ECLI:DE:BFH:2016:U.210616.XR44.14.0
BFH X. Senat
EStG § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa, GG Art 3 Abs 1, EStG VZ 2008 , FGO § 120 Abs 3 Nr 1
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 03. Juni 2014, Az: 8 K 389/11
Leitsätze
1. Auch wenn die mit dem AltEinkG geschaffene Übergangsregelung für die Besteuerung von Leibrenten aus der Basisversorgung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) grundsätzlich verfassungsgemäß ist, darf es in keinem Fall zu einer verfassungswidrigen doppelten Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezüge kommen. Die Feststellungslast hierfür liegt beim Steuerpflichtigen.
2. Der Steuerpflichtige kann eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung bereits bei Beginn des Rentenbezugs rügen. Es kann nicht unterstellt werden, dass zu Beginn des Rentenbezugs zunächst nur solche Rentenzahlungen geleistet werden, die sich aus steuerentlasteten Beiträgen speisen.
3. Zu den Rechtsfragen, die sich im Rahmen der Berechnung stellen, ob im konkreten Einzelfall eine doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen gegeben ist.
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 4. Juni 2014 8 K 389/11 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die im Streitjahr 2008 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der im Jahr 1942 geborene Kläger entrichtete in den Jahren 1962 bis 1964 aus einem Ausbildungsverhältnis sowie in den Jahren 1970 bis 1977 als Angestellter Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Seit 1977 war er freiberuflich tätig, blieb aber freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Die von ihm seit 1984 entrichteten Beiträge waren weitestgehend mit dem jeweiligen Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung identisch. Die Klägerin war als Angestellte tätig und unterlag den Vorschriften über die gesetzliche Sozialversicherung.
Seit Dezember 2007 bezieht der Kläger eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2008 vom 24. August 2010 ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Einkünfte aus dieser Altersrente wie folgt:
-
Jahresbetrag der Rente
19.839 €
-
Steuerfreier Teil der Rente (46 % von 19.839 €)
./. 9.126 €
-
Werbungskostenpauschbetrag
./. 102 €
-
Einkünfte aus der Leibrente
10.611 €
Mit ihrem Einspruch brachten die Kläger vor, der Ansatz der Rente mit dem Besteuerungsanteil führe zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Doppelbesteuerung. Dem Kläger werde nach Maßgabe seiner mittleren statistischen Lebenserwartung ein steuerfreier Rentenbezug in Höhe von 154.502,16 € zufließen. Demgegenüber hätten sich die von ihm geleisteten Rentenversicherungsbeiträge ausweislich des vorgelegten Rentenversicherungsverlaufs allein in der Zeit als Freiberufler auf insgesamt 290.199,78 € belaufen. Diese Beiträge seien weitestgehend aus versteuertem Einkommen entrichtet worden, da ihm kein steuerfreier Arbeitgeberanteil zugestanden habe, der den Sonderausgabenabzug erhöhende Vorwegabzug ganz überwiegend durch die auf dem Arbeitslohn der Klägerin beruhende, ehegattenübergreifende Kürzung aufgebraucht worden sei und die Kläger neben den Sozialversicherungsbeiträgen zahlreiche weitere Vorsorgeaufwendungen ‑‑u.a. Beiträge zu Lebens-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen‑‑ geleistet hätten.
Insgesamt seien während des Zeitraums der freiberuflichen Tätigkeit 89,15 % der Beiträge aus versteuertem Einkommen gezahlt worden. Schon dieser Betrag übersteige den der steuerfrei zufließenden Rentenbezüge bei Weitem. Hinzu kämen noch die ebenfalls teilweise aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge aus der Zeit als pflichtversicherter Auszubildender und Arbeitnehmer.
Nach Zurückweisung des Einspruchs blieb auch die Klage ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) sei verfassungsgemäß. Zwar orientiere sich der gesetzliche Besteuerungsanteil von anfänglich 50 % am typischen Fall eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitgeber die Hälfte des Rentenversicherungsbeitrags trage, ohne dass dies zu einer Steuerbelastung führe. Jedoch lägen auch bei Personen, die überwiegend selbständig tätig gewesen seien, typischerweise gemischte Erwerbsbiographien vor. Da die individuelle Ermittlung der früheren steuerlichen Behandlung der Rentenversicherungsbeiträge nicht geleistet werden könne, sei typisierend davon auszugehen, dass auch bei Selbständigen etwa die Hälfte der Rentenversicherungsbeiträge durch den Vorwegabzug steuerfrei gestellt worden seien. Da die Klägerin nur als "einfache Angestellte" tätig gewesen sei, dürfte der Vorwegabzug ganz überwiegend durch den Kläger geltend gemacht worden sein.
