BFH V. Senat
UStG § 2, UStG § 10 Abs 1 S 1, UStG § 10 Abs 1 S 6, AO § 41 Abs 2, EGRL 112/2006 Art 9, EGRL 112/2006 Art 10, FGO § 96 Abs 1 S 1, FGO § 118 Abs 2, UStG VZ 2008 , UStG VZ 2009 , UStG VZ 2010 , UStG § 2 Abs 2 Nr 1, UStG § 2 Abs 1
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 19. November 2014, Az: 5 K 32/13
Leitsätze
1. NV: Bei der Beurteilung der Selbständigkeit sind die einzelnen Merkmale, die für und gegen die Selbständigkeit i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG sprechen, unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse anhand der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterien im jeweiligen Einzelfall gegeneinander abzuwägen .
2. NV: Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Der BFH ist an die Würdigung des FG gebunden, wenn diese möglich ist und das FG weder gegen Denkgesetze verstoßen noch wesentliche Umstände vernachlässigt hat. Ob auch ein anderes Ergebnis der Würdigung vertretbar gewesen wäre, ist nicht entscheidend .
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20. November 2014 5 K 32/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt seit 2008 eine Agentur (Vermittlung von Betreuungskräften und Haushaltshilfen für Senioren) und einen "Seniorenservice" (Vermittlung von Begleitpersonen) mit dem Namen "X". Bei den Betreuungskräften handelt es sich vorwiegend um Frauen mit polnischer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in Polen. Streitig ist, ob die Betreuungskräfte selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) tätig waren und die an sie gezahlten Entgelte bei der Klägerin nur durchlaufende Posten i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG waren.
Im Rahmen einer im Jahr 2011 bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung stellte der Umsatzsteuersonderprüfer fest, dass Grundlage der Tätigkeit der Klägerin und der Betreuungskräfte jeweils drei Verträge waren. Die Klägerin schloss mit dem Betreuungsbedürftigen bzw. deren Vertretern einen sog. Vermittlungsvertrag und mit der Betreuungskraft einen sog. Dienstleistungs- und Servicevertrag, der die Vermittlung sowie einen Büroservice beinhaltete. Darüber hinaus schlossen die Betreuungskraft und die betreuungsbedürftige Person bzw. deren Vertreter einen Vertrag über die Dienstleistungen, die die Betreuungskraft im Haushalt der Betreuungsbedürftigen zu erbringen hatte (24 Stunden-Betreuung). Die Betreuungsbedürftigen zahlten einmalig eine sog. Organisationsgebühr sowie zu Beginn oder vor Beginn des jeweiligen Abrechnungszeitraums die Betreuungsvergütung auf ein Konto der Klägerin. Erst nach Erbringen der Leistung durch die jeweilige Betreuerin wurden die an sie zu zahlenden Beträge ausgekehrt, wobei die Klägerin vorher ihre im Dienstleistungs- und Servicevertrag festgelegte "Servicegebühr" einbehalten hatte.
Die Betreuungskräfte hatten auf Betreiben der Klägerin ein Gewerbe angemeldet. Als Betriebssitz wurde die Adresse der Klägerin oder die Adresse der Betreuungsbedürftigen genannt, in dessen Haushalt die Betreuungskraft während ihrer Tätigkeit wohnte.
Die Klägerin hatte sich von den Betreuungskräften bevollmächtigen lassen, diese vor Behörden (insbesondere in Bezug auf die An-, Um- und Abmeldung eines Gewerbes vor den Meldebehörden, dem Ausländeramt und dem Finanzamt) umfassend zu vertreten. Die Betreuungskräfte verfügten über keinen Betriebssitz und keine Büroausstattung. Sie hatten vielfach keine inländische Bankverbindung. Sie hatten weder Werbung noch Kundenakquisition betrieben. Werbemaßnahmen erfolgten durch die Klägerin unter dem Namen "Y" in Form von Internetauftritten, Flyern, Visitenkarten und Zeitungsannoncen. Im Flyer und in Zeitungsannoncen hieß es u.a.: "Durch unser erfahrenes deutsches und osteuropäisches Pflege- und Betreuungspersonal ..." oder "Wir stellen ihnen qualifiziertes und zuverlässiges osteuropäisches Betreuungspersonal". Die Rechnungen der Betreuungskräfte wurden durch die Klägerin geschrieben. Die Klägerin bewahrte diese Rechnungen sowie alle Dokumente/Unterlagen der Betreuungskräfte auf.
