmsweise von dem Unterschriftserfordernis abgesehen werden, wenn aus anderen Gründen ohne Beweisaufnahme feststeht, dass es sich bei dem an das Gericht gelangten, nicht unterschriebenen Schriftstück nicht lediglich um einen Entwurf handelt.
Dies ist in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa angenommen worden, wenn einer nicht unterschriebenen Klageschrift eine vom Kläger eigenhändig unterzeichnete Prozessvollmacht im Original beigefügt war (BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 76/94, BFH/NV 1996, 332), wenn ein rechtlich unerfahrener Kläger zwar die Klageschrift nicht unterzeichnet, auf dem Briefumschlag aber handschriftlich seinen Namen und seine Anschrift eingetragen hat (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131), wenn zwar nicht der ‑‑der Schriftform unterliegende‑‑ Antrag, wohl aber ein Begleitschreiben eigenhändig unterzeichnet ist (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 24/99, BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159), oder wenn ein erforderlicher Gerichtskostenvorschuss noch innerhalb der Klagefrist eingezahlt wird (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 22. Oktober 2004 1 BvR 894/04, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2005, 814, unter II.2.b aa (2)).
Ein vergleichbarer Ausnahmesachverhalt ist im Streitfall indes nicht gegeben, weil es innerhalb der Beschwerdefrist über den bloßen Eingang des nicht unterschriebenen ‑‑und damit als bloßer Entwurf anzusehenden‑‑ Schriftstücks hinaus kein weiteres Indiz für den ernsthaften Willen des Antragstellers zur formgerechten Erhebung einer Beschwerde gibt.
b) Dem Antragsteller ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
aa) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag ‑‑nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag‑‑ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO).
Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Bereits innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist sind (unbeschadet einer späteren Glaubhaftmachung) alle entscheidungserheblichen Tatsachen wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach schlüssig darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193, und vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459), es sei denn, die Gründe waren offenkundig oder amtsbekannt (BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681).
bb) Der Senat hat ‑‑ebenso wie das FA‑‑ erhebliche Zweifel, ob die Darlegungen des Antragstellers in seinem Wiedereinsetzungsantrag als schlüssige, substantiierte und vollständige Schilderung der maßgebenden Geschehensabläufe innerhalb der Kanzlei der P anzusehen sind.
Zum einen wird nicht deutlich, welcher Berufsträger mit der Anfertigung der Beschwerdeschrift befasst war und die Unterschriftsleistung versäumt hat. Zum anderen stellt der Antragsteller ausdrücklich nur eine "Mutmaßung" zum vermeintlichen Geschehensablauf an, gibt aber keine eindeutige Tatsachenschilderung ab.
Vor allem aber sind die von P vorgelegten Organisationsunterlagen nicht geeignet, ein Organisationsverschulden auszuschließen. P betreibt ihre Kanzlei an vier Standorten; für die Bearbeitung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Standort in B zuständig. Tz. 4.1 der vorgelegten Kanzleianweisung, aus der sich nach Auffassung des Antragstellers die Pflicht seines Kanzleipersonals zur Kontrolle des Vorhandenseins einer Unterschrift ergeben soll, bezieht sich aber nur auf den Standort S. Der Umstand, dass beispielsweise in der ‑‑hier inhaltlich nicht einschlägigen‑‑ Tz. 4.2 der Kanzleianweisung Regelungen enthalten sind, die ausdrücklich zwischen den Standorten B und S differenzieren, zeigt, dass die Nichterwähnung des Standorts B in Tz. 4.1 kein bloßes Versehen sein kann. Hinzu kommt, dass in dem neunteiligen Katalog der Formalprüfungen, der in Tz. 4.1 der Kanzleianweisung enthalten ist, die Prüfung der Unterschrift nicht ausdrücklich erwähnt wird. Lediglich im Einleitungssatz ist von der "unterschriebenen Post" die Rede; eine eindeutige Anordnung, dass das Vorhandensein der Unterschrift zu prüfen ist, fehlt indes. Demgegenüber ist beispielsweise in Tz. 4.3 der Kanzleianweisung in Bezug auf Gewinnermittlungen und Jahresabschlüsse die Kontrolle des Vorhandenseins der Unterschrift ausdrücklich als eigener Punkt in den dortigen Katalog der Formalprüfungen aufgenommen worden; dies lässt durchaus den Umkehrschluss zu, dass eine solche Prüfung in den Fällen der Tz. 4.1 nicht verlangt wird.
Auch belegen die eingereichten Ausdrucke aus dem elektronischen Postausgangsbuch nicht zweifelsfrei, dass es gerade die beiden Beschwerdeschriften waren, die am 13. Januar 2017 die Kanzlei der P verlassen haben. In beiden Fällen ist im Postausgangsbuch als Veranlagungsjahr "2017" angegeben. Diese Angabe weicht von den tatsächlichen Streitjahren des vorliegenden Verfahrens (2008 bis 2010) sowie des Parallelverfahrens IV B 4/17 (2011 und 2012) deutlich ab. Auch ist als Porto jeweils "0,55" angegeben. Das günstigste Briefporto betrug am 13. Januar 2017 aber bereits 0,70 €. Hinzu kommt, dass der in der FG-Akte enthaltene Original-Schriftsatz der nicht unterzeichneten Beschwerde nicht geknickt ist, also in einem Umschlag versandt worden sein muss, der so groß ist, dass man ein DIN A4-Schreiben ungefaltet einlegen kann. Das Mindestporto für derartige Sendungen beträgt aber 1,45 €.
Zudem hat der Antragsteller das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag nicht durch geeignete Mittel ‑‑etwa die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Frau D und des zuständigen Berufsträgers‑‑ glaubhaft gemacht. Er hat auch nach Kenntnisnahme der bereits vom FA mit seiner Beschwerdeerwiderung geäußerten Zweifel weiterhin keine konkretere Darstellung der damaligen Vorgänge abgegeben.
cc) Letztlich können diese Zweifel an der hinreichenden Substantiierung des Wiedereinsetzungsantrags aber auf sich beruhen, da dem Antragsteller aus Gründen, die aktenkundig und damit amtsbekannt sind (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 681), Wiedereinsetzung zu gewähren ist.
(1) Ein Prozessbeteiligter kann erwarten, dass offenkundige Versehen, wie das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift, von dem angerufenen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden (BVerfG-Beschluss in NJW 2005, 814, unter II.2.b bb; dort war der maßgebende Schriftsatz ‑‑ebenso wie im vorliegenden Fall‑‑ acht Tage vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingereicht worden).
Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG ist ein Gericht verpflichtet, einen Schriftsatz, der eindeutig als fehlgeleitet erkennbar ist, im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Bei einer schuldhaft verzögerten Weiterleitung ist dem Verfahrensbeteiligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (grundlegend BVerfG-Beschluss vom 20. Juni 1995 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, unter C.II.). Dies gilt nach dieser Rechtsprechung unabhängig davon, auf welchen Gründen der Fehler bei der Einreichung des bestimmenden Schriftsatzes beruht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 99, unter C.II.2.b; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002 1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835). Für ein bereits vorher mit der Sache befasstes Gericht entspricht das Unterbleiben einer Weiterleitung, obwohl bis zum Fristablauf noch eine Spanne von fünf Arbeitstagen zur Verfügung stand, nicht mehr einem ordentlichen Geschäftsgang (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2006 II ZB 24/05, NJW 2006, 3499). Demgegenüber besteht keine Pflicht zur sofortigen Prüfung und Weiterleitung noch am Tage des Eingangs des Schriftsatzes oder zu einer beschleunigten Weiterleitung per Telefax (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563).
Dementsprechend stellt es einen Verfahrensmangel (Verletzung der Verfahrensförderungspflicht des § 76 Abs. 2 FGO) dar, wenn ein FG bei einer weit vor Ablauf der Klagefrist eingereichten Klage zwar noch innerhalb der Klagefrist auf bestimmte formale Mängel hinweist, aber erst nach drei Jahren ergänzend beanstandet, dass die Klageschrift lediglich mit einer Paraphe versehen sei, und aus diesem Grund die Klage als unzulässig verwirft (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1996 V B 89/95, BFH/NV 1996, 683, unter II.3.b).