Auf dieser Grundlage ergebe sich ein aus versteuertem Einkommen geleisteter Rentenversicherungsbeitrag von insgesamt 152.431,45 €, der geringer sei als der vom Kläger angegebene Betrag der steuerfreien Rentenzuflüsse. Im Übrigen befinde sich der Kläger erst im zweiten Jahr seines voraussichtlich knapp 17 Jahre dauernden Rentenbezugs. Zu diesem frühen Zeitpunkt könne unter keinem Gesichtspunkt eine Doppelbesteuerung vorliegen. Danach könne offen bleiben, ob auch der Grundfreibetrag bei der Ermittlung der steuerlichen Belastung der Beitragszahlungen zu berücksichtigen sei.
Mit ihrer Revision wiederholen und vertiefen die Kläger ihr Vorbringen aus den früheren Verfahrensabschnitten. Sie tragen vor, noch über sämtliche Einkommensteuerbescheide seit 1962 zu verfügen, so dass das FG die tatsächliche Steuerentlastung der Beiträge hätte ermitteln können. Auf der Grundlage dieser Bescheide haben sie den aus versteuertem Einkommen getragenen Beitragsanteil für die Zeit der freiberuflichen Tätigkeit nunmehr mit 219.821,61 € angegeben.
Angesichts der Länge des Betrachtungszeitraums (im Streitfall von 1962 bis 2024) seien nicht die Nominalwerte, sondern abgezinste Barwerte zu vergleichen. Bei der Ermittlung der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge seien die gesetzlichen Höchstbeträge für den Sonderausgabenabzug nicht allein auf die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu beziehen. Vielmehr seien sämtliche vom Gesetzgeber seinerzeit zum Abzug zugelassenen Vorsorgeaufwendungen gleich zu behandeln, so dass insbesondere die von den Klägern geleisteten Lebensversicherungsbeiträge einzubeziehen seien.
Ferner rügen die Kläger eine Ungleichbehandlung zwischen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Bezügen aus Pensionskassen, die auf pauschal versteuerten Beiträgen beruhten und daher nur der Ertragsanteilsbesteuerung unterlägen.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 24. August 2010 dahingehend abzuändern, "dass die Renteneinkünfte verfassungskonform besteuert werden".Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Es bringt vor, für eine Berechnung des Besteuerungsanteils nach den individuellen Verhältnissen des einzelnen Steuerpflichtigen fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig.
Insbesondere ist das Erfordernis, dass die Revisionsbegründung einen Revisionsantrag enthalten muss (§ 120 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑), erfüllt. Auf einen förmlichen Revisionsantrag kann sogar ganz verzichtet werden, wenn sich aus der Begründung das Begehren des Revisionsklägers unzweideutig ergibt (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 8. August 2001 I R 29/00, BFHE 196, 178, BStBl II 2002, 392, unter B.I., m.w.N., und vom 11. Februar 2003 VII R 1/01, BFH/NV 2003, 1100, unter 1.). Vorliegend lässt der Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2008 dahingehend abzuändern, dass die Renteneinkünfte verfassungskonform besteuert werden, das Begehren der Kläger noch hinreichend erkennen. Allein der Umstand, dass ‑‑wie zumeist bei der Geltendmachung von Verstößen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz‑‑ möglicherweise mehrere Wege zur Erreichung der von den Klägern begehrten verfassungskonformen Besteuerung denkbar sind, steht der Annahme eines Mindestmaßes an Bestimmtheit des gestellten Antrags nicht entgegen. Hinzu kommt, dass die Kläger in ihrer Revisionsbegründung zahlenmäßig konkretisieren, in welchem Umfang sie eine einkommensteuerrechtliche Doppelbelastung ihrer Altersvorsorgeaufwendungen und Renteneinkünfte sehen.
