BFH V. Senat
UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, EGRL 112/2006 Art 168, UStG VZ 2008
vorgehend FG Düsseldorf, 29. Januar 2015, Az: 1 K 1523/14 U
Leitsätze
Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30. Januar 2015 1 K 1523/14 U aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beabsichtigte die Aufnahme einer unternehmerischen (wirtschaftlichen) Tätigkeit über eine von ihm zu gründende GmbH, deren Alleingesellschafter er sein sollte. Geplant war der Erwerb der Vermögensgegenstände der bereits langjährig im Geschäft mit Bauelementen tätigen B-GmbH. Der Kläger bezog hierfür Beratungsleistungen einer Unternehmensberatung zur Existenzgründung sowie eines Rechtsanwalts zu einem (geplanten) Unternehmenskauf. Der Erwerb der Vermögensgegenstände der B-GmbH unterblieb ebenso wie die GmbH-Gründung.
Der beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) nicht als Unternehmer geführte Kläger machte mit seiner Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2008 den Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die von ihm bezogenen Beratungsleistungen geltend. Das FA lehnte dies ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 686 veröffentlichten Urteil statt. Der Kläger sei ‑‑unter Berücksichtigung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH)‑‑ als Einzelperson vergleichbar einer Vorgründungsgesellschaft berechtigt, aus Rechnungen über von ihm bezogene Beratungsleistungen zum Zwecke der Vorbereitung und Errichtung einer Ein-Mann-GmbH den Vorsteuerabzug vorzunehmen. Es habe objektiv erkennbar die Absicht bestanden, mit der Ein-Mann-GmbH umsatzsteuerpflichtige Umsätze auszuführen. Dem Vorsteuerabzug stehe weder der Umstand, dass zu keinem Zeitpunkt umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze getätigt wurden, noch die Tatsache entgegen, dass es tatsächlich nicht zur Gründung der Ein-Mann-GmbH gekommen sei. Unerheblich sei auch, dass der Kläger bei Bezug der Eingangsleistungen in der Gründungsphase nicht selbst als natürliche Person besteuerte Umsätze ausführen wollte. Es sei zudem mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht vereinbar, zwischen einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft ohne Vorgründungsgesellschaft und einer Zwei-Mann-Kapitalgesellschaft mit Vorgründungsgesellschaft zu unterscheiden.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Anders als bei Vorgründungsgesellschaft und GmbH blieben natürliche Person und GmbH stets unterschiedliche Steuersubjekte. Damit fehle es an der Vergleichbarkeit. Auch der Gesellschafter stehe der GmbH als Dritter gegenüber. Die vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen könnten auch zur Einschätzung des Werts einer GmbH-Beteiligung gedient haben. Es hätten auch andere Gestaltungsmöglichkeiten für die Erlangung des Vorsteuerabzugs bestanden.
Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der Kläger ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
1. Der Vorsteuerabzug steht nach den insoweit übereinstimmenden Regelungen des nationalen Rechts wie auch des Unionsrechts nur Unternehmern ("Steuerpflichtigen") zu. So setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG einen Leistungsbezug durch einen Unternehmer für dessen Unternehmen voraus und berechtigt Art. 168 MwStSystRL den Steuerpflichtigen "für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze" zum Vorsteuerabzug.
2. Der Kläger ist nicht aufgrund einer eigenen unternehmerischen (wirtschaftlichen) Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Er beabsichtigte nicht, als Einzelunternehmer eine derartige Tätigkeit aufzunehmen.
3. Der Kläger ist auch nicht als Gesellschafter einer zu gründenden GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist der Gesellschafter nur dann Unternehmer (Steuerpflichtiger), wenn er entgeltliche Leistungen im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt (vgl. hierzu zuletzt EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 Larentia + Minerva, und C-109/14 Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 19 ff.). Danach sind der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten, die den Gesellschafter zum Steuerpflichtigen (Unternehmer) machen, da der bloße Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen darstellt. Anders ist es nur, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht und es sich hierbei um eine wirtschaftliche Tätigkeit gegen Entgelt handelt.
Hieran fehlt es im Streitfall. Nach den Feststellungen des FG beabsichtigte der Kläger nicht, gegenüber der zu gründenden GmbH entgeltliche Leistungen zu erbringen.