(2) Vorliegend ist die nicht unterschriebene Beschwerdeschrift am 16. Januar 2017 beim FG eingegangen. Bis zum Fristablauf am 24. Januar 2017 verblieben daher acht Kalendertage (bzw. sechs Arbeitstage), um den Antragsteller auf das Fehlen der Unterschrift hinzuweisen. Tatsächlich hat sich das FG bereits am 17. Januar 2017 ‑‑im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung‑‑ mit der Beschwerde befasst, aber nicht auf das Fehlen der Unterschrift hingewiesen. Hätte es zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis erteilt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller den Formmangel noch innerhalb der Beschwerdefrist geheilt hätte. Dieses Versäumnis des FG überholt das vorherige Verschulden der P, so dass schon deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
III.
Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist sie zum überwiegenden Teil begründet.
Bei Zugrundelegung der im AdV-Verfahren anzuwendenden Maßstäbe (dazu unten 1.) war das FA dem Grunde nach nur hinsichtlich der Veranstaltungen und des Volksfestes zur Schätzung befugt; im Übrigen bestehen bei der gebotenen summarischen Betrachtung ernstliche Zweifel, ob die Aufzeichnungen des Antragstellers den für eine allein auf formelle Fehler gestützte Schätzungsbefugnis erforderlichen Grad an Mangelhaftigkeit aufweisen (unten 2.). Davon ausgehend hat das FA bisher nicht dargelegt, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs stützen zu können, erfüllt sind (unten 3.). Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke einen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor (unten 4.).
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ‑‑worüber im vorliegenden Verfahren allein gestritten wird‑‑ ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit für das Hauptsacheverfahren überwiegen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253, Rz 25, und vom 8. Februar 2017 X B 138/16, BFH/NV 2017, 579, Rz 32, m.w.N.).
2. Ob diese Voraussetzungen für eine Schätzung (dazu unten a) erfüllt sind, ist für die drei Bereiche, in denen der Antragsteller seine Bareinnahmen erzielt, differenziert zu betrachten. Danach können bei der summarischen Betrachtung, auf die sich der im AdV-Verfahren anzuwendende Prüfungsmaßstab beschränkt, und beim derzeitigen ‑‑noch sehr unvollständigen‑‑ Stand der Sachaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten ernstliche Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb nicht ausgeschlossen werden (unten b). Demgegenüber bestehen hinsichtlich der Einnahmen aus dem Volksfest (unten c) und den Veranstaltungen (unten d) keine ernstlichen Zweifel an der Schätzungsbefugnis.
a) Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) u.a. dann eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, sie also nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen oder sonst nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
Zwar berechtigen formelle Mängel der Aufzeichnungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34).
b) Hinsichtlich des laufenden Gaststättenbetriebs bestehen derzeit ernstliche Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des FA. Beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung steht noch nicht fest, ob der Antragsteller die vom Gesetz (dazu unten aa) und der Rechtsprechung (unten bb) aufgestellten formellen Anforderungen an die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu führenden Aufzeichnungen von Bareinnahmen verfehlt hat (unten cc). Die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit ‑‑insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit‑‑ der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung ebenfalls nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis auszuschließen (unten dd).
aa) Der Antragsteller hat seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. Zwischen den Beteiligten ist ‑‑nach Auffassung des beschließenden Senats zu Recht‑‑ unstreitig, dass er hierzu berechtigt war. § 4 Abs. 3 EStG selbst enthält ‑‑mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG‑‑ keine Regelungen über den formellen Mindestinhalt der Aufzeichnungen, die bei dieser Gewinnermittlungsart zu führen sind.
Allerdings ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten ‑‑bzw. in den Fällen des § 20 UStG die vereinnahmten‑‑ Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 5 UStG). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung ‑‑UStDV‑‑). Dabei darf der Unternehmer das Entgelt und den Steuerbetrag in einer Summe ‑‑statt des (Netto-)Entgelts allein‑‑ aufzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer u.a. die Summe der Entgelte zu errechnen und aufzuzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 3 UStDV).
Gemäß § 146 Abs. 1 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung (vor den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152) sind die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen "täglich" festgehalten werden.
bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auch aus den Vorschriften des § 22 UStG und des § 63 UStDV keine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs ergibt. Bei dieser Gewinnermittlungsart gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen. Die Feststellung eines Kassenbestands, für den bei einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ein Kassenbuch erforderlich ist, kommt nicht in Betracht (ausführlich zum Ganzen Senatsbeschluss vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940, m.w.N.).
In der Literatur wird daher das als "Schuhkarton-Buchführung" bezeichnete Erstellen und Sammeln von Einnahmen- und Ausgabenbelegen, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung, für ausreichend gehalten (Märtens in Beermann/Gosch, § 146 AO Rz 28; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 522; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989 III R 30, 31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, unter II.2.a).
Das Niedersächsische FG hat in seiner vom FA und der Vorinstanz mehrfach angeführten Entscheidung (Urteil vom 8. Dezember 2011 12 K 389/09, EFG 2013, 291, unter I.2.h, m.w.N.; Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen durch Senatsbeschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV 2013, 902) die folgenden drei Möglichkeiten für eine ordnungsmäßige Aufzeichnung von Bareinnahmen in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung bei Sachverhalten, in denen die Führung von Einzelaufzeichnungen nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht ohnehin als zwingend anzusehen ist, aufgezeigt:
-
eine geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnungen der Erlöse;
-
Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf ein tägliches Auszählen des Kassenbestands, aber Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen und Abgleich von Soll- und Ist-Bestand der Kasse "in gewissen Abständen" (insbesondere bei der Nutzung von Registrierkassen);
-
Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf die Aufbewahrung von Ursprungsbelegen, aber tägliches tatsächliches Auszählen der Kasse, das in fortlaufenden Kassenberichten dokumentiert wird;
-
demgegenüber genüge das bloße Aufschreiben des täglichen (Gesamt-)Umsatzes ohne Aufbewahrung weiterer Belege den Anforderungen nicht.
cc) Danach kann der Senat bei der ‑‑angesichts des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens gebotenen‑‑ summarischen und im Zweifel großzügigen Betrachtung auf der Grundlage des derzeitigen Standes der Sachaufklärung nicht feststellen, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers über die Einnahmen des laufenden Gaststättenbetriebs die geltenden formellen Anforderungen verletzen. Der Senat weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass in dieser einzelfallbezogenen, ohne hinreichende Sachaufklärungsgrundlage getroffenen, summarischen und großzügigen Betrachtung keine grundsätzliche und abschließende Entscheidung über die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden formellen Pflichten zur Aufzeichnung der Kasseneinnahmen zu sehen ist.
Der Antragsteller hat tatsächlich Einzelaufzeichnungen zumindest über die vereinnahmten Geldbeträge geführt (dazu unten (1)). Seine Behauptung, weitere Uraufzeichnungen seien niemals erstellt worden und daher auch nicht aufbewahrungspflichtig, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen (unten (2)). Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich (unten (3)). Darüber hinaus gehende Anforderungen, die der Antragsteller nicht erfüllt hätte, folgen auch nicht aus der vom FA und FG angeführten Rechtsprechung (unten (4)). Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben (unten (5)). Zwar können diese Vorgaben die inhaltliche Vollständigkeit der Aufzeichnungen systembedingt nicht gewährleisten; ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben daher unzureichend sind und einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren indes nicht zu entscheiden (unten (6)).
(1) Zu einer Einzelaufzeichnung seiner Erlöse war der Antragsteller ‑‑wie es wohl auch der Auffassung des FG entspricht‑‑ bei summarischer Betrachtung nicht verpflichtet. Er hat allerdings tatsächlich Einzelaufzeichnungen ‑‑wenn auch beschränkt auf die reinen Beträge, ohne Angabe der Kundennamen und der im Einzelnen dargebotenen Speisen und Getränke‑‑ geführt.
Das bisherige Vorbringen des FA zu der Frage, ob der Antragsteller Einzelaufzeichnungen geführt habe, ist unklar. Im Schriftsatz vom 10. November 2015 formuliert das FA, es treffe zu, dass für die laufenden Gaststättenumsätze Einzelaufzeichnungen geführt worden seien. Demgegenüber vertritt es im Schriftsatz vom 26. Januar 2016 die Auffassung, der Antragsteller habe zwar die Einnahmen je Kunde bzw. je bedienten Tisch getrennt aufgezeichnet; dies seien aber keine Einzelaufzeichnungen. Letzterem könnte der Senat bei summarischer Betrachtung nicht folgen. Mehr als eine getrennte Aufzeichnung pro Kunde wird bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Führung einer offenen Ladenkasse kaum verlangt werden können.