Die Betreuungskräfte hatten keinen Anspruch auf Krankengeld; Weihnachts- und Urlaubsgeld wurde an die Betreuungskräfte nicht gezahlt. Sie hatten auch keinen Anspruch auf Urlaub. Sobald die zu pflegende Person verstarb oder ins Krankenhaus kam, hatte die Betreuungskraft zunächst kein Einkommen, bis sie eine neue Stelle durch die Klägerin zugewiesen bekam. Ihre Tätigkeit konnten die Betreuungskräfte inhaltlich unabhängig von der Klägerin ausgestalten.
Die Klägerin leitete die Einsätze der Betreuungskräfte, bestimmte die Verfahrensabläufe (z.B. beim Wechsel zweier Betreuungskräfte) und sorgte auch bei Urlaub und Krankheit einer Betreuerin für Ersatz. Die Betreuungskräfte mussten lediglich die Klägerin entsprechend informieren. Sie brauchten aber nicht selbst für eine Ersatzkraft zu sorgen.
Die Klägerin führte umfangreiche Aufzeichnungen zu den Abrechnungen und erstellte Gewinnermittlungen. Ihr eigentlicher Gewinn resultierte aus den sog. Servicegebühren und der Organisationsgebühr. Diese wurden von ihr selbst bestimmt und betrugen bis zu 45 % der durch die Betreuungsbedürftigen zu zahlende Beträge.
Die vereinbarte Arbeitszeit konnte von den Betreuungskräften in gewissem Maße mitbestimmt werden. Es war jedoch nicht möglich einen Auftrag jederzeit selbst abzubrechen oder auszusetzen - es musste immer die Klägerin informiert werden. In den Serviceverträgen war vereinbart, dass die Betreuungskräfte bei vorzeitiger Beendigung im ersten Monat eine Strafe von 580 € an die Klägerin zu zahlen hatten.
Die Abrechnungen gegenüber den Betreuungsbedürftigen bzw. deren Vertretern erfolgten mittels Tagespauschalen. Es wurden immer wieder die gleichen Pauschalen, bezogen auf die jeweiligen Tätigkeiten, berechnet. Die Betreuungskräfte gaben in Befragungen des Zolls an, dass die Klägerin den Verdienst der jeweiligen Betreuungskraft festgelegt habe. Außerdem bekamen die Betreuungskräfte nach eigenen Aussagen vorgefertigte Betreuungsverträge, in denen die Arbeitszeit, die Aufenthaltsdauer und die Tagespauschale bereits eingetragen waren.
Die Klägerin sah die Betreuungskräfte als selbständige Gewerbetreibende an und erfasste in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (2008 bis 2010) deshalb lediglich die den Betreuungsbedürftigen berechneten Organisationsgebühren sowie die von den Betreuungskräften zu zahlenden Servicegebühren (Differenzen zwischen Geldzugängen von den Betreuungsbedürftigen und Auszahlung an die Betreuungskräfte). Die übrigen Beträge behandelte sie als durchlaufende Posten.
Der Umsatzsteuersonderprüfer wie auch der Zoll und der Lohnsteueraußenprüfer kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Gesamtbetrachtung der Verhältnisse und der tatsächlichen Durchführung der vorgenannten Leistungen nicht um eine Vermittlung, sondern um den Einsatz eigenen Personals gehandelt habe. Die Betreuungskräfte seien nicht als Selbständige anzusehen, sondern Arbeitnehmer der Klägerin. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte den Feststellungen des Umsatzsteuersonderprüfers und erfasste in am 22. Dezember 2011 (für 2008 und 2009) und am 23. Dezember 2011 (für 2010) geänderten Umsatzsteuerbescheiden die an die Betreuungskräfte gezahlten Beträge als Entgelt für die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) würdigte den von ihm festgestellten Sachverhalt dahingehend, dass den für die Selbständigkeit der Betreuungskräfte sprechenden Merkmalen höheres Gewicht beizumessen sei als den Merkmalen, die für eine unselbständige Tätigkeit sprächen.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 6 UStG und § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung) geltend macht. Das FG sei zu Unrecht von der Selbständigkeit der Betreuungskräfte ausgegangen. Diese hätten kein nennenswertes Unternehmerrisiko getragen. Das werde u.a. auch durch die Zahlungsabwicklung bestätigt. Das Risiko des Vergütungsausfalls bei Krankheit oder Tod des zu Betreuenden sei das typische Risiko eines nichtselbständigen Gelegenheitsarbeiters. Auch das Risiko des (teilweisen) Fahrtkostenausfalls sei dabei unbeachtlich, weil die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte arbeitnehmertypische Aufwendungen seien. Gegen die Selbständigkeit der Betreuungskräfte spreche zudem, dass sie das bloße Bewirken ihrer Arbeitsleistung, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg geschuldet hätten. Auch seien sie weisungsunterworfen gewesen, weil die Klägerin den Einsatzort und den Umfang der Dienstleistung vorgegeben habe. Eine gewisse Flexibilität bei der Ausführung der einzelnen Tätigkeiten sei dem Pflegebereich immanent. Die Betreuungskräfte hätten auch keine Unternehmerinitiative entwickeln können; sie hätten allein vom zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit her nur für jeweils eine betreuungsbedürftige Person tätig werden können und seien insoweit auch in ihrer Arbeitszeit nicht frei gewesen. Gegen die Selbständigkeit der Betreuungskräfte spreche ferner, dass sie die Klägerin umfassend bevollmächtigt hätten und die deutsche Sprache nur eingeschränkt beherrscht hätten. Sie hätten feste Einsatzstellen gehabt und die Dienstpläne seien von der Klägerin geregelt worden.