BFH V. Senat
AO § 14, EStG § 6 Abs 1 Nr 4 S 4, EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 15 Abs 3 Nr 2, KStG § 5 Abs 1 Nr 9, KStG VZ 2011 , EStG VZ 2011
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 09. Oktober 2013, Az: 10 K 158/13
Leitsätze
Beteiligt sich eine gemeinnützige Stiftung an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaft, unterhält sie auch dann keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, wenn die Personengesellschaft zuvor originär gewerblich tätig war (Fortsetzung des BFH-Urteils vom 25. Mai 2011 I R 60/10, BFHE 234, 59, BStBl II 2011, 858) .
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10. Oktober 2013 10 K 158/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Beteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führt.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine als gemeinnützig anerkannte rechtsfähige Stiftung, die 1990 von den Eheleuten B. mit einem Grundstockvermögen von 100.000 DM gegründet worden war. Stiftungszwecke sind die Förderung des Tierschutzes, des Sports und des Umweltschutzes. Nach dem Tode der Frau B. erbte die Klägerin deren Kommanditanteil (100 %) an der B-GmbH & Co. KG (KG) sowie alle Anteile an der Komplementär-GmbH.
Die KG betrieb ursprünglich einen Schuhwareneinzelhandel mit Schuhgeschäften in A, B und C. Seit 1986 nutzte die KG ihr Betriebsgrundstück in A nicht mehr für Schuhwareneinzelhandel, sondern vermietete dieses Wohn- und Geschäftshaus an einen Dritten. Zum 30. Juni 2006 beendete die KG ihre Tätigkeit als Schuhwareneinzelhändler und veräußerte alle ihre Filialen. Im Betriebsvermögen verblieb lediglich das Wohn- und Geschäftshaus in A. Dieses Gebäude wurde umgebaut und danach eine (ehemalige) Wohnung als Büroraum für die KG und die Klägerin genutzt. Die übrigen Räumlichkeiten vermietet die KG an gewerbliche Mieter oder Wohnungsmieter. Weitere wirtschaftliche Betätigungen übt die KG seitdem nicht aus.
Gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) deklarierte die KG die Veräußerung der Schuhgeschäfte im Jahre 2006 als Teilbetriebsveräußerung i.S. der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dem folgte das FA, da es sich nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten bei dem Grundstück in A im Jahr 2006 nicht (mehr) um eine wesentliche Betriebsgrundlage des Schuhwareneinzelhandels gehandelt habe. Ebenso gewährte das FA der KG für die Folgejahre die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 Gewerbesteuergesetz.
Die Klägerin behandelte ihre Beteiligung an der KG seit 2006 zunächst als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser Betrachtung schloss sich das FA an und erfasste im Streitjahr (2011) als Beteiligungsergebnis einen Gewinn von 101.082 €. Dementsprechend setzte das FA die Körperschaftsteuer für das Streitjahr in Höhe von 14.412 € fest. Dagegen wandte sich die Klägerin infolge des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Mai 2011 I R 60/10 (BFHE 234, 59, BStBl II 2011, 858) mit ihrem Einspruch und machte die Steuerfreiheit der Beteiligungseinkünfte geltend.
Die Klage war erfolgreich: Das Finanzgericht (FG) hob in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 111 veröffentlichten Urteil die Körperschaftsteuerfestsetzung für das Streitjahr auf. Die Klägerin sei durch § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (KStG) von der Steuer befreit. Ihre Beteiligung an der gewerblich nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG geprägten KG führe nicht zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 der Abgabenordnung (AO), weil es sich dabei der Sache nach um Vermögensverwaltung handele. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die KG zuvor als Schuhhändlerin originär gewerbliche Einkünfte erzielt habe.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA: Die ursprünglich originär gewerbliche Tätigkeit der KG sei bis zur endgültigen Auflösung der im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven fortgeführt worden. Die Beteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer zuvor gewerblich tätigen Personengesellschaft müsse solange dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet werden, bis die während der gewerblichen Tätigkeit gebildeten stillen Reserven aufgedeckt und der Besteuerung zugeführt würden.
Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Die fiktionalen gewerblichen Einkünfte auf der Ebene der KG seien auf der Ebene des gemeinnützigen Gesellschafters ‑‑der Klägerin‑‑ aufgrund der ausschließlich vermögensverwaltenden Tätigkeit der KG nicht von § 14 AO erfasst. Überdies könne auch eine gewerblich tätige Gesellschaft ein Betriebsgrundstück einer gemeinnützigen Stiftung zum Buchwert zuwenden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist als unbegründet nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend keine Körperschaftsteuer für das Streitjahr festgesetzt. Denn die Klägerin ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit.
Die Befreiung ist nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG ausgeschlossen. Die Klägerin unterhält mit ihrer Beteiligung an der KG keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
1. Nach § 14 AO ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist ebenso wenig erforderlich (§ 14 Satz 2 AO) wie eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
Einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet in der Regel, wer als steuerbefreite Körperschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG erzielt. Dazu zählt auch die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Beteiligt sich eine gemeinnützige Stiftung ‑‑wie hier‑‑ indes an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG), liegt kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor (dazu und zum vorstehenden BFH-Urteil in BFHE 234, 59, BStBl II 2011, 858, m.w.N.).
