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Beschluss vom 11. November 2015, I B 3/15

Rückstellungen für Kosten eines zukünftigen Prozesses (hier: Schiedsgerichtsverfahren)

BFH I. Senat

EStG § 5 Abs 1, KStG § 8 Abs 1, FGO § 115 Abs 2, FGO § 116 Abs 3 S 3, HGB § 249 Abs 1 S 1, EStG VZ 2006 , EStG VZ 2007

vorgehend FG Düsseldorf, 08. Dezember 2014, Az: 6 K 9/13 K,G,F

Leitsätze

NV: Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten können nur gebildet werden, wenn die für das Entstehen der Schuld erforderlichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale am Bilanzstichtag erfüllt sind. Ein zukünftiger Prozesskostenaufwand für einen am Bilanzstichtag noch nicht anhängigen Prozess kann deshalb grundsätzlich nicht zurückgestellt werden. Anderes kann allerdings dann gelten, wenn sich unter Würdigung der Gesamtumstände am Bilanzstichtag die (spätere) Klageerhebung nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 9. Dezember 2014  6 K 9/13 K,G,F wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ‑‑eine GmbH‑‑ unterhielt als Vertriebsgesellschaft Geschäftsbeziehungen mit der in Frankreich ansässigen D. Nachdem Letztere die Vertragsvereinbarung mit der Klägerin im April 2007 gekündigt hatte, leitete die Klägerin aufgrund einer entsprechenden Abrede in Art. 10 der Vertriebsvereinbarung im März 2008 ein Schiedsgerichtsverfahren ein. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erkannte die auf den Ablauf des Streitjahres 2007 gebildete Rückstellung für zukünftige Prozesskosten über 517.484 € nicht an. Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide für 2006 und 2007 wurde vom Finanzgericht (FG) unter Hinweis auf die Grundsätze des Senatsurteils vom 6. Dezember 1995 I R 14/95 (BFHE 180, 258, BStBl II 1996, 406) abgewiesen und die Revision nicht zugelassen (FG Düsseldorf, Urteil vom 9. Dezember 2014  6 K 9/13 K,G,F).

Entscheidungsgründe

  1. II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde ist zu verwerfen, da sie nicht den Anforderungen an die Darlegung der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Revisionszulassungsgründe genügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

  2. 1. Soweit die Klägerin rügt, es sei von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob Rückstellungen für zukünftige Prozesskosten nur nach "Existenz" eines Prozesses oder auch aufgrund anderer ‑‑der Prozesseinleitung‑‑ vorgelagerter Umstände zu bilden sind, ist ihr Vortrag unschlüssig. Die Ausführungen lassen außer Acht, dass die Frage bereits mit Senatsurteil in BFHE 180, 258, BStBl II 1996, 406 dahin entschieden wurde, dass Verbindlichkeitsrückstellungen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs i.V.m. § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 und § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002) nur gebildet werden können, wenn die für das Entstehen der Schuld erforderlichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale am Bilanzstichtag erfüllt sind, und deshalb ein zukünftiger Prozesskostenaufwand für einen am Bilanzstichtag noch nicht anhängigen Prozess grundsätzlich nicht zurückgestellt werden kann; zugleich hat der Senat jedoch im Hinblick auf etwaige Kosten eines noch nicht eingelegten Rechtsmittels gegen ein am Bilanzstichtag noch nicht ergangenes vorinstanzliches Urteil erwogen, von einer wirtschaftlichen Erfüllung der wesentlichen Tatbestandsmerkmale bereits dann auszugehen, wenn sich unter Würdigung der Gesamtumstände die tatsächliche Einlegung des Rechtsmittels am Bilanzstichtag nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt. Demgemäß wäre es für eine schlüssige Rüge erforderlich gewesen, dass die Klägerin sich mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt hätte, aus welchen Gründen hiernach im anhängigen Verfahren noch ein grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht.

  3. 2. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass D zunächst vor dem Landgericht … Klage erhoben und diese mit Rücksicht auf das anstehende schiedsgerichtliche Verfahren noch im Dezember 2007 zurückgenommen habe, ist auch dies nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das FG keine Feststellungen zum konkreten Gegenstand beider Gerichtsverfahren getroffen hat und auch die Beschwerdeschrift hierzu keine substantiierten für den Senat nachvollziehbaren Erläuterungen enthält. Hinzu kommt, dass die Prozessvertreterin noch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG auf Nachfrage ausweislich des Protokolls erklärt hatte, keine Kenntnis über den Zeitpunkt der Klagerücknahme zu haben. Demgemäß handelt es sich auch insoweit um einen neuen Vortrag, der in einem Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden könnte (§ 118 Abs. 2 FGO) und der deshalb auch nicht geeignet ist, die Revision zu eröffnen.

  4. 3. Im Übrigen sieht der Senat von einer Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

  5. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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