(a) Aus § 146 Abs. 1 Satz 1 AO ergab sich in den Streitjahren noch keine allgemeine Einzelaufzeichnungspflicht (anders die Rechtslage seit den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat lediglich für Kaufleute mit Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich aus den entsprechenden handelsrechtlichen Grundsätzen eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht abgeleitet (BFH-Urteile vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371, und vom 16. Dezember 2014 X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519). Zu diesem Personenkreis gehört der Antragsteller aber nicht.
(b) Selbst wenn eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht bestünde, könnte der Antragsteller sich für das Unterbleiben von Aufzeichnungen zu den Namen der Kunden und den jeweils zur Verfügung gestellten Speisen und Getränken aber auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Zumutbarkeitsgründen gewährten Erleichterungen berufen (vgl. hierzu ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371).
Das FA bringt hierzu vor, nur bei Einzelhändlern mit einer Vielzahl von Barverkäufen an unbekannte Kunden über den Ladentisch und vergleichbaren Berufsgruppen bestehe keine Einzelaufzeichnungspflicht; hierauf könne sich der Antragsteller als Gastwirt (Dienstleister) nicht berufen.
Dem kann der Senat nicht folgen. Die Rechtsprechung hat die gewährten Erleichterungen niemals ausdrücklich auf Warenlieferanten beschränkt, sondern stets aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgeleitet. Insoweit kann aber bei Klein-Dienstleistern dieselbe Interessenlage bestehen wie bei kleinen Warenlieferanten. Bereits in den Gründen der Entscheidung in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371 sind neben Einzelhandelsgeschäften auch Spielautomaten sowie Stehbierhallen genannt. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um Dienstleistungen. Im Übrigen weist gerade die Darreichung von Speisen und Getränken eine erhebliche Nähe zu dem Verkauf von Waren etwa in einem Bäckereigeschäft auf.
(2) Die Behauptung des Antragstellers, er habe keine weiteren Uraufzeichnungen erstellt, so dass solche Aufzeichnungen auch nicht aufbewahrt und vorgelegt werden konnten, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen.
Das FA hat zumindest anfänglich unterstellt, den Einzelaufzeichnungen auf den Tageseinnahmen-Zetteln lägen gesonderte "Kellnerzettel" zugrunde, die als Uraufzeichnungen aufbewahrungspflichtig seien. Der Antragsteller hat die Existenz solcher "Kellnerzettel" bestritten und dazu erklärt, in aller Regel habe er allein bei den Gästen kassiert und den erhaltenen Betrag sogleich auf dem Tageseinnahmen-Zettel notiert. Jedenfalls für Zwecke der im AdV-Verfahren gebotenen lediglich summarischen Prüfung ist ‑‑in Ermangelung präsenter Beweismittel, die einen gegenteiligen Schluss zulassen würden‑‑ hier von der Erklärung des Antragstellers auszugehen. Diese ist auch durchaus plausibel, da neben dem Antragsteller lediglich E und eine weitere Aushilfe ‑‑beide mit eher geringen Einkünften, die für eine bloße Teilzeitbeschäftigung sprechen‑‑ im Betrieb tätig waren; zusätzlich waren in zwei Streitjahren noch zwei weitere Aushilfen tätig, allerdings angesichts eines Jahreslohns von ca. 1.000 € in äußerst geringem Umfang.
Soweit das FA in der Beschwerdeerwiderung die Vorlage von Kassenstreifen und Bons vermisst, hat es bisher nicht dargelegt, dass die vom Antragsteller ‑‑in zulässiger und auch vom FA dem Grunde nach nicht beanstandeter Weise‑‑ verwendete offene Ladenkasse überhaupt in der Lage war, solche Belege auszugeben. Auch dies wäre erforderlichenfalls im Hauptsacheverfahren noch zu klären, kann beim derzeitigen Verfahrensstand aber nicht zu Lasten des Antragstellers herangezogen werden. Wenn allerdings die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse zur Ausgabe von Kassenzetteln oder ähnlichen Belegen technisch in der Lage gewesen sein sollte, dann hätte der Antragsteller diese Belege als Ursprungsaufzeichnungen aufbewahren und dem Prüfer vorlegen müssen (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2013, 291, unter I.2.h bb).
(3) Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich.
Das FG hat die Aufzeichnungen nicht als ausreichend angesehen, weil sie auf losen, nicht durchnummerierten Blättern vorgenommen worden sind. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, wann, von wem und auf welche Weise die jeweiligen Tagesumsätze ermittelt worden seien. Sie stammten ersichtlich nur von einer Person und erweckten den Eindruck, sie seien im Nachhinein erstellt worden; Näheres bedürfe der Aufklärung im Hauptsacheverfahren.
Indes verlangt § 4 Abs. 3 EStG keine Aufzeichnungen in "Buch"form. Die gebundene oder jedenfalls eine in sich geschlossene Form wird etwa beim Fahrten"buch" verlangt (hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408), aber nicht bei bloßen "Aufzeichnungen".
Nicht nachvollziehbar ist des Weiteren, wie das FG zu der Wertung kommt, es sei nicht ansatzweise ersichtlich, vom wem die Tagesumsätze ermittelt worden seien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller jedenfalls auf sämtlichen Tageseinnahmen-Zetteln, die in den Akten enthalten sind, die Summenbildung mit seinem Namenszeichen versehen hat. Dass es sich bei den weiteren, nicht in den Akten enthaltenen Einnahmezetteln anders verhielte, haben weder das FG noch das FA ausgeführt.
Die weitere Feststellung des FG, die Tageseinnahmen-Zettel seien überwiegend durch dieselbe Handschrift erstellt worden, spricht unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht mit dem Grad an Wahrscheinlichkeit, der im Eilverfahren für eine Verneinung ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erforderlich wäre, für das vom FG angenommene Nacherstellen der Belege. Wie bereits ausgeführt (oben (2)), sind im Betrieb des Antragstellers außer ihm selbst nur noch E und eine Aushilfe (in zwei Streitjahren zwei weitere, äußerst geringfügig beschäftigte Aushilfen) tätig. Es ist also durchaus denkbar, dass in den meisten Fällen der Antragsteller selbst die Aufzeichnungen vorgenommen hat. Eine etwaige Nacherstellung der Tageseinnahmen-Zettel hatte vor dem FG nicht einmal das FA geltend gemacht. Da das FG hier einen Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren gesehen hat, hätte es näher gelegen, wegen bestehender tatsächlicher Zweifel AdV zu gewähren.
(4) Aus den vom FA angeführten ‑‑und vom FG gleichlautend übernommenen‑‑ Entscheidungen lassen sich für den vorliegend zu beurteilenden Streitfall, worauf bereits der Antragsteller zutreffend hingewiesen hat, keine höheren Anforderungen ableiten.
Dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 902 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der dortige Steuerpflichtige ‑‑gerade abweichend vom Antragsteller des vorliegenden Verfahrens‑‑ keine Einzelaufzeichnungen über seine Erlöse geführt, sondern lediglich die Tagessumme in sog. Kassenberichte eingetragen hatte. Das dortige FG hatte die Kassenberichte deshalb als nicht ausreichend angesehen, weil in ihnen zahlreiche Streichungen vorgenommen worden und Eintragungen unleserlich waren (Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 291). So liegt der Streitfall indes nicht. Vorliegend hat der Antragsteller Einzelaufzeichnungen seiner Erlöse vorgenommen. Derartige Aufzeichnungen fehlten hingegen in den Fällen, die den vom FA angeführten Entscheidungen des Niedersächsischen FG und des beschließenden Senats zugrunde lagen.
In dem Sachverhalt, zu dem das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 26. Juli 2007 14 K 3368/06 (nachgehend Senatsbeschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, beide nicht veröffentlicht ‑‑n.v.‑‑) entschieden hat, hatte der Steuerpflichtige eine Registrierkasse genutzt, die von dieser Kasse erstellten Tagesendsummenbons (Z-Bons) aber vernichtet. Damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem das FA bisher nicht einmal vorgetragen hat, die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse sei technisch überhaupt zur Ausgabe von beleghaften Ursprungsaufzeichnungen in der Lage, nicht vergleichbar.