Die Vorinstanz hat den ‑‑mit dem Revisionsantrag insoweit gleichlautenden‑‑ Klageantrag zudem dahingehend ausgelegt, dass die Kläger die Besteuerung der Leibrente mit dem Ertragsanteil begehren. Da dies ‑‑angesichts der diesem Begehren eindeutig entgegen stehenden gesetzlichen Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes (EStG)‑‑ nur dann erreicht werden könnte, wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die genannte Vorschrift für nichtig erklären sollte, kann der Revisionsantrag der Kläger zudem als Antrag auf eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstanden werden.
III.
Die Revision ist auch begründet.
Sie führt schon aus materiell-rechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Einer Entscheidung über die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.
Das FG hat nicht die erforderlichen, auf den Einzelfall bezogenen Feststellungen zum Umfang der steuerlichen Entlastung der Beiträge in der Beitragsphase getroffen (dazu unten 1.). Schon bei einer überschlägigen Prüfung auf der Grundlage der von den Klägern unterbreiteten Angaben kann weder ausgeschlossen noch festgestellt werden, dass der aus versteuertem Einkommen geleistete Teilbetrag der früheren Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers höher ist als der ihm künftig voraussichtlich steuerunbelastet zufließende Rentenbetrag. Aus diesem Grund stellt sich die Sache auch nicht i.S. des § 126 Abs. 4 FGO aus anderen Gründen als richtig dar, so dass sie zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurückgeht (unten 2.).
1. Mit den vom FG gegebenen Begründungen und Hilfsbegründungen lässt sich ein Absehen von einzelfallbezogenen Ermittlungen zu der Frage, ob es beim Kläger zu einer doppelten Besteuerung im Bereich der Altersvorsorge kommt (Versteuerung von Altersbezügen auch insoweit, als die entsprechenden Beiträge aus bereits versteuertem Einkommen geleistet wurden), nicht rechtfertigen.
a) Der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG und des erkennenden Senats zu diesem Problemkreis lässt sich entnehmen, dass dann, wenn der jeweilige Steuerpflichtige eine doppelte Besteuerung hinreichend substantiiert darlegt, eine einzelfallbezogene Betrachtung anzustellen ist.
aa) In seinem grundlegenden Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) hat das BVerfG die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten festgestellt und dem Gesetzgeber aufgegeben, mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eine Neuregelung zu schaffen. Am Schluss der Entscheidung (unter D.II.) hat es in Bezug auf die zu treffenden Übergangsregelungen ausgeführt: "In jedem Fall sind die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird." Anschließend heißt es, "im Übrigen" sei für die Abwägung zwischen den Erfordernissen folgerichtiger Ausrichtung der Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und den Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen ein weiter gesetzgeberischer Entscheidungsraum eröffnet.
bb) Der erkennende Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu dem mit dem AltEinkG vollzogenen Systemwechsel zum einen die nunmehrige grundsätzlich volle Einkommensteuerpflicht von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung ‑‑auch im Vergleich zu anderen, weiterhin nicht voll steuerpflichtigen Bezügen wie etwa Auszahlungen aus Verträgen über Lebens- oder private Rentenversicherungen‑‑ als verfassungsgemäß angesehen. Darüber hinaus hält der Senat auch die Grundsystematik der gesetzlichen Übergangsregelungen ‑‑insbesondere das Fehlen einer Differenzierung zwischen früheren Arbeitnehmern und früheren Selbständigen bei der Festlegung der Höhe des Besteuerungsanteils‑‑ für verfassungsgemäß (grundlegend Senatsentscheidungen vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420; vom 26. November 2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, und vom 19. Januar 2010 X R 53/08, BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567; zu der für die Beitragsseite geltenden Übergangsregelung Senatsurteil vom 18. November 2009 X R 34/07, BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414). Dabei hat der Senat in Bezug auf die allgemeine Ausgestaltung der Übergangsregelungen ausdrücklich auch gröbere Typisierungen und Generalisierungen als zulässig angesehen, da eine auf die individuellen Verhältnisse jedes einzelnen Steuerpflichtigen abstellende Übergangsregelung nicht administrierbar gewesen wäre (Urteil in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz 29, 32).
