BFH VII. Senat
GG Art 12 Abs 1, StBerG § 23 Abs 3 S 1 Nr 2
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes , 19. August 2015, Az: 1 K 1004/15
Leitsätze
1. NV: Eine "andere gleichwertige Vorbildung" i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG und damit die Befähigung, zum Leiter einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins bestellt zu werden, hat nur derjenige, der eine Abschlussprüfung in einem Beruf bestanden hat, der aufgrund der im Rahmen der Ausbildung vermittelten Lehrinhalte einem kaufmännischen Beruf als gleichwertig erachtet werden kann .
2. NV: Die mit dem Erfordernis einer abgeschlossenen Berufsausbildung verbundene Einschränkung der Berufsausübung ist zum Schutz eines anerkannten wichtigen Gemeinschaftsguts, wie es die Hilfeleistung in Steuersachen darstellt, gerechtfertigt .
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 20. August 2015 1 K 1004/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein von der zuständigen Finanzbehörde anerkannter und überregional tätiger Lohnsteuerhilfeverein, der im gesamten Bundesgebiet Beratungsstellen unterhält, die in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine eingetragen worden sind. Seinen Antrag auf Eintragung einer neuen Beratungsstelle in S unter Leitung des hierfür vorgesehenen Beratungsstellenleiters B lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzministerium) mit der Begründung ab, B erfülle nicht die in § 23 Abs. 3 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) normierten Voraussetzungen. B hatte erfolgreich eine Ausbildung zum Beruf des Bauzeichners abgeschlossen. Zusätzlich hatte er an einer Fernuniversität im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften das Vordiplom erhalten, das ihm den Zugang zum Hauptstudium mit Diplomprüfung eröffnete. Im Zeitraum von 1999 bis 2012 war er bei einer Steuerberatungskanzlei beschäftigt, bei der er ausweislich der von dieser ausgestellten Bescheinigung insgesamt 159 Wochen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden auf dem Gebiet der von den Bundes- und Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern tätig gewesen ist. Die gegen die Ablehnung der Eintragung gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger habe keinen Anspruch auf Eintragung der in S gelegenen Beratungsstelle mit B als dessen Leiter. Offensichtlich gehöre B nicht dem in § 3 Nr. 1 StBerG aufgeführten Personenkreis an. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG seien nicht erfüllt, da B nicht nachgewiesen habe, die dort bezeichneten Tätigkeiten über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren ausgeübt zu haben. Entgegen der Ansicht des Klägers erfülle B auch nicht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG. In einem kaufmännischen Ausbildungsberuf habe B keine Abschlussprüfung abgelegt. Eine solche Ausbildung sei die absolvierte Berufsausbildung als Bauzeichner nicht. Hierfür sei nicht ausreichend, dass im Rahmen dieser Ausbildung auch theoretische Lerninhalte mit ansatzweisen kaufmännischen Aspekten vermittelt würden. Das von B an einer Fachhochschule erworbene Vordiplom sei ebenfalls kein Abschluss in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf. B besitze auch keine "andere gleichwertige Vorbildung" i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG, die nach der Gesetzessystematik und der aufgrund der Gesetzeshistorie belegten Intention des Gesetzgebers das Bestehen einer Abschlussprüfung erfordere, die der Abschlussprüfung im kaufmännischen oder gleichwertigen Bereich gleichkomme. Die Regelung in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG wäre nahezu entbehrlich, wenn bereits nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG auf eine Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Beruf verzichtet werden könnte, denn in diesem Fall käme es nur auf eine "prüfungsfreie" Kenntniserlangung an. Nach dem Sinn und Zweck der in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG getroffenen Regelung wäre es nicht sachgerecht, einen Berufsabschluss in einem handwerklichen Ausbildungsberuf und die Erlangung kaufmännischer bzw. gleichwertiger Kenntnisse auf einem anderen Weg ausreichen zu lassen. Dem entspreche es, dass als vergleichbar i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG etwa Gehilfenprüfungen in beratenden Berufen (wie etwa Versicherungsfachangestellte) oder auch Ausbildungsabschlüsse von Steuerfachangestellten und Rechtsanwalts- und Notarangestellten angesehen würden.