In dem darüber hinaus vom FA angeführten BFH-Beschluss vom 2. September 2008 V B 4/08 (n.v.) wird zwar der zugrunde liegende Sachverhalt nicht vollständig mitgeteilt. Offenbar hatte der dortige Steuerpflichtige aber nur eine Sammlung seiner Ausgangsrechnungen ohne weitere Aufzeichnungen (z.B. Ermittlung der Tageseinnahmen) vorgelegt. Außerdem hatte bereits der Steuerberater des dortigen Steuerpflichtigen pauschale Zuschätzungen zu den Erlösen vorgenommen. Auch damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem der Antragsteller selbst täglich seine Einnahmen ermittelt hat, nicht vergleichbar.
Dem Urteil des Saarländischen FG vom 21. Juni 2012 1 K 1124/10 (EFG 2012, 1816) lag ebenfalls ein Sachverhalt zugrunde, in dem lediglich die Gesamtsumme der Tageseinnahmen aufgezeichnet worden war. Das dann erforderliche tägliche Auszählen des Kassenbestands war unterblieben.
(5) Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben. Danach wird eine "geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnung der Erlöse" für ausreichend erachtet. Der Antragsteller hat seine Erlöse betragsmäßig einzeln aufgezeichnet. Da für Zwecke dieses Eilverfahrens zu unterstellen ist, dass der Antragsteller keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, handelt es sich bei den Tageseinnahmen-Zetteln um die Ursprungsaufzeichnungen. Das Anbringen des Tagesdatums stellt zumindest ein mögliches Ordnungskriterium dar, so dass auch die Forderung nach einer "geordneten Belegablage" ‑‑die nach den unter (3) dargestellten Grundsätzen nicht notwendig in Buchform erfolgen muss‑‑ erfüllt ist.
(6) Dem FA ist zwar zuzugeben, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers nicht die Gewähr ihrer inhaltlichen Vollständigkeit bieten. Diese fehlende Vollständigkeitsgewähr ist aber im Wesentlichen durch die ‑‑zulässige‑‑ Verwendung einer offenen Ladenkasse in Kombination mit den geringeren gesetzlichen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der ‑‑hier ebenfalls zulässigen‑‑ Wahl der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung bedingt. Solange der Gesetzgeber eine derartige Kassenführung und eine derartige Gewinnermittlungsart zulässt, kann aus dem Umstand, dass es hier systembedingt keine Vollständigkeitsgewähr geben kann, jedenfalls bei summarischer Betrachtung keine Befugnis zur Vollschätzung abgeleitet werden.
Selbst die Führung der vom FA verlangten Kassenberichte würde keineswegs ausschließen, dass zur Steuerhinterziehung entschlossene Steuerpflichtige einen Teil ihrer Erlöse außerhalb ihrer offenen Ladenkasse vereinnahmen und die entsprechenden Beträge von vornherein nicht in ihre Kassenberichte aufnehmen. Die Kassen-Nachschau ‑‑als ein mögliches Instrument einer wirksamen Kontrolle der Vollständigkeit der Ursprungsaufzeichnungen‑‑ ist trotz frühzeitiger Kenntnis des Gesetzgebers von der Problematik der vollständigen Einnahmeerfassung in den "Bargeld-Branchen" erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 in § 146b AO aufgenommen worden (Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152).
Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die im Einzelfall vorliegenden Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind, ist nicht, ob das verwendete Aufzeichnungssystem bei hinreichender krimineller Energie noch Möglichkeiten zur Steuerverkürzung bietet, sondern ob es den gesetzlichen Anforderungen genügt. Dies ist hier ‑‑bei Vornahme der im Eilverfahren gebotenen, hier zugunsten des Antragstellers wirkenden Sachverhaltsunterstellungen‑‑ noch der Fall. Ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben an die Form und den Inhalt von Aufzeichnungen in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und der Verwendung einer offenen Ladenkasse unzureichend sind und daher noch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren nicht zu entscheiden.
dd) Auch die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit ‑‑insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit‑‑ der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb auszuschließen.
(1) Seine Bedenken gründet das FA zunächst auf den Umstand, dass für einige Tage des Jahres ‑‑noch dazu überwiegend für umsatzstarke Samstage‑‑ keine Tageseinnahmen-Zettel vorliegen. Indes handelt es sich dabei um relativ wenige Tage. Im Betrieb waren ‑‑wie bereits dargelegt‑‑ im Wesentlichen der Antragsteller, E und eine bzw. drei Aushilfen tätig. Es ist daher durchaus plausibel, dass eine nahezu ausschließlich vom Inhaber und seiner Ehefrau bewirtschaftete Gaststätte nicht an 365 Tagen im Jahr geöffnet haben kann. Im fortzuführenden Hauptsacheverfahren wird das FA die Möglichkeit haben, mit Hilfe anderer Beweismittel (z.B. Befragung von Zeugen, Auswertung von Inseraten) darzulegen, dass die Gaststätte an Tagen, für die der Antragsteller eine Schließung behauptet, gleichwohl geöffnet hatte. Zudem kommt ein Abgleich mit den Daten von Veranstaltungen in Betracht. Auf die bloße Behauptung des FA, es sei nicht glaubhaft, dass eine inhabergeführte Gaststätte an 14 bis 25 Tagen jährlich geschlossen sei, wird die Inanspruchnahme einer Vollschätzungsbefugnis hingegen nicht gestützt werden können.
(2) Auch der Umstand, dass das FA die ‑‑von ihm selbst ermittelten‑‑ Warenbestände des Antragstellers für unplausibel hält, ist bei summarischer Betrachtung nicht geeignet, eine materielle Unrichtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers zu belegen.
Der Antragsteller, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, ist zur Aufzeichnung seiner Warenbestände nicht verpflichtet. Das FA hat die von ihm angenommenen Warenbestände daher anhand einer ‑‑weder erläuterten noch aus den Akten nachvollziehbaren‑‑ Rückrechnung aus bestimmten Teilergebnissen des Zeitreihenvergleichs geschätzt. Es hat ausgeführt, dabei über alle drei Streitjahre einen konstanten RAS unterstellt zu haben, und damit zu begründen versucht, weshalb es die von ihm selbst ermittelten Veränderungen der Warenbestände ‑‑entgegen der nachvollziehbaren Forderung des Antragstellers‑‑ nicht als Korrektiv in die Schätzung der monatlichen RAS einbezogen hat.
Die Annahme eines über drei Jahre konstanten RAS dürfte indes so weit von der betrieblichen Realität entfernt sein, dass eine Verwertung der Ergebnisse der Warenbestands-Schätzung jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht zu Lasten des Antragstellers möglich ist. Das Vorbringen des FA zu den Warenbeständen erscheint insoweit als widersprüchlich: Einerseits will es aus den von ihm angenommenen Warenbeständen Unplausibilitäten ableiten, die zu Lasten des Antragstellers gehen sollen; andererseits hält es aber die von ihm selbst bei der Schätzung dieser Warenbestände angewandte Methodik für so wenig überzeugend, dass es eine Berücksichtigung der Warenbestandsveränderungen bei der Schätzung der monatlichen RAS ablehnt.
c) Hinsichtlich der auf dem Volksfest erzielten Erlöse genügen die Aufzeichnungen des Antragstellers hingegen auch bei summarischer Betrachtung nicht den geltenden Anforderungen.
Der Antragsteller hat ausweislich der in den Akten enthaltenen Unterlagen insoweit lediglich die Einnahmen eines gesamten Tages in einer Summe notiert. Wie diese Summe zustande gekommen ist, ist den Unterlagen und auch den Erläuterungen des Antragstellers nicht zu entnehmen.
