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Urteil vom 08. Dezember 2016, IV R 8/14

Gewerbesteuerrechtliche Folgen der atypisch stillen Beteiligung am Handelsgewerbe einer Personengesellschaft

ECLI:DE:BFH:2016:U.081216.IVR8.14.0

BFH IV. Senat

GewStG § 2 Abs 1 S 1, GewStG § 2 Abs 1 S 2, GewStG § 5 Abs 1 S 1, GewStG § 5 Abs 1 S 3, GewStG § 14a S 1, EStG § 15 Abs 1, EStG § 15 Abs 2, EStG § 15 Abs 3

vorgehend FG Münster, 26. Juni 2012, Az: 7 K 3732/10 G

Leitsätze

1. Betreibt eine Personengesellschaft als Inhaber eines Handelsgewerbes, an dem sich ein anderer atypisch still beteiligt, ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 EStG, unterhält sowohl die atypisch stille Gesellschaft, der dieses Unternehmen für die Dauer ihres Bestehens zugeordnet wird, als auch die Personengesellschaft jeweils einen selbständigen Gewerbebetrieb.

2. Der Inhaber des Handelsgewerbes hat für jeden dieser Gewerbebetriebe jeweils eine eigenständige Gewerbesteuererklärung abzugeben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. Juni 2012  7 K 3732/10 G wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

A.

  1. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH & Co. KG, ist die Anfertigung und Konstruktion von Maschinen aller Art. Gesellschafter waren ursprünglich die X-GmbH als Komplementärin ohne Einlage sowie die Geschwister A, B und C als Kommanditisten.

  2. 1998 beteiligten sich zunächst M und später auch A, B und C als atypisch still Beteiligte an der Klägerin. In den Folgejahren übertrugen zunächst C und später auch M ihre Beteiligungen auf A und B. Im Streitjahr 2002 verblieben danach nur A und B als Kommanditisten in der Klägerin und als atypisch still Beteiligte in der KG & atypisch Still. Zum 30. Juni 2007 kündigten auch sie ihre stillen Beteiligungen, so dass die atypisch stille Gesellschaft endete.

  3. Für das Streitjahr 2002 gab die Klägerin im Mai 2003 eine Gewerbesteuererklärung ab.

  4. Die Gewerbesteuer-Messbescheide für 1999 bis 2002, mit denen der Gewerbesteuer-Messbetrag wegen Verlustvorträgen jeweils auf 0 DM/€ festgesetzt wurde, sowie die Verlustfeststellungen standen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

  5. Eine im Jahr 2004 für die Jahre 1999 bis 2002 durchgeführte Betriebsprüfung endete mit einer Schlussbesprechung am ... Dezember 2004. Der Prüfer vertrat in seinem Bericht die Auffassung, dass durch die atypisch stillen Beteiligungen nicht eine erweiterte KG, sondern eine neue Personengesellschaft "KG und atypisch Still" entstanden sei. Es handle sich um eine doppelstöckige Personengesellschaft. Die "KG und atypisch Still" könne wegen fehlender Unternehmeridentität den in der Klägerin entstandenen Gewerbeverlust nicht mit eigenen Gewerbeerträgen verrechnen.

  6. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) schloss sich der Auffassung des Prüfers an. Gegenüber der Klägerin hob das FA unter der bisherigen Steuernummer bei dem Gewerbesteuer-Messbescheid 2002 lediglich den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO auf, ohne die Festsetzung zu ändern. Darüber hinaus erließ es am ... Januar 2006 unter einer neuen Steuernummer (u.a.) einen Bescheid, mit dem es den Gewerbesteuer-Messbetrag 2002 auf ... € festsetzte und einen Verlustabzug unterließ. Bei der neuen Steuernummer handelte es sich um eine Hilfssteuernummer, die eine ordnungsgemäße Zustellung der Gewerbesteuer-Messbescheide für die "KG und atypisch Still" ermöglichen sollte. Der Bescheid war gerichtet an die in der abgegebenen Erklärung als Empfangsbevollmächtigte angegebene Steuerberatungsgesellschaft als Empfangsbevollmächtigte für die KG; zudem heißt es, der Bescheid betreffe die KG als Inhaber des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten Gesellschaftern. In den Erläuterungen des Bescheids ist ausgeführt, dass dieser Bescheid den unter der bisherigen Steuernummer ergangenen Bescheid ändere und der Festsetzung "die Ergebnisse der bei Ihnen durchgeführten Außenprüfung" zu Grunde lägen.

