BFH VIII. Senat
AO § 179 Abs 2 S 3, AO § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a, EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 16 Abs 1 S 1 Nr 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EStG § 34 Abs 1
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 27. April 2014, Az: 13 K 277/11
Leitsätze
NV: Es ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass der an einer Personengesellschaft zivilrechtlich allein beteiligte Treuhänder dem Treugeber als mittelbarem Mitunternehmer dessen Mitunternehmerstellung vermittelt und daneben selbst Mitunternehmer sein kann. Veräußert der Treuhänder den treuhänderisch gehaltenen Mitunternehmeranteil, erzielt unmittelbar der Treugeber den Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils. Dieser Veräußerungsgewinn wird im Rahmen eines zweistufigen gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahrens auf der ersten Stufe dem Treuhänder zugerechnet. In der Feststellung auf der zweiten Stufe ist dieser Veräußerungsgewinn für den Treugeber als laufender Gewinn oder Anteilsveräußerungsgewinn festzustellen und über die Anwendung einer Tarifbegünstigung zu entscheiden .
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2014 13 K 277/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde genügt teilweise nicht den Darlegungsanforderungen; im Übrigen sind die Voraussetzungen der angeführten Zulassungsgründe nicht erfüllt. Sie ist damit im Ergebnis unbegründet und zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wirft die Frage auf, ob bei Treuhandverhältnissen stets ein mehrstufiges Feststellungsverfahren durchzuführen ist, wenn die beiden Sozietätsmitglieder neben ihren eigenen Mitunternehmeranteilen jeweils für denselben Treugeber treuhänderisch weitere Mitunternehmeranteile halten und der Treugeber in der Sozietät Mitunternehmerinitiative ausübt. Die Frage zielt darauf ab, ob unter diesen Umständen bei einem treuhänderisch gehaltenen Mitunternehmeranteil der Treugeber neben dem Treuhänder als Mitunternehmer unmittelbar in die Verteilung des Gesamtgewinns auf Ebene der Gesellschaft und als Feststellungsbeteiligter in die gesonderte und einheitliche Feststellung auf Ebene der Sozietät einzubeziehen ist.
Diese Rechtsfrage ist im Streitfall nicht klärungsfähig. Die Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage ist zu verneinen, wenn der Senat hierzu von einem anderen als dem vom Finanzgericht (FG) festgestellten Sachverhalt ausgehen muss, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellungen des FG zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben werden oder dass die Bindung des Bundesfinanzhofs (BFH) an den festgestellten Sachverhalt aus anderen Gründen entfällt (BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 2011 X B 85/11, BFH/NV 2012, 749; vom 7. Mai 2014 VIII B 110/13, BFH/NV 2014, 1886).
Das FG hat ‑‑wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) im angefochtenen gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid für das Streitjahr 2002 vom 2. November 2005‑‑ dem Kläger den Erlös aus der Veräußerung des treuhänderisch gehaltenen Anteils zugerechnet. Der Treugeber B war nicht selbst Feststellungsbeteiligter auf Ebene der Gesellschaft. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht, dass B auf Ebene der Sozietät selbst Mitunternehmerinitiative entfaltet und ein Mitunternehmerrisiko getragen hat.
Ausgehend von diesen Feststellungen des FG, die auch nicht mit Verfahrensrügen angefochten sind und daher für den Senat auch in einem Revisionsverfahren bindend wären (§ 118 FGO), besteht keine tatsächliche Grundlage für eine rechtliche Würdigung des Senats, dass der Treugeber B unmittelbarer Mitunternehmer der Sozietät neben dem Kläger gewesen sein könnte. Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist es für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen ein "mitarbeitender" Treugeber ausnahmsweise ‑‑ähnlich einem "mitarbeitenden atypisch Unterbeteiligten" (vgl. z.B. das BFH-Urteil vom 23. Januar 1974 I R 206/69, BFHE 112, 254, BStBl II 1974, 480)‑‑ neben dem Treuhänder unmittelbar als Mitunternehmer und Feststellungsbeteiligter auf Ebene der Sozietät anzusehen sein könnte.
b) Der Kläger hält ferner die Rechtsfrage gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO für grundsätzlich bedeutsam, ob ein Mitunternehmer an derselben Personengesellschaft gleichzeitig einen ihm selbst zuzurechnenden Anteil und einen Anteil als Treuhänder halten kann. Auch insoweit kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.