Zwar war der Antragsteller auch hinsichtlich seiner Einnahmen aus dem Volksfest von der Pflicht befreit, Einzelaufzeichnungen zu führen, da er "über die Theke hinweg" mit einer unbekannten Vielzahl von Personen Bargeschäfte von geringem Wert tätigte. Da er keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, hätte er dann aber nach den oben zu b bb) dargestellten Grundsätzen, die sich der Senat zu eigen macht, die Tageseinnahmen durch tatsächliches Auszählen ermitteln und dies in einem Kassenbericht dokumentieren müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass die Aufzeichnungen in Bezug auf die beim Volksfest erzielten Erlöse formell nicht ordnungsgemäß sind.
d) Gleiches gilt in Bezug auf die Einnahmen des Antragstellers aus den Veranstaltungen.
aa) Der Senat kann insoweit offenlassen, ob der Antragsteller ‑‑mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung‑‑ schon vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 146 Abs. 1 AO (Gesetz vom 22. Dezember 2016 mit Wirkung zum 29. Dezember 2016) in diesem Geschäftsbereich zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet war. Immerhin waren dem Antragsteller die Namen seiner Geschäftspartner hier bekannt; der Umfang des einzelnen Geschäfts überstieg den Bagatellbereich.
bb) Der Antragsteller hat zu den Veranstaltungen weder Angebote noch Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen vorgelegt. Er hat hierzu behauptet, solche Unterlagen nicht erstellt zu haben, so dass sie auch nicht aufbewahrungspflichtig seien.
Das FA hat jedoch substantiiert vorgetragen, dass zu den Kunden des Antragstellers zumindest auch eine GmbH und eine Stadtverwaltung gehörten. Der Senat hält es aber auch bei Anwendung des im AdV-Verfahren gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabs für ausgeschlossen, dass derartige Kunden auf die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen verzichten könnten. Eine GmbH benötigt eine solche Rechnung bereits für den Vorsteuerabzug und für ihre eigene Buchhaltung; eine Stadtverwaltung wird Zahlungen in aller Regel nur gegen Vorlage schriftlicher Rechnungen leisten. Daher hält der Senat die Behauptung des Antragstellers, im Veranstaltungsbereich seien keinerlei schriftliche Unterlagen angefallen ‑‑auch in Bezug auf jedenfalls einen Teil der anderen Veranstaltungskunden‑‑ nicht für glaubhaft. Schon zum Zwecke der Organisation derartiger Veranstaltungen ‑‑insbesondere zur Vermeidung von Missverständnissen im Verhältnis zu seinen Auftraggebern‑‑ dürfte der Antragsteller eigene Aufzeichnungen geführt haben.
cc) Für das Hauptsacheverfahren bietet es sich an, dass das FA diejenigen Kunden, die aus den Aufzeichnungen des Antragstellers namentlich bekannt sind, zur Höhe der Zahlbeträge und zu Einzelheiten der Veranstaltungen befragt. Bei Differenzen zu den Angaben des Antragstellers wäre nicht nur ein formeller, sondern zudem ein materieller Mangel der Aufzeichnungen nachgewiesen, der auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden rechtfertigen würde. Demgegenüber wäre bei einer Übereinstimmung zwischen den Angaben des Antragstellers und seiner Kunden eine Vollschätzung in diesem Bereich nicht zu begründen.
e) Damit ist für Zwecke des Eilverfahrens von formellen Mängeln der Aufzeichnungen des Antragstellers in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen", nicht aber im Bereich "laufender Gaststättenbetrieb" auszugehen. Materielle Mängel der Erfassung der Einnahmen hat das FA hingegen bisher nicht konkret dargelegt.
aa) Das Gewicht der festgestellten formellen Mängel ist so erheblich, dass sie eine Schätzungsbefugnis begründen können. Ohne die Vorlage der erforderlichen Kassenberichte zu den Einnahmen aus dem Volksfest ist nicht erkennbar, wie die Tagessumme ermittelt worden ist. Das Fehlen jeglicher Unterlagen zu den Veranstaltungen ist ebenfalls ein gewichtiger Mangel, weil es keine andere Möglichkeit zur Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers gibt.
bb) Allerdings betreffen die festgestellten formellen Mängel lediglich abgegrenzte Teilbereiche des Betriebs des Antragstellers. Für eine Vollschätzung der Erlöse, die auch den laufenden Gaststättenbetrieb umfasst, sieht der Senat daher beim derzeitigen Stand der Sachaufklärung keinen Raum.
Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Sachverhaltsermittlungen des FA und FG nicht beurteilen, wie umfangreich die Erlöse der Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen" im Verhältnis zu den Gesamterlösen des Antragstellers sind. Das Volksfest beschränkte sich auf einen Zeitraum von drei Tagen jährlich. Auch wenn an diesen Tagen überdurchschnittlich hohe Erlöse erzielt worden sein dürften, dürfte der Anteil am Gesamtjahresumsatz eher gering sein.
Ferner hat das FA nicht mitgeteilt, in welchem Umfang die Einnahmen des Antragstellers auf die Durchführung von Veranstaltungen entfallen. Zwar scheint es sich auch hier im Einzelfall um Beträge zu handeln, die im Verhältnis zu den Tageseinnahmen des Antragstellers aus dem laufenden Gaststättenbetrieb durchaus erheblich sind. Unbekannt ist aber, wie häufig der Antragsteller derartige Veranstaltungen ausgerichtet hat. Dies geht im AdV-Verfahren vorläufig zu Lasten des FA, das sich zur Begründung seiner Schätzungsbefugnis auf das Vorhandensein der Mängel und ihr Gewicht beruft und die erforderlichen Angaben unschwer im Rahmen der Außenprüfung hätte ermitteln und darlegen können.
3. Dies zugrunde gelegt ist nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung nicht ersichtlich, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs ‑‑hier: in der Sonderform der Quantilsschätzung‑‑ stützen zu können, im Streitfall erfüllt sind.
Die Anforderungen, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (dazu unten a), gelten bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden (unten b). Danach ist der Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen keine materiellen Mängel der Aufzeichnungen feststellbar sind, grundsätzlich nachrangig zu anderen Schätzungsmethoden; im Streitfall hat das FA die fehlende Eignung anderer Methoden aber bisher nicht hinreichend dargelegt (unten c). Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob der Prüfer den Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt hat (unten d). Schließlich kann der Senat derzeit nicht erkennen, weshalb gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" sein soll (unten e).
a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) in Bezug auf die dort streitgegenständliche Variante des Zeitreihenvergleichs u.a. die folgenden Grundsätze aufgestellt:
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Die dort dargestellte Variante des Zeitreihenvergleichs führt auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, was eine vorsichtige Interpretation der Ergebnisse dieser Methode gebietet (Rz 39).
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Die zeitliche Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer wird im Regelfall den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen; die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vorgenommenen Wertungen des Prüfers ist für den Steuerpflichtigen daher von erheblicher Bedeutung. Zuordnungsfehler am Anfang oder Ende der maßgeblichen Zehn-Wochen-Periode können aufgrund des mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren (Rz 51).
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Der Zeitreihenvergleich basiert entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitreichenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft (Rz 56).
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Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden (Rz 62).
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Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden. Diese Ergebnisse sind aber von Amts wegen auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des rechnerischen "Mehrergebnisses" hinausgeht (Rz 63 bis 65).
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Steht bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist und übersteigt die Unrichtigkeit eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines ‑‑technisch korrekt durchgeführten‑‑ Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist (Rz 66).
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Sofern die Ausgangsparameter (insbesondere die Feststellung des Warenbestands) mit Unsicherheiten behaftet sind, ist von Amts wegen eine Sensitivitätsanalyse durchzuführen, die verdeutlichen muss, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können (Rz 67 bis 69).
b) Diese Anforderungen gelten jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Höhe einer Hinzuschätzung herangezogen werden sollen.
aa) Auch die Quantilsschätzung stellt eine Vollschätzung dar, da das Ergebnis der eigenen Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen vollständig verworfen und durch ein anderes Ergebnis ersetzt wird. Die besonderen Risiken (denknotwendig Ausweis eines Mehrergebnisses auch gegenüber einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung, erhebliche mathematische Hebelwirkungen, Ausgabe großer und kaum vollständig überprüfbarer Datenmengen) bestehen hier ebenso.