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben.Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Sie macht sich im Wesentlichen die Ausführungen in den Gründen des FG-Urteils zu eigen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat den Sachverhalt in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend gewürdigt, dass die Betreuungskräfte selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG und die an sie gezahlten Entgelte bei der Klägerin als durchlaufende Posten i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG zu behandeln sind.
1. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist gewerblich oder beruflich jede Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind.
Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 9 und 10 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL). Gemäß Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL gilt als "Steuerpflichtiger", wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. Gemäß Art. 10 MwStSystRL schließt die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.
2. Bei der Beurteilung der Selbständigkeit sind die einzelnen Merkmale, die für und gegen die Selbständigkeit i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG sprechen, unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall gegeneinander abzuwägen (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14. April 2010 XI R 14/09, BFHE 230, 245, BStBl II 2011, 433, Rz 20; vom 25. Juni 2009 V R 37/08, BFHE 226, 415, BStBl II 2009, 873, Rz 17; vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, Rz 23; vom 10. März 2005 V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730, Rz 10). Diese Abwägung ist Sache des FG (BFH-Urteil in BFHE 226, 415, BStBl II 2009, 873, Rz 20).
Für die Selbständigkeit sprechen Selbständigkeit in der Organisation und bei der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerrisiko, Unternehmerinitiative, Bindung nur für bestimmte Tage an den Betrieb, geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern. Gegen die Selbständigkeit der Tätigkeit sprechen Weisungsgebundenheit bezüglich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs, Ausführung von einfachen Tätigkeiten, die regelmäßig weisungsgebunden sind. Besondere Bedeutung kommt dem Handeln auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung und dem Unternehmerrisiko (Vergütungsrisiko) zu. Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbständigkeit; ist der Steuerpflichtige von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt, spricht dies gegen Selbständigkeit (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile in BFHE 230, 245, BStBl II 2011, 433, Rz 20; in BFHE 226, 415, BStBl II 2009, 873, Rz 17; in BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, Rz 23; in BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730, Rz 10; vom 30. Mai 1996 V R 2/95, BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493; BFH-Beschluss vom 14. März 2012 V B 10/11, BFH/NV 2012, 1315, Rz 7). Indiz, aber nicht in erster Linie ausschlaggebend kann nach ständiger Rechtsprechung die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbständig oder unselbständig sein (z.B. BFH-Urteil in BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730, Rz 10).
3. Die Würdigung des FG, wonach die Betreuungskräfte selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG waren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ausgehend von der Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung selbständiger von nichtselbständiger Tätigkeiten ist es im Rahmen einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu dem rechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt, dass die Betreuungskräfte selbständig tätig waren. Der BFH prüft als Revisionsinstanz nur, ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind. Er ist an die Würdigung des FG gebunden, wenn diese möglich war und das FG weder gegen Denkgesetze verstoßen noch wesentliche Umstände vernachlässigt hat (vgl. BFH-Urteile vom 11. April 2008 V R 10/07, BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, Rz 29; vom 27. Januar 2011 V R 21/09, BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, Rz 24). Ob auch ein anderes Ergebnis der Würdigung vertretbar gewesen wäre, ist nicht entscheidend (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 37).