Eine danach erforderliche "gleichwertige Abschlussprüfung" habe B jedoch nicht abgelegt. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) zur Steuerberaterprüfung entschieden habe, könnten einzelne Prüfungsergebnisse im Rahmen eines rechtswissenschaftlichen Studiums einem Ausbildungsabschluss nicht gleichgestellt werden (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2009 VII R 45/07, BFHE 227, 288, BStBl II 2010, 205). Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Auslegungsergebnisses bestünden nicht, vielmehr sei die damit verbundene Beschränkung der Berufsfreiheit durch wichtige Gemeinwohlziele, nämlich den Schutz vor unsachgemäßer, gesetzwidriger und das Steueraufkommen gefährdender steuerlicher Beratung gerechtfertigt.
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 2111 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine rechtsfehlerhafte Auslegung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG sowie einen verfassungswidrigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierte Berufsfreiheit. Nach der Rechtsprechung des BFH seien die einschränkenden Merkmale des § 23 Abs. 3 StBerG nicht eng, sondern weit auszulegen. Das FG habe verkannt, dass die streitgegenständliche Regelung keine Abschlussprüfung erfordere. Eine gleichwertige Vorbildung könne sich auch aus einer Gesamtschau aus einem technischen Ausbildungsberuf und einem wirtschaftswissenschaftlichen Vordiplom und einer sich daran anschließenden jahrelangen Tätigkeit als Steuerfachangestellter ergeben. Entscheidend sei, dass eine von einem künftigen Beratungsstellenleiter erworbene Bildung demjenigen Bildungsstand entspreche, den ein Absolvent einer kaufmännischen Berufsausbildung üblicherweise erreicht habe. Wie die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 12/6753) belegten, habe der Gesetzgeber bewusst von dem Erfordernis einer gleichwertigen Prüfung abgesehen und lediglich eine gleichwertige Vorbildung gefordert. Nach der Intention des Gesetzgebers liege eine gleichwertige Vorbildung vor, wenn die vermittelten Lern- und Prüfungsinhalte mit denen einer kaufmännischen Ausbildung vergleichbar seien. Dies könne auch durch ein Vordiplom oder eine vergleichbare Qualifikation in einem wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang nachgewiesen werden, wenn die im Grundstudium vermittelten Lerninhalte denen einer Ausbildung in einem entsprechenden Ausbildungsberuf entsprächen und das Grundstudium durch entsprechende Prüfungsleistungen erfolgreich abgeschlossen worden sei. Lediglich ein abgebrochenes Studium könne nicht als ausreichend angesehen werden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sich Beratungsstellen von Lohnsteuerhilfevereinen mit relativ einfach gelagerten Steuerfällen befassten, die auch in einer Steuerberatungskanzlei regelmäßig nicht von Steuerberatern, sondern von dort tätigen Steuerfach-angestellten bearbeitet würden. Aus der Sicht eines Praktikers könne kein Zweifel bestehen, dass B aufgrund seiner nachgewiesenen Vorbildung die Voraussetzungen für die Leitung einer solchen Beratungsstelle erfülle. Die Auslegung des FG bewirke einen verfassungsrechtlich unzulässigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit.
Im Wesentlichen schließt sich das Finanzministerium den Ausführungen des FG an. Der BFH-Rechtsprechung könne nicht entnommen werden, dass § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG weit auszulegen sei. Zudem stütze der Bericht und die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 17. Mai 1994 (BTDrucks 12/7545) die Rechtsauffassung des FG. Danach sei § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG anders gefasst worden, damit Bürger der ehemaligen DDR mit einem Facharbeiterabschluss als Finanz- oder Wirtschaftskaufmann die Möglichkeit der Bestellung zum Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins erhalten konnten. Aufgrund des Erfordernisses einer Abschlussprüfung verbiete sich eine Gesamtschau, bei der praktische Tätigkeiten einbezogen würden, die nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal bildeten.
