BFH VI. Senat
EStG § 33 Abs 1, EStDV § 64 Abs 1 Nr 1, EStG § 33 Abs 2 S 1, EStG VZ 2011 , ZPO § 91, FGO § 143 Abs 2
vorgehend FG Düsseldorf, 28. Januar 2014, Az: 7 K 3143/13 E
Leitsätze
1. NV: Aufwendungen für einen Zivilprozess sind ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen .
2. NV: Sind die Kosten für einen Zivilprozess nur zum Teil als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, ist der abziehbare Teil der Kosten mit Hilfe der Streitwerte der einzelnen (Klage-)Anträge zu ermitteln (Anschluss an BFH-Urteil vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553) .
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2014 7 K 3143/13 E aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Die Anschlussrevision des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen.
Dem Finanzgericht Düsseldorf wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Anschlussrevision übertragen.
Tatbestand
I. Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (Kläger) erlitt im Jahr 2009 mit einem von der Firma X-GmbH hergestellten Fahrrad, das er am 8. Juli 2008 bei der Firma R erworben hatte, einen Verkehrsunfall. Der Kläger hatte am 18. Juli 2008 bei der R eine Inspektion des Fahrrads durchführen lassen. Am 14. April 2009 wies er die R auf Schleifspuren am hinteren Schutzblech und am dort befestigten Kabelkanal sowie auf einen zu geringen Abstand des Schutzblechs zum Hinterrad hin. Daraufhin setzte die R die Halterungen des Schutzblechs hoch.
Der Kläger stürzte am 6. Juni 2009 mit dem Fahrrad und wurde stationär im Krankenhaus behandelt. Es folgten weitere Operationen im Bereich des Oberarms und der Schulter. Der Unfall führte zu einer Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad der Behinderung von 50.
Der Kläger beauftragte noch im Jahr 2009 einen Gutachter mit der Ermittlung der Ursache des Fahrradunfalls. Im Jahr 2010 beantragte der Kläger beim Landgericht L (LG) die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, in dem Beweis über verschiedene Fragen zur Ursache des Fahrradunfalls und zur Verantwortlichkeit der X-GmbH und der R erhoben werden sollte. Das LG erließ den Beweisbeschluss am 24. August 2010. Der Gutachter kam in dem selbständigen Beweisverfahren zu dem Ergebnis, dass ein Produktfehler bei dem vom Kläger erworbenen Fahrrad vorgelegen habe. Der Abstand zwischen dem hinteren Schutzblech und dem Rahmen sowie dem Reifen sei zu gering gewesen. Das Schutzblech sei ferner mangelhaft befestigt gewesen. Die Verkehrssicherheit des Fahrrads sei hierdurch beeinträchtigt worden.
Im Jahr 2012 nahm der Kläger die X-GmbH und die R auf Schadensersatz wegen der bei dem Fahrradunfall erlittenen Schäden in Anspruch.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2011) machte der Kläger in Zusammenhang mit den zivilrechtlichen Auseinandersetzungen wegen des Fahrradunfalls folgende außergewöhnliche Belastungen geltend (alle Beträge in €):
Gerichtskasse G, Rechnung vom 17. Oktober 2011
1.040,93
Rechtsanwälte A & B, Rechnung vom 11. Oktober 2011
1.035,26
Rechtsanwalt C, Rechnung vom 19. Dezember 2011
2.237,56
Gerichtskasse L, Schreiben vom 23. November 2011
1.000,00
insgesamt
5.313,75
Darüber hinaus begehrte der Kläger den Abzug einer Rechnung der D-GmbH vom 14. Dezember 2011 über 940 € als außergewöhnliche Belastungen. Die D-GmbH stellte dem Kläger 110 € für eine "Biomechanische Funktionsanalyse (Eingangsanalyse)", 720 € für "FPZ analysegestütztes Wirbelsäulentraining" sowie 110 € für eine weitere "Biomechanische Funktionsanalyse (Erfolgsanalyse)" in Rechnung.
Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) erkannte die vorgenannten Beträge auch im Einspruchsverfahren nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage.
