BFH I. Senat
KStG § 37 Abs 2, KStG § 37 Abs 2a, KStG § 37 Abs 5, UmwStG § 10, GG Art 14 Abs 1
vorgehend FG Münster, 12. Dezember 2013, Az: 9 K 1419/09 K,F
Leitsätze
1. NV: Die Frage, ob das Körperschaftsteuerguthaben in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts fällt, ist nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung .
2. NV: Fragen zur Anwendung des § 10 des UmwStG 1995 i.d.F. vor Inkrafttreten des SEStEG, wonach es bei der Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft zu einer Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens kommen kann, sind regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung, da es sich um eine Übergangsregelung handelt .
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 13. Dezember 2013 9 K 1419/09 K,F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist im Wege eines zum 1. Januar 2005 erfolgten Formwechsels aus einer 1982 gegründeten GmbH, der B-GmbH, (im Folgenden: GmbH) hervorgegangen. Die GmbH verfügte über ein aus dem Übergang vom körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren herrührendes Körperschaftsteuerguthaben in Höhe von 1.359.828 €. Die Klägerin streitet mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) darüber, ob das Guthaben (teilweise) durch Ausschüttungen realisiert wurde oder ob es durch die Umwandlung unterging.
Am 31. Dezember 2001 beschlossen die Gesellschafter der GmbH "mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2000" eine Gewinnausschüttung in Höhe von 9.197.741 DM, die noch am selben Tag vollzogen wurde (im Folgenden: erste Gewinnausschüttung).
Am 20. Dezember 2004 fassten sie den Beschluss, aus dem Bilanzgewinn der GmbH einen Betrag in Höhe von 1.600.000 € auszuschütten (im Folgenden: zweite Gewinnausschüttung).
Nachdem dieser Betrag abgeflossen war, verfügte die GmbH zum Übertragungsstichtag (31. Dezember 2004) über kein ausschüttungsfähiges Eigenkapital mehr.
Die Klägerin begehrte für die Streitjahre 2001 und 2004 eine Minderung der Körperschaftsteuer durch das ihr zustehende Körperschaftsteuerguthaben; dieses sei im Wege der beiden Gewinnausschüttungen (teilweise) realisiert worden.
Das Finanzgericht (FG) Münster folgte dem nicht. In seinem klageabweisenden Urteil vom 13. Dezember 2013 9 K 1419/09 K,F ging es davon aus, dass für die erste Gewinnausschüttung noch die Vorschriften über das Körperschaftsteueranrechnungsverfahren anzuwenden waren. Die zweite Gewinnausschüttung fiel nach Auffassung des FG in den Geltungsbereich des sog. Körperschaftsteuermoratoriums (§ 37 Abs. 2a des Körperschaftsteuergesetzes ‑‑KStG‑‑ 2002 i.d.F. des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen ‑‑Steuervergünstigungsabbaugesetz‑‑ vom 16. Mai 2003, BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321) und vermochte ebenfalls keine Steuerminderung auszulösen, ebenso wenig wie die ‑‑an sich unter die Regelung des § 10 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) fallende‑‑ Umwandlung der GmbH in eine Personengesellschaft. Denn die genannte Vorschrift ermögliche zwar die Realisierung des Guthabens im Umwandlungsfall durch die Fiktion einer Vollausschüttung, doch setze sie ausschüttungsfähiges Eigenkapital voraus, welches im Streitfall u.a. als Folge der früheren Ausschüttungen nicht mehr vorhanden gewesen sei. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
1. Die Klägerin wirft folgende Fragen, deren rechtsgrundsätzliche Bedeutung sie behauptet, auf:
a) "Ist das auf Grundlage des Steuersenkungsgesetzes in § 37 Abs. 1 und Abs. 2 KStG eingeführte Körperschaftsteuerguthaben ein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Anwartschaftsrecht? Wird in dieses verfassungsrechtliche Anwartschaftsrecht unzulässig eingegriffen, wenn es im Rahmen einer formwechselnden Umwandlung untergeht, soweit im Umwandlungszeitraum nicht ausreichendes ausschüttungsfähiges Eigenkapital zur Verfügung steht, bspw. soweit dieses ausschüttungsfähige Eigenkapital nur deshalb nicht zur Verfügung steht, weil Ausschüttungen während des Körperschaftsteuermoratoriums iSd. § 37 Abs. 2 Nr. 1 KStG erfolgt sind?"