In Bezug auf eine im konkreten Einzelfall bestehende Doppelbelastungsproblematik hat der Senat indes ‑‑ohne dass dies allerdings bisher entscheidungstragend geworden ist‑‑ ausgesprochen, es sei "das zwingende Gebot des BVerfG zu beachten", dass Rentenzahlungen, soweit die zugrunde liegenden Beitragszahlungen aus versteuertem Einkommen geleistet worden seien, nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden dürften (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.7.b bb). Der Senat hat in seinen einschlägigen Entscheidungen stets darauf hingewiesen, dass nach der vom BVerfG gewählten Formulierung eine doppelte Besteuerung "in jedem Fall" zu vermeiden sei (Urteile in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c; in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz 68, 80; in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414, Rz 83; vom 4. Februar 2010 X R 58/08, BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579, und vom 18. Mai 2010 X R 29/09, BFHE 229, 309, BStBl II 2011, 591, Rz 43, 45) und das Verbot der doppelten Besteuerung "strikt" zu beachten sowie ihm "besondere Aufmerksamkeit zu widmen" sei (Urteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414, Rz 87; ebenso auch Förster, Deutsches Steuerrecht 2009, 141, 146; Hey, Deutsche Rentenversicherung 2004, 1, 3; Kulosa in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 338; a.A. Musil, Steuer und Wirtschaft 2005, 278, 283: kein absolutes Verbot). Allerdings sei eine verfassungsrechtliche Prüfung nicht bereits in der Beitragsphase, sondern erst beim späteren Rentenbezug vorzunehmen (Senatsurteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414, Rz 84 ff., m.w.N. auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Im Ergebnis liegt daher der Senatsrechtsprechung die Wertung zugrunde, dass Ungleichbehandlungen, die mit der Anwendung der mit dem AltEinkG geschaffenen Übergangsregelungen verbunden sind, angesichts der Komplexität der zu regelnden Materie und der außerordentlich hohen Zahl der betroffenen Steuerpflichtigen grundsätzlich solange hinzunehmen sind, als keine der Vergleichsgruppen einer unzulässigen doppelten Besteuerung unterworfen wird, sich also die regelungsimmanenten Ungleichbehandlungen vollständig im Bereich einer ‑‑wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß gewährten‑‑ Milderung des theoretisch durchaus auch in größerem Umfang möglichen Steuerzugriffs bewegen. Kann der jeweilige Steuerpflichtige aber nachweisen, dass es in seinem konkreten Einzelfall zu einer solchen doppelten Besteuerung kommt, ändert dies ‑‑auf der abstrakten Ebene‑‑ zwar nichts daran, dass er etwaige Abzugsbeschränkungen während der Beitragsphase hinnehmen muss. Ihm kann aber aufgrund der besonderen Umstände seines konkreten Einzelfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen (Gebote der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der folgerichtigen Ausgestaltung der Besteuerung, Verbot einer Übermaßbesteuerung) ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zukommen.
cc) In seinem Beschluss vom 29. September 2015 2 BvR 2683/11 (BStBl II 2016, 310) hat das BVerfG festgestellt, das Verbot der doppelten Besteuerung sei im jeweiligen Einzelfall ‑‑ungeachtet der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung im Allgemeinen‑‑ zu prüfen. Es hat damit die Senatsrechtsprechung bestätigt.
Das BVerfG hat (unter B.II.1. der Entscheidungsgründe) zunächst umfassend dargelegt, weshalb die Festlegung des Besteuerungsanteils in der gesetzlichen Übergangsregelung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) den allgemeinen Gleichheitssatz nicht verletzt, obwohl sie trotz der unterschiedlichen einkommensteuerlichen Vorbelastung der Beiträge nicht zwischen vormals Selbständigen und vormaligen Arbeitnehmern differenziert. Es hat allerdings schon im Rahmen dieser sich noch auf einer generalisierenden Ebene bewegenden Prüfungen ‑‑unter Bezugnahme auf die Formulierung in BVerfGE 105, 73, unter D.II.‑‑ ausgeführt, der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum finde im "Verbot der Doppelbesteuerung" (BVerfG-Beschluss in BStBl II 2016, 310, Rz 32) bzw. im "strikten Verbot der doppelten Besteuerung" (BVerfG-Beschluss in BStBl II 2016, 310, Rz 46) seine Grenze. Anschließend prüft es in einem gesonderten Abschnitt (unter B.II.2. der Entscheidungsgründe), ob im Fall des konkreten Verfassungsbeschwerdeführers eine "verfassungswidrige Doppelbesteuerung" vorliegt.
