Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Beschluss vom 21. Juni 2016, III B 133/15

Einkommensteuer/Kindergeld - Berufsausbildung eines Soldaten

BFH III. Senat

EStG § 32 Abs 4 S 2, EStG § 32 Abs 4 S 3, EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EStG VZ 2012 , EStG VZ 2013 , EStG VZ 2014

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 25. Oktober 2015, Az: 3 K 334/14

Leitsätze

1. NV: Durch das Urteil vom 16. September 2015 III R 6/15 (BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 281 - Material-Dispositions-Unteroffizier) ist geklärt, welche Kriterien bei einem Soldaten für ein Ausbildungsverhältnis sprechen können .

2. NV: Zum Abschluss einer Erstausbildung durch die Ernennung zum Unteroffizier und eine zivile Ausbildung zum Fluggerätemechaniker .

3. NV: § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG stellt auf die tatsächliche Ausbildungsdauer ab. Ein Kind kann nach Abschluss der Ausbildung auch dann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn es den Abschluss vor Ablauf der üblichen oder der unter anderen Umständen erforderlichen Ausbildungsdauer erreicht hat .

4. NV: Verwendungslehrgänge eines Soldaten nach bestandener Laufbahnprüfung und einem zivilen Berufsabschluss sind nicht mehr Bestandteil der Erstausbildung und begründen regelmäßig auch kein Ausbildungsdienstverhältnis .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Oktober 2015  3 K 334/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Der 1989 geborene Sohn der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist seit Oktober 2009 Soldat auf Zeit und wurde im Oktober 2010 zum Unteroffizier ernannt. Vom 4. Mai 2010 bis zum 27. Januar 2012 absolvierte er eine zivilberufliche Ausbildung zum Fluggerätemechaniker, vom 22. Januar 2012 bis zum 5. April 2012 die Basisausbildung "Unteroffizier Luftfahrzeugtechnischer Dienst", vom 25. September bis zum 19. Dezember 2012 einen Englischkurs und vom 2. Juli bis zum 28. August 2013 den Kurs "Technisches Englisch Eurofighter und Fluggerätemechaniker Eurofighter Fachrichtung Flugwerke/Antrieb". Vom 1. April bis zum 3. September 2014 wurde er als "Fluggerätemechaniker Eurofighter Fachrichtung Waffen" unterrichtet. Das Luftwaffengeschwader bescheinigte dem Sohn im März 2014, dass er sich seit dem 1. Oktober 2009 in der dienstpostengerechten Ausbildung zum "Fluggerätemechanikerunteroffizier Fachrichtung Bewaffnung" befinde, die voraussichtlich am 2. September 2014 beendet sein werde.

  2. Der Beklagte und Beschwerdegegner (Familienkasse) lehnte den Antrag der Klägerin auf Festsetzung von Kindergeld ab Februar 2012 mit der Begründung ab, dass ihr Sohn seine zivilberufliche Ausbildung im Januar 2012 abgeschlossen habe und eine weitere Ausbildung nicht festgestellt werden könne. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

  3. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es entschied, der Sohn habe sich seit Februar 2012 nicht in einem Ausbildungsdienstverhältnis befunden. Die von ihm nach Erwerb der Laufbahnbefähigung absolvierten üblichen Verwendungslehrgänge im Rahmen seiner Tätigkeit als Zeitsoldat machten das Dienstverhältnis nicht zu einem der Berufsausbildung dienenden Arbeitsverhältnis.

  4. Zur Begründung ihrer auf Zulassung der Revision gerichteten Beschwerde trägt die Klägerin vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; das FG-Urteil beruhe zudem auf Verfahrensmängeln.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

  3. Grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (vgl. BFH-Beschluss vom 24. März 2015 X B 127/14, BFH/NV 2015, 809).

  4. a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, wie der Begriff des Ausbildungsverhältnisses i.S. des § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor dem Hintergrund einer militärfachlichen und zivilen Ausbildung mit Spezialisierung auszulegen sei, ist nicht klärungsbedürftig.

  5. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 16. September 2015 III R 6/15 (BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 281, betreffend einen Material-Dispositions-Unteroffizier) entschieden, welche Kriterien im Rahmen einer Gesamtwürdigung für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter sprechen können.

  6. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage könnte zudem in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil der Sohn der Klägerin seine erstmalige Berufsausbildung mit der Ernennung zum Unteroffizier und dem Abschluss der Ausbildung zum Fluggerätemechaniker abgeschlossen hatte und sich im Streitzeitraum nicht in einem Ausbildungsdienstverhältnis befand (vgl. dazu das Senatsurteil in BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 28, Rz 21 ff.).