Das FG hat ausdrücklich auf das Gesamtbild der Verhältnisse abgestellt und seine Würdigung, dass die Betreuungskräfte ihre Tätigkeit auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung ausgeübt haben, darauf gestützt, dass sie selbst mit den Pflegebedürftigen oder deren Vertretern den jeweiligen Betreuungsvertrag abgeschlossen und hieraus einen eigenen Anspruch auf Zahlung des "Betreuungsgeldes" hatten. Das FG ist ferner davon ausgegangen, dass die Betreuungskräfte das Unternehmerrisiko, dem ein besonderes Gewicht zukomme, getragen haben. Das schlussfolgert das FG aus der Übernahme des Vergütungsrisikos (Ausfallrisikos); es verdeutliche sich auch dadurch, dass die Betreuungskräfte den Vergütungsausfall bei einem Krankenhausaufenthalt oder Todesfall des Betreuungsbedürftigen hätten tragen müssen. Hinzu trete ein Kapitalrisiko der Betreuungskräfte, weil sich der Einsatz von Reisekosten bei vorzeitigem Abbruch des Einsatzauftrags, etwa bei Versterben von Kunden oder deren Verlegung ins Krankenhaus oder Heim nicht habe lohnen können. Für die Selbständigkeit der Betreuungskräfte spreche zudem, dass sie weder Anspruch auf Urlaub noch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gehabt hätten. Die Betreuungskräfte hätten in der alltäglichen Arbeit auch keiner Weisungsgebundenheit bzgl. Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit unterlegen. Vielmehr hätten sie den Haushalt der Pflegebedürftigen selbständig geführt, allein den Ablauf der einzelnen Tätigkeiten bestimmt und die Verantwortung hierfür getragen. Solche erheblichen Handlungsspielräume seien für einen Arbeitnehmer untypisch. Zwar regele die Betreuungsvereinbarung zwischen der Betreuungskraft und dem Pflegebedürftigen die Arbeitszeiten. Daraus ergebe sich jedoch keine feste Arbeitszeit, weil die Betreuungskräfte ihre Arbeitszeit innerhalb dieser Grenzen weitgehend selbst hätten bestimmen können. Weiterhin spreche für deren Selbständigkeit, dass sie von der Klägerin sozialrechtlich als Selbständige behandelt worden seien. Ihr Gewerbe sei bei den Gemeinden angemeldet worden und es sei keine sozialversicherungsrechtliche Anmeldung erfolgt. Auch die Gestaltung der Festsetzung der Betreuungsvergütung als eine Leistung, die von der Höhe der Servicegebühr unabhängig gewesen sei, spreche für die Selbständigkeit, weil damit eine strenge Trennung zwischen der Betreuungsvergütung aufgrund des Betreuungsvertrages und der Servicegebühr aufgrund des Dienstleistungsvertrages dokumentiert werde.
Die Merkmale, die für eine unselbständige Tätigkeit sprechen, hat das FG ebenfalls gewürdigt, aber als gegenüber den für die Selbständigkeit sprechenden Merkmalen als nicht entscheidend ins Gewicht fallend beurteilt. So komme der Tatsache, dass die Klägerin die werbende Tätigkeit ausgeübt und die vertraglichen Grundlagen vorgegeben habe ebenso wie der Zahlung der Betreuungskräftevergütungen durch die Betreuungsbedürftigen über ihr Bankkonto eine nur untergeordnete Bedeutung zu. Diese Maßnahmen seien der besonderen Situation der Betreuungskräfte geschuldet, die größtenteils die deutsche Sprache nur eingeschränkt beherrscht und über kein eigenes Bankkonto in der Bundesrepublik Deutschland verfügt hätten. Das habe die unterstützenden Leistungen der Klägerin erfordert.
Diese Würdigung ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und weist weder Verstöße gegen Denkgesetze auf noch vernachlässigt sie wesentliche Umstände. Insbesondere hat das FG ‑‑entgegen der Auffassung des FA‑‑ die fehlende Unternehmerinitiative der Betreuungskräfte in seine Würdigung einbezogen, aber im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung als von untergeordneter Bedeutung angesehen. Das FA setzt in seiner Revisionsbegründung seine eigene Würdigung an die Stelle der des FG. Das führt nicht zum Erfolg der Revision, denn dass auch das vom FA angestrebte Ergebnis der Würdigung vertretbar gewesen wäre, ist aus den o.g. Gründen nicht entscheidend.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.