Dieser Rechtsprechung des I. Senats des BFH folgt der erkennende Senat (so auch die einhellige Auffassung im Schrifttum, vgl. Märtens in Gosch KStG, 3. Aufl., § 5 Rz 43; Kümpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 5 Rz 25; Kruschke in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 5 KStG Rz 178; Blümich/ von Twickel, § 5 KStG Rz 188). Sie ergibt sich aus dem Zweck der Besteuerung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe, die aus Gründen der Wettbewerbsneutralität von der Steuerbefreiung ausgenommen sind. Vermögensverwaltenden Tätigkeiten ‑‑auch solchen, die kraft der in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG enthaltenen Fiktion als gewerblich gelten‑‑ misst § 14 Satz 2 AO aber keine Bedeutung für die Wettbewerbsneutralität zu (so BFH-Urteil in BFHE 234, 59, BStBl II 2011, 858, Rz 12, m.w.N.).
2. Die Klägerin ist als steuerbefreite Stiftung an der KG beteiligt, die lediglich aufgrund von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb gilt.
Sie übt keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus, indem sie ihr früheres Betriebsgrundstück in A weiterhin verpachtet. Allerdings kann seinen Betrieb unter bestimmten Voraussetzungen fortführen, wer ihn verpachtet. Diese sog. Betriebsverpachtungsgrundsätze sind nicht nur anzuwenden, wenn der Betrieb im Ganzen als geschlossener Organismus verpachtet wird; sie gelten auch dann, wenn zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet werden. Indes führt die Veräußerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auch ohne ausdrückliche Erklärung zur Betriebsaufgabe mit der Folge, dass dann nur noch die einzelnen, dem Privatvermögen zuzurechnenden Gegenstände verpachtet sind (vgl. eingehend dazu BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, Rz 19 ff., m.w.N.; aus dem Schrifttum Blümich/ Schallmoser, EStG, § 16 Rz 443 ff., 448, m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung nicht vor: Die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Schuheinzelhandels, die von der KG betriebenen Filialen, wurden allesamt veräußert. Lediglich das Grundstück in A wurde von der KG weiterhin durch Verpachtung genutzt. Es diente aber bereits seit 1986 nicht mehr dem Einzelhandel, sondern wurde als Wohn- und Geschäftshaus an Dritte vermietet. Es bildete bei dem Verkauf der Filialen und der damit verbundenen Einstellung des Schuheinzelhandels im Jahr 2006 mithin keine wesentliche Betriebsgrundlage. Dies entspricht dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten. Damit ist die KG mit der Verpachtung nicht originär gewerblich (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG), sondern vermögensverwaltend tätig.
Die KG erfüllt auch die personengebundenen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Bei ihr ist ‑‑was sich aus den vom FG beigezogenen Steuerakten der KG eindeutig ergibt‑‑ ausschließlich die Komplementär-GmbH persönlich haftende Gesellschafterin.
3. Begründet die Beteiligung der Klägerin an der KG mithin keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO, so ändert sich daran entgegen der Auffassung des FA nichts, soweit die gewerblich geprägte Personengesellschaft zuvor ‑‑wie hier die KG bis 2006‑‑ (originär) gewerblich tätig war. Daraus folgt nicht, die Beteiligungserträge einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb so lange zuzurechnen und zu besteuern, bis die während der gewerblichen Tätigkeit der KG gebildeten stillen Reserven des Betriebsvermögens aufgedeckt und der Besteuerung zugeführt sind. Abgesehen davon, dass für eine derartige Besteuerung nicht aufgedeckter stiller Reserven eine Rechtsgrundlage fehlt, ist auch eine Besteuerungslücke nicht erkennbar. Die Argumentation des FA zielt darauf ab, dass die stillen Reserven im früheren Betriebsgrundstück nicht unversteuert bleiben dürften. Dies sei aber zu befürchten, da die Erträge der Klägerin auch aus der Veräußerung ihrer Beteiligung an der KG steuerfrei seien.
Diese Steuerfreiheit ist aber dem Gesetz inhärent. Wie die Revisionserwiderung zutreffend hervorhebt, hätte nämlich auch eine gewerblich tätige KG ihr im Betriebsvermögen gehaltenes Grundstück ‑‑ebenso im Rahmen einer Betriebsaufgabe (so Einkommensteuer-Richtlinien 16 (2) Satz 7)‑‑ zum Buchwert entnehmen und auf eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG begünstigte Körperschaft zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke übertragen können, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG. Durch dieses sog. Buchwertprivileg gelingt eine vom Gesetz erlaubte Verlagerung der stillen Reserven in den steuerfreien Bereich genauso wie im Streitfall. In beiden Fällen wird "die wirtschaftliche Grundlage der gemeinnützigen ... Institutionen" erweitert (vgl. dazu BTDrucks V/3890, S. 20; eingehend Seer, Entnahme zum Buchwert bei unentgeltlicher Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine gemeinnützige GmbH oder Stiftung, GmbH-Rundschau 2008, 785 ff.; HHR/Schober, § 6 EStG Rz 840 f.; Schindler in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 6 Rz 175; Schmidt/Kulosa, EStG, 34. Aufl., § 6 Rz 541).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.