Aus dem systematischen Aufbau dieser Entscheidung folgt daher eindeutig, dass auch für das BVerfG ‑‑wie für den erkennenden Senat‑‑ eine verfassungsrechtliche Prüfung in derartigen Fällen nicht schon mit der Bejahung der generellen Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Übergangsregelung ihr Bewenden hat, sondern zusätzlich ‑‑sofern der konkrete Streitfall Anlass dazu gibt‑‑ zu prüfen ist, ob es im jeweiligen Einzelfall zu einer "strikt verbotenen" doppelten Besteuerung gekommen ist.
Dieselbe Prüfungssystematik liegt auch den weiteren BVerfG-Beschlüssen vom 30. September 2015 2 BvR 1066/10 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2016, 72) und 2 BvR 1961/10 (HFR 2016, 77) zugrunde.
b) Dem Gebot, "in jedem Fall" die steuerliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen so auf die Besteuerung der Altersbezüge abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird, hat das FG nicht hinreichend Rechnung getragen. Es hat von Ermittlungen zur konkreten Besteuerungssituation der Kläger mit der Begründung abgesehen, dies könne nicht bei jedem einzelnen Steuerpflichtigen geleistet werden.
Diese Begründung ist schon im Ansatz nicht tragfähig. Nach den für den Renteneintrittsjahrgang des Jahres 2007 maßgebenden Verhältnissen ist derzeit zwar in den weitaus meisten Fällen eine doppelte Besteuerung schon vom Grundsatz her ausgeschlossen. Wird aber ‑‑wie von den Klägern im Streitfall‑‑ substantiiert vorgetragen, dass das Verbot einer doppelten Besteuerung verletzt sei, ist es Aufgabe des FG, dem nachzugehen. Auch insoweit gilt der Amtsermittlungsgrundsatz.
Anders als in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen (vgl. Urteile in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c ee; in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz 69; in BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579, Rz 61; vom 4. Februar 2010 X R 52/08, BFH/NV 2010, 1253, Rz 69, und in BFHE 229, 309, BStBl II 2011, 591, Rz 44) hat das FG im Streitfall keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat erlauben, eine doppelte Besteuerung auszuschließen.
c) Auch die Hilfsbegründung des FG ist nicht tragfähig.
Es hat insoweit "zugunsten des Klägers" (gemeint wohl: zuungunsten des Klägers) unterstellt, dass nach dem Beginn einer Rente zunächst nur Zahlungen geleistet werden, die sich aus denjenigen Beiträgen speisen, die in der Beitragszahlungsphase steuerentlastet gewesen seien. Dann könne eine doppelte Besteuerung ohnehin erst gegeben sein ‑‑so wohl sinngemäß der Gedankengang des FG‑‑, wenn dieser Teil der Rente aufgebraucht sei und es zu Zahlungen komme, die sich aus Beiträgen speisen, die aus versteuertem Einkommen erbracht wurden.
Dies widerspricht der bisherigen Senatsrechtsprechung. Darin ist ausdrücklich ausgeführt, dass die gerichtliche Überprüfung des Verbots der doppelten Besteuerung "auf den Beginn des Rentenbezugs" vorzunehmen ist (so Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, Rz 97). Auch das BVerfG formuliert, ein Verstoß gegen das Verbot doppelter Besteuerung sei "in den Veranlagungszeiträumen der Versorgungsphase zu rügen, in denen die Altersbezüge der Besteuerung unterworfen werden" (Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169, unter B.I.2.b). Eine Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeit dahingehend, dass eine verfassungsrechtliche Prüfung erst am Ende der Rentenlaufzeit eröffnet sein könnte, lässt sich dieser Formulierung nicht entnehmen.
Grund hierfür ist, dass sowohl die Altersvorsorgebeiträge als auch die späteren Altersbezüge für Zwecke der Prüfung, ob es zu einer doppelten Besteuerung kommt, als einheitliches Ganzes zu sehen sind. Ebenso wie in der Beitragsphase in jedem Jahr steuerbelastete und steuerentlastete Beträge zusammentreffen, so treffen auch in jedem Jahr des Rentenbezugs steuerpflichtige und steuerfreie Bezüge zusammen. Dies folgt schon aus der gesetzlichen Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, nach der in jedem Jahr ‑‑bereits ab dem Jahr des Rentenbeginns‑‑ ein bestimmter steuerfreier Teilbetrag der Rente gewährt wird, die zugeflossenen Beträge im Übrigen aber der Besteuerung unterliegen. Das Gesetz ordnet gerade nicht an, die Steuerentlastung ausschließlich am Anfang oder ‑‑was wegen des ungewissen Endtermins des Rentenbezugs ohnehin technisch nicht möglich wäre‑‑ ausschließlich am Ende des Rentenbezugs geballt vorzunehmen.