Entscheidungsgründe
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 23. Mai 2016 führt zu keiner anderen Beurteilung.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Eintragung der Beratungsstelle in S mit B als deren Leiter hat. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG ist dahin auszulegen, dass die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals einer anderen gleichwertigen Vorbildung den Nachweis des Bestehens einer Abschlussprüfung in einem Beruf voraussetzt, der aufgrund der vermittelten Lerninhalte einem kaufmännischen Beruf als gleichwertig erachtet werden kann.
1. Die an den Leiter einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins zu stellenden Anforderungen in Bezug auf dessen fachliche Qualifikation sind in § 23 Abs. 3 Satz 1 StBerG abschließend festgelegt. Nach den Feststellungen des FG, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden und daher für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, erfüllt B die in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 StBerG normierten Voraussetzungen nicht, so dass er zum Beratungsstellenleiter nur unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG bestellt werden könnte. Danach darf der Lohnsteuerhilfeverein zum Leiter einer Beratungsstelle nur Personen bestellen, die eine Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf bestanden haben oder eine gleichwertige Vorbildung besitzen und nach Abschluss der Ausbildung drei Jahre in einem Umfang von mindestens 16 Wochenstunden auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesbehörden verwalteten Steuern praktisch tätig gewesen sind.
a) Eine Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf hat B nicht abgelegt; vielmehr hat er erfolgreich eine Ausbildung in einem eher technisch orientierten Beruf als Bauzeichner abgeschlossen. Dass das Berufsbild eines Bauzeichners, der nach Vorgaben von Architekten oder Bauingenieuren für geplante Bauvorhaben Zeichnungen und Pläne anfertigt, erheblich von dem Berufsbild kaufmännischer Berufe abweicht, bedarf keiner näheren Erläuterung. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Ausbildung zum Bauzeichner Qualifikationen vermittelt, die ohne Weiteres den Qualifikationen gleichgesetzt werden können, die im Rahmen einer kaufmännischen Ausbildung erworben werden. Auch das in einem Fernstudium erworbene Vordiplom im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft kann die von Gesetzes wegen geforderte Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf nicht ersetzen. Da die Diplom-Vorprüfung lediglich den Zugang zum Hauptstudium eröffnet, das mit einer Diplomprüfung abzuschließen ist, liegt keine abgeschlossene Berufsausbildung vor. Aufgrund der Nichterfüllung des Tatbestandsmerkmals der (bestandenen) Abschlussprüfung, kann offen bleiben, ob ein Fernstudium im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft aufgrund der dadurch vermittelten Lerninhalte mit einer Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf gleichgesetzt werden kann.
b) Zu Recht hat das FG entschieden, dass B auch keine "andere gleichwertige Vorbildung" i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG besitzt.
aa) Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung muss die Vorbildung eine Qualifikation vermitteln, die einer Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf gleichwertig ist. Darauf, dass eine gleichwertige Vorbildung nur dann angenommen werden kann, wenn der zukünftige Beratungsstellenleiter eine Abschlussprüfung abgelegt hat, deutet die Ausgestaltung des weiteren Tatbestandsmerkmals der praktischen Tätigkeit hin, auf dessen Erfüllung nicht verzichtet werden kann. Zum Zeitpunkt des frühesten Beginns dieser Tätigkeit hat der Gesetzgeber den Abschluss der Ausbildung bestimmt. Da der Abschluss der Ausbildung in der Regel durch die Ablegung einer entsprechenden Prüfung gekennzeichnet ist, lässt sich der Zeitpunkt, ab dem eine anrechenbare praktische Tätigkeit aufgenommen werden kann, zuverlässig bestimmen. Käme es dagegen lediglich auf den Nachweis von Kenntnissen an, die auch im Rahmen einer Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf erworben werden könnten, wäre die Bestimmung des Abschlusses einer solchen Kenntniserlangung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.