Während des finanzgerichtlichen Verfahrens schloss der Kläger mit Rechtsanwalt S, dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH, vor dem LG einen Vergleich, nach dem sich S zur Abgeltung aller Ansprüche des Klägers gegen S sowie dessen Haftpflichtversicherung verpflichtete, an den Kläger 75.000 € zu zahlen. Mit Zahlung des Vergleichsbetrages sollten alle Ansprüche des Klägers wegen des Fahrradunfalls vom 6. Juni 2009 gegen S und/oder dessen Haftpflichtversicherung endgültig ausgeglichen und abgegolten sein. Die Kosten des Rechtsstreits vor dem LG einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens hatte nach dem Vergleich Rechtsanwalt S zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der R. Die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Das LG setzte den Streitwert für Rechtsstreit und Vergleich auf 185.000 € fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2015, 782 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Die Therapiekosten seien demgegenüber nicht abzugsfähig. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arzneimittel, Heilmittel und Hilfsmittel sei der Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen. Der Kläger habe aber keine ärztliche Verordnung für die Rückentherapie vorgelegt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es wendet sich gegen die Anerkennung der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen. Der Kläger rügt mit seiner Anschlussrevision ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die Zahlungen an die D-GmbH für das Wirbelsäulentraining zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG vom 29. Januar 2014 7 K 3143/13 E aufzuheben, die Klage insgesamt abzuweisen und die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen.Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen und im Wege der Anschlussrevision das Urteil des FG aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, sowie den Einkommensteuerbescheid vom 29. April 2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 dahin abzuändern, dass weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 940 € anerkannt werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der Senat kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob die vom Kläger in Zusammenhang mit den zivilrechtlichen Auseinandersetzungen wegen des Fahrradunfalls geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die geltend gemachten Aufwendungen, die der Kläger im Streitjahr an die D-GmbH aufgrund der Rechnung vom 14. Dezember 2011 geleistet haben will, sind keine außergewöhnlichen Belastungen, wie das FG zu Recht entschieden hat.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).
2. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).
Demgegenüber nahm der Senat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.
Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.
3. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessualen Auseinandersetzungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, kann sein Urteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben.
a) Das FG hat ‑‑von seinem Standpunkt aus zu Recht‑‑ keine Feststellungen dazu getroffen, ob und wenn ja in welchem Umfang das vom Kläger angestrengte selbständige Beweisverfahren und das nachfolgende Klageverfahren, soweit sich vom Kläger geltend gemachte und im Streitjahr gezahlte Aufwendungen auch auf jenes Verfahren beziehen sollten, existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührten.
Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des FG vermag der Senat auch nicht selbst zu beurteilen, ob der Kläger ohne das selbständige Beweisverfahren und das nachfolgende Klageverfahren Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553). Im Streitfall ist solches jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen. Die Sache ist deshalb an das FG zurückzuverweisen.
Der Senat weist für den zweiten Rechtsgang darauf hin, dass der Kläger ausweislich der sich bei den Akten befindlichen Klageschrift im Zivilprozess zahlreiche (prozessuale) Ansprüche verfolgte. Das FG wird daher für jeden vom Kläger geltend gemachten Anspruch zu untersuchen haben, ob der Anspruch einen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Sollte das FG dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass dies für bestimmte (prozessuale) Ansprüche der Fall ist, für andere Ansprüche hingegen nicht, wird es die Prozesskosten aufzuteilen haben. Der Senat weist insoweit auf das BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 553 hin. Der abziehbare Teil der Kosten ist hiernach mit Hilfe der Streitwerte der einzelnen (Klage-)Anträge zu ermitteln.
b) Soweit ein Abzug der Zivilprozesskosten nach den vorgenannten Grundsätzen in Betracht kommt, wird das FG im zweiten Rechtsgang auch nochmals zu prüfen haben, ob die vom Kläger geltend gemachten Prozesskosten notwendig waren.
Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten (Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015). Das FG hat in seinem Urteil die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten zwar bejaht. Es hat seine diesbezügliche Auffassung aber nicht weiter begründet und auch insoweit keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
aa) So hat das FG nicht festgestellt, auf welche anwaltliche Tätigkeit sich die Rechnung des Rechtsanwalts C vom 19. Dezember 2011 überhaupt bezog. Rechtsanwalt C hat in der vorgenannten Rechnung für eine "Leistungszeit: 15.11.2011 bis 19.12.2011" in der Sache des Klägers gegen die X-GmbH u.a. eine Geschäftsgebühr abgerechnet. Der Rechnung vom 19. Dezember 2011 und den sonstigen Feststellungen des FG ist aber nicht zu entnehmen, für welche anwaltliche Tätigkeit die in Rechnung gestellte Geschäftsgebühr angefallen sein soll.
Im selbständigen Beweisverfahren vor dem LG wurde der Kläger nach den Feststellungen des FG nicht durch Rechtsanwalt C, sondern durch die Rechtsanwälte A & B vertreten, die über ihre anwaltliche Tätigkeit in jenem Verfahren mit der ebenfalls vom Kläger geltend gemachten Rechnung vom 11. Oktober 2011 abgerechnet hatten.