Wegen dieser klaren gesetzlichen Regelung kommt es auch nicht in Betracht, lediglich für Zwecke der verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterstellen, dass erst die in der Schlussphase des Rentenbezugs zufließenden Zahlungen aus versteuerten Beiträgen stammen. Dies würde zudem den Anspruch der Rentner auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen eine etwaige doppelte Besteuerung in übermäßiger Weise verkürzen, weil eine solche doppelte Besteuerung dann in der Praxis regelmäßig erst durch die Erbengeneration geltend gemacht werden könnte.
2. Die vom FG bisher festgestellten Tatsachen ermöglichen keine Aussage dazu, ob es im Streitfall zu einer doppelten Besteuerung kommt.
a) Im zweiten Rechtsgang wird das FG zum einen die Höhe der dem Kläger voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge zu ermitteln haben.
aa) Insoweit ist zunächst der steuerfreie Jahresbetrag der Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG) maßgebend. Auf der Grundlage des vom Kläger für das Streitjahr 2008 erklärten Gesamtrentenbetrags von 19.839 € hat das FA insoweit einen steuerfreien Betrag von 9.126 € ermittelt.
Das FG kann allerdings im zweiten Rechtsgang Zweifeln nachgehen, die sich daraus ergeben, dass der Kläger für den einzigen Rentenbezugsmonat des Vorjahres (2007) eine Renteneinnahme von 1.755 € erklärt hat. Dies würde bei einer Hochrechnung auf zwölf Monate zu einem Jahresbetrag von 21.060 € führen, der den vom Kläger erklärten Rentenzufluss deutlich übersteigt.
Umgekehrt passt indes auch die ‑‑relativ geringe‑‑ Höhe der vom Kläger für das Streitjahr erklärten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus der Rente bei Zugrundelegung der hierfür geltenden Beitragssätze nicht zu dem angegebenen Rentenzahlbetrag von 19.839 €.
bb) Darüber hinaus kann sich das FG ‑‑je nach den Umständen des Einzelfalls‑‑ eine Auffassung dazu bilden, ob
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der steuerfreie Jahresbetrag der Rente mit der im Zeitpunkt des Renteneintritts gegebenen durchschnittlichen weiteren statistischen Lebenserwartung lediglich des Steuerpflichtigen selbst zu multiplizieren ist (so Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c ee), oder ob auch die auf statistischen Durchschnittswerten beruhende ‑‑höhere‑‑ Lebenserwartung eines Ehegatten mit Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen ist;
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der Werbungskosten-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG als zusätzliche Steuerfreistellung anzusehen ist;
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die Grundfreibeträge, die Sonderausgabenabzüge für die aus der Rente zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie die gemäß § 3 Nr. 14 EStG steuerfrei bleibenden Zuschüsse der Rentenversicherungsträger zu den Krankenversicherungsbeiträgen, die dem Steuerpflichtigen während der Zeit des Rentenbezugs zustehen, im Rahmen der Ermittlung des steuerfrei gestellten Rententeilbetrags zu berücksichtigen sind.
b) Der so ermittelte steuerfrei gestellte Rententeilbetrag ist zu vergleichen mit dem aus versteuertem Einkommen geleisteten Teil der Altersvorsorgeaufwendungen.
Als ersten Schritt wird das FG im zweiten Rechtsgang die Gesamtsumme der Rentenversicherungsbeiträge des Klägers festzustellen haben.