  7. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Aufgrund der sodann erhobenen Klage hob das Finanzgericht (FG) mit (rechtskräftigem) Urteil vom 22. April 2009 u.a. den unter der neuen Steuernummer ergangenen Gewerbesteuer-Messbescheid für 2002 vom ... Januar 2006 auf. Zur Begründung führte das FG aus, der Bescheid sei wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig, da nicht bestimmt werden könne, ob er sich an die KG oder aber an eine neue "KG und atypisch Still" als Inhaltsadressat richte. Selbst wenn man aber zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass Inhaltsadressat eine "KG und atypisch Still" sei, wäre der Bescheid aufzuheben, da diese Personengesellschaft nicht entstanden sei. Vielmehr bestehe wegen der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs Unternehmeridentität zwischen der KG einerseits und der KG unter Einbeziehung der atypisch still Beteiligten andererseits.

  8. In der Folge erließ das FA am ... Dezember 2009 ‑‑wiederum unter der neuen Steuernummer‑‑ einen neuen Gewerbesteuer-Messbescheid für 2002, mit dem es den Gewerbesteuer-Messbetrag bei unveränderter Berechnung und erneut ohne Verlustabzug auf ... € festsetzte. Als Inhaltsadressaten gab das FA an:

    "... GmbH & Co. KG als Inhaber des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten Gesellschaftern als objektiv steuerpflichtig mit der Summe der Mitunternehmer der atypisch stillen Gesellschaft in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit. Mitunternehmer sind die ... GmbH & Co. KG sowie die atypisch still Beteiligten M, A und B."

  9. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

  10. Das FG gab der daraufhin erhobenen Klage mit Urteil vom 27. Juni 2012  7 K 3732/10 G statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Der angegriffene Gewerbesteuer-Messbescheid sei zwar nicht nichtig, insbesondere könne durch Auslegung ermittelt werden, dass er an die Klägerin als Inhaberin des Handelsgewerbes der "KG und atypisch Still" als Inhaltsadressatin gerichtet sei. Der Bescheid sei aber rechtswidrig, da seinem Erlass der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegengestanden habe. Entgegen der Auffassung des FA seien im Streitfall nicht zwei Steuererklärungen für die Klägerin und die "KG und atypisch Still" abzugeben, sondern nur eine einzige für den gesamten Gewerbebetrieb der Klägerin, da durch die Beteiligung der Kommanditisten als atypisch stille Gesellschafter kein weiterer Gewerbebetrieb entstanden sei. Da die Klägerin ihre Steuererklärung bereits im Mai 2003 abgegeben und auch die Schlussbesprechung im Rahmen der Außenprüfung bereits im Dezember 2004 stattgefunden habe, sei spätestens mit Ablauf des Jahres 2008 Festsetzungsverjährung eingetreten, so dass der angegriffene Bescheid im Dezember 2009 in festsetzungsverjährter Zeit ergangen sei.

  11. Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung von § 14a Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (GewStG).

  12. Es beantragt,
    das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  13. Die Klägerin beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

B.

  1. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Im Ergebnis zu Recht ist das FG in dem angegriffenen Urteil davon ausgegangen, dass der streitige Gewerbesteuer-Messbescheid aufzuheben ist, weil seinem Erlass der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegensteht.

  2. I. Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Klage als von der GmbH & Co. KG als Inhaberin des Handelsgewerbes der GmbH & Co. KG & Still erhoben angesehen. Zwar hat es übersehen, dass die atypisch stille Gesellschaft bei Klageerhebung bereits beendet war; dies steht der Zulässigkeit der Klage jedoch nicht entgegen.