An der für die Revisionszulassung erforderlichen (erneuten) Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind oder vorgetragen werden, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. März 2015 VII B 30/14, BFH/NV 2015, 1010; vom 12. Oktober 2015 VIII B 143/14, BFH/NV 2016, 40).
Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist in der Weise geklärt, dass der an der Gesellschaft zivilrechtlich allein beteiligte Treuhänder dem Treugeber aus ertragsteuerlicher Sicht als mittelbarem Mitunternehmer dessen Mitunternehmerstellung vermittelt und daneben selbst unmittelbarer Mitunternehmer der Gesellschaft sein kann.
Der für Rechnung des Treugebers an einer Personengesellschaft zivilrechtlich als Gesellschafter beteiligte Treuhänder muss zur Begründung einer Mitunternehmerstellung des Treugebers in einem rechtlichen und tatsächlichen Verhältnis zur Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern stehen, das ihn selbst als Mitunternehmer erscheinen ließe, wenn er auf eigene Rechnung handeln würde. Ist dies der Fall, vermittelt der Treuhänder dem Treugeber Einkünfte als (mittelbarem) Mitunternehmer, weil der Treugeber unter diesen Voraussetzungen einem unmittelbar an der Gesellschaft beteiligten Mitunternehmer gleichzustellen ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.b bb; BFH-Urteile vom 21. April 1988 IV R 47/85, BFHE 153, 543, BStBl II 1989, 722, m.w.N.; vom 16. Mai 2013 IV R 35/10, BFH/NV 2013, 1945). Die zivilrechtliche Stellung des Treuhänders als Gesellschafter wird steuerrechtlich dem Treugeber zugerechnet, soweit der Treuhänder für Rechnung des Treugebers beteiligt ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, unter C.III.3.b cc). Der Treuhänder ist daneben als Gesellschafter selbst Mitunternehmer, soweit er auf eigene Rechnung Mitunternehmerrisiko trägt und -initiative entfaltet.
Dem Treugeber sind die durch den treuhänderisch gehaltenen Mitunternehmeranteil auf ihn entfallenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft steuerrechtlich zuzurechnen (vgl. z.B. die BFH-Entscheidungen vom 3. Februar 2010 IV R 26/07, BFHE 228, 365, BStBl II 2010, 751 zum sog. Treuhandmodell; in BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691). Veräußert der Treuhänder den treuhänderisch gehaltenen Gesellschaftsanteil, erzielt unmittelbar der Treugeber den Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nur verfahrensrechtlich ist im ersten Feststellungsverfahren auf Ebene der Gesellschaft dem Treuhänder der Gewinn zuzurechnen. In einer zweiten Feststellung ist dieser Veräußerungsgewinn für den Treugeber als laufender Gewinn oder Anteilsveräußerungsgewinn festzustellen und über die Anwendung der Tarifbegünstigung zu entscheiden (zutreffend Patt in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 16 EStG Rz 285). Hiervon ist im Ergebnis auch das FG auf Seite 10 bis 13 der Vorentscheidung ausgegangen.