In einem zweiten Schritt wird zu klären sein, in welcher Höhe diese Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet wurden. Insoweit kommt es ‑‑anders als die Kläger meinen‑‑ nicht auf die Höhe der konkreten Einkommensteuerminderung an. Für die erforderliche Einzelberechnung kann das FG erwägen,
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ob für Zwecke der erforderlichen Vergleichsrechnung die für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Höchstbeträge für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen auch durch Beiträge insbesondere zu Lebens-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu solchen privaten Krankenversicherungen, deren Leistungen über das Versorgungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, aufgezehrt werden (offen gelassen im Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c cc; zum gleichrangigen Abzug der Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung s. unten d cc);
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wie der Vorwegabzug in Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten zuzuordnen ist;
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ob aus dem geleisteten Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung solche Anteile herauszurechnen sind, die kalkulatorisch nicht auf den Erwerb eines Anspruchs auf Altersrente entfallen;
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ob in Veranlagungszeiträumen, in denen die Einkommensteuer tatsächlich auf 0 DM/€ festgesetzt worden ist, überhaupt davon die Rede sein kann, ein Teil der Altersvorsorgeaufwendungen sei aus versteuertem Einkommen geleistet worden.
c) Sollte sich im zweiten Rechtsgang ergeben, dass die steuerfreien Rentenbezüge geringer sind als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen, hätte das FG noch darüber zu befinden, ob eine doppelte Belastung bis zu einer gewissen Bagatellgrenze hinzunehmen sein könnte.
d) Demgegenüber hat der Senat die folgenden ‑‑von den Klägern gleichwohl nochmals in Frage gestellten‑‑ Einzelfragen zu den Modalitäten der vorzunehmenden Berechnung bereits entschieden:
aa) Die Berechnung ist auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen. Dies gilt ungeachtet der Kritik der Kläger und des Umstands, dass der Betrachtungszeitraum für die Beurteilung, ob die einkommensteuerrechtliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen und der Altersbezüge im jeweiligen Einzelfall aufeinander abgestimmt ist, notwendigerweise eine Spanne von mehreren Jahrzehnten umfassen muss. Diese Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des BVerfG (z.B. jüngst BVerfG-Beschluss in BStBl II 2016, 310, Rz 51 ff.) und des erkennenden Senats (Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c aa; ausführlich Urteil in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz 70 ff.) geklärt.
bb) Auch mit dem Einwand der Kläger, zu ihren Lasten bestehe eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Beziehern von Rentenzahlungen aus Pensionskassen ‑‑insbesondere den Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes‑‑, hat sich der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567 (Rz 38) befasst. Somit gehörten nach der bis einschließlich 2007 geltenden Rechtslage Beiträge zu umlagefinanzierten Pensionskassen zum grundsätzlich voll steuerpflichtigen Arbeitslohn, so dass dieser Teil der Altersvorsorge dem System der vorgelagerten Besteuerung zugewiesen war. Die weitere Anwendung der Ertragsanteilsbesteuerung auf die Auszahlungen aus derartigen Altersversorgungssystemen (§ 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG) ist dann nur folgerichtig. Soweit die Beiträge zu Pensionskassen gemäß § 40b EStG pauschal versteuert werden konnten, ist darauf hinzuweisen, dass auch die Pauschalversteuerung eine Form der Einkommensbesteuerung ‑‑nur eben mit einem im Regelfall günstigeren Steuersatz‑‑ darstellt und daher rechtssystematisch nicht etwa einer Steuerbefreiung der Beiträge gleich zu achten ist.
Soweit für Beiträge zu kapitalgedeckten Pensionskassen seit 2002 (§ 3 Nr. 63 EStG) bzw. für Beiträge zu umlagefinanzierten Pensionskassen seit 2008 (§ 3 Nr. 56 EStG) Steuerbefreiungen vorgesehen sind, hat der Gesetzgeber in § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG folgerichtig angeordnet, dass entsprechende Auszahlungen in voller Höhe ‑‑nicht etwa nur mit dem Besteuerungsanteil wie die Rentenbezüge des Klägers‑‑ der Besteuerung unterliegen.
cc) Ebenso ist bereits entschieden, dass die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung gleichrangig in die Berechnung des abziehbaren Teils der Altersvorsorgeaufwendungen einzustellen sind (Senatsurteile in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c cc, und in BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, Rz 37; BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, unter C.II.1.b).
e) Die Feststellungslast für das Vorliegen einer etwaigen verfassungswidrigen doppelten Besteuerung liegt bei dem Steuerpflichtigen, der aus einem derartigen Tatbestand ihm günstige Rechtsfolgen ‑‑Milderung der Besteuerung seiner Altersbezüge‑‑ ableiten will.
aa) Der Steuerpflichtige ist daher insbesondere gehalten, dem FG Darlegungen zu seiner Erwerbsbiographie und zum Rentenversicherungsverlauf zu unterbreiten, zumal diese Tatsachen ohnehin aus seiner Sphäre stammen und entsprechende Unterlagen ihm in aller Regel vorliegen werden. Diesem Teil der Darlegungsanforderungen haben die Kläger im Streitfall genügt.