  3. 1. Begründet der Inhaber eines Handelsgewerbes an seinem gesamten Betrieb eine stille Gesellschaft und ist die Gesellschaft ertragsteuerlich als Mitunternehmerschaft anzusehen, weil der stille Gesellschafter Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt, entsteht eine atypisch stille Gesellschaft als eigenständige Mitunternehmerschaft. Deren Mitunternehmer sind der Inhaber des Handelsgewerbes und der oder ‑‑wenn sich mehrere am gesamten Handelsgewerbe des Inhabers atypisch still beteiligen‑‑ die (atypisch) still Beteiligten. Für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft wird das Unternehmen des Inhabers des Handelsgewerbes ertragsteuerlich dieser Mitunternehmerschaft zugeordnet. Die Entstehung einer atypisch stillen Gesellschaft ist ertragsteuerlich also insoweit wie eine Einbringung des Betriebs des Inhabers des Handelsgewerbes in die stille Gesellschaft i.S. des § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) zu würdigen. Handelt es sich beim Inhaber des Handelsgewerbes, an dem sich ein anderer atypisch still beteiligt, um eine Personengesellschaft, entsteht durch die Errichtung der stillen Gesellschaft daher eine doppelstöckige Personengesellschaftsstruktur mit der Personengesellschaft als Obergesellschaft und der atypisch stillen Gesellschaft als Untergesellschaft (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 24. April 2014 IV R 34/10, BFHE 245, 253).

  4. a) Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass im Streitjahr 2002 A und B an der GmbH & Co. KG atypisch still beteiligt waren, so dass eine atypisch stille Gesellschaft bestand. Insoweit sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.

  5. b) Da es sich bei der GmbH & Co. KG um eine Personengesellschaft handelt, entstand durch die Errichtung der atypisch stillen Gesellschaft eine doppelstöckige Personengesellschaftsstruktur mit der GmbH & Co. KG als Obergesellschaft und der GmbH & Co. KG & Still als Untergesellschaft. An Letzterer waren als Mitunternehmer einerseits die GmbH & Co. KG und andererseits A und B beteiligt.

  6. 2. Im Streitfall geht es um die Rechtmäßigkeit eines Gewerbesteuer-Messbescheids für den Gewerbeertrag des Betriebs, der für die Dauer ihres Bestehens der GmbH & Co. KG & Still zugeordnet war. Ein solcher Bescheid ist nicht an die atypisch stille Gesellschaft, sondern an den Inhaber des Handelsgewerbes in seiner Funktion als Inhaber des Handelsgewerbes der atypisch stillen Gesellschaft zu richten und kann dementsprechend mit Erfolg auch nur von diesem mit Rechtsmitteln angegriffen werden.

  7. a) Auch wenn durch die atypisch stille Beteiligung am Handelsgewerbe eines anderen eine atypisch stille Gesellschaft als eigenständige Mitunternehmerschaft entsteht, ist diese Gesellschaft nicht Schuldnerin der Gewerbesteuer. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ist für eine atypisch stille Gesellschaft als Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen, das Gegenstand einer Zwangsvollstreckung sein kann, nicht anwendbar mit der Folge, dass nur der nach außen tätige Unternehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG) ‑‑also der Inhaber des Handelsgewerbes‑‑ der persönlichen Gewerbesteuerpflicht unterliegt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, unter IV.; vom 22. Januar 2009 IV R 90/05, BFHE 224, 364, unter II.1.d; vom 5. Februar 2014 X R 1/12, BFHE 244, 516, BStBl II 2016, 567, Rz 18). Dem steht nicht entgegen, dass der Betrieb des Inhabers des Handelsgewerbes ertragsteuerlich für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft zugeordnet und sein Betriebsvermögen dadurch als mitunternehmerisches Vermögen angesehen wird. Denn diese steuerliche Zuordnung ändert nichts daran, dass die atypisch stille Gesellschaft zivilrechtlich über kein eigenes Gesellschaftsvermögen verfügt, in das vollstreckt werden könnte. Vielmehr gibt es zivilrechtlich lediglich das (Betriebs-)Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes, das dieser während des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft im eigenen Namen, aber für Rechnung der Mitunternehmerschaft verwaltet (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 IV R 5/12, BFHE 250, 121, BStBl II 2015, 935, Rz 31).

  8. b) Ist danach der Inhaber des Handelsgewerbes als der nach außen tätige Unternehmer Schuldner der Gewerbesteuer, sind Gewerbesteuer-Messbescheide für den Gewerbeertrag der atypisch stillen Gesellschaft an ihn als Inhaber des Handelsgewerbes der atypisch stillen Gesellschaft zu adressieren. Dementsprechend kann auch nur der Inhaber des Handelsgewerbes ‑‑in seiner Funktion als Inhaber des Handelsgewerbes der atypisch stillen Gesellschaft‑‑ mit Aussicht auf Erfolg Klage gegen einen entsprechenden Bescheid erheben (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2012 IV B 141/11).