Der Kläger führt in seiner Beschwerdebegründung aus, dass er die vorstehenden Grundsätze ebenfalls für zutreffend hält. Er bringt keine neuen Gesichtspunkte vor, nach denen eine erneute Klärung dieser Frage durch die Rechtsprechung erforderlich wäre. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
c) Schließlich führt der Kläger als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO an, es sei klärungsbedürftig, ob bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils an zwei verschiedene Erwerber im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stets alle stillen Reserven aufzudecken seien, um die Begünstigung gemäß § 34 EStG zu erlangen. Auch insoweit sind die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht erfüllt. Die aufgeworfene Frage ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig.
aa) Das FG hat auf Seite 12 und 13 der Vorentscheidung tragend darauf abgestellt, im Rahmen des zweistufigen Feststellungsverfahrens könne auf Ebene der Gesellschaft für den Kläger als Treuhänder nicht festgestellt werden, dass es sich um einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn handele. Dies hat es darauf gestützt, dass im Feststellungsverfahren erster Stufe von einem einheitlichen Mitunternehmeranteil des Klägers als Treuhänder und unmittelbarer Mitunternehmer auszugehen sei, da der Kläger den Gesellschaftsanteil auf eigene und fremde Rechnung gehalten und im Vorfeld der Realteilung der Gesellschaft teilweise veräußert habe. Auf diese "Vorfeldveräußerung" des Klägers hat das FG § 18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG angewendet und den Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmerteilanteils als laufenden Gewinn eingeordnet. Als weitere Folge hieraus hat es in der Person des Klägers als Feststellungsbeteiligtem die Voraussetzungen einer tarifbegünstigten Veräußerung verneint.
bb) Unabhängig davon, ob der Senat dieser rechtlichen Würdigung des FG im Einzelnen folgen könnte, ist die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage im Streitfall nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig.
Die Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage ist zu verneinen, wenn der Senat hierzu von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgehen muss, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben werden oder dass die Bindung des BFH an den festgestellten Sachverhalt aus anderen Gründen entfällt (s. oben unter 1.a).
Das FG hat im Streitfall nicht festgestellt, dass der Kläger seinen Mitunternehmeranteil geteilt und in einem Akt an zwei Erwerber veräußert hat (s. für die Abgrenzung zur Aufgabe eines Mitunternehmeranteils gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG HHR/Patt, § 16 EStG Rz 278, 378). Es hat dies ‑‑wie dargelegt‑‑ auch seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Folglich ist im Streitfall nicht erheblich, in welchem Umfang der Kläger bei Teilung des Mitunternehmeranteils stille Reserven aufdecken müsste, damit für ihn ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn gemäß § 34 EStG festgestellt werden könnte.
Die aufgeworfene Rechtsfrage ist auch im Hinblick auf die Teilung des zivilrechtlichen Gesellschaftsanteils des Klägers und die Veräußerung des treuhänderisch gehaltenen Mitunternehmeranteils und die Übertragung des auf den Mitunternehmeranteil des Klägers entfallenden Betriebsvermögens im Wege der Realteilung nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig. Denn insoweit erzielt aus ertragsteuerlicher Sicht nur der Treugeber B selbst den Veräußerungsgewinn, sodass im hier nicht streitgegenständlichen Feststellungsverfahren zweiter Stufe zu entscheiden ist, ob B einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn erzielt hat.
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
a) Die in der weiteren Beschwerdebegründung vom 5. September 2014 erhobene Rüge, das FG sei von den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFH/NV 2013, 1945 abgewichen (Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), hat der Kläger erstmals nach Ablauf der Begründungsfrist am 17. Juli 2014 und damit verspätet vorgebracht. Sie ist schon deshalb nicht zu berücksichtigen.
b) Die Ausführungen des Klägers sind auch nicht geeignet, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers zuzulassen.
Dazu müsste der Kläger einen offensichtlichen (materiellen oder formellen) Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht i.S. einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung dartun (s. zum Ganzen z.B. den BFH-Beschluss vom 3. Februar 2012 IX B 126/11, BFH/NV 2012, 741), was nicht der Fall ist. Mit seinen Ausführungen rügt er ‑‑im Stile einer Revisionsbegründung‑‑, dass die Begründung des FG unzutreffend ist. Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des Urteils sind im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch grundsätzlich unbeachtlich (ständige Rechtsprechung, vgl. den BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 741).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.