bb) Auch die Entstehungsgeschichte der in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG getroffenen Regelung weist auf das Erfordernis eines Prüfungsabschlusses hin. Nach der bis zum 30. Juni 1994 geltenden Fassung (BGBl I 1990, 2756) setzte die Bestellung zum Leiter einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins ausdrücklich das Bestehen der Gehilfenprüfung im steuer- und wirtschaftsberatenden Beruf oder einer gleichwertigen Prüfung voraus. Mit Wirkung ab dem 1. Juli 1994 (BGBl I 1994, 1387) hat der Gesetzgeber die Vorschrift dahin geändert, dass nunmehr das Bestehen einer Abschlussprüfung im steuer- und wirtschaftsberatenden Beruf oder einem kaufmännischen Ausbildungsberuf oder der Besitz einer anderen gleichwertigen Vorbildung vorausgesetzt wurde. Mit dieser Änderung sollte jedoch das Prüfungserfordernis bei einer gleichwertigen Ausbildung nicht aufgegeben werden. Wie bereits ausgeführt, deutet darauf bereits die Festlegung des frühesten Zeitpunkts des Beginns der praktischen Tätigkeit auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Ausbildung hin. Darüber hinaus ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass nach dem Referentenentwurf zur Klarstellung, dass auf eine Prüfung in einem rechts-, wirtschafts- oder steuerberatenden Beruf abzustellen ist, lediglich das Wort "gleichwertig" durch das Wort "gleichartig" ersetzt werden sollte (BTDrucks 12/6753, S. 13). Erst aufgrund der Beratungen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages wurde in die Vorschrift der Begriff "andere gleichwertige Vorbildung" eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde die Vorschrift anders gefasst, um Bürgern der ehemaligen DDR mit einem Facharbeiterabschluss als Finanz- oder Wirtschaftskaufmann die Möglichkeit der Bestellung zum Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins zu erhalten (BTDrucks 12/7545, S. 25). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung nicht die Aufgabe des Erfordernisses einer Abschlussprüfung bezweckte; vielmehr sollte der Kreis der möglichen Beratungsstellenleiter um eine bestimmte Berufsgruppe mit entsprechenden Berufsabschlüssen erweitert werden.
cc) Der Besitz eines Vordiploms in einem wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang reicht somit nicht aus, um eine "andere gleichwertige Vorbildung" i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG zu vermitteln. Erforderlich ist das Bestehen einer Abschlussprüfung (Goez in Kuhls u.a., Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 23 Rz 24, der den Begriff "gleichwertige Prüfung" verwendet, und Hermans, Die Lohnsteuerhilfevereine, 1996, S. 66, der auf das Erfordernis einer Abschlussprüfung in einem steuer-, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf verweist; a.A. Schmucker in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 23 Rz 14). Wie bereits ausgeführt, ist B lediglich im Besitz eines Diplom-Vorprüfungszeugnisses im integrierten Studiengang Wirtschaftswissenschaft, so dass die Voraussetzung einer Abschlussprüfung nicht erfüllt ist. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass er nachweislich 159 Wochen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden auf dem Gebiet der von den Bundes- und Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern tätig war. Denn die praktische Tätigkeit wird zusätzlich zum Nachweis einer Abschlussprüfung gefordert und kann infolgedessen diese nicht ersetzen.
dd) Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch eine Gesamtschau der Ausbildung und des beruflichen Werdeganges des B nicht dazu führen, dass auf die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals einer abgeschlossenen Berufsausbildung in einem kaufmännischen oder gleichwertigen Bereich verzichtet werden könnte. Eine solche Gesamtbetrachtung sieht das Gesetz nicht vor. Gegen sie spricht auch der Umstand, dass der praktischen Tätigkeit im Rahmen eines gesondert zu erfüllenden Tatbestandsmerkmals eine eigenständige Bedeutung zukommt.