  9. c) Bezogen auf den Streitfall konnte danach allein die GmbH & Co. KG als Inhaberin des Handelsgewerbes der (ehemaligen) GmbH & Co. KG & Still mit Aussicht auf Erfolg gegen den streitbefangenen Gewerbesteuer-Messbescheid 2002 vom ... Dezember 2009 Klage erheben.

  10. 3. Der Zulässigkeit der Klage steht nach Ansicht des Senats auch nicht entgegen, dass die atypisch stille Gesellschaft infolge des 2007 erfolgten Ausscheidens der atypisch still Be-teiligten A und B bei Klageerhebung nicht mehr bestand. Vielmehr blieb weiterhin die GmbH & Co. KG als Inhaberin des Handelsgewerbes der (jetzt: ehemaligen) GmbH & Co. KG & Still Schuldnerin der Gewerbesteuer für die sachlich gewerbesteuerpflichtigen Ge-sellschafter der (ehemaligen) atypisch stillen Gesellschaft.

  11. II. Im Ergebnis zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der angegriffene Gewerbesteuer-Messbescheid aufzuheben war, da seinem Erlass der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstand. Anders als das FG meint, folgt dies aber nicht bereits daraus, dass es nur einen Gewerbebetrieb gab und folglich auch nur eine Gewerbesteuererklärung abzugeben war, die bereits 2003 abgegeben wurde. Insoweit hat das FG übersehen, dass die zwei eigenständigen Mitunternehmerschaften ‑‑die GmbH & Co. KG einerseits und die GmbH & Co. KG & Still andererseits‑‑ jeweils einen eigenen Gewerbebetrieb hatten, so dass auch zwei eigenständige Gewerbesteuererklärungen abzugeben sind (dazu B.II.1.). Im Ergebnis zu Recht ist das FG allerdings davon ausgegangen, dass für den der GmbH & Co. KG & Still zuzurechnenden Gewerbebetrieb bereits im Mai 2003 eine Gewerbesteuererklärung abgegeben wurde, so dass dem Erlass des angegriffenen Gewerbesteuer-Messbescheids, der diesen Betrieb betrifft, der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstand (dazu B.II.2.).

  12. 1. Wie bereits ausgeführt, ist die Entstehung einer atypisch stillen Gesellschaft ertragsteuerlich wie eine Einbringung des Betriebs des Inhabers des Handelsgewerbes in die stille Gesellschaft i.S. des § 24 UmwStG zu würdigen, soweit der Betrieb des Inhabers des Handelsgewerbes ertragsteuerlich der atypisch stillen Gesellschaft zugeordnet wird. Handelt es sich beim Inhaber des Handelsgewerbes, an dem sich ein anderer atypisch still beteiligt, um eine Personengesellschaft, entsteht durch die Errichtung der stillen Gesellschaft jedoch eine doppelstöckige Struktur mit der Personengesellschaft als Obergesellschaft und der atypisch stillen Gesellschaft als Untergesellschaft (BFH-Urteil in BFHE 245, 253). Da die Tätigkeit von Personengesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG auch gewerbesteuerlich als Gewerbebetrieb anzusehen ist, liegen in dieser Situation auch zwei (unterschiedliche) Gewerbebetriebe vor.

  13. a) Betreibt der Inhaber des Handelsgewerbes ‑‑wie im Streitfall die Klägerin‑‑ ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und wird für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft dieses Unternehmen der atypisch stillen Gesellschaft zugeordnet, so ist die atypisch stille Gesellschaft gewerblich tätig und unterhält nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG auch gewerbesteuerrechtlich einen Gewerbebetrieb, der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt. Die GmbH & Co. KG & Still unterhielt danach im Streitjahr 2002 einen Gewerbebetrieb, für den nach § 14a Satz 1 GewStG eine Gewerbesteuererklärung abzugeben war.