Soweit der Kläger sich nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens und insbesondere in dem nachfolgenden Klageverfahren nicht mehr von den Rechtsanwälten A & B, sondern von Rechtsanwalt C vertreten ließ, ist die Notwendigkeit der Anwaltskosten für Rechtsanwalt C ebenfalls nochmals zu prüfen. Denn zu den Kosten eines Zivilrechtsstreits gehören auch die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens (z.B. Zöller/ Herget, ZPO, 31. Aufl., § 91 Rz 9). Die Mehrkosten, die für einen zweiten Rechtsanwalt infolge eines Anwaltswechsels entstanden sind, sind nach § 91 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung aber nur zu erstatten, "als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste". Die Notwendigkeit für einen Anwaltswechsel wird in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum nur unter engen Voraussetzungen anerkannt (dazu z.B. Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rz 13 Stichwort "Anwaltswechsel", m.w.N.). Ist die Einschaltung von zwei Rechtsanwälten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nach den hierzu entwickelten zivilrechtlichen Grundsätzen nicht notwendig, kommt auch ein Abzug der Mehrkosten, die durch den zweiten Rechtsanwalt entstehen, nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht in Betracht.
bb) Soweit das FG den Abzug von 1.000 € Gerichtskosten nach einem vom Kläger vorgelegten Schreiben der Gerichtskasse vom 23. März 2011 an die A-Bank als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hat, fehlt es auch insoweit an tragfähigen tatsächlichen Feststellungen. Das FG hat schon nicht festgestellt, welche Forderung der Kläger mit der am 18. März 2011 an die Gerichtskasse geleisteten Zahlung erfüllen wollte. Die Gerichtskasse führte in dem Schreiben an die A-Bank selbst aus, dass die Zahlung nicht gebucht werden könne, da notwendige Angaben zum Verwendungszweck fehlen.
c) Das FG hat ferner nicht festgestellt, ob der Kläger die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Kosten im Streitjahr tatsächlich gezahlt hat. Auch dies wird das FG ‑‑soweit es darauf ankommen sollte‑‑ im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Die Vorlage der Rechnungen vom 11. und 17. Oktober 2011 sowie vom 19. Dezember 2011 ersetzt den Zahlungsnachweis im Streitjahr nicht.
4. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet. Die Aufwendungen des Klägers für die beiden "Biomechanischen Funktionsanalysen" und das "FPZ analysegestützte Wirbelsäulentraining" stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar, wie das FG im Ergebnis zutreffend erkannt hat.
a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten ‑‑ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung‑‑ dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zweck der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427; vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596; aus neuerer Zeit z.B. Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 68/14, BFHE 250, 166, BStBl II 2015, 803).
Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227). Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (Senatsurteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).
Der Steuerpflichtige hat die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen.
Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitfall Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen ‑‑wie vorliegend‑‑ die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden. Weder die in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 normierte Verordnungsermächtigung noch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 begegnen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (Senatsurteil in BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).
b) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des FG, die Aufwendungen des Klägers für die biomechanischen Funktionsanalysen und das FPZ analysegestützte Wirbelsäulentraining nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Bei den Aufwendungen für die biomechanischen Funktionsanalysen und das Wirbelsäulentraining kann es sich, sofern man zugunsten des Klägers überhaupt das Vorliegen von Krankheitskosten annimmt, allenfalls um Aufwendungen für Heilmittel im Sinne einer physikalischen Therapie (Bewegungstherapie, Krankengymnastik gemäß § 19 der Heilmittel-Richtlinie) handeln (zur Krankengymnastik als Heilmittel, s. auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. September 2011 B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116). Der Kläger hat ‑‑nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG‑‑ die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen insoweit aber nicht in der nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV gebotenen Form nachgewiesen. Denn er hat keine entsprechende Verordnung eines Arztes oder eines Heilpraktikers vorgelegt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf 143 Abs. 2 FGO. Diese beinhaltet auch Kosten der Anschlussrevision, bei der es sich kostenrechtlich zwar um ein eigenständiges Rechtsmittel handelt (BFH-Urteil vom 21. November 2000 IX R 69/96, BFH/NV 2001, 754, m.w.N.; Gräber/Ratschow, FGO, 8. Aufl., § 120 Rz 89). Die Kostenentscheidung ist aber dennoch einheitlich zu treffen (BFH-Urteil vom 5. Mai 2015 X R 48/13, BFH/NV 2015, 1358).