Letztlich handelt es sich bei der Quantilsschätzung im Kern lediglich um eine geänderte Interpretation der Ergebnisse derjenigen Variante des Zeitreihenvergleichs, die Gegenstand der Senatsentscheidung in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 war. Während dort der Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten gleitenden RAS als maßgeblich für das Gesamtjahr angesehen wurde, wird bei der Quantilsschätzung der nächsthöchste Einzel-RAS herangezogen, der nach dem Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte verbleibt. Eine solche Schätzung wird auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung regelmäßig zu Mehrergebnissen führen, da der 80 %-Wert meist höher liegen wird als der 50 %-Wert (Mittelwert). Die mathematischen Hebelwirkungen beziehen sich bei der Quantilsschätzung zwar nicht auf den Anfang und das Ende des maßgebenden Zehn-Wochen-Zeitraums, wohl aber auf den Anfang und das Ende desjenigen Zeitraums, dessen RAS nach Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte als maßgeblich für das Gesamtjahr herangezogen wird.
bb) Diese Einschätzung liegt ‑‑jedenfalls im Ergebnis‑‑ auch einem Großteil der bisher bekannt gewordenen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Quantilsschätzung zugrunde.
In einem Fall, in dem materielle Mängel der Gewinnermittlung nicht konkret nachgewiesen waren, hat das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 24. August 2016 5 V 5089/16, EFG 2017, 12) in einem AdV-Verfahren die Quantilsschätzung nicht als geeignete Schätzungsmethode angesehen und stattdessen eine eigene Hinzuschätzung in geringerer Höhe vorgenommen. Dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 63 ff.).
Das FG Hamburg (Beschluss vom 26. August 2016 6 V 81/16) hatte in einem AdV-Beschluss einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem Schwarzeinkäufe konkret nachgewiesen waren, die Gewinnermittlung sich also schon ohne den Zeitreihenvergleich als materiell unrichtig erwiesen hatte. Es hat hier die Quantilsschätzung dem Grunde nach nicht beanstandet, der Höhe nach aber erhebliche Korrekturen vorgenommen. Damit liegt auch das FG Hamburg auf der Linie der Senatsrechtsprechung, die bei nachgewiesenen materiellen Mängeln die Heranziehung der Ergebnisse eines technisch korrekt durchgeführten Zeitreihenvergleichs für die Höhe der Hinzuschätzung grundsätzlich zulässt (Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).
Demgegenüber hat ein anderer Senat des FG Hamburg (Beschluss vom 31. Oktober 2016 2 V 202/16, EFG 2017, 265) ‑‑ebenso wie die Vorinstanz im vorliegenden Verfahren‑‑ in einem Fall, in dem lediglich formelle Mängel nachgewiesen waren, aus den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs und einer Ziffernanalyse auf die materielle Unrichtigkeit der Buchführung geschlossen und eine durchgeführte Quantilsschätzung nicht beanstandet.
cc) In der Literatur halten vor allem Autoren, die in der Finanzverwaltung tätig sind, die Quantilsschätzung für eine sachgerechte Schätzungsmethode (z.B. Schumann/Wähnert, Die Steuerberatung 2012, 535; Wähnert, Die steuerliche Betriebsprüfung 2015, 92; Becker, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2016, 1430, 1435; Becker/Schumann/Wähnert, DStR 2017, 1243).
Andere Autoren übertragen demgegenüber die in der Senatsrechtsprechung in Bezug auf den Zeitreihenvergleich vorgenommenen Einschränkungen auch auf die Quantilsschätzung (ausführlich Bleschick, DStR 2017, 426, und Krumm, Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 2017, 1105; ferner Hartmann, EFG 2017, 12).
c) Nach der Senatsrechtsprechung ist ein Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen ‑‑wie hier‑‑ zwar formelle Mängel vorliegen, materielle Mängel der Aufzeichnungen aber nicht konkret nachgewiesen sind, im Verhältnis zu anderen Schätzungsmethoden nachrangig; ggf. sind deutliche Abschläge erforderlich.
Bisher hat das FA nicht hinreichend dargelegt, dass eine Heranziehung anderer Schätzungsmethoden im Streitfall ausscheidet. Diese Frage wird daher im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Die danach gegenwärtig bestehende Unsicherheit, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Stützung der Schätzungshöhe auf einen Zeitreihenvergleich erfüllt sind, rechtfertigt dem Grunde nach die Gewährung von AdV.
aa) Zur Geldverkehrsrechnung hat das FA ausgeführt, diese Methode scheide im Streitfall aus. Sie habe mit Abschaffung der Vermögensteuer und der damit verbundenen Offenlegungspflicht für Privatvermögen stark an Bedeutung verloren. Weder die vom Steuerpflichtigen genutzten Bankkonten noch die dortigen Geldbewegungen könnten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. E habe in einem Gespräch angegeben, der Antragsteller unterhalte ein Bankkonto im Ausland, auf das er regelmäßig Bargeldbeträge eingezahlt habe. Der Antragsteller habe im Eröffnungsgespräch erklärt, die Bareinnahmen in einem Tresor zu lagern und einen Großteil der Ausgaben aus diesem Bargeldbestand zu bestreiten. Die Hobbys, Vorlieben und der Lebensstandard des Antragstellers seien nicht bekannt. Zudem habe der Antragsteller auf eine längere Amerikareise mit unkalkulierbaren Kosten gespart.
Hierzu ist anzumerken, dass im Streitfall eine Pflicht zur Abgabe von Vermögensteuererklärungen angesichts der geringen Höhe jedenfalls des erkennbaren Vermögens des Antragstellers und der hohen Freibeträge mutmaßlich nicht bestanden hätte, die Abschaffung der Vermögensteuer im Streitfall ‑‑und in vielen anderen Kleinunternehmer-Fällen‑‑ daher nicht kausal für die Durchführbarkeit oder Nichtdurchführbarkeit einer Geldverkehrsrechnung sein kann. Im Gegenteil ist zeitlich nach Abschaffung der Vermögensteuer durch die erheblich erweiterten Möglichkeiten des Kontenabrufs (§ 93 Abs. 7, § 93b AO) und die deutlich gestärkten Möglichkeiten des internationalen Datenaustausches eine Transparenz des Bankkontenbestands eingetreten, die zu Zeiten der Erhebung der Vermögensteuer kaum denkbar gewesen sein dürfte.
Unterlagen zu den vermeintlichen Angaben der E zu einem Auslands-Bankkonto des Antragstellers befinden sich nicht in den vom FA vorgelegten Akten, so dass der Senat nicht in der Lage ist, zu beurteilen, wie konkret solche Angaben waren und welche Folgen sie für das vorliegende Verfahren haben könnten. Das FA ist aber frei, im fortgeführten Hauptsacheverfahren diesen Angaben nachzugehen und entsprechende Ermittlungen anzustellen. Sollte E konkrete Angaben zu einem Auslandskonto gemacht haben, dürfte es angesichts des heute erreichten Standes des internationalen Informationsaustausches in Steuersachen durchaus möglich sein, Kenntnis über die dortigen Geldbewegungen zu erlangen und sie in eine Geldverkehrsrechnung einzubeziehen ‑‑ sofern sich aus der Höhe etwaiger bisher unbekannter Bargeldeinzahlungen nicht ohnehin bereits auf die materielle Unrichtigkeit der erklärten Einnahmen schließen ließe und damit nach der Senatsrechtsprechung auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden bis hin zu einem Zeitreihenvergleich zulässig wäre (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).
Hinsichtlich des Vorbringens des FA zur Nutzung des Tresors ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfer zum Eröffnungsgespräch insoweit lediglich notiert hat: "Bareinnahmen Tresor → dann Einzahlung nach Bedarf". Hieraus folgt nur, dass die Bareinnahmen nicht täglich, sondern zusammengefasst für mehrere Tage auf das betriebliche Bankkonto eingezahlt worden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies ein Hindernis für die Vornahme einer Geldverkehrsrechnung darstellen könnte.