  14. b) Gilt der Gewerbebetrieb des Inhabers des Handelsgewerbes für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft als deren Betrieb, so erzielen die an der atypisch stillen Gesellschaft mitunternehmerisch Beteiligten ihrerseits gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Ist als Mitunternehmer, wie im Streitfall die Klägerin, eine Personengesellschaft beteiligt, gilt dann auch deren Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 EStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Auch sie unterhält damit einen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt und für den nach § 14a Satz 1 GewStG eine Gewerbesteuererklärung abzugeben ist. Es liegen damit zwei selbständige Gewerbebetriebe vor, für die jeweils eine Gewerbesteuererklärung abzugeben ist. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 11. Oktober 2012 IV R 38/09 (BFHE 240, 90, BStBl II 2013, 958). In jener Entscheidung ging es um die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die dortige Klägerin, eine GmbH & Co. KG, die sich am Handelsgewerbe einer GmbH atypisch still beteiligt hatte, nach der Verschmelzung der GmbH auf sie den in der atypisch stillen Gesellschaft entstandenen Verlustvortrag nutzen konnte. Insoweit stellte sich im Rahmen des § 10a GewStG die Frage der Unternehmensidentität des von der Klägerin nach der Verschmelzung (fort-)geführten Betriebs mit dem Betrieb, den die GmbH als Inhaberin des Handelsgewerbes bis zu ihrer Verschmelzung für Rechnung der atypisch stillen Gesellschaft geführt hat. Ebenso wenig betraf das BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 73/06 (BFHE 225, 343, BStBl II 2010, 40) die hier streitige Frage, für wie viele Gewerbebetriebe eine Gewerbesteuererklärung abzugeben ist, wenn sich am gesamten Handelsgewerbe einer Personengesellschaft Einzelne atypisch still beteiligen. Sollte dieses Urteil gleichwohl dahin zu verstehen sein, dass es in einem solchen Fall nur einen Gewerbebetrieb ‑‑den des Inhabers des Handelsgewerbes‑‑ gibt, hält der Senat daran jedenfalls nicht mehr fest.

  15. Die Klägerin hatte danach für das Streitjahr 2002 als Steuerschuldnerin zwei Gewerbesteuererklärungen abzugeben – zum einen für den Betrieb, der der GmbH & Co. KG & Still für die Dauer ihres Bestehens als eigener Gewerbebetrieb zugerechnet wurde, und zudem für den Betrieb, den sie selbst als Obergesellschaft der doppelstöckigen Personengesellschaft für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen (Unter-)Gesellschaft unterhielt.

  16. 2. Im Ergebnis zu Recht ist das FG allerdings davon ausgegangen, dass dem Erlass des streitigen Gewerbesteuer-Messbescheids Festsetzungsverjährung entgegenstand.

  17. a) Mit dem angegriffenen Bescheid hat das FA den Gewerbesteuer-Messbetrag für den Gewerbebetrieb festgesetzt, der für die Dauer ihres Bestehens der GmbH & Co. KG & Still zugerechnet wurde. Im Ergebnis zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die Klägerin für diesen Betrieb bereits im Mai 2003 eine Gewerbesteuererklärung abgegeben hat.

  18. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Klägerin für das Streitjahr 2002 nur eine Gewerbesteuererklärung abgegeben hat und dass sie ‑‑ausgehend von ihrem Ansatz, demzufolge trotz der atypisch stillen Beteiligungen nur ein einziger Gewerbebetrieb existiert‑‑ mit dieser Erklärung die erforderlichen Angaben für die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags für den unter der Beteiligung der stillen Gesellschafter geführten Gewerbebetrieb machen wollte und auch gemacht hat.

  19. b) Hat danach die Klägerin als Erklärungspflichtige für den der GmbH & Co. KG & Still zuzurechnenden Betrieb die Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2002 bereits im Mai 2003 abgegeben, begann die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) für den Erlass des diesen Betrieb betreffenden Gewerbesteuer-Messbescheids nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 AO mit Ablauf des Jahres 2003 und endete ‑‑selbst bei Annahme einer Ablaufhemmung aufgrund der durchgeführten Außenprüfung‑‑ nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO spätestens mit Ablauf des Jahres 2008, da die Schlussbesprechung im Rahmen der Außenprüfung im Dezember 2004 erfolgte. Der streitige Gewerbesteuer-Messbescheid vom ... Dezember 2009 erging daher in festsetzungsverjährter Zeit.

  20. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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