4. Der Kläger ist schließlich auch nicht aufgrund eines Übertragungsvorgangs auf eine zu gründende Gesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll.
a) Nach der EuGH-Rechtsprechung kann das Recht auf Vorsteuerabzug auch im Zusammenhang mit Übertragungsvorgängen auf Gesellschaften bestehen.
aa) Nach dem EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-137/02 Faxworld (EU:C:2004:267) ist eine Vorgründungsgesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Vorgründungsgesellschaft ist Steuerpflichtige, da sie die Veräußerung der von ihr erworbenen Vermögensgegenstände auf die noch zu gründende Aktiengesellschaft bewirkt (EuGH-Urteil Faxworld, EU:C:2004:267, Rz 26 und 30).
Damit die Vorgründungsgesellschaft zudem "für die Zwecke ihrer besteuerten Umsätze" (Art. 168 MwStSystRL, und EuGH-Urteil Faxworld, EU:C:2004:267, Rz 31) handelt, reicht es aus, dass im Verhältnis zwischen Vorgründungsgesellschaft und Aktiengesellschaft eine Geschäftsveräußerung vorliegt, aufgrund derer es zu einer Rechtsnachfolge kommt (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG und Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL), so dass die "Vorgründungsgesellschaft als Übertragender die besteuerten Umsätze des Begünstigten der Übertragung, nämlich der Aktiengesellschaft, berücksichtigen" kann (EuGH-Urteil Faxworld, EU:C:2004:267, Rz 42).
bb) Im Urteil vom 1. März 2012 C-280/10 Polski Trawertyn (EU:C:2012:107) hat der EuGH zu einem "Investitionsumsatz", bei dem es sich um die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft handelte, entschieden, dass Art. 9, 168 und 169 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der weder die Gesellschafter einer Gesellschaft noch die Gesellschaft ein Recht auf Vorsteuerabzug für Investitionskosten geltend machen dürfen, die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft von den Gesellschaftern für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden.
cc) Schließlich hat der EuGH im Urteil vom 13. März 2014 C-204/13 Malburg (EU:C:2014:147) entschieden, dass die unentgeltliche Überlassung eines Mandantenstamms durch den Gesellschafter an seine Gesellschaft anders als die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft nicht in den Anwendungsbereich der Steuer fällt und auch keine wirtschaftliche Tätigkeit ist (EuGH-Urteil Malburg, EU:C:2014:147, Rz 35; vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 26. August 2014 XI R 26/10, BFHE 247, 269, unter II.2.). Nach dem Urteil des EuGH führt selbst der Neutralitätsgrundsatz nicht zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des Vorsteuerabzugs (EuGH-Urteil Malburg, EU:C:2014:147, Rz 43).
b) Der Kläger ist auch unter Berücksichtigung dieser EuGH-Rechtsprechung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Dabei scheitert der Vorsteuerabzug nicht daran, dass die Gründung der GmbH entgegen der ursprünglichen Planung des Klägers als künftiger GmbH-Gesellschafter unterblieben ist.
Maßgeblich ist vielmehr, dass die vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen ‑‑anders als die Vermögensgegenstände in den EuGH-Urteilen Faxworld (EU:C:2004:267) und Polski Trawertyn (EU:C:2012:107) zugrunde liegenden Rechtssachen‑‑ auch im Fall einer tatsächlich gegründeten GmbH nicht auf die GmbH übertragbar waren. Durch die vom Kläger bezogenen Leistungen sind keine auf eine GmbH übertragbaren Vermögenswerte ("Investitionsgüter") entstanden.
Bestätigt wird dies durch das EuGH-Urteil Malburg (EU:C:2014:147), nach dem eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung kein Recht auf Vorsteuerabzug des Gesellschafters begründet. Dies gilt auch für denjenigen, der eine Gesellschaftsgründung zwar beabsichtigt, aber aufgrund des Scheiterns der Gesellschaftsgründung nicht Gesellschafter wird.
5. Das Urteil des FG, das die EuGH-Rechtsprechung im Hinblick auf das Erfordernis einer Vermögensübertragung nicht zutreffend gewürdigt hat, ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Mangels Vermögensübertragung stellt sich die vom FG aufgeworfene Frage nach einer ggf. unzulässigen Differenzierung zwischen Ein-Mann-Kapitalgesellschaft ohne Vorgründungsgesellschaft und Zwei-Mann-Kapitalgesellschaft mit Vorgründungsgesellschaft im Streitfall nicht.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.