2. Die mit der gefundenen Auslegung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG und dem Erfordernis einer Abschlussprüfung einhergehende Beschränkung der von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit begegnet nach Auffassung des erkennenden Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob es überhaupt den Beruf des Leiters einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins gibt, der vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst wird. Jedenfalls ist die Einschränkung der Berufsausübung von Personen, die aufgrund eines fehlenden Berufsabschlusses von der Aufnahme einer Tätigkeit als Beratungsstellenleiter zunächst ausgeschlossen sind, gerechtfertigt. Die Hilfeleistung in Steuersachen ist ein durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ (vgl. Beschluss vom 18. November 1980 1 BvR 228, 311/73, BVerfGE 55, 185, 196) anerkanntes wichtiges Gemeinschaftsgut, das auch unter Einschränkung der Freiheit des Einzelnen zu schützen ist. Im Interesse des Steueraufkommens, der Steuermoral sowie zum Schutz gesetzesunkundiger Steuerpflichtiger, die durch Falschberatung ungeeigneter Berater erhebliche Nachteile erleiden können, soll sichergestellt werden, dass nur solche Berater geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen leisten, die dazu die erforderliche Qualifikation und Zuverlässigkeit besitzen. Dies gilt auch für die für einen Lohnsteuerhilfeverein tätigen Personen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die an den Leiter einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins zu stellenden Anforderungen nicht den persönlichen Voraussetzungen entsprechen, die ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter zu erfüllen hat (Senatsurteil vom 14. Juni 1988 VII R 143/84, BFHE 153, 277, BStBl II 1988, 684).
b) Soweit sich der Kläger zur Bestätigung seiner Rechtsauffassung auf das Senatsurteil vom 13. März 1990 VII R 50/89 (BFHE 160, 373, BStBl II 1990, 1093) beruft, kann dieser Entscheidung für den Streitfall nichts entnommen werden. Denn in ihr hat der Senat zum Begriff des "Lohnsteuerwesens" in Zusammenhang mit der nach § 23 Abs. 2 StBerG a.F. geforderten dreijährigen hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens Stellung genommen und ausgeführt, dass der Senat den Begriff des "Steuerwesens" im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl stets weit ausgelegt hat. Sich mit den Anforderungen an die Qualifikation des Leiters einer Beratungsstelle unter dem Gesichtspunkt einer abgeschlossenen Berufsausbildung zu befassen, hatte der Senat in diesem Urteil keinen Anlass. Im Übrigen hat der Senat eine einschränkende Interpretation des § 23 Abs. 3 Satz 1 StBerG in seinen Entscheidungen vom 8. Januar 2003 VII R 37/02 (BFHE 201, 479, BStBl II 2003, 421) und vom 6. Februar 2007 VII B 67/06 (BFH/NV 2007, 1357) nicht vorgenommen, sondern darauf hingewiesen, dass sich der Gesetzgeber seinerzeit gerade hinsichtlich der Lohnsteuerhilfevereine zu einer Neuregelung und zu Anforderungen an die fachliche Qualifikation von Beratungsstellenleitern veranlasst sah, um den Schutz der Arbeitnehmer vor unseriösen Lohnsteuerhilfevereinen zu verbessern (vgl. Senatsurteil vom 9. Januar 1979 VII R 22/78, BFHE 127, 100, BStBl II 1979, 306).
c) Die Beschränkung der Berufsfreiheit erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig, zumal auch ohne eine besondere Qualifikationsprüfung die Bestellung als Leiter einer Beratungsstelle dadurch erreicht werden kann, dass eine mindestens dreijährige praktische Tätigkeit auf den für die Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG einschlägigen Gebieten des Einkommensteuerrechts nachgewiesen wird (zur Verfassungsmäßigkeit des pauschalen Befähigungsnachweises vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Januar 1991 1 BvR 1278/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1991, 233).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.