bb) Darüber hinaus trägt der Steuerpflichtige auch die Feststellungslast für die ‑‑in vielen Fällen für die rechnerische Feststellung einer doppelten Besteuerung entscheidende‑‑ frühere einkommensteuerrechtliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen in seinem konkreten Einzelfall. Zwar bestehen weder für die Steuerpflichtigen noch für die Finanzverwaltung Rechtspflichten, Einkommensteuerbescheide zeitlich unbegrenzt aufzubewahren. Wer sich jedoch darauf beruft, dass eine ‑‑wie hier‑‑ grundsätzlich verfassungsgemäße gesetzliche Regelung lediglich aufgrund der in seinem konkreten Einzelfall gegebenen Besonderheiten verfassungsrechtlich problematische Wirkungen (hier: eine doppelte Besteuerung) entfaltet, hat zu diesen Besonderheiten seines Einzelfalls grundsätzlich konkreten und substantiierten Sachvortrag zu leisten und im Falle der Nichterweislichkeit seines Vorbringens die damit verbundenen möglichen Rechtsnachteile hinzunehmen.
Die Kläger haben hierzu vorgetragen, alle ihre Einkommensteuerbescheide seit Beginn der Rentenbeitragspflicht lückenlos vorlegen zu können.
cc) Die lückenlose Vorlage von Einkommensteuerbescheiden ist allerdings nicht das einzige Mittel, um den Anforderungen zu genügen, die an die Darlegung einer im konkreten Einzelfall gegebenen verfassungswidrigen doppelten Besteuerung zu stellen sind. Vielmehr lässt sich die Höhe der Beitragszahlungen zur Rentenversicherung (auch des jeweiligen Ehegatten) im Allgemeinen den Rentenversicherungsverläufen entnehmen, die jedem Versicherten vorliegen. Aus diesen Beitragszahlungen kann dann wiederum die Höhe des Gehalts bzw. der sonstigen beitragspflichtigen Einnahmen ‑‑jedenfalls bis zur Beitragsbemessungsgrenze‑‑ abgeleitet werden. Da zudem die ‑‑in den einzelnen Jahren variierende‑‑ Höhe der Beitragssätze zu den anderen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung bekannt ist, ergibt sich bei Kenntnis der beitragspflichtigen Einnahmen durch einen einfachen Rechenvorgang auch der Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung. Dieser Gesamtbeitrag bildet wiederum die Tatsachengrundlage, um in Anwendung des § 10 Abs. 3 EStG in der im jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung eine Höchstbetragsberechnung vornehmen zu können.
dd) Wenn dem jeweiligen Steuerpflichtigen einzelfallbezogene Angaben ausnahmsweise nicht möglich oder zumutbar sind, ist der Anteil der aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen nach sachgerechten Maßstäben zu schätzen.
Bei Schätzungen sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für sie von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung); Typisierungen müssen realitätsgerecht sein (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, unter D.I., m.w.N.).
Daher existiert keine tatsächliche Grundlage für die Annahme des FG, auch bei Selbständigen sei während der Beitragsphase durchschnittlich nur etwa die Hälfte der Altersvorsorgeaufwendungen aus versteuertem Einkommen geleistet worden. Beispielsweise hat bei Zugrundelegung der Daten des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger ein Selbständiger, der ‑‑wie zumeist der Kläger‑‑ Beiträge nach Maßgabe der Beitragsbemessungsgrenze gezahlt hat, in allen Jahren von 1985 bis 2004 mindestens 70 % (zuletzt sogar bis zu 80 %) der Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet; in den Jahren 1972 bis 1984 waren es immerhin jeweils zwischen 60 % und 70 % (vgl. Broer, Betriebs-Berater 2004, 527, Abbildung 5).
Bei einer solchen Schätzung wird daher im Allgemeinen sowohl nach der Höhe der Beiträge ‑‑je höher die Beiträge waren, desto geringer fiel der prozentuale Anteil der tatsächlich als Sonderausgaben abziehbaren Beiträge aus‑‑ als auch danach zu differenzieren sein, ob der Steuerpflichtige Anspruch auf steuerfreie Leistungen des Arbeitgebers für seine Altersvorsorge hatte.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.