Informationen zu den Hobbys und dem Lebensstandard des Antragstellers dürften durchaus ermittelbar sein; jedenfalls ist dies der Finanzverwaltung auch in zahlreichen anderen Fällen, die dem Senat bekannt sind, möglich gewesen. Ersatzweise können statistische Durchschnittswerte für die Lebenshaltungskosten herangezogen werden, was in der Verwaltungspraxis nach Kenntnis des Senats durchaus üblich ist. Die vom FA erwähnten Sparbeiträge für die Amerika-Reise wären ebenso wie jede andere Geldposition in die Geldverkehrsrechnung einzubeziehen.
bb) Die Erwägungen des FA zur Unmöglichkeit der Durchführung einer Aufschlagkalkulation sind jedenfalls insoweit in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft, als das FA zur Begründung u.a. anführt, es lägen auch für das laufende Gaststättengeschäft keine Informationen zu den Preisgestaltungen vor. Tatsächlich hat der Antragsteller nach Aktenlage alle von ihm in den Streitjahren verwendeten Speisekarten vorgelegt. Damit ist die Preisgestaltung bekannt.
d) Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, ob der Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt worden ist und der Prüfer bereits von Amts wegen alle betrieblichen Besonderheiten in die von ihm herangezogenen Datengrundlagen einbezogen hat.
aa) Die vom Antragsteller während des Prüfungszeitraums vorgenommene erhebliche Preiserhöhung (nach der aktuellen Auffassung des FA immerhin 26 % zum 1. Januar 2009) bedeutet eine wesentliche Änderung im Betrieb, die es bereits methodisch ausschließt, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen (vgl. zu dem Erfordernis eines weitgehend konstanten Verhältnisses zwischen Wareneinsatz und Erlösen Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 56). Das FA hat hierzu in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, mit der "Konjunkturanpassung" hätten die Ergebnisse der Jahre 2009 und 2010 an das Preisniveau des Jahres 2008 angepasst werden sollen, um die Vergleichbarkeit der Schätzung herzustellen. Indes soll eine Schätzung nicht vergleichbar, sondern möglichst realitätsnah sein. Wenn im Prüfungszeitraum eine erhebliche Preiserhöhung stattgefunden hat, dann muss die Schätzung dies berücksichtigen, nicht aber die ‑‑nicht miteinander vergleichbaren‑‑ RAS der Jahre vor und nach der Preiserhöhung vergleichbar machen.
bb) Im Betrieb des Antragstellers haben die Bargeschäfte zwar sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite weit überwogen. Allerdings hätte der Prüfer von Amts wegen die unbar getätigten Geschäfte in seine Datenanalyse einbeziehen müssen und sie nicht den Bargeschäften gleichstellen dürfen.
Auch wenn nur 31 von insgesamt mehr als 4.000 Eingangsrechnungen unbar bezahlt worden sind, dürfte es sich dabei tendenziell um die höheren Beträge handeln, so dass das tatsächliche Gewicht dieser Ausgaben ‑‑und die dadurch ausgelöste Verzerrung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs‑‑ höher sein dürfte als der geringe prozentuale Anteil an der Gesamtheit der Eingangsrechnungen. Gleiches dürfte für die unbar erzielten Erlöse gelten.
Nach Abschluss der Außenprüfung hat das FA zwar erkannt, dass hierin ein Mangel des Zahlenwerks liegt, und den Antragsteller um nochmalige Übermittlung der entsprechenden Eingangsrechnungen und Bankunterlagen gebeten. Der Antragsteller hat hierauf ‑‑soweit ersichtlich‑‑ bisher nicht reagiert. Gleichwohl geht die unterbliebene Einbeziehung der unbaren Zahlungen im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch zu Lasten des FA, das den Zeitreihenvergleich schon von Anfang an in einer technisch korrekten Form hätte durchführen können und müssen. Sollte der Antragsteller die vom FA nochmals angeforderten Unterlagen allerdings auch im weiteren Verlauf des fortzuführenden Hauptsacheverfahrens nicht vorlegen, würde die darin zu sehende Verletzung seiner Mitwirkungspflichten die Verletzung der Ermittlungspflichten des FA überholen, so dass dem FA dies nicht mehr zum Nachteil gereichen könnte.
cc) Eine Verteilung der Einkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Waren ist offensichtlich unterblieben. In einem solchen Fall sind einem Zeitreihenvergleich ‑‑vor allem dann, wenn die jeweils betrachteten Zeitabschnitte für die Ermittlung der Einzel-RAS im Verhältnis zur durchschnittlichen Umschlagzeit der eingekauften Waren relativ kurz sind‑‑ aber erhebliche rechnerische Unsicherheiten immanent.
Da auch das FA davon ausgeht, dass der Antragsteller selbst bei einer sehr gängigen Ware wie dem Hauptumsatzträger Bier eine Vorratshaltung über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen betrieben hat ‑‑was immerhin der Hälfte des vom FA herangezogenen (Monats-)Zeitraums für die Schätzung der einzelnen RAS entspricht‑‑, sind die statistischen Auswirkungen von Verschiebungen der einzelnen Wareneinkäufe als sehr hoch anzusehen.
Darüber hinaus berücksichtigt das Vorbringen des FA, der Antragsteller habe im Regelfall knapp einmal wöchentlich Bier eingekauft, nicht, dass in der Gaststätte auch zahlreiche Sorten Schnäpse angeboten wurden. Zu deren Umschlaghäufigkeit hat das FA keine Ermittlungen vorgenommen. Nach der Lebenserfahrung dürfte in diesem Bereich aber durchaus eine nennenswerte ‑‑in ihrem Umfang zudem schwankende‑‑ Lagerhaltung bestehen.
Unzutreffend ist die Erwägung des FA, etwaige durch den Monatswechsel bedingte Verschiebungen zwischen dem Zeitpunkt des Wareneinkaufs (bzw. der Bezahlung der Eingangsrechnungen) und dem ‑‑für die Ermittlung des zutreffenden RAS allein maßgeblichen‑‑ Zeitpunkt des tatsächlichen Wareneinsatzes seien zu vernachlässigen, weil sich die Auswirkungen auf den RAS in den Folgemonaten ausgleichen würden. Dieser Einwand verkennt, dass die Methode der Quantilsschätzung gerade auf der Heranziehung eines der höchsten RAS beruht. Wenn aber ein Teil der in die Betrachtung einbezogenen Einzel-RAS wegen der durch den Monatswechsel bedingten Verschiebungen überhöht ist, kommt es eben nicht zu einem Ausgleich. Vielmehr bleiben diese überhöhten RAS in der Gesamtrechnung bestehen und werden dann zur Begründung der Höhe der Hinzuschätzung herangezogen. Der Antragsteller hat selbst dargelegt, dass im Streitfall bereits eine ‑‑auch angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse als eher geringfügig anzusehende‑‑ Verschiebung eines Wareneinkaufs/Wareneinsatzes im Umfang von nur 250 € über eine Monatsgrenze hinaus zu einer Veränderung des Monatswertes des RAS um 21 Prozentpunkte führt.
Die Durchführung von Veranstaltungen, die am jeweiligen Tag zu einem deutlichen "Umsatzsprung" im Vergleich zu einer durchschnittlichen Tageseinnahme geführt hat, wäre ebenfalls gesondert zu betrachten gewesen. In Fällen, in denen der für eine Veranstaltung erforderliche, deutlich erhöhte Wareneinkauf noch vor einem Monatswechsel getätigt wird, die entsprechenden Erlöse aber erst nach dem Monatswechsel vereinnahmt werden, kommt es zu ganz erheblichen Verzerrungen zwischen den einzelnen Monatswerten. Der RAS des Monats, in den die Vereinnahmung des Erlöses fällt, wird deutlich zu hoch ausgewiesen; umgekehrt wird der RAS des Monats, in den der vorbereitende Wareneinkauf fällt, deutlich zu gering ausgewiesen. Da die Idee der hier vom FA angewendeten Variante des Zeitreihenvergleichs gerade darauf beruht, Schwankungen der monatlichen RAS als starkes Indiz für eine materiell fehlerhafte Gewinnermittlung anzusehen, muss das FA es schon bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs ‑‑von Amts wegen‑‑ ausschließen, dass betriebliche Besonderheiten derartige rechnerische Schwankungen hervorrufen können.
e) Zudem kann der Senat beim derzeitigen Stand des Sachvortrags des FA nicht erkennen, dass gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" ‑‑so die Formulierung des Prüfers‑‑ sei. Insoweit kann sich im Hauptsacheverfahren ‑‑sofern dort nach weiterer Sachaufklärung überhaupt die Voraussetzungen für die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs festzustellen sein sollten‑‑ die Einholung des Gutachtens eines mathematisch-statistischen Sachverständigen anbieten (vgl. hierzu Krumm, DB 2017, 1105, 1107, re. Sp.), falls das FG nicht selbst über die erforderliche Sachkunde in der Anwendung und Beurteilung mathematisch-statistischer Methoden verfügt.
aa) Das FA geht davon aus, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügen, so dass 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung liegen, der Wert, der sich für den oberen Rand der durch die erste Standardabweichung definierten Bandbreite ergibt, der zutreffende Wert für die Schätzung sei.
bb) In mathematischer Hinsicht setzt die Anwendung der statistischen Erkenntnisse zur Gauß'schen Normalverteilung zuvörderst voraus, dass die RAS überhaupt der Normalverteilung folgen und die erhobene Grundgesamtheit (hier: 36 Einzelgrößen) groß genug ist. Beim gegenwärtigen Stand bestehen hinsichtlich beider Voraussetzungen Bedenken.