b) "Ist § 10 UmwStG in der Fassung des UntStFG, BGBl. 2001 I, 3858 ff. dasselbe inhaltliche Verständnis wie § 10 UmwStG in der Fassung des StSenkG beizulegen, wonach das Körperschaftsteuerguthaben durch formwechselnde Umwandlung ungeachtet der Frage ausschüttungsfähigen Kapitals im Zeitpunkt der Umwandlung gehoben wird?"
c) "Ist § 10 Satz 2 UmwStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes in der Weise auszulegen, dass sämtliche Ausschüttungen während des Körperschaftsteuermoratoriums iSd. § 37 Abs. 2a Nr. 1 KStG, jedenfalls aber die Ausschüttungen im Geschäftsjahr einer formwechselnden Umwandlung, jedenfalls aber in unmittelbar zeitlich-sachlichem Zusammenhang mit einer formwechselnden Umwandlung bei der Ermittlung des fiktiv iSd. § 10 UmwStG ausschüttbaren Eigenkapitals zu berücksichtigen sind?"
2. a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache nur dann, wenn eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu für die Zukunft richtungsweisend sein kann. Daran fehlt es im Regelfall, wenn die zu klärende Rechtsfrage ausgelaufenes oder auslaufendes Recht oder eine Übergangsvorschrift betrifft (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 35, m.w.N.).
b) So liegt der Fall hier. Der Senat erkennt keine Gründe, die eine Abweichung von dieser Regel angezeigt erscheinen lassen. Solche Gründe sind auch nicht substantiiert in der Beschwerdeschrift darlegt worden.
Die streitentscheidenden Normen über das Körperschaftsteuerguthaben und dessen Realisierung finden sich im Sechsten Teil des Körperschaftsteuergesetzes 2002 ("Sondervorschriften für den Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren"). Es handelt sich mithin um typisches Übergangsrecht; zukunftsgerichteter Klärungsbedarf ist, zumal im 15. Jahr nach dem Systemwechsel, nicht gegeben. § 10 UmwStG 1995 wurde zwischenzeitlich vollständig aufgehoben. Die im Streitfall anwendbare Fassung dieser Bestimmung regelte in Ergänzung zu § 37 KStG 1977 i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung ‑‑Steuersenkungsgesetz‑‑ vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) ‑‑KStG 1977‑‑ die Realisation des Körperschaftsteuerguthabens im Sonderfall der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft.
Insbesondere auch die verfassungsrechtliche Frage, ob der Schutzbereich des Art. 14 des Grundgesetzes (GG) im Hinblick auf das Körperschaftsteuerguthaben eröffnet ist, ist nicht klärungsbedürftig. Denn diese Frage knüpft an das einfach-rechtliche Übergangsrecht an und wird sich nach Ablauf des Übergangszeitraumes nicht mehr stellen. Ob und unter welchen Voraussetzungen der "normale" Besteuerungszugriff eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG auslösen kann, ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 8. April 1997 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267; vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Im Übrigen wird in der Beschwerde nicht dargelegt, dass es auf das Eigentumsgrundrecht überhaupt ankommt. Mehrere der in §§ 36 ff. KStG 1977 getroffenen Einzelregelungen können zur Minderung oder zum Verlust von Körperschaftsteuerguthaben führen (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1; Vorlagebeschluss des FG Münster vom 16. September 2014 9 K 1600/12 F, Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 500). Damit werden Steuerpflichtige, die von solchen Regelungen betroffen sind, schlechter gestellt als nicht regelungsbetroffene Steuerpflichtige, so dass bei gesetzlichen Regelungen, die den Verlust von Guthaben bewirken, typischerweise eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG in Rede steht. In der verfassungsgerichtlichen wie der Senatsrechtsprechung wurde die verfassungsrechtliche Problematik des Körperschaftsteuerguthabens denn auch unter diesem Gesichtspunkt abgehandelt, die verfassungsrechtlichen Maßstäbe insoweit hinreichend geklärt und die Frage, ob der Schutzbereich des Art. 14 GG betroffen ist, ausdrücklich offengelassen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1; Senatsurteile vom 8. November 2006 I R 69, 70/05, BFHE 215, 491, BStBl II 2007, 662; vom 20. April 2011 I R 65/05, BFHE 234, 385, BStBl II 2011, 983). In der Beschwerde wird nicht aufgezeigt, dass die Prüfung guthabensvernichtender Regelungen am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu anderen Ergebnissen (höheres oder geringeres Schutzniveau) führt als eine Prüfung am Maßstab der Freiheitsgrundrechte (zu diesem Aspekt vgl. Senatsurteil in BFHE 234, 385, BStBl II 2011, 983).