  7. Die nachfolgenden Lehrgänge wären daher allenfalls als weitere Ausbildung nach Abschluss der Erstausbildung anzusehen, die nicht zu einem Anspruch auf Kindergeld führen könnten, weil der Sohn der Klägerin mehr als 20 Wochenstunden erwerbstätig war und sich nicht in einem Ausbildungsdienstverhältnis befand (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG).

  8. b) Die Frage, "ob die Ausbildungsdauer des zivilen Teils der Ausbildung außerhalb der Bundeswehr als Mindestmaß ohne Berücksichtigung der Spezialisierung zur berufsausbildungsbezogenen Verwendung für die Beurteilung der Beendigung des zivilen Teils der Ausbildung herangezogen werden kann", weil dadurch der Zeitraum der Kindergeldberechtigung verkürzt wird, ist nicht grundsätzlich bedeutsam. Denn sie ist offensichtlich so zu beantworten, dass § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auf die tatsächliche Ausbildungsdauer abstellt. Ein Kind kann nach Abschluss der Ausbildung auch dann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn es den Abschluss vor Ablauf der üblichen oder der unter anderen Umständen erforderlichen Ausbildungsdauer erreicht hat.

  9. c) Die Frage, "wann die Ausbildung auch vor dem Hintergrund eines intern geregelten Ausbildungsablaufs, das heißt der Einteilung in mehrere Ausbildungsabschnitte unter Berücksichtigung der von Beginn an vereinbarten Spezialisierung zur berufsbildungsbezogenen Verwendung bei der Bundeswehr ... beendet ist", führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

  10. Denn die Frage, ob die nach bestandener Unteroffiziersprüfung und dem Abschluss als Fluggerätemechaniker absolvierten Ausbildungsmaßnahmen als Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG anzusehen sind, ist ‑‑wie unter II.1.a dargelegt‑‑ nicht entscheidungserheblich, weil Verwendungslehrgänge, die der Prüfung zeitlich nachfolgen, nicht mehr Bestandteil der Erstausbildung sind (Senatsurteil vom 23. Juni 2015 III R 37/14, BFHE 250, 377, BStBl II 2016, 55, betreffend Lehrgänge nach bestandener Feldwebelprüfung; Senatsbeschluss vom 9. März 2016 III B 146/15, BFH/NV 2016, 918, betreffend Verwendungslehrgänge nach Ernennung zum Leutnant).

  11. 2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO).

  12. a) Das FG-Urteil widerspricht den Urteilen des FG Münster vom 22. August 2014  4 K 4131/13 Kg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1966) und des BFH vom 10. Mai 2012 VI R 72/11 (BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895) nicht.

  13. Das FG Münster hat die Anfangsphase des Einsatzes eines als Stabsunteroffizier eingestellten Kfz-Mechatronikers (Feldwebelanwärter-/Unteroffiziersanwärter-Lehrgang) als Ausbildungsdienstverhältnis gewürdigt, weil insoweit die militärische Grundausbildung als alleiniger Inhalt des Dienstverhältnisses vorgesehen war. Der Sohn der Klägerin befand sich aber nach bestandener Unteroffiziersprüfung nicht in einem Ausbildungsdienstverhältnis.

  14. Das BFH-Urteil in BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895 betrifft die Kraftfahrerausbildung eines Kindes, das nach der Schulzeit arbeitslos war und dann als Soldat auf Zeit im Mannschaftsdienstgrad für die Dauer von vier Jahren eingestellt wurde, mithin ‑‑im Gegensatz zum Sohn der Klägerin nach seinen bestandenen Prüfungen als Unteroffizier und Fluggerätemechaniker‑‑ nicht über eine abgeschlossene Erstausbildung verfügte.

  15. b) Die Revision kann zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch dann nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO zugelassen werden, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidung geführt hat. Eine greifbare Gesetzwidrigkeit liegt aber nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung objektiv willkürlich erscheint, auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35, Rz 17). Unterhalb dieser Grenze liegende erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um die Revision zuzulassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. März 2011 IX B 144/10, BFH/NV 2011, 1367, Rz 2).

  16. Anhaltspunkte für eine derart gesetzwidrige Entscheidung sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Das FG-Urteil steht vielmehr ‑‑wie dargelegt‑‑ im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats zu Verwendungslehrgängen von Soldaten nach bestandener Laufbahnprüfung und beruht nicht, wie die Klägerin meint, auf einer dem Gesetzeszweck offensichtlich widersprechenden Auslegung des § 32 Abs. 4 EStG.

  17. 3. Das FG-Urteil beruht auch nicht auf Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das FG hat weder seine Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt noch der Klägerin das rechtliche Gehör versagt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO). Von einer Begründung sieht der Senat insoweit ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2  2. Halbsatz FGO).

  18. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.

Seite drucken