Voraussetzung dafür, dass die Einzelgrößen einer Grundgesamtheit der Gauß'schen Normalverteilung folgen, dürfte im Regelfall sein, dass die Einzelgrößen zutreffend ermittelt wurden. Im Streitfall folgen möglicherweise zwar die ‑‑angesichts der Unsicherheiten bei der Schätzung des tatsächlichen Wareneinsatzes nicht mit vertretbarem Aufwand feststellbaren‑‑ exakten tatsächlichen monatlichen RAS eines Betriebs der Gauß'schen Normalverteilung, aber die vom Prüfer relativ grob geschätzten monatlichen RAS weichen mehr oder weniger deutlich von den tatsächlichen monatlichen RAS ab. Insofern ist es jedenfalls nicht selbstverständlich ‑‑und wäre ggf. vom FA im Hauptsacheverfahren sachkundig zu belegen‑‑, dass auch die vom Prüfer unter Inkaufnahme eines erheblichen Schätzungsfehlers ermittelten monatlichen RAS normalverteilt sind.
Hinzu kommt das möglicherweise nur schwer zu lösende Problem, dass einerseits die Grundgesamtheit (hier: die Anzahl der zur Verfügung stehenden RAS für bestimmte Zeitabschnitte) möglichst hoch sein sollte, um zu einer Normalverteilung zu kommen, gegenläufig aber die Qualität (Validität) des einzelnen RAS mit der Verkürzung des Zeitraums, für den er ermittelt wird, stark abnimmt. So dürften die jeweils für ein Quartal ermittelten RAS zwar je Einzelwert nur eine relativ geringe Fehlermarge aufweisen, da die problematischen Verschiebungen beim Wareneinkauf zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Zeitabschnitts hier im Verhältnis zur Gesamthöhe des Wareneinkaufs nicht so stark ins Gewicht fallen wie bei Monats- oder gar Wochenwerten. Indes würden dann für das Jahr 2008 nur vier Einzelwerte und für die ‑‑aufgrund der erheblichen Preiserhöhung gesondert zu betrachtenden‑‑ Jahre 2009/2010 nur acht Einzelwerte zur Verfügung stehen. Dies dürfe eine für die Anwendung der Normalverteilung erheblich zu geringe Grundgesamtheit sein.
Auf der anderen Seite erhielte man zwar eine ausreichend große Grundgesamtheit, wenn die RAS tageweise ermittelt würden (für 2008 ca. 350 Einzelwerte, für 2009/2010 ca. 700 Einzelwerte). Hier wäre jedoch der einzelne tageweise ermittelte RAS unbrauchbar, da nicht an jedem Tag exakt so viele Waren eingekauft wie am selben Tag verbraucht werden. Es fehlte damit an der Validität der Einzelwerte, so dass ebenfalls nicht davon ausgegangen werden könnte, sie folgten der Normalverteilung.
cc) Schließlich wäre zu klären, ob der vom FA behauptete mathematische Erfahrungssatz des Inhalts, dass der "richtige" Wert bei schwankenden und ‑‑hier unterstellt‑‑ normalverteilten Gewinnermittlungs-Rohdaten genau dem Mittelwert zuzüglich der ersten Standardabweichung entspricht, tatsächlich existiert.
Schon im Ansatz unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des FG, die Quantilsschätzung sei schon deshalb eine sachgerechte Schätzungsmethode, weil sie den normalen Geschäftsverlauf als repräsentativ ansehe. Tatsächlich rekurriert die Quantilsschätzung nicht etwa auf den "normalen Geschäftsverlauf", sondern stützt sich für die vorgenommene Vollschätzung auf einen Wert, der in 80 % der Zeitabschnitte gerade nicht erreicht wird.
4. Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke ‑‑und ohne jedes Präjudiz für das Hauptsacheverfahren‑‑ einen griffweisen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor.
a) Die sicher feststellbaren formellen Mängel beschränken sich nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung auf die Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen". Der Anteil dieser Geschäftsbereiche am Gesamterlös steht derzeit nicht fest, was im AdV-Verfahren nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Daher bewegt sich der Sicherheitszuschlag am unteren Rand der Bandbreite und repräsentiert den Bereich, in dem es keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hinzuschätzung gibt.
b) Zu Lasten des Antragstellers merkt der Senat allerdings an, dass er derzeit keine Grundlage für die vom Prüfer vorgenommene gewinnmindernde Berücksichtigung der Umsatzsteuer-Mehrergebnisse im Jahr 2010 sieht, und daher in diesem Umfang keine AdV gewähren kann.
Obwohl der Antragsteller den Betrieb zum 1. Januar 2011 zu Buchwerten in die Ehegatten-GbR eingebracht hat und sowohl der Antragsteller als auch die GbR ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt haben, vertrat der Prüfer die Auffassung, es sei zwingend eine Aufgabebilanz für das Einzelunternehmen zu erstellen und ein Übergangsgewinn zu berechnen (Tz. 11 des Bp-Berichts). Im Rahmen der Ermittlung dieses Übergangsgewinns hat er die sich aus der Prüfung ergebenden Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten (15.200 €) gewinnmindernd passiviert.
Für diese Gewinnminderung sieht der Senat indes bei summarischer Prüfung keine Rechtsgrundlage. Wenn sowohl der zu Buchwerten eingebrachte Betrieb als auch die aufnehmende Personengesellschaft ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, ist der einbringende Einzelunternehmer nicht zur Ermittlung eines Übergangsgewinns verpflichtet (vgl. BFH-Urteile vom 13. September 2001 IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287, unter II.2., und vom 14. November 2007 XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385, unter II.1.d aa), zumal die aufnehmende Personengesellschaft sogleich ein gegenläufiges Übernahmeergebnis ermitteln müsste. Im Rahmen der Ermittlung der von der Vollziehung auszusetzenden Beträge nimmt der Senat daher eine Saldierung mit diesem Rechtsfehler vor.
c) Anders als der Antragsteller meint, ist nicht schon deshalb AdV zu gewähren, weil das FA 13 Monate lang nicht über den Einspruch entschieden hat. Der Antragsteller beruft sich hierbei auf den Beschluss des FG Münster vom 16. April 1997 15 V 1134/97 (EFG 1997, 895). Dort war allerdings tragend für die Gewährung von AdV, dass das FA seine im Prüfungsbericht gezogenen Wertungen nicht durch konkrete Tatsachen belegt hatte. Aufgrund des sich daraus ergebenden "erheblichen Aufklärungsbedarfs" hat das FG AdV gewährt. Demgegenüber besteht im Streitfall jedenfalls hinsichtlich der formellen Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen" kein Aufklärungsbedarf mehr.
d) Damit ergibt sich die folgende Berechnung der nicht von der Vollziehung auszusetzenden Besteuerungsgrundlagen:
Jahr
2008
2009
2010
Mehrerlös netto
+ 3.000 €
+ 3.000 €
+ 3.000 €
Mehr-Umsatzsteuer
+ 570 €
+ 570 €
+ 570 €
Passivierung der Umsatzsteuer
./. 0 €
Mehrgewinn
+ 3.570 €
+ 3.570 €
+ 3.570 €
Die Übertragung der Ermittlung der auszusetzenden Beträge auf das FA beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die für den Antragsteller im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren ungünstigere Kostenquote für das Beschwerdeverfahren beruht darauf, dass hier zu seinen Lasten auch diejenigen Teile des Antrags zu berücksichtigen waren, die als unzulässig anzusehen sind.