c) Zwar können das Übergangsrecht betreffende Fragen ausnahmsweise einen Bedarf nach höchstrichterlicher Klärung auslösen, wenn sich die Fragen bei einer nicht ganz unerheblichen Zahl noch anhängiger Verfahren in Zukunft stellen können (Gräber/ Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 35). Ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch nicht vor.
aa) Nach Auffassung der Klägerin sind das Körperschaftsteuerguthaben, seinen verfassungsrechtlichen Schutz und seinen drohenden Untergang im Umwandlungsfall betreffende Fälle noch mehrhundertfach offen. Der Revisionszulassung steht allerdings entgegen, dass die Existenz solcher Fälle von der Klägerin lediglich pauschal behauptet wird. An den Senat sind jedenfalls bis zum heutigen Tage und damit lange Zeit nach Ablauf des Körperschaftsteuermoratoriums keine vergleichbaren Neufälle herangetragen worden. Außerdem wird der Kreis denkbarer Fälle von vornherein dadurch begrenzt, dass die Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens bereits seit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4) ausschüttungsunabhängig ausgestaltet ist (vgl. § 37 Abs. 5 KStG i.d.F. des SEStEG; Gosch/Bauschatz, KStG, 3. Aufl., § 37 Rz 8) und sich seitdem die Frage der umwandlungsbedingten Realisierung oder eben auch Vernichtung des Guthabens gemäß § 10 UmwStG 1995 nicht mehr stellt (vgl. Gosch/Bauschatz, a.a.O., § 37 Rz 170 f.).
bb) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen nur wegen zahlreicher Besonderheiten ihres individuellen Streitfalles stellen. Das FG hat sinngemäß zu Recht angemerkt, dass eine verfassungsrechtliche und einfach-rechtliche Beschwer der Klägerin doch nur daher rührt, weil die in den Jahren 2000, 2001 und 2004 vorgenommenen Ausschüttungen aus unterschiedlichen, insbesondere im Verantwortungsbereich der Klägerin liegenden Umständen (nicht formgerechter Gewinnverteilungsbeschluss, Abschluss einer tatsächlichen Verständigung mit dem FA u.Ä.) die "an sich mögliche" (Teil-)Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens einfach-rechtlich nicht zugelassen haben, durch sie aber zugleich das vorhandene ausschüttungsfähige Kapital bis zum Umwandlungsstichtag mit der Folge aufgezehrt wurde, dass auch die an sich begünstigend wirkende Regelung des § 10 UmwStG 1995 tatbestandlich nicht mehr eingreifen konnte, so jedenfalls die Rechtsauffassung des FG. Diese individuellen Besonderheiten des Streitfalles nehmen der Sache ihre Allgemeinbedeutung. Diese Bewertung trifft insbesondere auch auf die zweite und dritte Frage zu. Die Fragen, ob zeitnah zur Umwandlung vorgenommene Ausschüttungen (gemeint ist die zweite Ausschüttung des Streitfalles) noch dem Umwandlungsvorgang mit der Folge der Guthabensrealisierung gemäß § 10 UmwStG 1995 zugeordnet werden können oder ob eine Umwandlung auch dann zur Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens führen kann, wenn kein ausschüttungsfähiges Kapital vorhanden ist, werden sich in kaum einem anderen Verfahren so stellen. Denn die Klägerin hat aus eigenem Entschluss noch kurz vor der ‑‑"an sich begünstigten"‑‑ Umwandlung (vgl. Senatsurteil vom 29. August 2012 I R 65/11, BFHE 238, 382, BStBl II 2013, 555, zur Wirkungsweise des § 10 UmwStG 1995) eine das Kapital aufzehrende Ausschüttung vorgenommen, die wegen des mittlerweile geltenden Moratoriums keine Steuerminderung bewirkte. Damit haben ihre eigenen gestalterischen Entscheidungen im Ergebnis beide an sich eröffnete Vergünstigungswege (§ 37 Abs. 2 KStG 1977, § 10 UmwStG 1995) nach Ansicht des FG versperrt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.